Kampf gegen das Schicksal von Faylen7 (Wunden der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 23: ------------ So langsam geht es mehr um Links Ursprünge, ich hoffe, es wird alles klarer... lg an alle Leser... und bitte bleibt der Story treu. *smile* Kapitel 23 Auf dem breiten Burginnenhof, wo einerseits das stattliche, dunkle Gebäude der Ritterschule emporragte und auf der anderen das edle Gebäude der Mädchenschule stand, herrschte Aufregung und Trubel. Viele Holzbänke und Tische waren aufgestellt und von der kleinen Kneipe ,Zum lustigen Hylianer’ bediente der Wirt hier hungrige Mäuler. In den umzäunten Arenen, wo Übungsstunden mit dem Schwert stattfanden, zeigten ältere Schüler ihr Können. Und Leneys Wandertruppe mit Schaustellern, Künstlern verschiedener Gauklerbereiche und Musikern baute gerade Manegen für ihre lustigen Vorführungen auf. Verkaufshungrige Hylianer priesen ihre Ware an, die sie an kleinen Ständen anboten. Dinge wie Süßspeisen, Ausrüstungsgegenstände und irgendwelche Dienstleistungen, wie zum Beispiel die eines jungen Barbiers. Sogar einen verrückten Gelehrten hatte es hierher verschlagen, der unsinnige Geschichten erzählte von einer Welt mit einer neuen Energie, so wie er sie nannte. Jene Energie, so erzählte er, wäre gänzlich verschieden von der Magie, die man in Hyrule praktizierte. Es wäre eine neue Form von Wissenschaft. Eine neue Möglichkeit das Leben zu gestalten. William Laundry und Link saßen auf einer der vielen Holzbänke und hörten dem Gelehrten zu, der wahrhaft lobgepriesen von dem neuen Wunderwerk, wie er es nannte, redete. „Glaubst du seinen Erzählungen?“, fragte Link, beinahe gelangweilt und mehr mit sich selbst redend. Will stützte seinen Kopf in die Hände und erwiderte: „Warst du schon mal in Labrynna?“ Link nickte. „Ist aber schon lange her... und ich war nur kurz dort, weil ich einen Auftrag erledigen musste.“ Will verzog die Augenbrauen und meinte herausfordernd: „Gibt es eigentlich einen Ort, an dem du noch nicht warst?“ Link schaute noch gelangweilter zu seinem Kumpel und murrte genervt: „Möglicherweise nicht, sonst wäre ich wohl nicht hier!“ Will atmete laut aus und ignorierte Links merkwürdige Schübe von Wut und Schwermut und erklärte: „In Labrynna hat man vor drei Jahren damit begonnen, diese neue Form von Energie zu verwenden...“ „Und? Ist sie hilfreich?“ Will schüttelte den Kopf. „Es gab Aufstände deswegen und überall hat man merkwürdige Dinge entlanggelegt und komische Gegenstände aufgestellt. Jeder wollte diese Energie haben und es gab sogar Tote, die irre Schläge abbekommen haben, als sie die neue Energie nutzen wollten. Außerdem meinte Vater, dass jene Energie dazu führe, das, was in unseren Wurzeln steckt, zu Nichte zu machen. Er meinte, es zerstöre Magie.“ „Interessant...“, murmelte Link, hüpfte auf die Beine und trat näher zu dem bärtigen Gelehrten, der eine große, runde Brille auf der Nase trug und einen Zylinder auf den Kopf gestülpt hatte. „Was ist diese Energie?“, fragte Link den älteren Mann. „Eine neue Macht und man kann damit viele Wunderwerke bewältigen.“ „Ach sicher?“, meinte Link ironisch, aber gefasst. Er wusste, warum er fragte. Seitdem er Ganondorf begegnet war, wusste er, was manche Mächte in den Gemütern von verschlagenen Menschen bewirken konnten. Seit dem Tag, als ihm Ganondorf eine Predigt von der Selbstherrlichkeit und dem Fabulösen einer Macht gehalten hatte, hütete er einen Drang jedem, der Energien und Mächte begehrte, zurecht zustutzten. Diese Dummköpfe, dachte Link. „Ja, man kann sie für viele Dinge verwenden. Man kann sie nutzen für Wärme und Wunder. Für Licht und Freude.“ „Auch zum Töten?“, fragte Link eisig. „Ist das der Sinn von dieser verdammten neuen Energie, die du hier so selbstgefällig lobpreisen musst?“ Schreckhaft wich der Gelehrte zurück und beschaute den angewiderten Ausdruck auf Links Gesicht. Inzwischen war auch Will aufgestanden und hörte dem interessanten Dialog zu. „Genau das ist es, wodurch Kriege und Aufstände geschürt werden. Durch diesen dummen Machtwunsch von uns Hylianern, den wir nicht kontrollieren können. Deswegen gab es die Geschichte der Kriege und zuletzt den... Zeitkrieg...“ Links Stimme wurde lauter vor Zorn und einer charaktervollen Aufruhr in seinem Herzen. Wie es ihn anwiderte, verabscheute, wenn Hylianer von neuen, tollen Energien redeten. Keine Ahnung hatten sie von dunklen Gelüsten, die Mächte aufrütteln konnten. Bei Farore, das war so dumm. Der Gelehrte war sprachlos und wusste nicht, wie er den Worten dieses Ritteranwärters begegnen sollte. „Weiß Prinzessin Zelda von deinen billigen Vorträgen?“, verhörte Link den Gelehrten, der doch eigentlich nur Gutes im Sinn hatte. Gerade da, ohne das der Ältere auf die Frage eingehen konnte, legte Will eine Hand auf Links Schulter. „Ja, mein Vater meinte, Prinzessin Zelda wurde von dieser neuen Energie unterrichtet. Und sie war dagegen eine solche neue Energie in unserem magischen Hyrule einzuführen. Sie weiß Bescheid, Link...“ Beruhigter drehte der blonde Hylianer den Schädel zu seinem Kumpel, warf dem Gelehrten einen aussagekräftigen, drohenden Blick entgegen und watschelte mit Will zurück zu den Holzbänken, wo andere Ritterjungen saßen und sich von Süßspeisen bedienten. „Deine Ideale in allen Ehren, aber das war nun ehrlich unnötig“, meinte Will. „Schau’ mal, der Gelehrte packt seine sieben Sachen.“ Ausdruckslos beobachtete Link den Hylianer, der seine Bücher packte und langsam aus der Ritterschule hinaustrottete. Der Held der Zeit hatte sein Ziel erreicht. „Ich kann nicht anders...“, rechtfertigte sich Link. „Macht ist das Dümmste und Schrecklichste, was man sich antun kann.“ Sein Flüsterton und die tiefe Bewegung in seinen Worte, machten Will erneut nachdenklich, wen er eigentlich neben sich sitzen hatte. Das war kein Fünfzehnjähriger, dachte Will, obwohl Link im nächsten Moment unberechenbar kindisch wirken konnte. Im Moment jedenfalls war da Scharfsinn und Weitsicht, die ihn auszeichneten. Und erneut entstanden in Wills Kopf Fragezeichen. Was zum Teufel, war oder ist dieser Jugendliche bloß? Was hatte er erlebt? Im Hintergrund begannen die Musiker mit ihren fröhlichen, hylianischen Volksliedern und ein junges Mädchen namens Leney sang zu den Instrumenten. Sie war die Anführerin der Truppe, die sich Leneys Wandertruppe nannte. Sie war ungewöhnlich, dachte Link. Ihr Körper war mager und langgestreckt und ihre Augen waren voll und silbern. Und obwohl sie so jung war, besaß sie bereits weißes Haar. Sie konnte wunderschön singen, so wie Malon es gerne getan hatte. Malon... Erneut ein Gedanke an das einst so heitere Farmmädchen und erneut fragte sich der junge Heroe, was nur geschehen sein mochte. Was war mit Malon passiert? Er musste es herausfinden, soviel stand fest. Zum einen, um seine Unschuld zu beweisen und zum anderen, weil Malon eine gute Bekannte gewesen war. Link würde in den nächsten Tagen endlich zur Lon-Lon- Farm aufbrechen und das Rätsel um den einen dunklen Tag mit den Geschundenen der Macht auf jener Farm lösen... Und er würde nicht alleine gehen... Außerhalb der Ritterschule, nur wenige Meter vor der großen Zugbrücke mit dem Eisentor, raste ein knarrender Karren heran und wirbelte den sandigen Schmutz auf, wo die vorgespannte Stute und die vier klapprigen Holzräder entlang brausten. Belle lehnte sich an ihren Mann, mit dem sie nun schon viele glückliche Jahre verheiratet war, sechzehn lange Jahre... Sie erinnerte sich mit geschlossenen Augen. Das war damals als in Hyrule noch alles in Ordnung war. Damals, als sie beide noch in ihrer vertrauten Umgebung lebten. Ja, die Welt war heil vor dem Krieg um die Vorherrschaft Hyrules, der viele Leben kostete. Wie das Leben des besten Freundes Arns Fearlessts und seiner Gemahlin... „Lassario?“, murmelte Belle und hob den Kopf. „Mmh?“ „Weswegen hat dich Ritter Heagen vorhin sprechen wollen?“ Lassario legte den Kopf in den Nacken und starrte ins Himmelszelt. Richtig, bevor die Familie Laundry zur Ritterschule aufgebrochen war, stand plötzlich Heagen vor der Tür. In voller Rüstung und verlangte wenige Minuten für wichtige Angelegenheiten. „Eigentlich soll ich für mich behalten, was er mir sagte, aber...“ Belle grinste. „Aber?“ Lassarios Mund zog sich in die Breite. „Ich hab’ ja ohnehin keine Wahl, die Nachrichten meine Liebsten zu unterbreiten, sonst schupst sie mich womöglich von der Bettkante...“, schmunzelte er. Belle boxte ihn in die Seite. „Wenn du damit auf eine gewisse Sache anspielst...“, murrte sie und strich sich eine dunkelrote Haarsträhne hinter das rechte Elfenohr. „Oh, ich erinnere mich an deinen letzten Tobsuchtsanfall, meine Schöne. Da durfte ich auch vor dem Kamin schlafen...“ „Das war ja mehr als gerecht, mein Herr Ehemann. Und ich wiederhole lieber nicht erneut den Grund dafür.“ Lassario schwieg darauf und blickte seine Liebste zwinkernd an. Er bettelte nun um Verzeihung, wie immer, wenn Belle ihn aufzog. „Oder soll ich noch einmal erzählen, wie unvernünftig mein lieber Ehemann gewesen ist, als...“ Er erinnerte sich bitter... Lassario hatte in Labrynna gerne mit seinen Kumpanen um Geld gewettet und an einem vergnüglichen Spielabend blöderweise die Einnahmen für den gesamten Monat verpulvert. Daraufhin hatte ihm Belle eine böse Lektion erteilt, die er nie wieder vergessen würde. „Ist ja schon gut“, unterbrach er sie. „Wir sollten keine alten Kamellen aufwärmen. Du hast Recht.“ Er pustete eine Luftstrom aus seinen Lungen und berichtete über den Vorfall von heute Früh. Es war nur wenige Stunden nach dem Vorfall im Schloss. Lassario Laundry hatte sich einige Stunden aufs Ohr gehauen, als Ritter Heagen vor der Tür des kleinen Blockhaus stand. Aufgetakelt in seiner wuchtigen Ritterrüstung klopfte er laut und lärmend und riss Lassario aus seinem kurzen Schlummer. Bekleidet in einer weißen Unterhose hüpfte Lassario aus dem Haus und bat Belle im Haus zu bleiben. Heagen, ein langer und zugleich dicklicher Ritter mit dunkelbraunen, gelockten Haaren, warf ihm einen Blick entgegen, den Lassario von ihm noch nie gesehen hatte. Da war Sorge und Argwohn. „Heagen? Was führt Euch hierher?“ „Ich bin hier, um Euch über etwas zu informieren, was...“ Damit blickte sich der Kerl zielsicher um, als fürchtete er, beobachtet zu werden. „... was vor wenigen Stunden im Schloss geschehen ist.“ „Im Schloss?“ Lassario räusperte sich. „Jawohl... es gab einen Angriff“, flüsterte Heagen und trat näher an die Außenwände des Häuschens. „Einen Angriff?“, brüllte Lassario und stolperte über seine eigenen Worte. „So redet doch leiser!“, brummte Heagen und drückte seinen Zeigefinger an die Lippen. „Man nimmt an, dass es sich um ein dunkles Bündnis handelte, welches seit einigen Jahren hin und wieder irgendwelche Ereignisse zu verantworten hat.“ „Und warum informiert Ihr ausgerechnet mich?“ „Weil mich Prinzessin Zelda beauftragt hat, Euch einzuweihen.“ Lassario schüttelte den Kopf und zwinkerte. Es gehörte nicht viel dazu, dass er schon wieder entsetzt und unheimlich verwirrt war, weshalb die Prinzessin in ihn dieses Vertrauen setzte. Lassario drehte sich um, kratzte sich umständlich am Kopf und meinte leiser: „Gab es Verletzte?