Cursed von Lycc ================================================================================ Kapitel 27: Relakesch V – Ruhe vor dem Sturm (Adult) ---------------------------------------------------- Einige Zeit später zog Reel seinen Liebsten behutsam auf die Beine. Er gab den Zwillingen ein Zeichen und schritt dann langsam mit Nathaniël an der Hand die leeren Gassen entlang, in denen nur der Lärm der Feiernden leise widerhallte. Reel führte ihn zu einer alten, verlassenen Kirche und gemeinsam erklommen sie die Stufen zum Glockenturm, wobei sie immer wieder kurze Pausen einlegten, damit Nathaniël zu Atem kam. Oben angekommen half Reel ihm auf das Dach, auf dem sie es sich schließlich gemütlich machten. Nathaniël schmiegte sich an Reels Brust und dieser legte seinen Arm und Umhang schützend um ihn. Gemeinsam betrachteten sie den Sternenhimmel. „Danke, Relakesch“, hauchte er leise in den staubigen Stoff von dessen Oberteil und sank dann in einen tiefen Schlaf. „Hier steckt ihr“, machte Corvo eine ganze Weile später auf sich aufmerksam und ließ Reel damit aus seinem Halbschlaf hochschrecken. „Die Sonne geht bald auf. Wir müssen dein Engelchen zurückbringen.“ Unglücklich sah Reel ihn an. Er wollte seinen Liebsten nicht wieder in dessen goldenen Käfig sperren, aber er hatte keine andere Wahl. Zärtlich strich er ihm die Haare aus dem Gesicht und redete leise auf ihn ein um ihn zu wecken. Irgendwann – grade noch rechtzeitig bevor Corvo die Geduld verlor – schlug Nathaniël endlich die Augen auf und gemeinsam stiegen sie die Stufen des Kirchturms wieder hinab. „Ich trage dich. Sonst kommen wir da heute nicht mehr an“, entschied Corvo kurzerhand und ging vor Nathaniël in die Knie. Dieser kletterte müde auf dessen breiten Rücken und ließ sich von ihm mit schnellen Schritten zurück zum Anwesen und in sein Zimmer tragen. Dort angekommen verfrachteten Corvo und Reel den angetrunkenen Nathaniël in sein Bett. Corvo schwang sich bereits aus dem Zimmer, Reel ließ sich jedoch noch etwas Zeit. „Tut mir leid, dass ich dich wieder hier lassen muss. Am liebsten würde ich dich mit ins Krähennest nehmen.“ „Ist schon okay, Relakesch. Heute Nacht habe ich so intensiv gelebt, wie in den vergangenen 18 Jahren nicht. Außerdem würde ich eh nicht zum Dieb taugen“, tröstete Nathaniël seinen Liebsten und wie zur Bestätigung überkam ihn in diesem Moment ein Hustenanfall. Aufmunternd hielt Reel seine Hand, bis er den Anfall überwunden hatte und sich erschöpft wieder in die Kissen sinken ließ. „Schlaf noch ein wenig, Angel. Ich komme bald wieder.“ Er gab ihm einen letzten zärtlichen Kuss und verschwand dann widerwillig aus dem Zimmer. Während er sich seinen Weg zurück zum Krähennest bahnte, kletterten die ersten Strahlen der Sonne bereits über den östlichen Horizont und tauchten die Stadt in goldenes Licht. Am nächsten Tag wachte Reel zu zwei smaragdgrünen Augen auf, die ihn begierig musterten. Reel seufzte belustigt und zog Corvo kommentarlos zu sich in die Laken. Schnell entledigten sie sich ihrer Oberteile und Corvo drückte Reel wie üblich nach unten, doch dieses Mal würde sich Reel nicht so einfach unterwerfen lassen. Geschickt brachte er den größeren Körper über sich aus dem Gleichgewicht, indem er Druck in Corvos Ellenbogenbeuge