Kampf gegen das Schicksal von Faylen7 (Wunden der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 49: ------------ Es war lange her, dass Link ein Fest im Kreis seiner Landsleute, der Hylianer, genossen hatte. Und es war sehr lange her, dass er an einer Feierlichkeit wie dem Fest der Nayru teilnahm. Seine sturmblauen Augen waren entzückt von dem bunt geschmückten Städtchen Lyriellen, was in den meerblauen und kristallenen Farben Nayrus erstrahlte. Überall hingen Girlanden aus blauem Stoff, bestickt mit Perlen und glitzernden Muscheln. An den mit Schnee bedeckten Häusern, die dicht gedrängt aneinander standen, funkelten die Tränen der weisen Göttin in Form riesiger Eiszapfen. Wie ein verstecktes, wärmenden Nest lag Lyriellen zwischen mehreren schneebedeckten Hängen, wurde geschützt von schwarzem Felsen, der das Kerzen- und Fackellicht spiegelte. Lyriellen war in der Tat eine hübsche, ansehnliche Ortschaft mit einem ansehnlichen Markplatz mit Brunnen, der ebenfalls mit blauen Gewändern geschmückt war. Man erzählte sich sogar, Nayru persönlich, wäre hier oft ein und ausgegangen. Die an die fünfhundert Einwohner hatten unzählige Lichtquellen errichtet. Laternen mit blauen Lichtern leuchteten den Weg, hier am späten Nachmittag, wo eine bekannte Musikgruppe Lieder der Wärme und des Wohlwollens an diesem bedeutenden Tag spielten. Es war Leneys Wandertruppe, geführt von einer jungen Dame mit silbernem Haar. Sie sang von Liebe und Reinheit, von ewigwährender Liebe, welche Nayru bei ihrer Geburt über der Welt ergossen haben soll. Ariana und Link waren vor einer halben Stunde hierher aufgebrochen, lauschten sie den heiteren Klängen der Musikgruppe bereits von weitem, lauschten dem sinnlichen Klang von Leneys klangholzartiger Stimme, spürten die Vibrationen zweier Trommeln, die den Klang von Geige und Flöte abrundeten. Ariana führte den einstigen Heroen direkt durch das Städtchen, was ihm sagte, dass sie sich hier sehr gut auskannte. War sie hier in der Nähe geboren worden? Durch eine Menschenmenge von lachenden, tratschenden Hylianern gelangten sie zu dem Marktplatz, wo wie in alter Tradition Gebilde aus erstarrtem Wasserkristall am Brunnen aufgetürmt wurden. Eine Statue Nayrus, die mehrere Hylianer in ihren Händen hielt, beschützt von Adlern, Falken, Raben und allerlei fliegendem Getier aus Eis. Die Kerzen, die in den Lüften schwebten, zauberten ein Meer der Lichter, gespiegelt von den unzähligen Eisstatuen. Hier lebte ein Märchen, dann um die wohl innigste Zeit des Jahres. Hier zwischen den Felsen und Berghängen lebte ein altes Märchen in Gestalt von Lyriellen und verbreitete Hoffnung und Wärme, ließ Herzen der Hylianer tanzen… „Es ist… schön hier…“, murmelte Link über seine Lippen. Er hatte diesen Ort noch nicht besucht, hatte sich lange nicht so heimisch gefühlt. „Das Städtchen ist benannt nach einer der Töchter Nayrus mit Namen Lyriella… Die Einwohner sind sehr ehrgeizig, was das Einhalten der alten Rituale angeht. Eigentlich ist Lyriellen schon sehr bekannt, sogar der höhere Adel kommt gelegentlich hier vorbei“, entgegnete Ariana, die den jungen Helden nur mit gutem Zureden dazu gebracht hatte, hierher zu kommen. Sie erinnerte sich ungern an die Überzeugungsarbeit, die sie heute Morgen leisten musste um Link dazu zubewegen aus dem Haus zu gehen. Er war seit gestern Abend beinahe mürrisch, vielleicht war das Gespräch von gestern doch an einige empfindliche Nerven gelangt. Am Marktplatz, der von wärmenden, rosa und blauen Lichtern erhellt war, verkauften Handwerker ihre Errungenschaften. Süßer, erweckender Herzbeerenwein mit Honig wurde zu einem guten Preis ausgeschenkt. Sie tapsten neugierig daran vorüber, hörten das Getratsche der vielen Leute, hörten das Lachen Dutzender Kinder, die hier spielten, als Link am Stand des Schuhmachers stehen blieb und sich ein paar neue Stiefel betrachtete. Er musste zugeben, dass seine Schuhe abgenutzt waren und er manchmal den Schneematsch an seinen Füßen spürte. Ein neues Schuhwerk wäre sicherlich gut, aber er rümpfte die Nase angesichts des Preises. Der kräftige Schuhhandwerker mit den breiten Schultern und einem auffallend gepflegten, langen Spitzbart im Gesicht bemerkte sehr wohl Links Interesse, aber betrachtete ihn sehr kritisch. Es war nicht so, dass Link sich in den letzten Wochen bezüglich seines Auftretens Mühe gegeben hatte. Tatsächlich sah er mit den viel zu langen, blonden Strähnen, seiner alten, abgenutzten Kleidung und wenigen ungepflegten Bartstoppeln nicht gerade einladend und freundlich aus. „Magst du dir ein paar neue Stiefel gönnen, Link?