“ „Ja, die Prinzessin wurde leicht verwundet. Aber es geht ihr gut.“ Himmel, dachte der eingewanderte Hylianer. Er hatte die Absicht gehabt in ein friedvolles Hyrules zurückzukehren und nun gab es in Hyrule ein dunkles Bündnis, welches irgendwelche Schandtaten plante und sogar der Prinzessin, von deren außergewöhnlicher Magie man sogar in Nachbarländern sprach, schaden konnte. „Und... was ist jetzt zu tun?“ „Einige Ritter der hylianischen Tafelrunde sind dabei Nachforschungen anzustellen, aber ich bitte Euch Schweigen zu bewahren, denn diese Sache ist mit äußerster Sorgfalt zu behandeln.“ Der Mann nickte. Heagen sprang derweil auf sein Ross und schirmte sein Gesicht mit einem schweren Stahlhelm ab. „Beim nächsten Kongress werde ich Euch eine Einladung zu kommen lassen. Es werden Gespräche stattfinden, zu denen Ihr eingeladen seid.“ „Habt Dank für Euer Vertrauen, Heagen, und danke für die Information...“ „Ich hoffe, Hyrule kann auf Euch zählen, Ritter Laundry.“ „Immer...“, murmelte der Laundry und schloss die Tür, als Heagen mit seinem Ross von dannen ritt. Damit beendete Lassario die Geschichte und bat Belle inständig, kein Wort darüber zu verlieren. Zu keiner Menschenseele. Nicht einmal zu Will oder Lilly, die schlafend auf dem Karren lag. Auch nicht zu Link... Lassario Laundry führte die Zügel der alten Stute Katarina und bremste sie mit einem lauten: „Heyja!“ Der Karren stoppte und Lassario sprang herab, half seiner Gemahlin Belle und packte dann die zierliche Lilly unter ihren kleinen Ärmchen und beförderte sie auf festen Boden. Sanft umfasste er ihre Kinderarme und meinte mit Sorge und Strenge: „Erinnere dich, was wir besprochen haben, Lilly.“ Sie wischte sich den Schlafsand weg. Ihre großen grünen Augen funkelten mit Neugierde und kindlicher Aufregung, denn es war das erste Fest, welches Lilly miterleben durfte. „Verstehst du, mein Schatz? Wir werden Linkelchen nicht sagen, was wir über ihn wissen, okay?“ Sie nickte. „Natürlich, Papa. Großmutter wäre doch verärgert.“ Der Ritter lachte. „Genau, sie wäre verärgert“, meinte er. Obwohl Lilly ihre Großmutter nicht einmal kannte, wusste sie über sie Bescheid... Mal wieder eine Gabe von Lilly, die Lassario das Fürchten lehrte. „Okay. Auf die Schultern mit dir.“ Damit packte er sie und Lilly durfte auf Papas Schultern die ganzen Leute auf dem Fest für die Ritterjungen beobachten. Belle klammerte sich mit einem Lächeln bei ihrem Mann an einen Arm und so tapste die Familie Laundry guter Laune hinein in die große Burg, wo heute das Feiern angesagt war. Als Belle, Lassario und Lilly zwischen den Bänken und Tischen hindurchwanderten, wo inzwischen ein großes Gedrängel und Gerangel herrschte, hörten sie sofort ihren aufmerksamen Sohnemann nach ihnen rufen. William sprang von seinem Platz, wedelte mit den Armen und rief nach Vater und Mutter. Jene gesellten sich näher. „Hi, Leute!“, meinte Will, der sofort von seiner kleinen Schwester umschlungen wurde. „Hallo, mein Bruderherz“, sagte sie mit ihrer hellen Stimme. Belle war die erste, die dem jungen Link Beachtung schenkte und ihm eine warme Hand reichte. „Link. Es freut mich, dich zu sehen“, meinte sie sanftmütig und versuchte mit dem Ausdruck in ihren smaragdgrünen Augen nicht das erkennen zu lassen, was sie über ihn wusste. Link nickte bloß und schaute zu seinen Händen, die er gefaltet auf die Holzplatte des Tisches gelegt hatte. Lassario hieß Link ebenso Willkommen und gab ihm einen Klaps auf die Schulter, aber auch diese freundliche Geste begegnete Link nur mit einem leichten Nicken. Lilly jedoch war ein wenig fröhlicher gestimmt, ihr Linkelchen zu sehen und so hüpfte sie auf seinen Schoß und tat nichts anderes als ihn zu umarmen. „Ach, mein liebes Linkelchen! Du bist so toll“, rief sie mit einer Ausgelassenheit, die Link noch nie erfahren hatte. „Ähm... Hallo“, sagte der Heroe leise und drückte die Kleine von sich weg. Sie wippte auf der Bank hin und her, als ob sie auf irgendetwas wartete, oder als ob bereits das Fest der Göttinnen anstand, wo jeder Geschenke verteilte und bekam. Sie wollte etwas sagen, was sie nicht durfte, aber ihr kindliches Gemüt konnte nicht anders. Ihre Augen funkelten neckisch und sie meinte so laut, dass es mindestens zehn Leute im Umkreis hören konnten. „Keine Sorge, Linkelchen. Zelda passt auf dich auf. Sie ist die ganze Zeit bei dir.“ Entsetzt schaute der junge Heroe von links nach rechts und ignorierte die Blicke von einigen, die den Namen Zelda aus dem Gespräch gehört hatten. Ein nerviges Getuschel brach los. „Lilly?“, sagte Belle streng und stützte ihre Hände auf den Tisch. „Du weißt genau, was wir besprochen haben!“ Und Lilly schmollte, zog wieder ihre Unterlippe über die obere und meinte trotzig: „Was kann ich denn dafür, dass Prinzessin Zelda auf Linkelchen aufpasst. Sie passt auf ihn auf, weil Linkelchen ganz toll ist. So toll, das glaubst du gar nicht, Mami! Ganz Hyrule liebt Linkelchen.“ Link schloss die Augen und rieb sich mit einigen Fingerspitzen über die Stirn. Er brauchte Abstand. Diese geschauspielerte Familienidylle konnte er einfach nicht ertragen. Und dieses Gerede über ihn machte ihn fertig, würde ihn wieder auslaugen. Er konnte das nicht einfach über sich ergehen lassen. Soll’ Will doch mit seiner Familie feiern. Er jedenfalls würde nicht im Wege stehen. Zaghaft stützte er sich von der Bank ab und lief schweigsam weg von dem Getuschel und dem nervtötenden Gerede über ihn. Als Link außer Sichtweite war, regte sich eine leichte Ärgernis über die Worte seiner Tochter in Lassarios Gemüt. „Lilly! Das nächste Mal bleibst du zuhause“, schimpfte er. Lilly blickte trotzig und eingeschnappt zu Boden. Und obwohl sie wusste, dass ihr Vater wütend war, hielt sie ihre Entscheidungen, selbst wenn sie von einem kleinen Mädchen kamen, für ausgesprochen richtig. „Ähm... Vater“, mischte sich William ein. „Es liegt nicht an Lillys Worten, warum Link gegangen ist. Das Problem ist, dass man ihm verboten hat, Zelda zu sehen.“ Lassario fiel aus allen Wolken. „Was? Du weißt, dass er eine Freundschaft zu Prinzessin Zelda hat?“ „Ja, er hat es mir erzählt, nachdem ich tausend mal auf ihn eingeredet habe.“ „Und du sagtest, er dürfte sie nicht sehen? Da hat mir die Prinzessin persönlich aber nichts davon erzählt.“ Will zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht, warum...“ Belle gab ihrem Gemahl daraufhin einen gutgemeinten Stups in die Rippen und nickte. „Rede mit ihm, okay?“ Der kräftige Ritter bejahte und machte sich auf den Heroen zu suchen, der ständig das Gefühl erlitt, im Wege zu stehen. Im Hintergrund sang Leney von der Wandertruppe das Lied Hyrules. Die einprägsame Friedenshymne, die man, wenn man auf den weiten, grünen Wiesen wanderte und sich bemühte, genau hinzuhören, vernahm... Wenn man sich bemühte, dem Flüstern der Berge zu folgen, den Zupfen der sattgrünen Gräser zuzuhören, das Rauschen des Windes liebte und die Schreie der Adler, die sich senkend in tiefe Täler stürzten mit Ehrfurcht begegnete. Es war das Lied der Freiheit. Ein Lied, geschaffen nur für Hyrule. Ein Ruf, geboren aus den Gesetzen jenen alten Landes. Erfüllung für alle spitzen Ohren, die ihre Welt verehrten. Und auch der junge Heroe hörte gedankenvoll das alte Lied, welches Din, Nayru und Farore einst auf ihren eigenen Instrumenten spielten... Er kletterte gerade eine frisch gebaute Leiter hinauf und ließ sich müde von den Ereignissen des Tages auf einer bröselnden Steinmauer nieder. Seine Beine baumelten in der Luft und sein müder Blick ging zu den vielen fröhlichen Menschen und schließlich zu der eigenartigen Leney, die eine milde, helle Stimme besaß wie die einer Fee. Es war als würde ihre Stimme die Götter mit den sanften Tönen lobpreisen und ehren und im Gegenzug spielten die Großen Drei den Rhythmus und begleiteten die junge Leney mit den göttlichen Instrumenten. Farore mit ihrer gläsernen Flöte. Sie schuf die Melodie, welcher Hylianerohren auf der Steppe lauschen konnten. Nayru mit ihrer lebenden Harfe. Sie spielte die Begleitung und verführte die Flöte zu Lebendigkeit und Stärke. Und Din mit ihrer kraftvollen Trommel. Sie hämmerte den Rhythmus und vollendete das Tun der anderen Instrumente... Leney, das Mädchen mit dem silbernen Haar, sang und ehrte das Spiel der göttlichen Instrumente und irgendwie beruhigte es die einsame Seele in jenem Jugendlichen, der nicht mehr er selbst sein wollte. „Lass es nicht sterben...“, sang Leney in altem Hylianisch. Und sie sang erneut: „Lass’ dein wahres Ich nicht sterben...“ „Lass’ dein wahres Ich nicht sterben...“, flüsterte jemand direkt neben Link. Erschrocken drehte Link den Schädel und sah einen Ritter mittleren Alters neben ihm auf der Brüstung stehen. Sein braunes, kurzes Haar wehte wild im Wind und die Sonne spiegelte sich glänzend auf seiner einfachen Rüstung. Das Wams unter seinem Brustpanzer war unordentlich und hatte viele Flicken. Aber der Ausdruck in seinem narbenreichen Gesicht war mild und anteilnehmend, obwohl er mit seinen verschränkten Armen eine abwertende Haltung einnahm. Es war Lassario, dessen schokoladenbraune Augen freundlich in das verwunderte Gesicht des jungen Link blickten. „Sie singt wunderschön“, meinte er. Link nickte und blickte erneut hinüber zu Leney, die zu der heiteren Melodie zu tanzen begann. „Sie singt von etwas, was wir alle bewahren sollten. Unser wahres Ich“, erklärte der Ritter, worauf Link den Schädel wieder neigte. Wie Recht Lassario hatte. Sie sang immer wieder ihre aufmunternden Fersen davon, dass man sein wahres Ich niemals vergessen, niemals in den Schatten stellen sollte, und doch... hatte dieses Lied für ihn keine Bedeutung. Wie sollte Link jemals wieder sein wahres Ich finden? Wie sollte er der Held der Zeit sein mit Krankheitsattacken, die ihn um den Verstand brachten? Wie sollte er der Held der Zeit sein, wenn man ihm glauben lassen wollte, er wäre zu einem Monster geworden, das unschuldige Wesen entführte? Und wie, bei Farore, sollte er der Held der Zeit sein, wenn das Masterschwert, seine Waffe des Guten, ihn nicht mehr anerkannte? Es schien alles so ausweglos... und es waren einfach zu viele Bürden, die er nicht mehr bewältigen konnte... „Erlaubst du?“, meinte Lassario und deutete auf den Platz neben ihm. Scheu und irgendwie unwirklich sah Link drein und noch ehe er antworten konnte, saß Lassario neben ihm und schaute ebenso hinab in die große Menschenmenge. „Das Problem ist nur häufig, dass wir Hylianer nicht wissen, was unser wahres Ich ist... Ich zumindest weiß es nicht“, sagte Lassario und versuchte ständig den Jugendlichen zu irgendwelchen Worten zu bewegen, aber es war hoffnungslos. Link brachte einfach kein Wort hervor und wusste nicht, was Lassario überhaupt von ihm wollte. „Weißt du es?“ Und Lassario probierte es mit einer direkten Frage. Link antwortete zunächst nicht und richtete den Kopf erneut zu dem Vater von Will, suchte nach einer Erklärung, warum dieser Ritter sich mit ihm abgab... „Was weiß ich?