ausübte und ihn schnell von sich rollte. „So spielen wir jetzt also? Von mir aus gerne“, gab Corvo mit einem belustigten Grinsen von sich und ließ seine hungrigen Augen über Reels Körper gleiten, der nun triumphierend über ihm thronte. Routiniert umfasste er Reels Hüfte und spielte seine physische Überlegenheit aus, um Reel nun wieder zu Fall zu bringen, doch dieser gab noch nicht auf. Verbissen stemmte er die Beine gegen Corvos Hüfte und stieß ihn kraftvoll von sich. Dessen Überraschung ausnutzend riss Reel wieder die Kontrolle an sich und fixierte Corvo gekonnte unter sich. Doch auch er wusste, wie man dieses Spiel spielte und er war nicht nur weitaus erfahrener darin, sondern auch älter, größer und kräftiger. Mit einer gelenkigen Drehung befreite er sich aus Reels Griff und umklammerte seinerseits dessen Handgelenke. Corvo lag noch immer unter Reel, doch sie wussten beide, dass Corvo schon längst wieder die Oberhand gewonnen hatte. Genießerisch langsam zog der Reel zu sich runter und fuhr ihm mit der Zunge über die Brust. Reel durchfuhr der übliche wohlige Schauer und genau darauf hatte Corvo gewartet. Geschickt nutzte er Reels kurze Unachtsamkeit aus, zog dessen Arme zur Seite und brachte ihn so aus dem Gleichgewicht. Ehe Reel es sich versah, wurde er erneut von dem brünetten Dieb in die Laken gedrückt, der ihn überlegen angrinste. Reel kämpfte. Er kämpfte wirklich, aber gegen Corvo hatte er einfach keine Chance. Der Ältere ließ ihm keine Möglichkeit mehr ihm zu entkommen und schließlich erstarb Reels Gegenwehr. „Nah nah nah. Noch nicht aufgeben. Du hast dich so gut geschlagen.“ Corvos Griff lockerte sich ein klein wenig und Reel startete einen letzten verbissenen Versuch. Flink entzog er Corvo seine Handgelenke, duckte sich unter ihm hinweg und stieß ihn seitlich zu Boden. Ein letztes mal erkämpfte er sich die Führung und sah nun schwer atmend in die grünen Augen unter sich. „Du bist gut“, lobte Corvo anerkennend und mit einem lüsternem Unterton. „Ich lerne vom Besten“, gab Reel mit heißem Atem zur Antwort und damit war entschieden, dass er für heute gewonnen hatte. Eilig befreite er sich von seiner Hose und Corvo tat es ihm gleich. Bereitwillig zog er Reel zu sich und schlang seine Beine um dessen Hüfte. Reels Zähne vergruben sich erneut in Corvos Halsbeuge, während er seine Hände genießerisch über dessen vernarbten Oberkörper wandern ließ. Reel gefiel es deutlich besser, wenn er die Kontrolle hatte, daher genoss er es jetzt ganz besonders seine Dominanz gegenüber Corvo auszuspielen. Lustvoll schmiegte er sich an ihn und schob dessen Hüfte in Position. Corvo hatte genügend Übung, also musste Reel bei ihm keinerlei Vorsicht walten lassen und konnte mit einer einzelnen, schnellen Bewegung in ihn eindringen, was Corvo dazu verleitete lustvoll aufzustöhnen und zog Reel gierig enger an sich zu ziehen. Obwohl dieser sich die Führung erkämpft hatte, ließ Corvo es sich dennoch nicht nehmen, seinem Verlangen Ausdruck zu verleihen. Er machte Reel ganz offen klar, was er von ihm erwartete und Reel versuchte dem gerecht zu werden. Bereitwillig gab er Corvos Wunsch nach und drang gänzlich in ihn ein. Stürmisch liebkosten Reels Lippen und Zähne die empfindliche Haut an Corvos Hals und ließen diesen vor Lust und Schmerzen