“, meinte Ariana, die mit ihrem hübschen Äußeren sofort einen besseren Eindruck bei dem Schuhmacher erzeugte. Er zupfte sich an seinem spitzen Bart und blickte das adrette Mädchen interessiert an. Link seufzte und schüttelte schließlich den Kopf. Er spürte Schamgefühle bei dem Gedanken Ariana erklären zu müssen, dass er sich seinen Lebensunterhalt in letzter Zeit, vor allem bedingt durch seine Schwäche nicht mehr so verdienen konnte, wie er es wollte. Er war immer selbstständig gewesen und hatte sich mit allen möglichen Aufträgen, ob es darum ging, seltene Gegenstände oder Kräuter zu beschaffen, oder Diebe zu fassen, wie auch Dämonennester zu beseitigen, immer sehr gut finanzieren können. Und jetzt war er schlichtweg pleite… „Schau‘ mal, die hier sehen doch super aus“, sprach Ariana begeistert und bewunderte die ausgefeilte Lederarbeit. Sie hatte den Blick auf ein paar nussbraune Stiefel mit filigranem, aber stabilem Muster geworfen. Gefüttert war jenes Schuhwerk mit schwarzgefärbtem Fell. Aber am meisten gefiel Ariana, dass die Stiefel unheimlich bequem aussahen und Links Schuhgröße hatten. „Bist du verrückt…“, murmelte Link, so leise wie möglich. „Das sind die teuersten Schuhe, die er anbietet.“ „Na und?“, erwiderte sie energisch und schaute Link an, als habe sie noch nie irgendwelche Geldprobleme gehabt. „Ich finde diese Schuhe super, die sind den überteuerten, verrückten Preis sicherlich wert.“ Ariana sprach die Worte beinahe aufbrausend, so dass einige der umstehenden Leute sich zu dem Stand drehten. „Nicht wahr?“, sprach sie ihren Blick intensiv auf den Schuhverkäufer richtend. „Sie können mir doch sicherlich erklären, warum diese Stiefel fünf Hundert Rubine kosten, oder?“ Der Schuhverkäufer wirkte trotz seines muskulösen Äußeren beinahe etwas erklärungsschwach. „Nun ja“, begann er. „Ich verstehe schon“, meinte Ariana und erst da verstand Link die Hinterhältigkeit in ihrem Blick. „Das ist schließlich das beste Leder aus Gerudostadt, oder?“ „Ähm, das ist es eigentlich nicht“, antwortete der Schuhverkäufer. Und noch ehe er weiterreden konnte, meinte Ariana: „Oh, dann erklärt sich der Preis wohl durch das aufwendige Muster. In dieses Muster sind hylianische Schutzzauberformeln eingearbeitet, habe ich Recht?“ „Nein, nein… das ist nicht der Fall“, erklärte der Schuhmacher und bemerkte selber immer mehr seine Erklärungsnot. „Aber das eingearbeitete Fell, das muss doch von der Mähne eines schwarzen Silberschneehirsches stammen, so weich wie das sich anfühlt und wie das glitzert.“ „Ist ja schon gut, ich biete euch die Schuhe für dreihundert Rubine an“, sprach der Verkäufer seufzend und blickte dem blinzelnden und verwunderten Link entgegen. Verdammt, dachte der vergessene Held, Ariana war eine echt talentierte Geschäftsfrau. „Okay, für dreihundert Rubine nehmen wir sie“, sprach sie zufrieden. Aber sie ignorierte scheinbar Links hilflose Mimik, der auch keine dreihundert Rubine besaß. „Ariana, warte bitte“, meinte er und versuchte sich zu erklären, als sie ihn aber auch hier einfach mundtot stellte. „Wenn du dir diese Schuhe nicht leisten kannst, schenke ich sie dir einfach.“ „Das kann ich nicht annehmen“, sagte er stur, obwohl er zunächst sehr überrascht war, woher Ariana so viel Geld hatte. Verdiente ein Schmied denn so gut? „Oh doch, das wirst du annehmen. Sagen wir, es ist dafür, dass ich einige Tage bei dir bleiben durfte“, argumentierte sie. „Ariana, ich sage es kein weiteres Mal: Ich kann das nicht annehmen“, meinte Link, nun eine Spur verdrießlicher, worauf Ariana beide Hände zu Fäusten ballte und die Nase rümpfte. „Warum nicht?“, sprach sie, auf ihrer Zunge lag bereits Trotz und Sturheit. „Weil ich dein Geld nicht will“, raunte Link. „Deswegen schenke ich dir diese Stiefel ja“, erwiderte sie. „Aber ich will nicht, dass du mir etwas schenkst.“ „Weil du dann das Gefühl hast in meiner Schuld zu stehen?“ Und damit blickte Link zu Boden und schwieg. Es war ja nicht so, dass er sich über Geschenke nicht freuen würde. Das Geschenk von seinem Lehrer Nicholas hatte er auch annehmen können. Warum fiel es ihm so schwer von Ariana ein Geschenk zu genießen? „Jetzt lass‘ mich dir einmal im Leben etwas schenken!“, schimpfte sie plötzlich. Links schwache Argumente dagegen und sein plötzlich stilles Verhalten machten sie noch wütender als ohnehin schon. Er hatte ihr diesen Winter das Leben gerettet. Wäre er nicht da gewesen, hätte keiner gewusst, wie er ihr Leben hätte retten können und Link ließ sich dafür nicht einmal ein paar läppische Stiefel schenken? „Hör‘ endlich auf mit deinem übertriebenem Edelmut und sei mal egoistisch!“, setzte Ariana stocksauer hinzu, knallte dem Schuhmacher dreihundert Rubine auf den Tisch, schnappte sich die Stiefel und drückte diese Link in die Hände. „Und jetzt werde ich nicht mehr darüber diskutieren. Basta!“ Link seufzte, ein leiser Ausdruck des Wohlgefallens in seinen Augen. Der Schuhverkäufer grinste zu dem Schauspiel und lachte schließlich, worauf Link etwas rot anlief und seiner Freundin Ariana hinterher stapfte. Als er sie einholte, bemerkte er einen Schatten des Trübsinns auf ihrem ebenmäßigen Gesicht, der ihm irgendwie vertraut erschien. Hatte er ihre Gefühle verletzt, weil er sich so gegen ein Geschenk gewehrt hatte? „Ariana… es tut mir leid…“, sprach er leise. „Lass‘ uns nicht mehr darüber reden“, meinte sie streng, aber Link spürte deutlich, dass es ihr Kummer machte. Mehr noch, er sah eine herbe Enttäuschung in ihren bernsteinfarbenen Augen. Sie senkte den Kopf, sodass dunkle Strähnen über ihre Augen fielen und jedes weitere Gefühl versteckten. „Du hast nichts dagegen, wenn dir irgendjemand etwas schenkt, aber wenn ich es tue, ist es immer… immer… falsch“, platzte es aus ihr heraus und noch immer trat Ariana zügig vorwärts. Irritiert wich der vergessene Heroe zurück und konnte ihre Worte in Nichts einordnen, was sie teilten. „Argh“, schimpfte sie. „Vergiss es einfach!