“, murrte Link und rollte mit den Augen. Aber Lassarios Hartnäckigkeit war von einer besonderen Art. Und er würde nicht aufgeben aus Link etwas herauszuquetschen, ganz dem treuen Laundry- Motto: Ein Laundry gibt niemals auf. „Dein wahres Ich“, sagte der Ältere. „Ich wusste es einmal.“ Das war alles, was Link sagte. Dann wand er sich wieder dem Tanz von Leney zu, die wie eine Fee umherwirbelte. Erneut Funkstille und Lassario suchte nach einem neuen Anfang mit Link irgendwie in die Gänge zu kommen. Man musste ihm wirklich alles, restlos alles aus der Nase ziehen. Genau, wie sein Sohn gesagt hatte... Was für ein Sturkopf, dachte der Ritter. „Die Aussicht von hier oben ist wirklich schön, findest du nicht?“ Link nickte und wieder kam kein Gespräch zustande. Lassario gab sich in seinen Gedanken eine ordentliche Ohrfeige und ärgerte sich über sein eigenes Einfallsreichtum. Welch’ tolle Idee sich über das Wetter und die Aussicht zu unterhalten, dachte er... Und sein lebenserfahrener Schädel schwenkte zu dem trübsinnigen Jugendlichen, der zielgerichtet in die Elfenmenge starrte. Auf der Suche... ja irgendwie schien es Link würde ständig nach jemandem Ausschau halten. Und während Lassario sich den Jugendlichen neben ihm betrachtete, gab es Dinge, die ihm nun mehr als vorher ins Auge sprangen. Dinge, über die er mit Belle diskutiert hatte. Dinge, der er ignoriert hatte. „Früher... als ich in dieser Schule Unterricht genossen habe, kannte ich jemanden, der auch von oben herab alles beobachtet hat. Er hat immer gemeint, man könne ganz Hyrule entdecken, wenn einem Adleraugen beschieden wären.“ Lassario lachte über seine eigenen Erinnerungen. „Er saß beinahe an der selben Stelle auf der Mauer wie du, Link.“ „Wer war er?“, sagte Link leise. Und endlich hatte Lassario ein vernünftiges Thema getroffen. Diesmal würde er sich selber auf die Schulter klopfen, wenn er dies ordentlich zustande bekäme. „Mein bester Freund. Du hast sicherlich schon einmal von ihm gehört. Überall stehen Pokale von ihm.“ Links Schädel schwenkte erwartungsfroh zu Lassario und er zwinkerte ein paar Mal mit den tiefblauen Augen, die so besonders waren. „Arn Fearlesst wahrscheinlich. Von ihm sind überall irgendwelche Auszeichnungen zu finden.“ Lassario lächelte. „Genau. Und es gibt Unmengen von Gründen für die vielen Auszeichnungen.“ Link rutschte unruhig auf dem Hosenboden hin und her und überlegte. Ob es gut wäre, Lassario über Arn Fearlesst zu befragen? Schließlich brauchte Link Kunde für seinen Auftrag, dessen Abgabe immer näher rückte. Nach einer Weile begann Lassario selbst über den letzten Fearlesst zu reden. „Arn war ein außerordentlicher Hitzkopf und er hat immer seinen Willen durchgesetzt, egal, ob man es ihm verbot. Und er hat sich damit viele Probleme eingehandelt, die er aber immer wieder wie von Geisterhand gemeistert hat. Einige Leute haben immer gemunkelt, die Göttinnen hätten ein Auge auf ihn... aber das ist Unsinn, wenn du mich fragst.“ „Und warum die vielen Auszeichnungen?“ Lassarios erheitertes Gesicht wurde trübsinniger und er schaute zu Belle und seinen Kindern. „Dazu sollten wir vielleicht am Anfang beginnen...“, sprach Lassario gedämpfter. „Auch wenn Arn immer ein Grinsen auf dem Gesicht hatte, so gab es schon seit seiner Kindheit Ereignisse, schicksalhafte Ereignisse, die niemand mit ihm hätte teilen wollen. Gerade, weil er diese Dinge überstanden hatte, hinter sich ließ, behaupteten böse Zungen, er wäre nicht ganz richtig im Kopf, oder er wäre ein eiskalter Hylianer ohne Mitleid und Gefühl gewesen. Aber auch das ist Unsinn. Ich kannte ihn und ich weiß, dass er nicht so gefühllos und dumm war wie manche dachten.“ ,Erschreckend’, dachte Link. Dieser Arn Fearlesst ähnelte ihm irgendwie. Und irgendwie beruhigte der Gedanke, dass auch andere Hylianer so waren wie er, dass er nicht der einzige war, den man als herzlos abstempelte, bloß weil er gewisse Bürden zu tragen hatte. „Aber was genau hat Arn Fearlesst denn überwinden müssen?“, meinte Link, worauf Lassario seinen Kopf mit einem Grinsen zu ihm drehte. „Nanu? So interessiert? Woher der plötzliche Sinneswandel, Link?“ Der Jugendliche atmete laut aus. „Ich muss mich über berühmte Leute Hyrules informieren. Und da dachte ich, ich suche mir das Wissen über Arn Fearlesst zusammen.“ Lassario nickte. „Wenn das so ist, dann kann ich dir gerne etwas mehr über ihn erzählen.“ Link murmelte ein umständliches ,Bitte’ über seine Lippen, das Lassario nur per Lippenlesen als ein Wort deuten konnte. „Du solltest zunächst wissen, dass Arn sehr früh seine Eltern verloren hatte. Seine Mutter starb bei der Geburt des zweiten Kindes und auch jenes Kind starb wenig später an einer tödlichen Grippe. Seinen Vater verlor er als Kind mit neun Jahren, als Moblins die alte Feste überfallen hatten, alle Überlebenden töteten und er schwer verwundet überlebt hat.“ Link zog seine Knie zu sich und wunderte sich schon wieder über diese vielen Ähnlichkeiten. Das war beinahe unheimlich. Immerhin hatte Link seine Eltern ebenfalls sehr früh verloren. Und Arn Fearlesst musste womöglich noch zusehen, wie der Abschaum Hyrules seinen Vater in den Tod schickte... Warum war Hyrule nur so grausam, dachte Link für einen kurzen Moment. „Als seine körperlichen Wunden geheilt waren, hatte er sich ganz der Jagd nach Rache hingegeben. Ich meine, man muss sich das verinnerlichen. Er war neun, vielleicht auch zehn Jahre alt und ist in diesem Alter durch ganz Hyrule gepilgert, hat sich in der Wildnis durchgeschlagen, sich eigenständig kämpfen beigebracht und bis zu dem dreizehnten Lebensjahr jegliches Moblinnest, das er finden konnte, ausgerottet...“ Lassario machte eine Pause. „Er war ein verletztes Kind. Kein grausamer Mörder, der einen Groll gegen das Leben hegte. Wer würde nicht nach Rache suchen, wenn er nichts mehr hatte, das er als wertvoll und lieb ansehen konnte?“ Natürlich, dachte Link. Diese Sache verstand er nur zu gut... „Mit dreizehn hat er dann sein Geburtsrecht eingefordert, in der Ritterschule lernen zu dürfen. Und er hat gelernt. Wie ein Besessener hat er alles gelernt, was er lernen konnte, hat viele Heldentaten vollbracht und später sogar einmal ein Mitglied der Königsfamilie vor dem sicheren Tod bewahrt.“ „Er war sicherlich ein großes Vorbild... Aber warum hatte er ein Geburtsrecht in der Schule?“ Lassario grinste wieder, auch wenn man den Schmerz über den Verlust seines Freundes, denn Arn lebte nicht mehr, tief versteckt in seinen Augen sehen konnte. „Du musst zunächst wissen, dass es sich bei den Fearlessts um eine sehr alte Ritterfamilie handelte. Man erzählte sich, die Fearlesst waren ein Geschlecht unverbesserlicher Unfähigkeit Angst zu empfinden. Keine Angst... keine Furcht sich dem Bösen zu stellen. Und keine Hemmungen auf dem Schlachtfeld zu kämpfen oder zu sterben... Deshalb das Geburtsrecht. Außerdem standen die Fearlessts schon immer der Königsfamilie sehr nah.“ „Die Fearlessts waren also in dem Sinn nicht nur Ritter, sondern irgendwie auch Helden und Beschützer, nicht?“ Lassario nickte erneut. „Ja, Wächterritter...“ Wächterritter... Matt erklang dieses Wort in Links Gedanken. Warum waren seine Eltern, von denen er nichts wusste, so unbekannt? Warum konnte er nicht eine so berühmte Ritterfamilie hinter sich stehen haben? „Es ist nur sehr traurig... dass Arn der letzte von ihnen war.“ Link nickte gefasster. Aber da kam ihm ein Gedanke. Hatte Artus nicht erzählt, Jack Lance hätte das Kind der Familie Fearlesst angegriffen? Hatte Arn ein Kind? „Aber mir wurde erzählt, die Fearlessts hätten einen Nachfahren gehabt.“ „Das stimmte... ja das stimmte...“ Lassarios Gesichtsausdruck wurde weicher. „Als ich mit Belle und den Kindern nach Hyrule zurückgekehrt bin, habe ich mich darüber informiert. Und mir wurde erzählt, dass... Lady Fearlesst... mit ihrem Kind in den Tod gerannt sei.“ Lassario ließ das Wort ,Lady Fearlesst’ äußerst langsam auf der Zunge zergehen. Ob er eine nähere Beziehung auch zu jener Lady hatte? „Vielleicht ist es nur ein böses Gerücht, dass sie umkamen?“ Lassarios Blick wurde schärfer. „Nein, denn mir wurde das Grab gezeigt mit den beiden Leichen...“ „Oh... das tut mir leid“, murmelte Link. „Ja, aber man muss die Vergangenheit ruhen lassen, sonst wird man sie nicht los. Das waren einst Arns Worte.“ Lassario grinste wieder ansatzweise. „Ich glaube, das gilt für jeden von uns.“ Darauf neigte Link wieder das Haupt und schielte neidisch zu der heiteren Menschenmenge. „Ich weiß im Übrigen auch nicht, was mit den ganzen Ländereien der Fearlessts geschehen ist... Sie hatten sogar einige Märchenwälder in ihrem Besitz, eines nicht weit entfernt von der Schule... Brauchst du sonst noch irgendwelche Kunde für deine Nachforschungen?“ Link schüttelte den Kopf und meinte leise: „Nein, ist nicht nötig... Ich denke, ich weiß erst einmal genug.“ Und er wusste genug. Genug, um sich mit Arn Fearlesst identifizieren zu können. Er hatte womöglich ähnliche Schicksalsschläge wie Link selbst durchleben müssen. Ja, er würde über Arn Fearlesst schreiben. Einen berühmten Ritter, der dem alten Blut in seinen Venen gerecht wurde und er würde in seinem Aufsatz nur Gutes über ihn berichten... „Nun denn, ich schau’ dann mal wieder zu Belle und den anderen. Bleibst du noch hier?“ Link nickte. „Ich... ja...“, sprach er bitter und sehr stockend. Lassario klopfte dem Jungen noch einmal auf die Schulter, ging einige Schritte und blieb wieder stehen. „Und wegen dem Angriff auf das Königsschloss...“ Lassario schüttelte innerlich den Kopf, aber er konnte Link einfach nicht im Unklaren lassen. Link sah erschüttert auf. „Prinzessin Zelda geht es gut.“ Man konnte Link ansehen, dass ihm irgendwie eine Last von der Seele fiel. „Du wirst sicherlich ahnen, dass es sich um ein gewisses dunkles Bündnis handelt, welches den Angriff zu verantworten hat. Und ich möchte, dass du dich aus der Sache heraushältst.“ „Ihr wisst also, wer ich bin?“ Das war eine gute Frage und obwohl Lassario dachte, er wüsste über Link Bescheid, so gab es eine Sache, die er niemals hätte erahnen können. Eine bedeutende Sache, die sich in nächster Zeit herausstellen würde. „Ja...“, antwortete er knapp. „Aber Will wird es von mir nicht erfahren.“ „Danke...“, antwortete Link kühl. Aber eine Sache musste der junge Heroe noch in Erfahrung bringen. „Ist das Bündnis an Hopfdingens Tod schuld?“ „So weit sind unsere Nachforschungen leider nicht, um das zu bewahrheiten“, meinte der Ritter kühl. Damit stapfte Lassario weiter. Ohne sich umzudrehen, meinte er noch: „Ach... und Link?“ „Ja?“, murmelte jener leise. „Du bist stark, Link. Du musst diese Stärke in dir nur wiederfinden...“ Damit hüpfte Lassario von der Leiter hinab und stiefelte, zufrieden dem mürrischen Link einige Worte entlocken zu können, wieder zu seiner eigenen Familie. Belle empfing ihn mit einem grobwirkenden Ausdruck auf ihrem sanftmütigen Gesicht und suchte nach verborgenen Dingen in Lassarios Augen. „Hast du mit ihm geredet?“ Er nickte lediglich und pflanzte sich auf die Holzbank, trank dann einen Kelch mit hylianischen Gebräu leer und stemmte sein Kinn an beiden Fäusten ab. „Und?“, hakte Belle nach, die ihre kleinen Tochter Lilly gerade die Haare zusammenband. „Nichts und.