aufstöhnen. Seine Beine pressten sich eng an Reels Hüfte und seine Hände krallten sich genießerisch in die sehnigen Muskeln auf dessen Rücken. Reels Bewegungen passten sich der wachsenden Lust an und mit zunehmend kräftigeren Stößen befriedigte Reel ihrer beider Verlangen und entlockte Corvo mehrfach genussvolles Stöhnen, welches Reel immer weiter antrieb. Bis Corvos muskulöser Körper nach einem letzten sündhaften Aufbäumen kraftlos unter ihm zum erliegen kam und auch Reel mit einem unterdrückten Stöhnen auf dessen heißer Brust zusammensank. Es hatte sich so gut angefühlt, endlich an der Macht zu sein und selbst das Tempo zu bestimmen. Corvo war zwar erfahren, aber äußerst eigensinnig und zwang Reel immer sein eigenes Tempo auf. Damit war jetzt Schluss! Von nun an würde Reel sich so oft wie möglich an die Macht kämpfen und Corvo schien die Idee zu gefallen. Er hatte durchaus seinen Spaß an ihrem kleinen Dominanzspielchen und er hatte keinerlei Probleme damit sich auch immer wieder mal von Reel unterwerfen zu lassen. So erarbeitete Reel sich seine Gleichberechtigung gegenüber dem älteren Dieb und empfand so auch selbst sehr viel mehr Genuss an ihrer körperlichen Beziehung. Nathaniël gehörte seit dem Stadtfest ganz offiziell zu Reel und auch die Zwillinge sahen ihn immer mehr als Teil der Krähendiebe an. Nathaniël entpuppte sich schnell als zuverlässiger Informant und lieferte den Dieben regelmäßig Schlüsselinformationen für Einbrüche, Überfälle und Erpressungen. Immer wieder half Corvo Reel dabei seinen Liebsten aus seinem goldenen Käfig zu entführen und manchmal begleitete Raven ihn auch ganz einfach in Nathaniëls Zimmer – so auch diesen Abend. Nonchalant saßen die drei auf Nathaniëls Bett, wobei dieser sich immer wieder seine langen Haare über die Schultern nach hinten warf, da sie ihm ständig ins Gesicht rutschten. „Das kann sich ja keiner mitansehen“, reichte es Raven irgendwann. „Rutsch mal ein Stück nach vorn.“ Nathaniël leistete der Aufforderung folge und schon begann Raven mit geübten Fingern die seidigen, platinblonden Strähnen kunstvoll zu verflechten. „Deine Haare sind so schön lang. Da hat man so viele Möglichkeiten was Hübsches draus zu machen.“ Nathaniël seufzte schwer. „Ich hasse meine Haare. Sie sind absolut unpraktisch, viel zu lang und unglaublich auffällig. Ich muss sie immer verstecken, wenn ihr mich mit in die Stadt nehmt und bei Bällen gucken mich immer alle komisch an.“ Reel schlang seitlich die Arme um seinen Angel und hauchte ihm einen aufmunternden Kuss auf die Stirn. „Ich lieb deine Haare. Die Farbe ist genauso einzigartig wie du und sie steht dir fantastisch.“ Nathaniël schenkte ihm ein dankbares Lächeln und Raven verflocht weiterhin so behutsam wie möglich die silbernen Haarsträhnen. Als sie mit dem Ergebnis zufrieden war, fixierte sie alles mit einem hellblauen Satin-Band, welches Nathaniël ihr reichte. Ungeduldig zog die freche Diebin ihn nun vom Bett und vor den Spiegel. „Gefällt's dir? Ich finde, ich habe mich mal wieder selbst übertroffen.“ Sofort erhellte sich Nathaniëls Gesicht. Seine strahlend blauen Augen begannen nahezu zu leuchten und er drehte sich verlegen vor dem großen, schmuckvoll verzierten Spielgel hin und her. „Wow. Raven, du bist eine wahre Künstlerin.