“ Link blieb mit einem Stirnrunzeln zurück und konnte sich aus Arianas verzweifelten Worten einfach keinen Reim bilden. Wann und wo hatte er Geschenke von ihr abgelehnt? Oder hatte er irgendetwas Wichtiges völlig ignoriert? „Komm‘ jetzt, Link!“, brummte sie grantig und stapfte in Richtung des Marktes, dort wo eine unterhaltsame Aufführung stattfinden sollte. Gerade zu Ehren Nayrus veranstalteten viele Dörfer in Hyrule die berühmtesten Schaustücke. Manchmal erzählten die Hylianer über der Götter wundersame Taten, manchmal wurden Legenden auf Bühnen wiedergegeben und manchmal sogar erhielten Geschichten aus ewig vergessener Vergangenheit neue Aspekte oder Sagen wurden in ein humorvolles Licht gerückt. Was Ariana und Link jedoch nicht ahnten, war, dass auch die Bewohner Lyriellens sich ein Schauspiel ausgedacht hatten. Und das, was sie präsentieren würden, war etwas, dass sehr viel Bedeutungsgehalt besaß. Es war eine Geschichte, die im Volk immer wieder erzählt wurde. Eine Geschichte, die keine Beweise trug und von einem Großteil der Hylianer kaum akzeptiert wurde… Eine Legende, die in aller Munde war und doch von so wenigen wertgeschätzt. Eine Legende der Helden… Gerade das einfache Fußvolk konnte sich die Erzählungen um den Zeitkrieg kaum begreiflich machen, kaum verstehen. Hyrule war in vieler Hinsicht zwiegespalten, was die Legende der Helden anging, zumindest in diesem Zeitalter, und man konnte es dem Volk vielleicht auch nicht übel nehmen. Wer wollte schon daran glauben, dass ein Jüngling einen Dämon aus der alten Zeit geschlagen hatte, wo selbst hochrangige, gut ausgebildete Ritter dies nicht konnten. Wer glaubte schon an einen Jugendlichen, der so mutig war, dass er eine Welt mit diesem Mut retten konnte? Und wer glaubte schon an Zeitreisen? Und vielleicht war dies der Grund, warum sich einige Einwohner in Lyriellen dachten, warum sollte man nicht diese Geschichte im Volk nutzen um mit einem Theaterstück den Göttern zu huldigen? Ariana hatte zwei Krüge süßen Herzbeerenwein an einem der Stände geholt und pflanzte sich noch immer beleidigt auf eine der vielen Bänke. Sie würdigte Link keines Blickes und fühlte sich aus irgendeinem Grund beinahe überfordert mit sich selbst. Warum verletzte es sie so immens, ob er nun ein Geschenk von ihr ausschlug oder nicht? Sie wusste ja, warum er es ausgeschlagen hatte… sie wusste ja, dass er sich immer schwer damit tat etwas anzunehmen… Mittlerweile senkte sich der riesige Feuergott am Himmel in seinen überfälligen Schlaf und die Dämmerung zog herauf. Schatten schlichen sich hier nach Lyriellen, einige Häuserecken beschenkte die Abendstimmung mit scharlachroten Gemälden. Ariana spürte eine zunehmende Frostigkeit, nun, da die Sonne am Himmel versank und ohne Herzbeerenwein war die Kälte kaum auszuhalten… Sie drückte dem noch immer verunsicherten Link einen warmen Tonkrug in die Hand und versuchte ihren Ärger zu ignorieren. Er blickte etwas hilflos in ihr Gesicht, setzte sich, aber schwieg. Beschämt nahm er einige Schlucke von dem leckeren, wärmenden Getränk, atmete tief angesichts der angenehmen Wärme, die ihn durchflutete. Ja, Herzbeerenwein… Es gab in Hyrule kein berühmteres Getränk, und keines, das ähnliche wohltuende Effekte auf den Elfenkörper hatte… Plötzlich bemerkte er ein bekanntes Gesicht, nur zwei Reihen weiter vorne. Da saß Mondrik Heagen, der gut genährte Bursche, der vor wenigen Tagen übel zugerichtet wurde. Leicht zitternd saß der Ritterschüler dort, beschützt von seinem Vater und seiner Schwester Olindara, eingehüllt in einen wärmenden Pelz, an seinem dunkelgelockten Haar bildeten sich winzige Eiszapfen. Und in Mondriks Gesicht waren Blutergüsse und Kratzer erkennbar. Noch war dieser Vorfall um seine Verletzungen kaum geklärt worden. Noch immer stand ein unsinniger Verdacht im Raum, weil Mondrik das Wort ,Helden‘ mit seinem eigenen Blut an die Wand geschrieben hatte… der Verdacht, es wäre Link gewesen, der ihn so misshandelt hatte. Der einst so mutige Ritterschüler war sich nicht sicher, ob er Mondrik wegen dem Geschehenen ansprechen sollte, überhaupt war er sich vieler Dinge nicht mehr so sicher wie früher. Er seufzte und entschied sich zunächst dafür die Heagens nicht zu stören. Auch Ariana bemerkte die bekannten Gesichter zwei Reihen weiter und ahnte um Links Zweifel. Sie schob ihren kindischen Ärger von vorhin zur Seite, griff nach Links rechter Hand und nickte ihm ermutigend entgegen. „Ich weiß… Rede mit Mondrik, okay?“ „Du weißt Bescheid?“, sprach Link, aber war gleichzeitig kaum überrascht. Ariana wusste sichtlich über die meisten Dinge Bescheid. „Woher?