“ Lassario war abweisend und Belle wusste ganz genau warum. Es war Links Art. Seine ungewöhnliche, sture Art, die Lassario einen Schauer über den Rücken jagte. „Du kannst die Vergangenheit nicht rückgängig machen und erst recht nicht in sie hineinsehen“, murrte er und trank den nächsten Kelch. „Es kann nicht sein, dass Link irgendetwas mit den Fearlessts zu tun hat.“ „Warum nicht. Vielleicht gibt es etwas, was wir nicht wissen.“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch, als Belle weiterhin nachbohrte. „Verdammt noch mal, Belle. Das ist unmöglich. Ich habe ihre Leichen gesehen.“ Belles grüne Augen wanderten zu Boden. „Papa? Bist du böse auf die Vergangenheit oder bist du nur böse auf dich selbst?“, mischte sich Lilly ein und tätschelte ihrem Vater mit den kleinen Kinderhänden die Wangen. Er konnte nicht einmal etwas darauf sagen. Lilly hatte einfach so eine Gabe immer die erschreckendsten Worte zuwählen, damit ein Seelenbesitzer das eigene Wort verlor. Denn, vielleicht war es wirklich das zweite, größere Übel. Lassario war wütend auf sich selbst, darauf, dass er Hyrule vor sechzehn langen Jahren einfach verlassen hatte. Und als Folge, heute nicht wusste, was mit den Fearlessts geschehen war... Sein bester Freund Arn hatte ja nicht einmal ein Grab. Nicht einmal ein Grab hatte man dem berühmten Ritter Hyrules anlegen können. Niemand wusste, wo er den Tod fand. Und niemand wusste, wohin seine Asche verweht wurde... „Das brauchst du nicht, Papa. Du brauchst nicht auf dich böse sein.“ „Ich weiß, Kleine“, erwiderte er und nahm das Mädchen in eine herzliche Umarmung. „Und jetzt, möchtest du das Kettenkarussell dort drüben austesten?“ Sie nickte und lächelte breit. Er drückte noch einen Kuss auf Belles Wange und durchquerte die Menschenmassen zu dem einzigen Karussell des kleinen Festes. Nachdenklich blickte Belle ihrem Ehemann hinterher und ließ ihren Blick zu Link schweifen, der noch immer in den Himmel starrend auf der Mauer nebst der vielen Fernrohre saß. Indes watschelte William zufrieden über den breiten Platz und beschaute sich die merkwürdigen Waren, die man sich hier kaufen konnte. An einem Stand mit allerlei Schmuck blieb er stehen. Aber nicht, weil ihn diese unnötige Zierde interessierte, nein, sondern, weil er ein lautes Gekreische vernahm und ihn dieses wie magisch anzog. Wenige Meter weiter diskutierte ein junges Mädchen, vielleicht in seinem Alter, gerade mit der Verkäuferin, die ihr partout keine Waren geben wollte. Neugierig trat Will näher und erkannte das Mädchen mit dem gekräuselten feuerroten Haar und dem Paar ungleichen Augen auf einen schönen Handspiegel deuten. Kunstvoll gearbeitet. Angefertigt aus einem komischen Material. Kupferfarbenes Metall mit blauen Striemen... „Aber warum denn nicht? Das ist mein eigenes Geld und ich möchte diesen Handspiegel kaufen.“ „Wir verkaufen nichts an Huren, das solltest du wissen, Schätzchen. Selbst wenn ich wollte, ich könnte es nicht. Man würde mir nirgendwo mehr irgendetwas abnehmen, wenn herauskäme, ich verscheppere meinen Schmuck an Dirnen wie dich.“ Darauf ließ die junge Lady, denn Will käme nicht auf den Dreh sie als Dreck zu bezeichnen, den Kopf hängen. Eigentlich war sie ganz hübsch, dachte er. Bis auf ihre ungleichen Augen wirkte sie sogar unschuldig und das geflickte gelbliche Landfrauenkleid an ihrem Körper machte sie beinahe ärmlich... Er wand sich näher und hatte vor, heute eine gute Tat zu vollbringen. „Und wenn jemand anderes den Spiegel mit ihrem Geld kauft. Geht das in Ordnung?“ Die alte Verkäuferin schaute skeptisch und zänkisch. Irritiert beäugte sie Will. „Bursche... Ihr Geld bleibt ihr Geld und wir wissen, wie sie es verdient hat.“ „Sicher, aber wenn ich mein Geld mit ihr tauschen würde, dann würdet ihr mein Geld erhalten und dieses ist ehrlich verdient.“ Die Verkäuferin lächelte biestig und schüttelte nur den Kopf. „Von mir aus... her damit.“, grummelte sie. „Wer weiß, was ein junger Ritter wie du damit bezweckt.“ Und Will grinste unverschämt. „Eine gute Tat, nicht mehr.“ Damit bezahlte er den Schmuck und reichte dem verwirrten Mädchen den Spiegel. Und wie sehr es sie verwirrte, dass man ihr einen Gefallen tat. Sofort kam ihr der Gedanke, der Jugendliche ihr gegenüber wollte sie nur ausnutzten, so wie andere vorher, aber das ließ sie sich nicht gefallen. Nicht schon wieder. Die junge Halbgerudo pfropfte grob und beinahe bösartig die Rubine in Wills Hand und trampelte vorwärts. „Hey, du hättest ja wenigstens Danke sagen können.“ Sie wand sich um und schickte ihm einen temperamentvollen Blick, den er bisher noch nie erfahren hatte. Soviel Feuer und Impulsivität. „Danke. Und denkt ja nicht, dass Ihr dafür irgendetwas von mir bekommst.“ Aber das kränkte Will. Er hatte keine niederen, abscheulichen Absichten ihr gegenüber, selbst wenn sie bloß eine Dirne war. „Seh’ ich so aus, als hätte ich es nötig irgendetwas von dir zu bekommen?“, warf er herausfordernd hinterher. Damit blieb das Mädchen stehen und drehte sich mit einer Form von Stolz um, die er von ihr niemals erwartet hätte. Sie war eine Hure und doch war sie irgendwie kapriziös und klassenbewusst. „Und was wolltet Ihr dann?“ „Du!“ Sie wich zurück. „Wie?“ „Du sollst du sagen. Ich versteh’ ohnehin nicht, dass du mich siezen musst.“ „Okay, dann du“, giftete sie. „Und nun zu deiner unbeantworteten Frage: Ganz einfach. Ich habe dich letzten Mittwoch angerempelt und unfair behandelt. Sieh den Gefallen mit dem Spiegel als ausgleichende Gerechtigkeit.“ Sie trat wieder näher und reichte ihm die Hand. „Bin gespannt, ob du mutig genug bist, die Hand einer Hure zu schütteln.“ „Du denkst, das fordert Mut?“ „Vielleicht auch Überwindung und Dummheit“, erwiderte sie spitz. Will verengte die grünen Augen und nahm die ihm angebotene Hand an. „Was sagst du jetzt?“ Er schüttelte die Hand solange bis sie jene wegzog. „Dass du nicht alle Lebensgeister beisammen hast.“ Sie verschränkte die Arme. „Wie ist dein Name?“ „Das fordert Überwindung“, sagte Will. „Einer Hure meinen Namen zusagen.“ Sie grinste markant. „Dann würde ich meinen, du behältst ihn für dich, ehe ich ihn mit Schmutz besudeln kann.“ Will lachte und meinte: „Na gut, William Laundry ist mein Name. Aber du kannst Will sagen, wenn es dir beliebt. Und du? Welchen Namen trägt eine Hure?“ „Mein Name hat nichts mit meinem Verdienstleben zu tun“, äußerte sie. Denn es war das einzige, worauf sie ein wenig stolz sein konnte. „Mein Name stammt aus alten Gerudomythen und bedeutet so etwas wie violetter Vollmond.“ „Gerudomythen?“, fragte Will verdutzt. „Das heißt, du bist eine Gerudo?“ „Nein, nicht so direkt“, sagte sie frustriert und hängte den Kopf nach vorne. „Hast du keine Augen im Kopf? Ich habe spitze Ohren.“ Sie griff daran und allein die Abscheu in ihrer Stimmer machte Will deutlich, dass sie sich diese Ohren am liebsten herunterreißen würde. „Na und? Spitze Ohren sind viel schöner als runde“, erwiderte er prompt. „Mit solchen Ohren kann man hier in Hyrule die alte Hymne auf den Wiesen hören. Hast du das noch nie versucht?“ Sie schüttelte den Kopf. Und so langsam fragte sie sich, weshalb sie sich eigentlich mit diesem Jugendlichen abgeben musste. Immerhin war er sogar einige Zentimeter kleiner als sie und sah aus wie ein junger Spund, der vom Leben keine Ahnung hatte. Er musste sich bestimmt nicht jede Nacht mit qualvollen Gedanken herumplagen, wie man den morgigen Tag bewältigen konnte. Dieser Ritterjunge hatte von der Härte und Grausamkeit des Lebens keinen blassen Schimmer. „Und wie heißt du nun?“ „Midnehret. Aber den Namen merkst du dir sowieso nicht...“ „Wie noch mal?“ „Midnehret. Ich sagte doch, den Namen merkst du dir nicht.“ „Na gut, und wie buchstabiert man das?“ „Ach verdammt!“, fauchte sie und trat einige Schritte vorwärts. Aber Will lief neugierig hinter ihr her. Faszinierend, diese Gerudo. So zänkisch und irgendwie stolz, obwohl sie nur eine Dirne war. „Und die beiden ungleichen Augen? Wie kommt das?“ Sie riss die Augen weit auf, verkrampfte ihre Fäuste und stoppte ihren schnellen Laufschritt. „Wenn du es unbedingt wissen musst, mein Vater war Hylianer mit dunklen Augen und meine Mutter war eine dumme Gerudo, die sich auf einen Hylianer eingelassen hat. Eine Gerudo mit goldenen Augen. Und ich war das entsetzliche Endprodukt. Eine sittenlose Halbgerudo.“ Ihre Worte waren scharf und einprägsam. Selbst wenn sie nur eine Halbgerudo war, Will konnte deutlich eine erschreckende Form von Macht spüren, die sie mit ihren Worten darlegen konnte. „Na und, da bist du eben eine Halbgerudo. Das gibt’s nicht so oft, oder? Da bist du doch außergewöhnlich.“ „Mag sein, aber das wird von dem Volk, das mich verstoßen hat, leider nicht so gesehen.“ Sie drehte sich wieder um und lief weiter. Unvermittelt lief der neugierige Laundryjunge hinter der Gerudodame hinterher und wusste nicht genau wieso, aber er fand sie interessant. „Was ist denn?“, schnaubte sie und warf ihm erneut einen temperamentvollen, abwertenden Blick entgegen. „Warum läufst du mir hinterher?“ „Tja, das muss wohl daran liegen, dass ich in genau dieselbe Richtung gehen wollte“, erklärte Will und grinste wieder. „Pah...“, rief sie verärgert und stiefelte zu einem Stand mit selbstgemachter Limonade. Die Verkäuferin beäugte sie erneut argwöhnisch, nahm aber ihre Bitte an, von der Limonade kosten zu dürfen. Jedoch kaufte sie zwei Tontassen gefüllt mit dem Getränk und wand sich dann zu Will. „Hier, bitte.“ Der Laundry musterte sie mit großen Augen. „Äh, wofür ist das denn?“ „Das ist mein Dank dafür, dass du mir vorhin aus der Patsche geholfen hast. Und nun zieh’ Leine.“ „Dir ist aber schon klar, dass, wenn es so weiter geht und wir ständig irgendwelche Wiedergutmachungen hin und her reichen, wir im Leben nicht fertig werden“, meinte er lallend. „Dann würde ich sagen, erlöse ich dir hiermit aus deiner Schuld, wir durchbrechen diesen sinnlosen Teufelskreis und du gehst jemanden anderen nerven.“ Sie zickte, aber das faszinierte ihn irgendwie noch mehr Und vor allem wunderte er sich, dass sie sich so anders als an dem einen Tag benahm, an welchem er sie angerempelt hatte. Vor wenigen Tagen noch wirkte sie so hilflos. Aber kein Gott käme in dem Moment auf den Dreh, sie als hilflos zu bezeichnen. „Schade, dabei ist es gerade interessant geworden, mich mit dir zu unterhalten, Mid... irgendwas...“ Sie beäugte ihn gestochen scharf. Ihre zwei unechten Augen ein Spektakel aus Macht und Eigenbewusstsein. Auch wenn tief versteckt in ihren Augen Gefühle der Scham, des Selbstzweifels und des Selbsthasses ruhten. Sie würde vor diesem jungen Spund sich keine Blöße geben, dafür floss immerhin Gerudoblut in ihren Venen. Verschmutztes Blut, aber immer noch genug für eine Spur Selbstbewusstsein. „Wenn du dir nicht einmal meinen Namen merken kannst, dann scheint es um dein Gehirn schlecht bestellt zu sein, du Ritterjungchen. Gehirnschrumpfung in diesem Alter?