“ „Endlich erkennt mal jemand mein Potenzial“, witzelte sie frech und betrachtete zufrieden ihr Werk. „Und es passt sogar gut zu deinem Kleid.“ Schlagartig verfinsterte sich seine Miene wieder ein wenig, doch Nathaniël schluckte seinen Kommentar zu seinem Hass für Kleider einfach hinunter und schenkte Raven nur wieder ein anerkennendes Lächeln. „Willst du auch mal eins anprobieren? Du trägst ja immer nur Hosen.“ Nun waren es Ravens smaragdgrüne Augen die zu leuchten begannen. Reel saß nur kopfschüttelnd auf dem Bett und versuchte erfolglos sein breites Grinsen zu verbergen. Nicht nur amüsierte ihn der Anblick von Raven – der Anführerin der Krähendiebe – in den Kleidern einer Adligen, sondern es freute ihn einfach ungemein, dass seine Schwester und sein Liebster nun so gut miteinander auskamen. Und das obwohl Raven anfangs solche Bedenken bezüglich seiner Beziehung zu Nathaniël geäußert hatte. Mit einem glücklichen Lächeln beobachtete Reel die Modenschau, die Raven und Nathaniël mit kindlicher Freude vollzogen und gab hin und wieder lobende Kommentare ab. Das Nathaniël eine ungewöhnliche Schönheit war, war Reel vollkommen bewusst. Mit seinem zierlichen Körper, der Porzellan-Haut und seinem leicht kränklichen Erscheinungsbild, welches von seinen langen, silbrig platinblonden Haaren und seinen strahlend blauen, gebrochenen Augen vervollständigt wurde, sah er aus, wie nicht von dieser Welt und bildete einen starken Kontrast zu der grauen Stadt und den düsteren Gassen in denen sich Reel sein Leben lang herumtrieb. Nicht zuletzt auch deshalb hatte er seinem Liebsten den Spitznamen 'Angel' gegeben. Doch auch der freche Rabe, den Reel seine Schwester nannte, erstrahlte plötzlich in ungewohntem Federkleid. Sie trug nun ein beiges, knöchellanges Kleid mit leicht ausgestelltem Rock und langen, enganliegenden Ärmeln. Die dunkelbraune Korsage, welche ihre Figur sehr vorteilhaft betonte, und die Goldapplikationen des Kleides wurden von einer großen Smaragdbrosche abgerundet, die farblich perfekt zu ihren aufgeweckten Augen passte. Doch die Diebin war nach wie vor als solche zu erkennen. Ihr fehlender kleiner Finger, die feinen Narben, die sich über ihre Haut zogen, und der jungenhafte Ausdruck auf ihrem Gesicht bildeten einen auffälligen Kontrast zu der edlen Kleidung, die sie trug. Dennoch fühlte Raven sich zum ersten mal seit langem wieder wie ein richtiges Mädchen. Normalerweise war sie immer in erster Linie ein Dieb und nur in zweiter Linie eine Frau und dementsprechend kleidete sie sich auch. „Du kannst es haben, wenn du möchtest“, eröffnete Nathaniël ihr plötzlich. „Dir steht es eh viel besser als mir und ich hab ja genügend andere Kleider.“ Ravens Augen leuchteten. Natürlich war ein Kleid absolut unpassend für die Tätigkeiten einer Diebin, aber das war Raven in diesem Moment völlig egal. Es wurde langsam Zeit für die Diebe zu gehen, also schlüpfte Raven wieder aus ihrer neuen Errungenschaft und in ihre eigene verschlissene Kleidung. Gewissenhaft faltete sie das Kleid zusammen und verschnürte es sicher für den Transport. „Ich lass euch nochmal kurz allein. Und danke dir für das Kleid. Es ist wirklich wunderschön.“ Raven umarmte Nathaniël und gab ihm intuitiv zum Abschied einen schwesterlichen Kuss auf die Stirn. „Bleib nicht mehr so lange, okay Reel?