Im Fluss der Zeit von Isa-tama ================================================================================ Kapitel 5: Schlaflosigkeit -------------------------- Nachts in meinem Bett fiel es mir schwer einzuschlafen. Zu viele Gedanken wirbelten in meinem Kopf. Zu viel kreiste sich um den morgigen Tag. Vorfreude, Aufregung, Spannung, aber auch Furcht. Die Furcht vor Enttäuschung. Was, wenn sich das Ergebnis letztlich als ernüchternd herausstellte? Setzte ich zu viele Hoffnungen in diesen Fund? Wenn wir morgen dort eintraten, was würden wir vorfinden? Meine Vorstellungen reichten von typischen Tempelruinen über geradezu unberührte, der Perfektion gleichenden Erhaltungen, bis hin zu reinster Zerstörung. Vielleicht hatten die Shiekah alles entwendet, bevor sie den Eingang absperrten. Vielleicht gab es darin auch gar nichts Sehenswertes. Aber, wenn doch? Ein geschlossener Berg war perfekt, um einen sehr guten Erhaltungszustand zu gewährleisten. Schließlich kam kaum Luft an die Jahrtausende alten Relikte heran. Die Chancen standen gut, dass was auch immer darin vorzufinden war relativ unberührt sein würde. Meine Sorgen brachten mich noch um den Verstand. Ich wollte einfach nur schlafen und die Auflösung dem morgigen Einsatz überlassen. Doch ich konnte einfach nicht. Ich wälzte mich in meinem Feldbett von einer Seite auf die andere. Leider war jede neue Position ungemütlicher als die vorherige. Bis ich mich schließlich geschlagen gab. Um die Zeit totzuschlagen, ging ich im Kopf mehrmals durch, wie der Plan für morgen auszusehen hatte. Sollte ich während der Arbeit müde sein dann war das nun mal so. Deshalb würde ich meine Pflichten nicht vernachlässigen können.   Was war das?, dachte ich, als ich draußen ein Knacken hörte. So, als wäre jemand auf einen Ast getreten. Bloß ein Tier, wollte ich meinen, aber dann fiel mir die schwache Beleuchtung auf, die durch meine Zeltplane hindurchschien. Vermutlich will jemand auf die Toilette, dachte ich dann. Doch recht bald bemerkte ich, dass das Licht sich in die entgegengesetzte Richtung von den Toiletten entfernte. Es bestand natürlich die Möglichkeit, dass derjenige bereits dort gewesen war, aber hätte ich das nicht bemerkt? Zudem dürfte an meinem Zelt eigentlich niemand vorbeikommen, denn es stand am weitesten draußen. Wahrscheinlich war es nichts Großartiges, aber ich wollte es nicht auf sich beruhen lassen. Schnell schlüpfte ich in meine Stiefel, warf mir Mantel und Schal um und schnappte mir meinen Shiekah-Stein. Draußen blies mir eisiger Wind um die Ohren, weshalb ich mir die Kapuze überzog. Mithilfe des Shiekah-Steins leuchtete ich mir den Weg aus und eilte wem auch immer hinterher. Scheinbar zog es ihn zum freigelegten Portal hin. Ich beschleunigte meinen Schritt.   „Manori?!“, fragte ich, nachdem er mich bemerkt und sich hastig umgedreht hatte. „Was machst du hier?“ „Thefa, verdammt“, zischte er. „Du hast mir einen Schrecken eingejagt!“ „Ich wollte nun mal wissen, wer sich hier mitten in der Nacht herumtreibt!“ Er zögerte, bevor er sagte: „Ich dachte du schläfst schon lange.“ „Das dachte ich von dir auch.“ „Naja, Ich konnte nicht schlafen.“ „Ich auch nicht.“ „Achso.“ Nach kurzem, unangenehmem Schweigen, fragte ich: „Also, was machst du hier?“ „Ich wollte mir die Beine vertreten.“ „Das soll ich dir glauben? Mitten in der Nacht, bei der Kälte? Denk dir doch wenigstens eine gute Ausrede aus.“ Er starrte mich an. Dann stöhnte er laut und sagte: „Na schön, okay! Ich wollte mir das Heiligtum schonmal ansehen.“ „Bitte was? Manori, das geht nicht! Das verstößt gegen meine Vorschriften! Außerdem weißt du nicht, was da drin lauert. Es könnte gefährlich sein, nachts, ganz alleine, ohne Hilfe!“ „Komm schon, Thefa! Die Neugier frisst mich auf!“ „Pst“, zischte ich. „Du weckst noch alle.“ „Thefa“, sagte er und kam einen Schritt auf mich zu. „Ich kenne dich gut. Ich weiß doch, dass du auch vor Neugier platzt. Vergessen wir für einen Moment alle Vorschriften und Verpflichtungen und stürmen einfach hinein.“ „Du benimmst dich wie ein Kleinkind.“ „Wenn du mich nicht begleitest, bitte. Ich gehe trotzdem.“ „Wenn du meine Vorgaben nicht beachtest, muss ich dich von dieser Unternehmung ausschließen. Das würde sich negativ auf deine Promotion auswirken!