“ Sie klapperte mit den Schuhen. Doch Will grinste wieder, solange wie sie sich mit ihm anlegen wollte, so würde er diese Spitzfindigkeiten erwidern. Er, als Laundry, konnte doch seine treuen Mottos und Ehrekodexe nicht in den Wind schlagen... „Ich denke, es schrumpfen genau die Bereiche, die ich ohnehin nicht brauche“, feixte er und lief der jungen Dame unvermittelt fortwährend hinterher. Er konnte gar nicht anders. Es war ohnehin selten, dass jemand so bissig auf seine Kommentare antwortete wie sie. Sie verengte ihre Augen theatralisch und stützte ihre Hände in die Hüften. „Du fühlst dich ja sehr klug mit deinen albernen Bemerkungen.“ „Nein, nicht klug, nur überlegen.“ William grinste teuflisch und hörte einen schnaubenden ärgerlichen Ton aus ihrem dicken, roten Mund wuchten. Sie hörte sich beinahe an wie ein beleidigtes Nashorn, dachte er. „Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen, du... du..!“ Ihr gingen die Schimpfwörter aus und so ließ sie sich einfach auf einer Holzbank nieder und verschränkte die Arme. „Nun sei doch nicht so herabwürdigend. Ich wollte mich bloß mit dir unterhalten“, sagte der junge Laundry und pflanzte sich frech und aufdringlich neben sie. Sie zwinkerte, denn diese Form der Freundlichkeit war sie nicht gewohnt, mehr noch, diese Freundlichkeit strapazierte ihre Nerven. Sie wendete ihren Schädel zu ihm und musterte seine lange Nase und die auffälligen smaragdgrünen Augen. Ihre rechte Augenbraue hob sich. „Warum denn?“, fragte sie. „Warum willst du dich mit mir unterhalten?“ „Was ist das denn für ne Frage?“ „Hör’ auf mir Gegenfragen zu stellen!“, zickte sie. „Na, schön. Dann sage ich es eben so: Ich wundere mich, dass du mir solche bekloppten Fragen stellst.“ Sie drehte ihre ungleichen Augen zu ihm und grinste bösartig. „Das beantwortet mir immer noch nicht meine Frage, du Ritterjungchen!“ Will stützte sein Kinn an einer Hand ab und beschielte die Halbgerudo wieder sehr genau. Sie hatte ein kleines Muttermal links neben ihrem Ohr, welches sich von ihrer braungebrannten Haut abhob. Ihr Mund war spitz, aber voll. Die Nase feingeschnitten und gerade. Aber das Besondere an ihr waren ein paar lange rote Wimpern, die ihre beiden ungleichen Augen betonten. Sie registrierte seinen gaffenden Blick und zog ihre roten Augenbrauen hinab. „Was ist?“, zischte sie. „Du hast merkwürdige Wimpern“, meinte Will und blickte eindringlicher auf die unterschiedlichen Augen. „Haben alle Gerudos rote Wimpern?“ Sie schnaufte: „Das weiß ich nicht, immerhin lebe ich nicht in diesem Wüstenvolk!“ „Ach so... heißt das, du warst noch nie in der Gespensterwüste?“ Sie blickte hinauf in den Himmel und wusste nicht genau, was sie auf diese direkte Frage antworten sollte. Sicherlich war sie schon einmal dort. Immerhin war es ihr Wunsch gewesen ihre Ursprünge zu kennen, ihre Mutter zu kennen, aber man hatte sie sofort zur Hölle gejagt, als man sie beim Herumschnüffeln entdeckte. „Natürlich war ich schon einmal dort!“, sagte sie biestig und drehte den Schädel in die andere Richtung. „Und warum?“ „Kannst du, neugieriger Bursche, dir das nicht denken?“ Will glotzte schief und zuckte mit den breiten Laundryschultern. „Wenn man nicht weiß, wo man herkommt, dann ist es simpel und geradezu notwendig nach den eigenen Ursprüngen zu suchen.“ „Aber kann es nicht sein, dass das, was man dann findet, gerade das ist, was man verabscheut?“ Sie machte eine Pause und ließ ihren Kopf auf eine Schulter sinken. Will war schon ein seltsamer Zeitgenosse und dann dieses anteilnehmende Verhalten ihr gegenüber. Sie konnte sich nicht erinnern, dass nur irgendjemand jemals so nett zu ihr gewesen war. „Du stellst mir schon wieder solche komischen Fragen!“, murrte sie und ihre Augen bildeten wieder schmale Schlitzen. „Verzeihung, ich meinte bloß, dass es manchmal besser ist, seine Abstammung nicht zu kennen.“ „Aber man könnte doch ebenso etwas verpassen, wenn man es nicht tut, wenn man nicht weiß, woher man kommt.“ „Das ist die andere Seite. Aber vielleicht ist es das Risiko nicht immer wert eingegangen zu werden.“ Sie klopfte die vielen Falten von ihrem Kleid, sowie den leichten Staub, der sich in der letzten Woche in dem einfachen Stoff eingenistet hatte. „Du hast schon ein paar komische Ansichten, William Laundry!“, muckte sie und hüpfte auf ihre Beine. „Irgendwer muss diese Ansichten doch vertreten, wenn es sonst niemand tut. Außerdem könnte ich mich auf eine böswillige Predigt meiner Mutter freuen, wenn ich anders denken würde und sie davon Wind bekäme.“ Sie schwieg darauf. Nein, dachte sie, Will konnte sich nicht in die Lage von jemanden hineinversetzen, der auf der weiten Welt niemanden hatte, der keine Familie hatte und nicht wusste, wie er den morgigen Tag überstehen sollte. „Was hast du in der alten Wüste vorgefunden?“ „Nichts. Nur Abscheu...“ „Und warum bist du überhaupt Hure geworden?“ Verdammt noch mal, dachte sie. Was war das? Ein Verhör? „Das geht dich nichts an.“ Will schüttelte abtuend mit den Händen. „Ist ja schon gut. Ich war bloß neugierig.“ „Deine Neugierigkeit bringt dich irgendwann zum Henker, ist dir das klar?“, sagte sie höhnisch. „Bis dahin ist aber noch Zeit...“, lachte Will. „...und bis dahin bin ich so neugierig wie ich will...“ Er grinste wieder. Charmant war sein Grinsen, ohne Frage, aber dennoch äußerst unreif. „Du bist närrisch, einfach nur närrisch!“ Sie verschränkte die Arme und schabte mit ihren einfachen Holzpantoffeln den sandigen Boden auf. „Aber wenn du es nun unbedingt wissen musst: Wenn man keine Ahnung hat, wie man sein Leben meistern soll, dann bleiben nicht viele Mittel übrig.“ „Und deshalb verteilst du dreckige Freuden an irgendwelche Kerle?“, sagte er finster und richtete seine grünen Augen auf sie. Ein Blick mit soviel Ernst, der sie ein wenig erschreckte. „Es gibt, weiß Farore, andere Möglichkeiten, das Leben zu gestalten, da muss man nicht mit irgendwelchen dahergelaufenen Möchtegernrittern schlafen.“ Ihre Augen wurden bissig, ähnlich wie den Andeutungen einer Schlange, die sich mit einem schnellen beherzten Sprung auf ihre Beute stürzen wollte. „Du tust das doch nur, weil du denkst, du hättest das nötig. Du denkst, das ist ein einfacher Verdienst. Und was hast du davon? Du verkaufst deinen Köper.“ Sie blickte zu Boden. Wie wahr, dachte sie. Ja, er hatte Recht. Aber sie hatte eben nie eine Alternative gehabt... „Du kannst doch irgendetwas lernen. Es gibt in Hyrule genug andere Möglichkeiten sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dann muss man nicht alle perversen Arten des Beischlafs zelebrieren.“ Sie lachte darauf, aber es war keine Gehässigkeit, die aus ihrer Kehle drang. Es war Selbstmitleid. „Du stellst dir das ja ziemlich einfach vor, was?“ Sie verschränkte ihre schmalen Arme. „Aber einer Halbgerudo wie mir bietet niemand aus reiner Freundlichkeit irgendeine Verdienstmöglichkeit an. Es ist einfach darüber zu urteilen, aber du hast überhaupt keine Ahnung, Ritterjungchen. Du bist in deinem Leben doch ständig verhätschelt worden. Du hast eine Familie und du weißt, was du werden kannst. Du weißt, wie dein Lebensweg aussehen könnte.“ „Ja, das mag sein. Ich weiß, was ich werden will. Und es ist mein größter Wunsch.“ „Siehst du!“, platzte es aus ihrem roten Mund. „Ich habe eben keinen festgelegten Lebensweg. Ich bin nicht wie du.“ „Aber du hast doch sicherlich Wünsche an die Zukunft.“ Ihre leichte Wut flaute ab. Wünsche... Ja, sicherlich hatte sie Wünsche an die Zukunft. Ein warmes Heim. Kinder. Eben alles, wovon man als halbe Hylianerin träumen konnte. Und doch schienen diese Wünsche in eine so weite Ferne gerückt zu sein, dass deren Erfüllung einfach unmöglich war. Will konnte ihr direkt ansehen, dass er einen angerissenen Nerv getroffen hatte. Sie war plötzlich so ruhig, strahlte nicht mehr das Temperament und diese eigensinnige Form von Macht aus. Ihr dreistes Gegrinse erstarb ebenso und ihr Lächeln wurde traurig. Er hüpfte auf die Beine und hängte den Kopf schief. „Sag’ schon... was ist denn dein größter Traum? Was ist dein größter Wunsch? Ich verspreche auch, dass ich es nicht weiter erzählen, darüber lachen und zu neugierig sein werde.“ Will versuchte es mit ein wenig Humor, aber sie schüttelte unabsichtlich den Schädel. „Du bist ein ziemlicher Lügner, weißt du das?“ Will deutete mit dem Zeigefinger auf seine lange Nase. „Was ich? Warum das denn?“ Sie lachte und stützte eine Hand an ihr spitzes Kinn. „Du bist der Sohn der Neugierde persönlich. Das kannst du nicht abstellen, selbst wenn du es versuchen wolltest. Deshalb bringt es nichts, wenn du annehmen würdest, du könntest nicht neugierig sein.“ „Okay, überzeugt“, lachte er. „Dafür verspreche ich dir, dass ich nicht mehr als zwanzig weitere Fragen stellen werde. Was ist denn nun dein größter Wunsch?“ Sie drehte sich in alle Richtungen, aus einer Vorsichtsmaßnahme heraus und flüsterte: „Du verrätst das nicht weiter. Sonst lass’ ich dich nach Gerudoart für dein großes Schandmaul büßen.“ „Welche Strafe haben Gerudos denn für Verräter?“ „Sie schneiden ihm die Zunge und dem Manne etwas sehr empfindliches zwischen den Beinen ab.“ Will stolperte rückwärts. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken und der Atemzug blieb ihm in der Kehle stecken. Was verdammt noch mal waren diese Gerudoweiber? Alles Hexen? Er musste Link deswegen mal befragen... Midnehrets Worte hatten ihre Wirkung jedenfalls erzielt. Das sah sie an der leichten Beklemmung in dem Blick dieses Rittersohnes. Weg war Wills große Klappe. Und weg waren seine provokanten Bemerkungen. „Das ist... nicht sehr... nett“, stotterte Will und die junge Halbgerudo konnte ihm ansehen, dass er von gewissen Themen noch überhaupt keine Ahnung hatte. Kein Wunder, dieser Spund war ja auch erst fünfzehn. Er hatte sicherlich noch keine Freundin gehabt und dann stammte er aus einer sicherlich anständigen Familie, die alte Traditionen verfolgte wie jene, dass die erste gemeinsame Nacht nach der hylianischen Trauung für beide Liebenden erfolgte. „Genau! Nicht nett, sondern übel schmerzhaft. Demütigend und blutig. Also: Willst du meinen größten Wunsch immer noch wissen?“ Er nickte beflissen, überlegte aber, ob er nicht lieber doch dieser Halbgerudo aus dem Weg gehen sollte. Sie strahlte in das Himmelszelt und schloss die Augen. „Ich wünschte, meine Augen wären nicht mehr ungleich.“ Sie lächelte. „Das wäre wundervoll.“ „Das ist ein schöner Wunsch“, sagte der Laundry. „Und hier in Hyrule werden die unglaublichsten Wünsche wahr, man darf bloß nicht aufgeben.“ Sie nickte. „Es wäre theoretisch sogar möglich, aber dazu bedarf es schon einem großen Kunststück an Magie. Und es gibt nicht viele, die die Fähigkeit besitzen etwas so reales wie meine Augen abzuändern. Außerdem kostet eine solche magische Behandlung tausende Rubine.“ „Und wie sollen deine Augen aussehen?“. sagte Will, einmal mehr so neugierig wie davor. Sie zuckte mit den Schultern. „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Eigentlich ist es mir gleich. Hauptsache nicht mehr ungleich. Denn dann würde ich nicht mehr aussehen wie eine Halbgerudo...“ „Wie wäre es mit grün?“ „Warum grün? Damit meine Augen so unverschämt neugierig aussehen wie deine?“ „Nein, weil grün einfach eine tolle Farbe ist.“ Sie rollte mit den Augen. „Dann eben blau.“ Sie verzog das Gesicht, was ihm als Antwort genügte. „Das ist zu engelsgleich. Viel zu heilig, so bin ich nicht.