“ „Ich kriege nun mal einiges geflüstert“, lachte sie, aber boxte Link an den Arm. „Denk‘ aber daran, dass ich immer noch sauer bin.“ Sie rümpfte die Nase und deutete Link an nach Mondrik zu schauen. Er seufzte, verstand den leichten Humor in ihren Worten und versuchte sich mit einem tiefen Atemzug klar zu machen, was er mit Mondrik bereden musste. Zögerlich durchquerte Link die hölzernen Bankreihen, hatte in der rechten Hand seinen wärmenden Herzbeerenwein und schloss seine linke Hand zur Faust. Mondrik sah ihn just in dem Augenblick, aber wirkte zu Links Beruhigung kaum verunsichert. Ganz im Gegenteil… Mondrik nickte ihm zu und deutete auch seiner Schwester und seinem Vater an, dass er mit Link reden würde. Der kleine, untersetzte und sonst so ängstliche Ritterschüler mit den kastanienbraunen Locken erhob sich und trat zu dem Heroen hinüber. „Hallo, Link“, sprach er scheu. In der hereinbrechenden Abenddämmerung waren die Wunden in seinem Gesicht, auch seine entstellte Stirn, noch deutlicher sichtbar. „Guten Abend, Mondrik“, murmelte Link, aber vermied es dem Jungen in die Augen zu blicken. Einmal mehr wunderte sich der vergessene Held darüber wie dieser schmächtige, beinahe winzige Bursche in der gleichen Jahrgangstufe wie Link sein konnte. „Es tut mir leid, was mit dir passiert ist…“ Der vergessene Heroe wusste nicht so recht, wie er mit dem Heagensohn in ein Gespräch kommen sollte. Eigentlich wusste er ja überhaupt nichts über ihn, wusste nichts über seine Ziele und Hintergründe, nur, dass er wohl kaum für das Leben eines Ritters gemacht schien und dass er seine Mutter früh verloren hatte. Vielleicht war auch das der Grund, warum Link Anteil an dem Leben Mondriks zeigen wollte. Er wusste wohl umso besser was es hieß in ein Leben hineingepresst zu werden, dass doch eigentlich nicht für ihn gemacht schien. Der Heroe fühlte sich verantwortlich und es stimmte Link traurig, dass er den fiesen Angriff auf Mondriks Leben mit all den daraus resultierenden Verdächtigungen nicht verhindern konnte. „Es war nicht deine Schuld“, meinte der Junge piepsig. „Es ist wohl so, dass ich mich nicht gut verteidigen kann.“ Er schluchzte etwas, aber bemühte sich vor dem Helden der Zeit standhaft zu wirken. „Ich verstehe auch nicht so recht, warum mir das geschehen ist… warum muss so etwas immer mir passieren?“, setzte er wimmernd hinzu. „Mondrik… glaubst du, du kannst mir berichten, was geschehen ist?“, riss Link ihn aus seiner Furcht. Des Helden Stirn runzelte sich angestrengt, zahllose Hypothesen über dass Ereignis bahnten sich in seinem Kopf. Der kleinere Schüler nickte gefasster, dennoch stand in seinen braunen Augen lähmende Angst. „Es ist besser, wenn du es weißt. Denn, wenn du es weißt, vielleicht kannst du verhindern, dass es erneut passiert. Das wirst du doch, bitte…“ Mondriks ehrlicher Wunsch überforderte den einstigen Helden in dem Moment, wusste er doch, dass er sich vielleicht niemals wieder um die Grausamkeit in Hyrule so kümmern konnte wie er es gerne getan hätte. Dennoch war es seine Pflicht es zumindest zu versuchen. „Ich habe nur… so viel Angst, dass diese Kreaturen wieder kommen, wenn ich zu viel sage…“ „Welche Kreaturen?“, bohrte Link nach. Ja, er hatte den Verdacht, dass es die Geschundenen der Macht gewesen sein könnten, aber er brauchte Bestätigung von Mondrik. Eine Druckwelle baute sich in seinen sturmblauen Augen auf, ein Zeichen der zunehmenden Bereitschaft mutig an dem Ereignis teilzuhaben. Link würde diesen Angriff aufklären. In seinen Augen erhob sich diese Gewissheit scharf und beinahe düster. „Sag‘ mir, welche Kreaturen“, bohrte er weiter, seine Stimmbänder vibrierten mehr als er es beabsichtigte. „Es waren keine Ritterschüler?“ „Ich weiß nicht…“, wimmerte Mondrik. „Es war zu düster in dem Gang… ich hatte mich gewundert, warum die Fackeln aus waren, als ich entlang lief, aber ich spürte nicht, dass da jemand war.“ Link versuchte das Ganze einzuordnen… Wenn es dunkel war und die Kreaturen auf jemanden gewartet hatten, dann… wieso war ihr Ziel Mondrik Heagen? „Ich konnte die Wesen auch nicht sehen, das Licht meiner Fackel war einfach zu schwach. Ich sah nur, dass es drei Gestalten waren, allesamt umhüllt von dunklen Umhängen, groß und mit zischenden Stimmen.“ Konnte es sein, dass die Angreifer Mondrik ohne besonderen Grund angegriffen hatten? Oder gerade ihn ausgewählt hatten, weil er schwach war? „Mondrik… hast du vorher in dem Gang irgendetwas gesehen? Oder vielleicht zuvor in der Ritterschule, etwas, dass dir komisch vorkam?“ Link stutzte und ging einige Ideen in seinen Gedanken durch. Vielleicht wollten sie Mondrik aus dem Weg räumen, weil er etwas beobachtet hatte? „Nein… ich halte mich… eigentlich eher zurück, ich möchte ja gar nicht auffallen.“ Er schien wahrhaft nachzudenken, aber ihm fiel zu Links Frage nichts ein. Was den Heroen ebenfalls stark beunruhigte, war die Tatsache wie jene Angreifer überhaupt in die Schule gelangen konnten. „Als sie dich angegriffen haben, hast du da irgendetwas gehört? Haben sich diese Angreifer irgendwie unterhalten?