“ „Das würdest du tun?“ „Es wäre was ich tun müsste!“ „Und was willst du tun?“   Ich schwieg. Er starrte mich noch eine kleine Weile an, dann drehte er sich um und ging auf die Pforte zu. Ich sagte: „Willst du wirklich alleine da rein? Das ist zu gefährlich!“ „Begleite mich, dann bin ich nicht alleine.“ „Aber… aber, Manori…“ Mir fehlten partout die Worte. Was sollte ich dem entgegnen? Ich war einfach fassungslos, so rebellisch kannte ich ihn nicht. Doch er hatte auch Recht damit, dass ich vor Neugier platzte. „Verflucht, na schön.“ Ich stapfte ihm hinterher. „Aber nur, um uns einen ersten Überblick zu verschaffen. Das… das macht die Planung einfacher.“ „Ja, ja“, sagte Manori. „Für einen ersten Überblick. Genau das hatte ich doch von Anfang an vor.“ Genervt verdrehte ich die Augen. Ich glaubte einfach nicht, was ich hier tat.   Vor dem Portal machten wir Halt. Manori beleuchtete die Schriftzeichen, die über dem Torrahmen bogenförmig entlangliefen. Ich sagte: „Sieht aus wie die Schrift der antiken Shiekah. Scheint mir aber ein besonderer Dialekt zu sein. Ohne Wörterbuch kann ich das nicht übersetzen.“ „Grausam ist der Fluss der Zeit, oh so grausam und kalt. Wir erzittern vor dir, mächtige Göttin der Zeit.“  Ungläubig starrte ich ihn an. „Das kannst du lesen?“, fragte ich. „Nein“, meinte er und lachte. „Ich habe nach der Feier ein Foto gemacht und die Zeit, in der ich nicht schlafen konnte mit übersetzen verbracht.“ „Und du hattest rein zufällig das geeignete Wörterbuch dabei?“ „Ich bin eben vorbereitet.“ „Okay, ähm. Gut“, sagte ich. „Das ist aber seltsam, oder? Ich weiß nicht viel über das andere Heiligtum der Zeitgöttin, aber soweit ich mich erinnere haben sie keine Angst ihr gegenüber ausgedrückt. Das scheinen mir radikale Verehrer zu sein, die ihre Anbetung in Furcht und Schrecken ausdrücken.“ „Scheint so“, sagte Manori. „Wobei ich denke, dass es mehr ein Ausdruck von Demut und Ehrfurcht sein soll. Aber du hast Recht, es ist ungewöhnlich radikal formuliert.“   Er führte den Lichtstrahl hinunter und sagte: „Sieh dir mal diese Verzierungen an. Ein Haufen von Leuten auf Knien, die ihre Arme hochstrecken. Sie greifen nach einer Sanduhr, die in weißem Licht erstrahlt.“ „Und sieh dir das Bild auf der rechten Tür an. Quasi dasselbe, aber die Arme der Leute greifen nach einem schwebenden Instrument. Könnte das eine Lyra sein? Heißt das trotz allem wird hier noch Hylia gehuldigt?“ „Es könnte aber auch die Harfe der Zeit sein. Oder nicht?“ „Verflucht, du hast Recht!“, rief ich lauter aus als beabsichtigt. „Dass wir nicht gleich darauf gekommen sind! Vermutlich ist das nicht nur eine Kultstätte für die göttliche Sphäre von Nayru, sondern auch der irdischen!“ „Du meinst Nayru wird hier in ihrer Erscheinung als Orakel der Zeit verehrt?“ „Vielleicht, vielleicht aber auch beides. Wir wissen jedenfalls, dass die Harfe das Symbol des Orakels der Zeit ist.“ „Sowohl Nayru Temporis als auch Nayru Oraculi finden hier also ihre Huldigung, das könnte sein. In Hyrule selbst gibt es ja eigentlich kaum Bezug zu den Orakeln, da ihr Kult in Nachbarländern entstanden ist.“ „Genau. Labrynna und Holodrum hauptsächlich, oder?“ „Jap. Hier in Hyrule aber wurde der Glaube die Göttinnen wären in der Form von Orakeln auf Erden gewandelt als Lästerung empfunden und stark abgelehnt. Diese Shiekah haben sich wohl nicht davon abbringen lassen. Denkst du das Heiligtum ist vielleicht deshalb aufgegeben und versteckt worden?“ „Weil hier Anbetung eines lästerlichen Glaubens betrieben wurde? Könnte durchaus möglich sein. Wir werden hoffentlich mehr erfahren sobald wir drin sind.“   „Das ist dann wohl mein Stichwort“, sagte Manori und legte sogleich seine flache Hand auf die rechte Torhälfte. „Bereit?“, fragte er. Ich schluckte. Aufregung in Form eines flauen Gefühls machte sich in meinem Magen breit. Ich sagte: „Bereit.“ Er grinste und presste sich gegen das Tor. Es ließ sich nur schwerfällig öffnen. „Boah, das ist nochmal viel schwerer als gedacht“, stöhnte Manori. „Warte, ich helfe dir“, sagte ich und drückte ebenfalls mein gesamtes Körpergewicht gegen die Torhälfte. Gemeinsam schafften wir es sie einen Spalt breit zu öffnen. Gerade groß genug, dass wir uns hindurch quetschen konnten.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)