“ Mit einem sanften Lächeln warf sie sich ihren Umhang um die Schulten und verschwand durch das Fenster. Reel blieb noch einen Moment und kuschelte mit seinem Liebsten, als dieser plötzlich unter seine Haare und an sein Ohr griff. Geschickt löste er einen seiner Ohrringe und reichte ihn Reel. Es war ein einfacher, recht schmuckloser, Silber-Ohrring – eigentlich zu schlicht für eine Adlige, aber Nathaniël trug sie sehr gerne, da sie sich nicht so häufig in seinen langen Haaren verfingen wie andere. „Ich hab gesehen, dass du ein Ohrloch hast, darum wollte ich dir einen meiner Lieblings-Ohrringe schenken, damit du mich nicht vergisst.“ Reel sah ihn mit einem sanften Lächeln an und schenkte ihm einen Kuss. „Als ob ich dich jemals vergessen könnte.“ „Dann sieh es als Glücksbringer und als Dankeschön“, meinte Nathaniël nur und Reel ließ sich von ihm den Ohrring festmachen. Eigentlich wurde er nicht gern an sein Ohrloch erinnert, denn ähnlich wie sein voller Name war es ein Relikt aus der Zeit, als Reel noch nicht zu den Zwillingen gehört hatte – als er noch kein Dieb, sondern nur ein einfacher, machtloser Sklave gewesen war. Sklaven wurden Ohrlöcher gestochen, damit man ihre Kennmarken daran befestigen konnte – so, wie man es auch bei Nutztieren auf dem Viehmarkt tat. Doch Reel wollte seinen Angel nicht mit dieser Geschichte belasten, denn seiner Meinung nach, hatte er Nathaniël schon viel zu viel von seiner charmanten Naivität genommen. Also bedankte er sich lediglich mit einem unschuldigen Kuss auf die Wange bei ihm und legte den Arm um seinen Liebsten. 5 Jahre später Reel war mittlerweile 21 und Nathaniël 23 Jahre alt. Mit steigendem Alter wurde ihm immer häufiger verboten, Lord Griefs auf Bälle zu begleiten und so wurden seine Ausflüge mit Reel und den Zwillingen schnell seine einzige Möglichkeit das Anwesen zu verlassen. Leider sank dadurch auch die Menge an Informationen, die er den Dieben liefern konnte, doch diese hatten glücklicherweise dank Nathaniëls Vorarbeit inzwischen ein beachtliches Netzwerk aufgebaut und sich den Respekt der Invi-Gilde erarbeitet. Wie so oft saßen Reel und Nathaniël auf dessen Bett, nachdem die Zwillinge ihn nach einem ihrer Ausflüge wieder dorthin zurückgebracht hatten. Plötzlich ertönte das warnende Klopfen an der Zimmertür, welches Reel mehr als alles andere fürchtete und noch mehr hasste. Widerwillig aber zügig schwang er sich aus dem Fenster und auf das Dach des Anwesens. Wie schon so oft wurden unter ihm die schweren Schritte Lord Greifs' laut und Reels Körper gefror. Völlig unvermittelt erhob Griefs die Stimme. Er klang aggressiv und berechnend. „Du kleine Kröte hältst dich wohl für besonders clever, nicht wahr? Dachtest du wirklich ich bemerke deinen Verrat und deine Spionage nicht? Ich gebe zu, es hat eine Weile gedauert, aber nun können dir auch deine dreckigen Diebe aus dem Krähennest nicht mehr helfen. Ich verlange mein Eigentum zurück!