“ Doch Mondrik schüttelte nur den Kopf. „Nein, nicht… ich habe sie angefleht mich gehen zu lassen!“, winselte er und rieb sich mit den Händen über seine Arme. Das Trauma saß tief in seinen Knochen, zappelig versuchte er die Erinnerung zu verdrängen. „Sie haben einfach nicht aufgehört… haben mich ausgelacht und immer mehr gelacht… Wieso haben sie einfach gelacht…“ Die Erinnerung ließ den Jungen sich schlimmere Kältegefühle als ohnehin schon entwickeln. Und da realisierte Link, dass es für Mondrik allmählich genug war. Mitleidig sank des Helden tiefsinniger Blick gen Boden. Auf seinen Gesichtszügen brannte eine noch stärkere Ungewissheit als vorher… nichts war geklärt, dachte Link, ganz im Gegenteil, das Gespräch mit Mondrik ließ ihn nur noch unruhiger werden. Denn nichts von diesem Angriff ergab irgendeinen Sinn. Der Held ließ seine Stimmbänder rollend erklingen, ein leicht gereizter Ton entkam seinem Mund. „Sag‘ mir, Mondrik!“, murmelte er gezwungen. „Glaubst du, du wurdest angegriffen, weil du weißt, wer ich bin…“ Links schöne, sturmblaue Augen, hier inmitten des beinahe leidvollen Sonnenuntergangs spiegelten haltlos sein ohnehin mit Zweifeln beladenes Bewusstsein, dieser zunehmende, marternde Druck erschaffen von Schuldgefühlen entstellte ihn. Erneut diese düsteren, unerwünschten Gefühle… peinigende Nutzlosigkeit… ,Du missratener, schwacher Held‘, sprach es in seinen Gedanken, eine Stimme der rohen Gewalt, die doch seine eigene war. ,Du verdammter Taugenichts…‘ Das Gespräch mit Mondrik brachte ihm gerade gar nichts ein… es war absurd, unnötig und bewirkte beinahe das Gegenteil von Links ursprünglichem Ziel. „Es ist genug“, sprach es plötzlich anteilnehmend hinter Links angespanntem Rücken. Er hatte im Verlauf des Gesprächs gar nicht gemerkt, wie starr seine Muskulatur verschuldet seiner trübsinnigen Gedanken und der eisigen Temperaturen wurde. Ariana platzte wie eine Bombe in das Gespräch, so wie es ihre natürliche Art war ihre hübsche Schmiedtochternase in fremde Angelegenheiten zu stecken. Aber sie ahnte nicht, wie gut es in diesem Augenblick war die Konversation zu unterbrechen. Sie berührte den jungen Heroen an seinen steifen Schultern, zuckte mit den Händen aber sogleich zurück. Gerade jetzt wollte der Heroe von niemandem berührt werden. Als Link an ihr vorbei trat, seine Stimme unter Verschluss mit dem Versuch all seine Emotionen abzuschirmen, bemerkte sie diesen stillen Kummer dennoch… und jener besaß eine erschreckende Macht über ihn. Link wich außer Reichweite, als Ariana versuchte Mondrik die Situation zu erklären. „Link braucht unsere Unterstützung, weißt du…“, sprach sie und lächelte aufmunternd. „Ja“, erklang es matt aus dem rundlichen Gesicht des schmächtigen Mondrik Heagen. „Er ist nur manchmal ein wenig… zu sehr mit sich selbst beschäftigt.“ Auch dazu nickte der untersetzte Bursche. „Du brauchst keine Angst mehr zu haben, Mondrik. Die Geschundenen der Macht werden dich kein zweites Mal bedrängen“, sprach sie eindringlich und fixierte Mondriks braune Augen mit einem energischen Blick. Er hatte nicht einmal die Chance ängstlich wegzublicken, ja, er hatte nicht einmal die Chance überhaupt Angst zu empfinden. Etwas in ihm ließ bei Arianas Worten aufhorchen, als klangen ihre Worte wie eine Prophezeiung. „Du weißt, weshalb sie dich gezwungen haben das Wort ,Held‘ mit Blut zu entehren?“ Mondrik wusste, dass dies keine wirkliche Frage war. „Wir werden das Ziel der Dunklen Links Ruf zu ruinieren verhindern, richtig?“ Das Volk wusste es vielleicht nicht, aber Hyrules Heldenlegende war ein unabdingbarer Teil der Realität und das Weltengesetztes. Ohne jene machtvolle Legende entzweite sich Hyrule in erschreckender Weise… Mit einer bergeversetzenden Selbstverständlichkeit glitt Arianas Annahme zu dem niederträchtigen Vorfall über ihre blutroten Lippen, während sie ihr pechschwarzes Haar zurechtband. Es war so frostig, dass sich kleine Eiszapfen darin entwickelten und die Schülerin durch graue Flecken in den Haaren älter und reifer zu wirken schien als sie es tatsächlich war. Mondriks Mund öffnete sich träge, und doch stockte in seiner Kehle der Wille zu antworten. Stattdessen salutierte er wie ein Soldat, was Ariana ein Lachen entlockte und vielleicht auch bei Mondrik Ruhe in das Gemüt brachte. Irgendetwas in den Worten der dunkelhaarigen Schönheit hatte gerade alles verändert und auch Mondriks eigene Ängste klären können. Er trat mit einem hylianischen Abschiedsgruß zurück zu seiner Familie, schwankend und trippelnd, aber vielleicht hoffnungsvoll, während das Mädchen mit dem funkelnden Bernstein in ihrem gemächlichen, stolzen Blick die Welt voller Chancen vor sich sah. Sie hatte etwas erkannt, erfahrbar und real. Gerade der Angriff auf Mondrik zeugte von diesem niederträchtigen Willen der Dunklen. Ein verruchtes, böswilliges Spiel mit dem Ziel den Heroen über die Realitäten hinweg zu brechen. Die nächsten Entscheidungen würden widerspiegeln, was getan werden musste. Entscheidungen des Bösen und jene des Guten. Ein irrsinniger Wettlauf der Realitäten, das war es. Die Dunklen, wer