“ „Wie wäre es mit feuerrot. Das bildet einen wunderbaren Kontrast zu blau.“ „Aber das ist unnatürlich.“ „Du bist viel zu anspruchsvoll.“ „Und du bist verdammt noch mal unheimlich genügsam und einfältig.“ „Hach, da lass’ dich eben überraschen...“ „Genau das hatte ich vor.“ „Das sind wir uns wenigstens einmal einig“, murrte Will und schaute hinauf auf die Mauer, wo ein nachdenklicher Link mit den Beinen baumelte. Midnehret strich sich wieder die Falten auf dem Kleid glatt und meinte zaghaft: „Und was ist dein größter Wunsch?“ Will grinste wie eine Speckschwarte. „Ursprünglich wollte ich einfach so stark werden wie mein Vater. Aber jetzt, da ich die Legende der Helden Hyrules kenne, dann würde ich gerne so stark sein wie der Held der Zeit.“ „Das möchten viele Jungspunde. Weißt du, ich hatte einst ein Gespräch mit einer Gerudo, die den Helden der Zeit kennt.“ „Tatsächlich?“ „Ja, ihr Name ist Naboru. Sie ist die Anführerin der Gerudos und sie ist eine der Reinblüter im alten Gerudovolk. Sie hat manchmal vom ihm erzählt und gemeint, er wäre so ein süßer Kerl, dem man seine Heldentaten gar nicht ansehen kann.“ „Du meinst, er sieht unschuldig aus?“ Sie nickte. Will zupfte sich an den wenigen Barthärchen, die von seiner Mannesnatur zum Vorschein kamen und schwenkte mit dem Arm hinauf auf die Mauer, direkt dorthin, wo Link schwermütig in den Himmel starrte. „Möglicherweise sieht er genauso aus wie der Junge dort oben.“ Midnehret blickte verwundert nach oben, entdeckte einen ahnsehnlichen Burschen dort sitzen und murmelte: „Ja, vielleicht sieht er so aus...“ „Ja, vielleicht“, endete Will. Die junge Halbgerudo bedankte sich dann höflicherweise für das aufmunternde Gespräch und erklärte, dass sie noch einige Dinge erledigen müsste, die Will ihr nicht entlocken konnte. Nicht mit seiner aufdringlichen Neugierde. Auch nicht mit seinem Charme. Sie lächelte und machte sich auf den Weg in den Hinterhof. Plötzlich aber stoppte sie in ihren Schritten noch einmal und murmelte leiser: „Ähm... ich habe noch eine Frage. Kennst du den Jugendlichen, der abends auf dem Dach immer Okarina spielt?“ Will drehte sich verwundert um. „Ja, zufälligerweise kenne ich ihn. Er ist mein Kumpel.“ Midnehret öffnete ihre schmalen, roten Lippen sachte und ihr sonst so kühler und abstoßender Ausdruck auf dem vollmondrunden Gesicht änderte sich ein wenig. „Kannst du ihm danken? Sein Spiel ist so beruhigend und schön“, meinte sie leise und zupfte nervös an ihren schulterlangen Haaren. „Das kannst du auch selbst. Dort oben auf der Mauer sitzt er... neben den vielen Fernrohren.“ Midnehret nickte und schaute selbst interessiert zu dem Helden der Zeit, der mit den Beinen baumelte. Link beobachtete den Ritter Lassario währenddessen von weitem und wurde das Gefühl nicht los, dass er ihm etwas verschwiegen hatte... Denn so gut wie gar nicht, hatte er die Frau von Arn Fearlesst erwähnt. Es kam dem Heroen beinahe so vor, als hätte Lassario bewusst das Thema um Lady Fearlesst umgangen... Und noch etwas sah er von hier oben sehr deutlich. Eine breite Person, die sich Olindara nannte. Schon seit vorhin wollte er schauen, ob Ariana sich hier irgendwo aufhielt und meistens war sie mit Olindara unterwegs. Endlich entdeckte er die dicke Olindara, hüpfte auf die schwächlichen Glieder und kletterte vorsichtig die Leiter hinab. Er erreichte Olindara Heagen zwischen den Menschenmassen nur schwierig und als es ihm gelang, tippte er kurz auf ihre Schulter, damit sie ihn überhaupt registrierte. „Ähm... Entschuldigung, ich wollte fragen, ob Ariana schon wieder zurück ist...“ Weitere Mädchen standen um Olindara herum und beäugten den ungeschickten Link mit süßen Augen. „Ariana geht es nicht gut. Die ist erst heute früh wiedergekommen und hat sich dann gleich hingelegt.“ Link schaute skeptisch drein, so als ob er Olindaras Worte nicht für voll nehmen konnte. „Was, wieso das denn?“ „Keine Ahnung“, sagte Olindara kurz angebunden und wollte schon weiterlaufen. „Kann... ich meine... kann ich sie besuchen?“, äußerte Link aufgeregt und ignorierte die flirtenden Blicke der anderen Mädchen, für die er sich nicht die Bohne interessierte. „Sie hat gemeint, sie will niemanden sehen.“ Link wurde wieder schweigsam und starrte gen Boden. „Deshalb soll ich jeden abfangen, der mit ihr reden will, weil sie schlafen möchte.“ „Das ist schade“, murmelte der junge Heroe. „Eben“, neckte die junge Heagentochter und lief unbeirrt weiter ihres Weges. Link stand einfach nur da und blickte hinauf zu den schönen Fenstern der Mädchenschule. Ariana ging es nicht gut? Irgendwie beunruhigte ihn das... und es belastete sein momentanes, trübsinniges Gemüt noch mehr... „Hey, Link.“, rief es in dem Moment von hinten. Und Will kam mit einer seltsamen Person angelaufen. „Darf ich vorstellen, das ist Midnehret... sie wollte sich bei dir bedanken für dein Spiel mit der Okarina...“ Er schaute verwundert auf und erblickte sofort überrascht die beiden ungleichen Augen. Das eine golden wie bei einer Gerudo. Das andere kühl und dunkel wie die Nacht. Und die feuerroten Haare sprachen für Link in ihrer eigenen Sprache und taten ihr übriges, und Link wusste sofort, dank seiner Beobachtungsgabe, dass hier jene Halbgerudo vor ihm stand, über die Naboru geredet hatte. Jenes Mädchen, über das der Gerudorat abgestimmt hatte. „Das Okarinaspiel?“, sagte Link beflissen. „Ja, am Abend... es beruhigt die Seele.“ „Du kennst das Instrument?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ein Mädchen aus der Schule hat mir gesagt, es wäre eine besondere Okarina.“ Link verengte die Augen misstrauischer. „Ein Mädchen? Welches Mädchen?“ „Ihr Name war, glaube ich, Ariana... ihren Nachnamen weiß ich nicht mehr.“ Link nickte. „Wirst du wieder spielen?“ Link schaute verwundert auf. Ihre offenbarende Frage machte ihn nervös. Es gab Leute, die an seinem Spiel Gefallen gefunden hatten? Bisher hatte er nicht gewusst, dass das Spiel auf der Okarina der Zeit überhaupt jemanden gefallen könnte. Außer Zelda... Link wusste, dass sie das Spiel auf der Okarina liebte. Sie liebte die Töne und die vielen Erinnerungen, die mit dem Instrument in Verbindung standen. „Was ist, wirst du wieder spielen?“ Link nickte wieder und sah bewusst an der Halbgerudo vorbei. Aber gerade da entdeckte er den merkwürdigen Handspiegel in ihrer linken Hand. Ihm fiel der Gegenstand nicht auf, weil er sehr hübsch aussah, sondern, weil er aus dem gleichen Metall gefertigt wurde, wie der Ring Hopfdingens und seine Kompassnadel. „Wo hast du diesen Spiegel her?“, sagte Link und starrte weiterhin auf den Spiegel. „Den habe ich dort drüben gekauft“, sagte sie ehrlich und schwenkte den Arm zu dem Stand der alten Verkäuferin. „Gib’ den lieber wieder zurück.“ Sie verzog das Gesicht daraufhin missbilligend, dabei meinte Link es nur gut. Er hatte seine Befürchtungen, dass der Besitz eines solchen, merkwürdigen Metalls sehr gefährlich sein konnte. „Das habe ich von meinem Geld gekauft. Den Teufel wird’ ich diesen Spiegel zurückgeben.“, brummte sie. Sie wollte gerade weglaufen, aber Will stellte sich aufbrausend vor sie und stoppte sie. „Nun hör’ dir wenigstens an, was Link zusagen hat.“ Sie warf einem gelangweilten Blick zu dem jungen Heroen, und verengte die Augen. „Bitte, was?“ „Der letzte, der einen Gegenstand aus diesem Material besessen hat, wurde umgebracht. Ich meine bloß, dass du vorsichtig sein solltest. Wenn du ihn nicht zurückgeben willst, dann versteck’ ihn gut.“ Sie führte eine Hand an ihr schmales Kinn und zwinkerte. „Der Mord an dem Hausmeister?“ Link und Will nickten beide wie die Blöden. „Ah, ich weiß... Sir Viktor erzählte mal von diesem Ring des Hausmeisters, und er hat schon gemeint, dass der alte Kerl deswegen auf sich Acht geben sollte.“ Sie betrachtete sich den Spiegel und wickelte ihn dann in ein altes Taschentuch ein. „Was wirst du jetzt damit machen?“ „Ich werde ihn in meiner Kammer aufbewahren“, sagte sie schnippisch. „Es wird schon niemanden interessieren, dass ich dieses Ding besitze.“ Will schüttelte mit dem Kopf. „Du solltest lieber nicht so hochmütig sein.“ „Und du solltest nicht ständig aus einem Kobold einen ausgewachsenen Drachen machen, du... du...“ Sie suchte schon wieder nach Schimpfwörtern, schnaubte aber bloß, als Will kicherte. „Idiot!“, fauchte sie schließlich. „Wie du meinst.“ Link stand nur daneben und konnte nicht glauben, dass man sich so anzicken konnte. Zugegeben, wenn er sich an Ruto erinnerte, dann war das irgendwie einleuchtend. Dennoch hatte er der Zoraprinzessin damals nicht unbedingt immer Kontra geben wollen so wie Will das praktizierte. Das brachte doch nur Ärger. Und mit Mädchen wollte Link sich sowieso nicht unbedingt anlegen. Unweigerlich dachte er wieder an Zelda, seine Seelenverwandte, und war mit den Gedanken so weit weg, um zu bemerken, dass er angesprochen wurde. Link seufzte und schaute unbewusst hinauf an die vielen Rundbogenfenster der Mädchenschule. „Link, verdammt, wir reden mit dir? Kannst du nicht mal an was anderes als deine Zelda denken?“ Ertappt, dachte Link. Woher wusste Will, dass er an Zelda dachte? „Äh... also...“ „Sag’ bloß, ich hab’ den Pfeil ins Schwarze getroffen?“, lachte der junge Laundry und konnte es selbst nicht glauben. Er hielt sich den Wanst fest während er lachte und Link schaute mit tomatenroten Ohren zu Boden. „Wie auch immer...“, babbelte Link und versuchte das Thema zu wechseln. „Ich werde heute Abend Ariana besuchen, nicht Zelda...“ „Jaja, schon klar“, feixte Laundry und klopfte ihm auf die Schulter. „Nun gut, ich bin dann weg. Es ist schön, dass du wieder Okarina spielen wirst. Danke“, meinte Midnehret trockener an Link gerichtet, lief zurück in die Menschenmenge und zwinkerte dem jungen Laundry noch frech entgegen, worauf er nur den Kopf schüttelte. Dafür, dass sie eine Halbgerudo war und nur eine kleine Dirne, verhielt sie sich einfach nur unverschämt, besonders ihm gegenüber... „Will?“, sagte Link mit einer Miene, die ernster nicht sein könnte. „Warum hast du sie nicht daran gehindert diesen Spiegel zu kaufen?“ Der Heroe klang beinahe vorwurfsvoll. Der junge Laundry schüttelte mit den Schultern, als sich Link zu ihm umdrehte und ihn auf eine Weise anblickte, die Will ein wenig erschreckte. Noch nie hatte Link jemanden so kühl angeschaut wie in jenem Moment. „Ehrlich gesagt habe ich ihr sogar geholfen, den Spiegel zu bekommen...“ Link schüttelte warnend den Kopf. „Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?“ Aufgeregt breitete der einstige Held der Zeit seine Arme auseinander und redete eindringlicher: „Ist dir nicht klar, dass du sie damit ihn Gefahr bringst? Dieses Material kann für sie tödlich sein. Wir haben doch schon mit Ariana darüber diskutiert. Hast du das vergessen oder ist dir egal, was mit anderen Leuten passiert?“ Will wich ein wenig verwundert zurück und blinzelte. „Aber ich hab’ doch bloß was Gutes tun wollen.“ Link rollte die Augen. „Jaja... Aber die Konsequenzen hast du nicht bedacht.“ Brütend lief der Heroe hin und her. „Ich muss mich irgendwie umhören. Was hat Midnehret gesagt? Sir Viktor hätte Informationen zu dem Metall?