“ Reel stockte der Atem. Eine unbändige Angst überkam ihn. Angst um Nathaniël, um Raven, um Corvo und um all die anderen Diebe. Lord Griefs war wirklich niemand, den man gegen sich aufbringen wollte, dass wusste in dieser Stadt jeder. Reel wurde hellhörig. Unter sich konnte er nun ein völlig neues Geräusch hören. Nathaniël rang nach Atem und schlug hilfesuchend mit Armen und Beinen um sich, was dumpfe Schläge auf dem Bett verursachte. Griefs würgte Nathaniël – Reel konnte es deutlich hören und sein bildliches Vorstellungsvermögen spielte ihm die Szene ungewollt vor seinem geistigen Auge ab. In diesem Moment gewann sein Beschützerinstinkt die Oberhand und verdrängte jeden anderen Gedanken. Reels Starre löste sich und unbändiger Hass vernebelte seinen Geist. Er wusste selbst nicht, dass er sich so schnell bewegen konnte, doch nur einen Wimpernschlag später stand er mit gezogenen Dolch im Zimmer und ging mit rasendem Blick auf den Lord los. Dieser war so von dem wilden Dieb überrumpelt, dass er nicht mehr reagieren konnte. Eher er es sich versah, rammte Reel ihm seinen Dolch zwischen die Rippen und stieß ihn von dem hustenden Nathaniël. Schützend umschlang und hielt er ihn sicher in seinen Armen. Einen kurzen Moment lang hörte Reel nichts außer Nathaniëls keuchenden Atem, dann vernahm er plötzlich ein Gemurmel von dem sterbenden Lord Greifs. Er presste Worte in einer Sprache hervor, die Reel nicht einmal annähend verstand. Sie war ihm völlig fremd, doch die Art und Weise wie Griefs die Worte aussprach ließ nichts Gutes vermuten. Wie gebannt starrten die beiden Liebenden den blutenden Körper neben sich an, bis dieser endlich verstummte und mit leblosen Augen liegen blieb. Für einige wenige Sekunden schien die Welt stehen zu bleiben. Reel hatte ihn getötet. Er hatte seinen ersten Mord begangen und die darauf folgende Stille war ohrenbetäubend. Plötzlich schrie Nathaniël mit gequälter Stimme auf während seine gebrochenen blauen Augen noch immer auf Reel ruhten. Nun konnte auch dieser den Grund dafür in seinem Augenwinkel erkennen. Eine flackernde Dunkelheit schien sich bedrohlich um ihn zu legen. Nathaniël rutschte in Panik von ihm weg und Reel ergriffen unsägliche Schmerzen. Das Herz in seiner Brust schien zu brennen, sein Schädel fühlte sich an wie mit Stacheldraht durchzogen und durch seine Adern schien nun statt Blut siedender Essig zu fließen. Vor seinen Augen färbte sich alles rot, ein metallischer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus und der starke Geruch von Blut, Schweiß und Angst stieg ihm in die Nase. Endlich ließen die Schmerzen nach und Reels Sinne gewöhnten sich an die übermäßige Reizüberflutung. Voller Angst suchte er Nathaniël, welcher zusammengekauert in einer Zimmerecke hockte und starrte ihn ungläubig an. „Angel?“ Reels Stimme klang entfremdet in seinen eignen Ohren und er konnte Tränen über seine Wangen fließen spüren. „Relakesch?“ Nathaniëls Stimme war nur ein verzweifeltes Flüstern und dennoch konnte Reel ihn problemlos verstehen. Unsicher nährte er sich seinem Liebsten und passierte dabei den mannshohen Spiegel. Reel erschrak und wich panisch zurück. Aus dem Spiegel sah ihm ein Monster entgegen, welches so direkt aus der Hölle entsprungen zu sein schien. Ein wallender Umhang aus tiefstem Schwarz nahm Reels Körper in Besitz. Seine Haut erschien gräulich-blass und frei von Narben. Seine hellgrauen Augen, auf die Reel immer so stolz gewesen war, waren einem dämonischen, flammenden Rot gewichen und in seinem Mund spürte er plötzlich die gefährlichen Reißzähne eine Raubtieres. Verzweifelt sank Reel in sich zusammen. Es gab keinen Zweifel – die monströse Gestalt im Spiegel war tatsächlich seine eigene. „Angel...