immer sie waren, hatten sich in ihren Absichten vor Ariana verraten, etwas, womit sie arbeiten konnte. Ihre bernsteinfarbenen Augen wurden stechend und zornig, nun, da auch die Sonne in ihren Farben jenes Bernstein verstärkte. Ariana glühte innerlich, spürte eine Gewalt in sich toben wie ein unlöschbares Feuer, ein Phönix, der aus Asche immer wieder auferstand. Mit einem Schwur der Ältesten auf ihren Lippen. Niemand würde das alte Gesetz um die Helden Hyrules brechen. Kein dahergelaufener Dämon, nicht einmal ein Gott… Als sich Ariana erneut zu Link begab, der trübsinnig, seinen Kopf auf die Hände gestützt, auf der hölzernen Bankreihe saß, tat ihr der Streit, den sie vorhin hatten, sehr leid. Ihn in seinen Blicken versinken zu sehen, frierend in diesem stillen Kummer, entlockte dem oft so heiteren Gemüt der Schmiedtochter ein anteilnehmendes Seufzen. Sie nahm ruhesuchend neben ihm Platz, nahm seine linke Hand in ihre beiden, aber begegnete dem verwirrten Blick des heldenhaften Burschen nicht. Sie entschied sich zu schweigen, denn das war es wohl, was zu oft Links einzige Option war mit den Bürden seines Lebens umzugehen. Schweigend hielt er seine Zweifel aus und vielleicht deswegen schwieg Ariana nun ebenfalls. Es war nicht so, dass der Tag besonders gut angefangen hätte, dachte Ariana, während sie mehr und mehr ihr Gesicht verzog anhand eines obskuren Schauspiels auf der Bühne, das die Menschen doch eigentlich erfreuen sollte. Link, der Morgenmuffel, hatte eigentlich nicht einmal aufstehen wollen, erinnerte sie sich. Und seine trübsinnigen Gesichtszüge, als sie versuchte ihn zu überzeugen auf dieses Fest zu gehen, ließen sie wissen, dass er einen üblen Alptraum aus der Nacht mitgenommen hatte. Natürlich verarbeitete sein Bewusstsein die neue Gefahr für Hyrule bei Nacht… natürlich ließ er auch da niemanden an sich heran. Dann war das Gespräch mit Mondrik schlichtweg schief gelaufen, aber selbst das hatte man vielleicht an diesem Tag noch verkraften können. Nein, und in Arianas Gesichtszügen tobte ein neuer, gigantischer Zorn. Sie zuckte mit den Lippen, spürte Beleidigungen auf ihrer Zunge, entzündet von ihrer eigenen temperamentvollen Urgewalt. Nein, es war ja nie genug an Demütigungen, die Link auszuhalten hatte. Es war niemals genug Prüfung für den Helden Hyrules… Und nun saßen sie beide stillschweigend hier, verkrampften sich innerlich, als sie dem Schauspiel auf der Bühne folgten. Wer immer sich das Stück ausgedacht hatte, war wohl nicht so begeistert von der Legende der Helden Hyrules. Denn hier auf der Bühne in diesem kristallenen Winterzauber, den fröstelnden Temperaturen, erzählten Schausteller eine Geschichte über die Helden, die die Hylianer so wohl nicht kannten. Sie spielten Helden, die tollpatschiger und dümmer nicht sein konnten, ließen jene Gefahren durchstehen, die lachhafter und unsinniger gar nicht sein konnten und sie ernteten Gelächter und erfreute Rufe aus dem Publikum, die schriller und gehässiger nicht sein konnten. Je länger das Schauspiel ging, umso widerlicher wurde es für Ariana. Da war ein grünbemützter Mann auf der Bühne, eher fettleibig, klein und erinnerte vielleicht ein wenig an Tingle, wobei man erwähnen musste, dass Tingle eine sehr herzliche, gutmütige Persönlichkeit besaß, was sie von dem Schauspieler nicht sagen konnte. Eine Flasche dickes, hylianisches Gebräu in der einen Hand, ein Kurzschwert in der anderen, hüpfte dieser auf einen weiteren Kerl, der ein rotes Drachenkostüm trug, Der Drache quakte, lachte und flehte: „Oh Held mit dem dicken Gesäß, ich kann mich unter Eurer Last kaum erheben, so sterbe ich dahin.“ Das Publikum brüllte, denn schon immer wollte niemand daran glauben, dass ein einzelner Mann imstande wäre, einen Drachen zu töten. In einer weiteren Szene war da ein grünbemütztes Kind, dass einem als Wildschwein verkleidetem Mann, einen Klaps auf den Hintern gab, worauf das angebliche Schwein zu Boden krachte und mit stupiden Worten verendete. Auch hier amüsierte sich das Publikum, wollte doch niemand daran glauben, dass ein Kind einen mächtigen Dämon wie Ganon, in die Knie gezwungen hatte… Und je mehr Ariana sah, umso schlimmer wurde ein neuer Schmerz, der sich beinahe teuflisch in ihr Herz bohrte. Das konnte nicht sein… Was geschah hier? Warum nur musste Link diesen Unsinn mit ansehen? Mehr noch… Ariana fühlte sich schuldig, dass sie ihn hierher gebracht hatte, sodass diese Demütigungen wie Pfeilspitzen auf ihn niederprasseln konnten. Aber Link verhielt sich unfassbar ruhig, wirkte kaum vorhersehbar in den leichten Bewegungen in seinem Gesicht. Seine Haltung verriet kein Gefühl, aber in seinen schönen blauen Augen tobte eine Gewalt, die schlimmer war als jeder Winter und schlimmer als der heftigste Sturm auf See. Und da fühlte sich die stolze, eigenwillige und oftmals trotzige Schmiedtochter angesichts Links reifer Seele völlig überfordert. Warum auch sollten ihn diese Beleidigungen nur irgendetwas anhaben? Warum sollten solche peinliche Entstellungen ihm irgendetwas bedeuten? Er hatte zu viele Leben