“ Doch Will gab darauf keine Antwort, und Link erwartete auch keine. „Vielleicht weiß auch Sir Newhead was zu diesem Metall.“ Daraufhin zuckte Will mit den Schultern. „Was kümmert dich das überhaupt? Bloß, weil Ariana meinte, du solltest dich deswegen umhören?“ „Nein, weil ich nicht zusehen kann, wie Hylianer einfach danebenstehen, wenn andere in ihr Verderben stürzen“, murrte Link provokant, schüttelte den Kopf zur Bekräftigung. Will wusste, dass er selbst indirekt gemeint war. Erneut schwieg er. „Wir müssen uns etwas einfallen lassen, damit Midnehret diesen Spiegel loswird. Und das rechtzeitig“, sagte Link kühl. Will nickte, aber kam nicht umher sich in seiner Haut jetzt unwohl zu fühlen. Verdammt, er war eben nicht so weitsichtig und dachte gleich an irgendwelche Alptraumszenarien. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass irgendein Hylianer morden würde nur um an dieses Material zu kommen. Was war schon dabei? Das war ja nicht mal Gold und sah ziemlich wertlos aus... „Ich werde versuchen mich in Viktors Büro umzusehen“, sagte Link. „Und du wirst versuchen die Halbgerudo zu überzeugen, dass sie den Spiegel wieder hergibt. Es sei denn du hast Lust, eine Tote auf dem Gewissen zu haben.“ William schnaubte und wollte sich nichts aufzwängen lassen. „Nun mach’ aber mal halblang, Link. Nur wegen diesem blöden Spiegel wird sie nicht gleich umgebracht werden. Und außerdem ist nicht gesagt, dass Hopfdingen wegen seinem Ring den Tod fand.“ „Aber es ist eine Möglichkeit. Würdest du nicht ein Leben retten wollen, wenn eine so kleine Möglichkeit besteht?“ Als Will nur herumdruckste und keine passende Antwort fand, nahm Link dies als eine Zusage. „Gut, ich werde morgen mal schauen, ob ich in Viktors Büro was finde.“ „Na gut, dann schaue ich ob...“ Aber in dem Augenblick ertönte ein dröhnender Lautsprecher und die Stimme von Professor Twerkfuß, dem Zwerg mit dem weißen spitzen Bart, erschallte. Sie ertönte über dem breiten Burginnenhof bis hinaus in die naheliegenden Wälder. „Alle Neuankömmlinge... alle, die das erste Jahr an der Schule beginnen, bitte im Innenhof versammeln. Es folgt die Vorstellung der neuen Ritteranwärter.“ „Was zum Teufel...“, murmelte Link. „Habe ich richtig gehört? Die wollen alle neuen Jugendlichen an der Schule vorstellen?“ Link fiel aus allen Wolken. Er hatte nun wahrlich keine Lust von allen möglichen Hylianer begafft zu werden. Was sollte ein Zurschaustellung der Jugendlichen? „Ja, das stimmt. Vater sagte, dass wäre so etwas wie Tradition an der Schule. Und es werden den ,Neuen’ einige Fragen gestellt. Außerdem wird ein Magietest gemacht und dann kommt noch ne Mutprobe, die etwas mit dem anschließenden Umzug zu tun hat.“ „Mutprobe“, wiederholte der junge Heroe abtuend. „Na klar, ein Ritter sollte schließlich mutig sein.“ „Hättest du mir davon nicht eher etwas sagen können?“ Vorwurfsvoll sah Link drein und wirkte plötzlich irgendwie eingeschüchtert und kleinlich auf Will. „Was machst du dir deswegen überhaupt Sorgen? Gerade du müsstest damit doch kein Problem haben...“ Der junge Laundry stoppte sich und biss sich auf die Lippe, bevor er etwas falsches sagte. Erneut eine Verdächtigung. „Ich habe aber ein Problem damit. Ich will nicht, dass irgendjemand herausfindet, wer ich...“ Geschockt sah Link auf, hätte er sich doch beinahe vor Will verplappert. Ausgerechnet vor Will. Er fasste sich an seine Stirn und lief schweigend in die Mitte des Platzes, wo sich die Ritterjungen versammelten. Wenige Minuten später standen acht Jugendliche wartend und aufgeregt auf einer kleinen Holztribüne und wurden von den neugierigen Zuschauern angestarrt. Zum einen Will und Link, die beide im dritten Jahr anfangen würden. Fünf Schüler, die im ersten Jahr beginnen würden. Und ein weiterer, der die im zweiten Jahr eingeschult wurde. „Die Schule hat doch schon längst angefangen, warum werden wir ausgerechnet jetzt erst vorgeführt?“, brummte Link nahe Will. „Vermutlich, weil der Mord an Hopfdingen dazwischen gekommen ist.“ „Na und? Ich versteh’ einfach nicht, was das Ganze soll...“ Link rollte mit seinen tiefblauen Augen und wünschte sich, er könnte sich hinter der Bühne verkriechen. Er hasste die Peinlichkeiten, die entstehen könnten, weil er keinen Nachnamen hatte und er hasste das verdammte Getuschel über ihn. Erst letzte Woche nach dem Unterricht war ihm aufgefallen, dass besonders diese Gang um Ian über ihn gesprochen hatte und er als er an ihnen vorüberlief, war plötzlich Funkstille. Und auch jetzt bemerkte er, wie einige der Anwesenden ihn irgendwie scheel musterten. Professor Twerkfuß, der Spezialist in den Fächern Sprachen Hyrules, Völker- und Dämonenkunde, schlich auf seinen alten Schnabelhalbstiefeln näher und hatte seinen magischen Lautsprecher unter dem rechten dünnen Arm geklemmt. Zufrieden stieg er auf das Podest und trat direkt neben Link, der am Rande der Bühne stand. „Werte Schüler.“ Nervtötend sprach er in seinen magischen, bunten Lautsprecher und drehte das eigentümliche Gerät direkt an Links empfindliche Ohrmuschel. „Wir werden damit beginnen, jeden von euch einzeln aufzurufen. Tretet bitte vor!“ Link kreischte auf das entsetzliche Dröhnen, hielt sich seine Ohren zu und stolperte erst mal über seine eigenen Füße. Alle Zuschauer lachten, grölten amüsiert über den Jugendlichen, den das Gequake Twerkfuß’ direkt aus den Stiefeln gehoben hatte. Der junge Heroe saß nur da, wanderte von einer Fratze zur nächsten und fühlte sich erneut entehrt und gedemütigt. Er ballte seine Hände zu Fäusten und senkte den eisigen Blick zu Boden. Sein Fragment pochte unter dem linken Handschuh wie ein zweites Herz in seinem Körper. Wenn nicht endlich jemand dieses Gelächter abstellte, würde er einen von den Flüchen, die er kannte, auf die Menge loslassen. Er konnte sich kaum noch beherrschen, fühlte sich plötzlich unter fremder Steuerung. Das Tiefblau seiner Augen wurde kälter und kälter, emporhoben sich erneut die vielen Zweifel und ein Hauch Hass, geboren aus mangelndem Respekt ihm gegenüber. Alle, alle, die über ihn herzogen wären heute nicht mehr am Leben, hätte er nicht den Fürsten des Schreckens in die Knie gezwungen. Gerade rechtzeitig schwang sich Nicholas gekonnt auf die Bühne, nahm Twerkfuß leichtfertig den Lautsprecher ab und rief: „Da sich unsere lieben Mitbürger mal wieder nicht beherrschen können, und sich über bewundernswerte Jugendliche amüsieren müssen, möchte ich nun das Wort erheben.“ Er reichte Link eine helfende Hand, die er diesmal nicht wegschlug. Beinah dankbar ließ sich der junge Heroe an der rechten Hand auf die Füße zerren. Nicholas war gerade rechtzeitig erschienen, bevor sich Links Fragment selbstständig gemacht hätte... „Ihr solltet lieber Acht geben, wen ihr da belächelt“, murrte Nicholas in den Lautsprecher. Dafür trat Link dem unerkannten Schwindler erst mal auf den großen Zeh. Er knirschte mit den Zähnen und gab Link eine Kopfnuss, die sich gewaschen hatte. „Du sollst nicht solche Andeutungen machen...“ flüsterte Link. „Und du solltest nicht immer Aufsehen erregen...“, nuschelte Schwindler und setze ein geschauspielertes Grinsen auf, um die Menge zu erfreuen. Link verzog das Gesicht und wollte gerade einen weiteren bissigen Kommentar an Schwindler richten, als jener in das Sprachrohr grölte: „Wir alle freuen uns, die neuen Jungen an unsere Schule willkommen zu heißen. Viele harte Prüfungen werden auf sie warten. Prüfungen, die Kraft, aber in aller erster Linie die eine Eigenschaft fordern, die uns von Göttin Farore so nahe gelegt wurde. Lasst uns in den starken, rechtschaffenen Herzen der Neuen, allen Mut stärken, welchen die Helden aus Hyrule immer in ihren Herzen und auf ihren Handrücken trugen.“ Unauffällig versteckte Link seine beiden Hände hinter dem Rücken. Eine unangenehme Befürchtung schlich sich in seine Gedanken. Wollten diese Lehrer und Ritter etwa die Handrücken jedes Jugendlichen mustern? Nein, beruhigte ihn eine Stimme in seinem Kopf. Das konnte doch nicht sein, oder? Wozu? Die meisten Ritter wussten ja, dass das Fragment des Mutes auf seinem Handrücken existierte. Wozu würden sie einen solchen Test durchführen... Er schüttelte unabsichtlich seinen Schädel. Quatsch, das würden die nicht wagen, ihn bloßzustellen, oder? „Mein lieber Professor Twerkfuß“, feixend wand sich Nicholas an den grimmig dreinblickenden Lehrer, dem seine eigene Rede aus dem Mund genommen wurde. „Würdet Ihr mir freundlicherweise die Liste mit den Namen der Neuen reichen?“ Nicholas grinste wahrhaft unverschämt und grinste noch breiter als der graubärtige, kleine Professor seine Lippen verzog, sowie seine einäugige Brille abnahm. „Vielen Dank“, lachte Schwindler und nahm das Schriftstück an sich. „Dann wird eine wunderbare Magierin euch jetzt begutachten, Jungs. Undora, die Bühne gehört Euch.“ Damit hüpfte Schwindler von dem Podest. Ungeduldig standen die Jungspunde auf ihr Schicksal wartend auf der Bühne. Einige begannen unruhig zu werden, da besagte Magierin einfach nicht erschien. Andere zappelten bereits oder begannen sich zu unterhalten. „Wo bleibt denn diese Magierin?“, nuschelte Link zu Will, der tiefsinnig die Gegend absuchte. „Artus und Robin haben mir erzählt, es wäre eine rundliche, alte Frau, die viel Wert auf einen überraschenden Auftritt legt. Sie begutachtet die neuen Ritterjungen schon seit Arn Fearlesst hier sein Studium begonnen hat.“ „Soso... überraschender Auftritt?“, murrte Link gelangweilt. „Kann die sich teleportieren? Das ist schwach, das kann ich auch... gelegentlich.“ „Wie bitte? Ich meine, wirklich?“ „Ja, geht aber meistens schief...“ „Inwieweit schief?“ „Das letzte Mal bin ich mitten in der Nacht in einem Wohnhaus gelandet. Und das Mal davor, hab’ ich ein Brenneselgebüsch als meine Landung ertragen müssen. Ich teleportiere mich nie wieder...“ Will grinste laundryhaft, mit einer heimlichen Spur der Gewissheit, Links Geheimnisse früher oder später allesamt herauszufinden, und suchte weiterhin die Gegend ab. In dem Moment gab es einen lauten Schrei, gefolgt von einem sehr unsanften Poltern. Alle Anwesenden drehten ihre Schädel überrascht zum nördlichen Burgturm und rissen ihre Augen auf. Etwas kugelförmiges rollte mit nahezu fieberischer Geschwindigkeit an dem Turm hinab, landete auf dem Dache, nur um sich erneut nicht halten zu können. Eine alte, schiefe Frauenstimme gackerte und zankte von oben herab, bis sich von der graufarbenen Kugel ein Kleid aus schwarzen Federn abspaltete. Die schwarzen Federn tanzten im Wind und stoppten die nun endlich erkennbare runde Dame, bevor sie sich mit einem verheerenden Schlag auf festen Erdboden begeben hätte. Das Kleid aus schwarzen Federn verflüchtigte sich, wandelte sich in einen winzigen Regen aus dunklen Tropfen, als die alte Dame in ihrem pelzigen Umhang endlich behütet an der Bühne ankam. Alle Anwesenden seufzten vor Erleichterung. Wahrhaft, dachten einige. Auch diesmal hatte die alte Magierin Undora viel Wert auf einen unvergesslichen Auftritt gelegt. Nicholas trat näher und musterte die Dame scheel. Er reichte ihr die Hand, verbeugte sich und gab ihr ein Küsschen auf den Handrücken. „Wie jedes Jahr, ein überraschender Auftritt, Undora“, begrüßte der Ritter die Dame. Sie lächelte und zeigte ihm ihre gelben, schiefstehenden Zähne, die aus einem runden Gesicht mit vielen alten Warzen herausstachen. Ihr Haar war kurz und gelockt, von einer weißen Farbe, die nicht zu ihren rotgemalten Wangen passte. Sie war gewiss keine Schönheit, aber sie wusste um jedes Gesicht von Magie. Deshalb gebührte die Aufgabe, die Neuen zu begutachten schon immer ihr. Niemand sonst zeichnete sich durch ein so hohes Spektrum an Zauberkünsten aus so vielen Bereichen mit diesem Repertoire an Auszeichnungen aus wie Undora. Jeder, der ein magisches Problem hatte, kam zu ihr. Und jeder, der keines hatte, wollte lieber nichts von ihren ungebräuchlichen Methoden wissen... „Sir Newhead, wie schön, Euch endlich persönlich zu treffen“, quiekte sie unnatürlich. Wie eine ungeölte Schiebetür klang ihre Stimme. Sie spielte immer ein wenig mit den hohen Tönen, während sie redete, was das ohrenbetäubenden Klangwerk noch bestärkte. „Nicht doch, Undora, die Ehre liegt ganz bei mir.