“ Nathaniël biss die Zähne zusammen und schluckte seine Angst hinunter. 'Das ist immer noch Relakesch', betete er sich selbst immer und immer wieder im Geiste vor und nährte sich langsam der am Boden kauernden, schwarzen Gestalt. Behutsam berührte er dessen Schulter und kniete sich neben ihn. Er versuchte ihm in die Augen zu sehen, doch dieses stechende Rot löste in Nathaniël solche Panik aus, dass er ihm wieder ausweichen musste. Dennoch nahm er all seinen Mut zusammen und schlang trötend die Arme um seinen Liebsten. „Es wird alles wieder gut“, flüsterte er immer und immer wieder um Reel und auch sich selbst irgendwie zu beruhigen. All die Sinneseindrücke, die nun so verstärkt auf Reel einstürzten, machten es ihm zusätzlich schwer klare Gedanken zu fassen. Als er es dennoch endlich schaffte, löste er sich wieder von Nathaniël. Er betrachtete seinen Liebsten und stellte fest, dass auch dieser nicht völlig von Lord Griefs Fluch verschont geblieben war. Auf seiner Brust prangte ein etwa handgroßes, schwarzes Symbol mit verschlungenen Ausläufern, die sich bis hoch zu dessen Hals zogen. Behutsam fuhr Reel das fremdartige Mal mit den nun noch schmaleren Fingern nach. Nathaniël schien das sichtlich unangenehm zu sein, daher wollte Reel sich wieder von ihm zurückziehen, doch in diesem Moment begann sich sein eigener Körper völlig unvermittelt aufzulösen. Panisch wich Reel von Nathaniël zurück, doch es war bereits zu spät. Sein Körper verlor seine Form und ging in schwarze Schwaden über, die sich lauernd um Nathaniël wanden und anschließend in diesem verschwanden. Nathaniël blieb allein im Zimmer zurück und sah sich mit angst-geweiteten Augen suchend um. „Relakesch? Relakesch, wo bist du?“ „Angel?“, erklang Reels panische Stimme in Nathaniëls Innerem. „Relakesch, was ist hier los? Ich hab Angst.“ Plötzlich ergriffen unerträgliche Schmerzen den schmächtigen Körper und gequältes Wimmern entfuhr seiner Kehle. Es fühlte sich an, als würde Nathaniëls Inneres bei lebendigem Leibe verschlungen werden. Er sank auf dem Boden zusammen und hielt sich die Brust. Die Schmerzen raubten ihm den Atem und in seinem Unterbewusstsein spürte er Reels steigende Verzweiflung. „Angel, es tut mir so leid. Ich kann es nicht kontrollieren. Ich will das nicht!“ Im nächsten Moment erstarb Nathaniëls Wimmern und ein lebloser Ausdruck trat in die wunderschönen, blauen Augen. Die plötzliche Stille lähmte Reel und eine kleine Ewigkeit später verschwamm sein Blick, bis ihn nichts als schwarze Leere umgab. Er hatte seine neue, dämonische Macht nicht unter Kontrolle und die angeschlagene Kondition des kränklichen Nathaniël hatte dieser auch nichts entgegenzusetzen. Reels Rachsucht hatte sich ungewollt an Nathaniël entladen und dessen gebrochene Seele innerhalb kürzester Zeit verschlungen. Reel hatte ihn getötet. Er hatte seinen geliebten Engel ermordet. Oder viel mehr: Das, was Griefs aus ihm gemacht hatte, hatte ihn ermordet. Mit Nathaniël erstarb auch das letzte Licht um Reel und sein Bewusstsein verschwand endgültig in den Schatten. Hosted by Animexx e.V. 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