gelebt, zu viele Schrecken gesehen und zu viele Kämpfe überstanden als sich dieses unreife, idiotische Spektakel zu Herzen zu nehmen. Das hieß aber nicht, dass Ariana diesem Irrsinn weiterhin mit einem schweigenden Gemüt begegnen würde. Sie war nicht auf den Mund gefallen, sie war sicherlich auch nicht der dümmste Mensch oder die unerfahrenste Seele, oh ja, und sie besaß Temperament. Vielleicht weil es notwendig war die Heldenlegende zu verteidigen, oder vielleicht auch nur aus dem egoistischen Trieb heraus ihren gewaltvollen Trotz und ihren Zorn zeigen zu können, erhob sie sich, und erntete einige verwirrte, überraschte Blicke. Aber damit ließ sie es nicht bewenden, sie würde diesen Spinnern nicht erlauben sich weiterhin über den Helden der Zeit zu mokieren. Stapfend und Unruhe in die Zuschauerreihen bringend, marschierte sie nach vorne und thronte gefasst vor der Bühne. „Habt Ihr, ja, Ihr alle, eigentlich den Verstand verloren?“, rief sie. Ihre so schöne, beherrschte und glockenhelle Stimme wandelte sich in die beinahe markerschütternde, gewaltvolle, aber auch ernste Stimme einer Befehlshaberin. Und wie sie sich erheben und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich lenken konnte. Hier saßen vielleicht zwei Hundert Leute auf den Bänken und alle verstummten angesichts ihres Mutes sich hier hinzustellen, das Schauspiel zu unterbrechen und dabei so unfassbar stolz und überzeugend zu sein. Entsetzte Blicke fielen auf sie. Nur Link senkte das Haupt, leer in seinen Blicken und ahnend, was sie tun wollte. „Ihr seid ein Teil des hylianischen Volkes und entehrt Eure eigene Geschichte mit diesem geschmacklosen Unsinn, verspottet Eure Wurzeln und das, was wir als überliefert wissen. Ihr alle!“ Ihre helle Stimme krachte nieder, während sie sich immer mehr erhob, als wuchs sie innerhalb von Sekunden um ein Vielfaches, ihre Augen zu glühen schienen. „Was glaubt Ihr, wem Ihr zu verdanken habt, dass Ihr hier seid, dass Ihr lebt, dass es Euren Kindern gut geht? Schämt Euch! Wäre der Held Hyrules in dieser Jahrtausende alten Geschichte nicht durch Hylias Gnade immer wieder inkarniert, und hätte er nicht immer wieder bewiesen, dass nur er das Heilige Bannschwert führen und den Dämon aus der alten Zeit vernichten kann, Ihr alle wäret Asche in einer Welt der Monster, wo sich der Blutmond jede Nacht erhebt. Was denkt Ihr eigentlich?“ Ihre Stimme donnerte so schrill und entsetzlich umher, dass ein ängstliches Raunen durch die Reihen sauste. „Wenn die Göttinnen dieses entehrende Schauspiel erblickt haben, so seid gewiss, wären sie enttäuscht in all ihrer Weisheit. Fraß seid ihr, ihr alle, für jene Dämonen, die noch immer über die Steppe preschen und für das niedere Vieh, das in den Schatten haust.“ Und die Gewalt in Arianas Worten ließ vielen den Atem stocken, diese Botschaft voller Wahrheit, befähigte gerade keinen der Anwesenden entgegen zu reden. Ja… etwas an Ariana war erschreckend gespenstisch, beinahe übermächtig. In diesen Minuten der Abenddämmerung zeigte sie einen Funken der Qualität jener Wesen, die Magie verstehen konnten. Beschämt verließen gerade da einige Anwesende diesen Ort, senkten die Häupter, gingen still dahin. Selbst die Schausteller standen auf ihrer Bühne wie angewurzelt. Und je länger sich die Sekunden zu ziehen schienen, umso mehr entwich dieser entsetzliche Frust aus Arianas Gemüt. Legte sich allmählich schlafen, so wie der Feuergott am Firmament. Sie verstummte, wusste, dass sie sich vielleicht bei dem ein oder anderen mit ihrer aus Wut geborenen Rede, die über das Ziel hinaus geschossen war, in ein schlechtes Licht gerückt hatte. Aber wen interessierte es? Sie war ohnehin nur die Tochter eines unbedeutenden Schmieds. Mit gefalteten Händen trat sie noch immer vor der Bühne, als sich die Hylianer von diesem Ort entfernten, ignorierte den zunehmenden eisigen Wind, der ihren Umhang durchdrang. Sie sah Mondrik Heagen mit einem belanglosen Nicken sich von diesem Platz entfernen. Ja, das war es, dachte sie… Belanglos. Ihre Rede war empörend, aufhetzend, hatte ihren Sturkopf befriedigt, aber war schlichtweg belanglos… jetzt, da die Sonne am Horizont verschwand und die Hylianer Lyriellen verließen, einzelne Gestalten schlüpften in ihre Häuser und verriegelten die Türen für die bevorstehende Nacht. Link bemühte sich es nicht zu zeigen, saß noch immer den Blick zu Boden geheftet auf der Bankreihe, aber er missbilligte ihre Ansprache, missbilligte die Verteidigung eines Überbleibsels aus einer anderen Zeit und Welt… Nur verstand Ariana noch nicht die Tragweite seiner sichtbaren Enttäuschung ihr gegenüber. Sie hatte etwas getan, was ihm vielleicht mehr zusetzte als das ungeschickte Gefasel dieser schlechten Schausteller. Sie hatte ihn entehrt, in dem sie ihn auf die Ebene eines hilflosen Bengels herabgestuft hatte. Sie hatte ihn entehrt, weil sie ihn verteidigt hatte… Link wollte nicht verteidigt oder beschützt werden, gerade das war seine Aufgabe. Nun, da Ariana dies getan hatte, fühlte er sich noch mehr in eine herbe Realität gestolpert, in