“ Sie gackerte und drückte beide ihrer großen, schlabberigen Hände auf den runden Bauch unter ihrer Pelzkutte. „So, wo sind denn meine Opfer?“, triumphierte sie und fixierte die Jugendlichen einer nach dem anderen. Bei Links weniger beeindrucktem Gesicht blieb sie haften. Ihre Augenfarbe wechselte immer wieder, von rot zu grün zu gelb zu braun, und doch starrte sie den ahnungslosen Helden direkt in die tiefblauen Augen. „Oh ja, ich glaube, die Begutachtung der Jungen wird sich diesmal gewiss lohnen“, eiferte sie und rieb sich die Hände, bis eine Stichflamme aus ihnen hervorquoll. „Oh... ich habe meine Magie heute wohl nicht so gut unter Kontrolle...“, lachte sie verlegen und wischte sich die Ruß beschmutzten Hände an ihrer Kutte ab. Einige Anwesende schüttelten den Kopf und ergriffen vorsichtshalber die Flucht. Anscheinend wusste man hier um Undoras ausfällige Magie und ihr mangelndes Vermögen damit umzugehen. „Was für eine komische, alte Schachtel“, murmelte William und kratzte sich an seinem groben Laundrykinn. „Aber dass Ihr mir keine solchen Scherze mit den Jungs dort oben anstellt, Undora?“ Nicholas grinste wieder und überblickte die gräuliche Liste mit den Namen. „Ich? Wie könnte ich?“, stierte sie ironisch und lachte wieder eindringlich. Tollpatschig und unbeholfen kletterte die alte Dame auf die Bühne und hetzte freudig an den Jugendlichen vorbei. Sie takelte von rechts nach links, bis Nicholas den ersten Namen auf der Liste vorlas. Sie rieb sich die Hände und lief zu dem ersten Jungspund. Einem Dreizehnjährigen, der nervös mit den Beinen zuckte. Undora wackelte mit ihrer spitzen, mäuseartigen Nase und packte zunächst die rechte Hand des Jungen. Sie tupfte mit dem Zeigefinger über seine Finger und blieb bei dem Handrücken stehen. Dann grabschte sie einen Bündel seines dunklen Haares und riss gnadenlos einige Strähnen heraus. Der Junge kreischte, aber Undora lachte wieder nur. Sie schüttelte mit dem Kopf und meinte: „Bei den Hexen meines Zirkels, es tut mir leid, aber da steckt keine Magie und keine Macht in dir...“ Der Junge senkte sein Haupt und Nicholas las den nächsten Namen vor. Bei jedem Jungspund hatte die gute alte Magierin eine andere Prozedur, die sie anwendete, um ‚ihr Opfer’ zu quälen. Einmal schnupperte sie. Einmal lief sie zwanzig mal um den Ritteranwärter herum und ein anderes Mal untersuchte sie die Füße, zwang den Jugendlichen sogar dazu seine Strümpfe auszuziehen. Eine halbe Stunde verstrich und William Laundry war an der Reihe begutachtet zu werden. „Ah ja... du hast Glück, kleiner Laundry...“, lachte sie. „Magie steckt in deinem Blut. Deine Großmutter war eine ganz Große von uns...“ Verwundert sah Will auf und dachte schon er käme drum herum irgendeine Gemeinheit wie die anderen Kerle zuvor, erleiden zu müssen. Er wollte gerade seufzen, als Undora ihn sehr grob in seine lange Nase kniff. Rote Abdrücke verblieben, bis sie erneut unheimlich ihre Augenfarbe wechselte. Will verdrehte seine smaragdgrünen Augen und schielte zu Link hinüber, der verkrampft und seine Hände hinter dem Rücken versteckend zu Boden blickte. Nicholas las dann Links Namen vor. Und wieder ging ein unabänderliches Getuschel durch die Menge, da er ohne Nachnamen war. „Ha“, rief Undora. „Da brat mir doch einer nen Storch!“ Sie klatschte in die Hände und ein schwarzer Dampf stieg von ihrem Kopf. Sie boxte Link schmerzhaft in seinen Bauch, klatschte ihm mit gewichtigen Schlägen auf seine beiden Schultern. Er röchelte und sank erst mal nieder. „Du bist der Talentierteste hier, das weißt du, nicht?“ Sie lächelte, beugte sich zu ihm und versprühte ihren weniger einschmeichelnden Mundgeruch. „Und das wahrlich in jeder Hinsicht.“ Sie machte sich nichts draus eine weitere Schwelle zu überschreiten und kniff Link in die rechte Wange. „Und was für ein süßer Fratz du bist.“ Sie stemmte ihre dicken Pfoten mit langen, krallenartigen Fingernägeln in ihre Hüfte und hängte den Kopf schief. Sie blickte mit ihren farbenwechselnden Augen in die Menge und antwortete auf das anhaltende Gewisper der vielen, neugierigen Hylianer. „Nana... keiner hier braucht diesen Jungen belächeln, weil er keinen Nachnamen hat. Glaubt mir, er hat einen.“ Sie drehte ihren Schädel zu Link ohne ihren Körper zu drehen. Es knackte unangenehm, aber Undora schien wohl jegliches Gefühl für die Knochen in ihrem Körper verloren zu haben. „Du hast einen Nachnamen, Fratz, einen tollen, ja großartigen, den du aber selbst herausfinden musst.“ Sie schnipste mit den Fingern. „Oh, da fällt mir noch etwas ein. Jemand, der dich gerne ,dummer Junge’ nennt, gab mir das.“ Sie zauberte eine kleine, verstaubte Pergamentrolle aus ihrem Ärmel und drückte sie Link in die Hand. „Und noch eine Kleinigkeit. Heute Nacht um zehn Uhr findet die Mutprobe für die Jugendlichen statt. Pass’ auf deine linke Hand auf...“ Damit hüpfte sie von der Bühne und gesellte sich wieder zu Nicholas. Verdutzt stand Link weiterhin auf der Bühne, während die anderen Jugendlichen schon hinabstürmten. Er hatte einen Nachnamen? Seine tiefblauen Augen schillerten mit einem wunderbaren Hoffnungsgefühl. Natürlich hatte er einen. Aber vielleicht musste es in seiner Umgebung erst jemand aussprechen, damit es für den trübsinnigen Helden fassbar wurde. Ein Nachname... ein besonderer Nachname... und er würde ihn vielleicht herausfinden können. Link lächelte beinahe und suchte dann den Schauplatz nach Undora ab. Aber die seltsame Magierin war wie vom Erdboden verschluckt worden... Auch Nicholas war nirgendwo auszumachen. Zufrieden widmete sich Link daraufhin der Pergamentrolle. Er öffnete das rote Wachssiegel, ein Symbol mit zwei überkreuzten Schwertern, und fand einige Zeilen darin, geschrieben mit einer eigenwilligen Handschrift. „An meinen dummen Jungen, auf der Rückseite dieses Briefs steht eine Karte, die dich zu der Hütte von Undora führen wird. Ist die Zeit gekommen, wirst du wissen, dass du zu ihr gehen musst. Sie wird dir helfen können, deine Krankheit, deinen Fluch, egal, was es ist, das auf dir lastet, verstehen zu lernen. Aber überstürze nichts. Willst du sie zu der falschen Zeit finden, wirst du sie nicht finden. Hab’ Geduld, mein dummer Junge und übe dich darin durchzuhalten. F.L.“ Das erste Mal seit langem wollte ein kleiner Schimmer Stärke, ein kleiner, unsichtbarer Funken seines wahren Gesichts an die Oberfläche. Er dachte nach, suchte nach etwas Unbekanntem in seinen Erinnerungen, nach kleinen Bruchstücken, die ihm sagen würden, warum sich in dem letzten halben Jahr für ihn alles in Frage gestellt hatte. Warum hatte sich alles verändert? Sicherlich, die Sehnsucht nach einem Platz, nach etwas Festem war schon immer tief in seinem einsamen Herzen verwurzelt gewesen. Doch wohin war seine Kraft all’ diese Zweifel zu bekämpfen hingelangt? Wo war der Held der Zeit geblieben? Es schien beinah so als hätte man jenen legendären Helden einfach von ihm abgespalten und er folgte Link wie ein Schatten, der sich niemals preisgab... Es musste eine schwerwiegende Ursache geben, gewiss. Und doch hatte Link nicht einmal die Kraft gefunden, dieser Ursache auf den Grund zu gehen? Er hatte ignoriert, hatte vergessen und wollte nur noch lethargisch zusehen wie sein Leben an ihm vorbeizog... Verdammt, dachte er. Er war doch früher nicht so teilnahmslos und so unsäglich resigniert. War dieses Desinteresse an den Geschehnissen in Hyrule, die Abweisung Zeldas, wo er doch ihre Nähe ersehnte, und sein übertriebener, blanker Selbsthass vielleicht ein Teil des Fluches, der ihn seit der Erinnerungslücke begleitete? Er legte den Kopf in den Nacken und starrte in das sonnige Himmelsdach. Er musste sich verdammt noch mal zusammen reißen, er musste aufwachen, kämpfen. Sein Blick wurde ernster. Sein Mut rief ihn leise zu sich, und doch erstak jene Stimme im selben Augenblick an der Wahrheit, die fehlte... „Link, du Träumer. Kommst du zu uns?“, rief Will und winkte von einem der vielen Holzbänke und Tische, die nahe des Getränkestandes aufgebaut waren. Belle lächelte, Lassario nickte und Lilly stürmte auf ihn zu. Der junge Held nickte bloß und überwand die Angst ein wenig Anteilnahme und Verständnis zuzulassen. „Linkelchen. Lass’ uns zusammen Karussell fahren, okay?“ Link stolperte unsicher näher, konnte aber nicht verhindern, dass sich die kleine Lilly an seinen Knien festhielt. „Bitte, Linkelchen.“ Sie grabschte seine freie Hand und hielt sich so angestrengt fest, dass Link sich nicht lösen konnte. Lilly hatte wahrlich ihren Spaß und lachte. Sie führte den jungen Heroen zu Belle und ihrem Gatten, bat dann darum mit Linkelchen und William Kettenkarussell fahren zu dürfen, worauf ihre Eltern zustimmten. Der entspannende Nachmittag ging schnell vorüber, viel zu schnell... Schon lange hatte Link sich nicht mehr so wohl gefühlt wie heute, auch, wenn er wie immer ein nahes Lächeln unterband. Belle und Lassario gingen so natürlich mit ihm um, ohne auch nur den geringsten Hauch Misstrauen oder eine Spur dessen, was sie über sein wahres Gesicht wussten. Sie akzeptierten ihn einfach. Und Link hatte beinah das Gefühl gemocht zu werden, geachtet zu werden. Und was ihn besonders verzauberte, war Lillys fürsorgliches Verhalten ihm gegenüber... Er hätte zu den Laundrys schon fast Danke gesagt, wenn dieses Wort nicht so unnötig und ohne Belang gewesen wäre. ,Danke für den schönen Nachmittag...’ Als der Abend kam, schielte Link immer beunruhigter zu den vielen Fenstern der Mädchenschule, machte sich irgendwie Sorgen, weil er Ariana Blacksmith, auch wenn sie eine ziemlich biestige Person sein konnte, diesen Nachmittag nicht gesehen hatte. „So, was hast du jetzt vor, Will?“, meinte der junge Heroe. „Nix Besonderes, aber du: Vergiss’ dein Rendezvous nicht!“ „Jaja, du Hohlrübe. Pass’ bloß auf, das du nicht demnächst in Rendezvous hineinstolperst!“ „Und du vergiss’ den Umzug nicht, den die Neuen machen müssen. Denk’ dran. Um zehn vor dem Burgtor.“ Damit nickte Link, hüpfte in sein Quartier und suchte nach Nähzeug und Dekubaumharz, einer leimigen Substanz, für Arianas Buch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)