welcher er seinen heroischen Nutzen für Hyrule nicht mehr erfüllen konnte. Träge stolperte die temperamentvolle Schmiedtochter zu ihm, beschämt, weil sie gehandelt hatte ohne nachzudenken, beschämt, weil sie auch sich gerade entehrt hatte. Sie wollte für Link da sein, nicht zusätzlich seine Zweifel anfeuern. Wie sollte er das Vertrauen in eine andere Seele finden, wenn sie ihm diese mit ihren unüberlegten Handlungen raubte? Sie wollte sich nicht mit einfachen Worten entschuldigen, sie wollte es wieder gut machen und wusste doch nicht, welche Worte überhaupt noch Sinn machten. Überraschenderweise machte Link den Anfang. „Ariana… es war nicht mein Wunsch, dass du mich verteidigst“, sprach er, besonnener, als sie erwartet hatte und irgendwie… unbeeindruckt. In seinen jungenhaften Gesichtszügen tobte kein Anzeichen von Ärger oder Wut. Seine Gesichtsmuskeln waren entspannt, völlig frei von Aufregung… so mild und andächtig. „Aber ich ahne, was du vorhast…“, meinte er leise, nun, da sie sich alleine auf dem Festplatz befanden und das Licht der Sonne vom Winter eingefroren schien. Einzig das verglühende Licht der Fackeln erglomm in der zunehmenden Finsternis, erinnerte sie beide daran, sich auf den Weg zu machen. „Du wolltest mir das Gefühl geben, dass ich doch noch zu etwas nütze bin…“ Es schien, als hatte Link die Worte nicht einfach nur aus einem ruhenden Bedürfnis heraus gesagt, es war, als stemmte sich jeder Funke seiner Heldenpersönlichkeit gegen die zunehmenden Zweifel, kämpfte verbittert… Der vergessene Heroe spülte den Rest seines nur mehr kalten Herzbeerenweins herunter, ließ den Tonkrug zu Boden fallen, sodass er zersprang und stapfte geräuschvoll über den knisternden, gefrorenen Boden. „Du wirst immer von Nutzen sein, Link… ich wünschte, du würdest nicht länger an dir zweifeln… Wenn du nur wüsstest, wie toll du bist…“, sprach sie zu sich selbst, einsichtsvoll und ihr Herz beladen mit Reue. Er war so viel reifer, als sie es jemals sein würde… Stumm verließen er und Ariana das beschauliche, weltfremde Wintermärchen hinter dem eisigen Vorhang hoher Gebirgsketten. Stumm folgten sie dem Weg durch die stürmische Winternacht… und stumm erreichten sie die frostigen Wälder nahe der Ritterschule, wo ein Licht im östlichen Turm von den letzten Wachposten berichtete. Es war sowohl für Link als auch Ariana beruhigend, dass dort noch jemand stationiert war, vielleicht einer jener Ritter, die keine Familie besaßen und keine Verpflichtung… Durch hohen Schnee stapfend bewegten sich die beiden Jugendlichen in Richtung der einzigen Wärme spenden Behausung in der Nähe, einer Zuflucht in der peitschenden sturmverkündenden Nacht… Sie hielten fortwährend den Blick gerichtet zu dem stolzen Gemäuer der Ritterschule um den Weg zu der wenige Meilen entfernten Glückshütte zu finden. Die Welt um beide Hylianer herum zeugte in ihrer eisigen Gewandung, düster und doch glitzernd, von der magischen Nacht, welche die immer wiederkehrende Erinnerung von Nayrus Geburt verherrlichte… eine Nacht, weder rein noch dunkel, im perfekten Gleichgewicht schenkte sie vergessene Zauber in ihrer Winterpracht als auch heimliche Gefahren, still und verkennend… und vielleicht war es der Pfad des Schicksals, so wie einst und so wie immer, der ausgerechnet jene beiden Seelen teilhaben ließ an der makabren Erbarmungslosigkeit Hyrules. Denn hier, wo die Wälder still und unter dem Eiszauber beinahe schlafend waren, konnte ein Alptraum kaum mächtiger sein. Hier, wo die Nähe zu Hyrules Helden wie ein übler Streich der Vorsehung wirken musste, erhob sich ein neuer gefahrverkündender Irrtum… Link und Ariana traten stumm vorwärts, als sich die Schleier der Dimensionen einmal mehr trennten und es doch schon zu spät war für eine Umkehr in die Sicherheit der Ahnungslosigkeit. Der vergessene Heroe spürte die Gefahr in Sekundenbruchteilen und doch konnten seine Augen nur das Ergebnis einer hässlichen Entstellung erblicken. Denn hier in der eisverhüllenden Winternacht, wo Dämonen einmal mehr mit der Angst ihrer hylianischen Feinde spielten, wurden Opfer gesucht, die eine böswillige Botschaft verkünden konnten. Und Link wusste, dass die Botschaft nur ihm galt. Hier, wo die Welt so einsam war, altehrwürdige, leere Laubbäume unter dem Kleid des Winters wippten, sich nach dem Sonnenlicht sehnten, hingen drei Elfen, baumelnd und leblos, pendelten im Wind, der Nayrus Fest mit süßem Duft erfüllen sollte, und saugten jede Lebenskraft aus ihrer nahen Umgebung. Drei Erhängte an knorrigen Ästen, leblos mit blutenden Stirnen, entstellte Fratzen berichteten von Folter und Vergiftung. Mit stockendem Atem begegnete Link dem schaurigen Bild eines neuen Wahnsinns, gesendet von dem dunklen Bündnis der Geschundenen der Macht. Und endlich war es Arianas schriller Schrei, der durch die Wälder vibrierte und die morbide Ruhe mit aufkommender Angst verscheuchte. Ihr Schrei entzündete neue Ereignisse weitreichender Veränderungen in Hyrule, dem Land von alten Göttern und verruchten Dämonen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)