Cursed von Lycc ================================================================================ Kapitel 14: Prüfungsstress -------------------------- Der Handy-Wecker klingelte und Reel entfuhr ein unzufriedenes Knurren. Er war diese Nacht endlich einmal von Albträumen verschont geblieben und fand es gar nicht lustig jetzt aus dem Schlaf gerissen zu werden. Routiniert griff Aiden zum Handy und ließ es mit einem Tippen auf die Schlummer-Taste verstummen. Dankbar kuschelte sich Reel näher an ihn und Aiden tat es ihm – im Delirium des Halbschlafs – gleich. Reels linker Arm ruhte unter Aidens Kopf, während sein rechter Arm eng um dessen Oberkörper geschlungen war. Verschlafen vergrub Aiden seine Finger in Reels Oberteil und sog den Geruch des Dämons tief ein. Selten hatte er sich so sicher und geborgen gefühlt wie jetzt, doch das zweite Klingeln seines Weckers holte Aiden wieder in die Realität zurück. Langsam wurde er sich seiner Situation bewusst und Röte stieg ihm ins Gesicht. Aiden machte den Wecker nicht aus und so musste nun auch Reel unter größtem Unwillen die Augen öffnen. Er genoss Aidens Nähe und wollte ihre Umarmung noch nicht aufgeben, doch dieser ließ ihm nicht wirklich eine Wahl. Unbeholfen löste sich Aiden aus seinen Armen und Reel ließ ihn widerstrebend los. Der albtraumlose Schlaf hatte ihm gut getan und Reel fühlte sich so ausgeglichen, wie seine launische Natur es eben zuließ. Als Dämon konnte aber musste er normalerweise nicht schlafen. In letzter Zeit verspürte er allerdings immer wieder Müdigkeit. Das passierte manchmal, wenn er länger bei einem Opfer blieb und sich vergleichsweise oft außerhalb von dessen Körper aufhielt. Dadurch musste er eine lange Zeit einen eigenen Körper aufrechterhalten und das kostete ihn mehr Kraft als er es gern gehabt hätte. Vom noch warmen Bett aus beobachtete Reel, wie sich Aiden für den Unterricht fertig machte. Es war nichts Ungewöhnliches an seiner Morgenroutine und genau das liebte Reel so sehr an diesem Anblick – Aiden störte sich keineswegs an der Anwesenheit des Dämons. Er schien allem Anschien nach tatsächlich keine Angst mehr vor ihm zu haben und das beruhigte Reel, auch wenn es zugleich etwas beängstigendes für ihn hatte, dessen Ursprung er nicht erklären konnte. Er hatte dieses Gefühl bisher nur bei einer einzigen anderen Person gehabt und Reel begann immer mehr von dieser in Aiden zu sehen. Unverwandt verfolgten die roten Augen Aidens Bewegungen ohne das dieser es so recht zu bemerken schien. „Stimmt was nicht?“, riss er Reel unvermittelt aus seinen Gedanken. „Hm?“ „Wir müssen langsam los.“ Das unschuldige Lächeln mit dem Aiden vor ihm stand, ließ Reel unwillkürlich schmunzeln. Sanft legte er seine Hand auf Aidens Wange und ging in dessen Körper über. Die Prüfungen rückten immer näher und das spiegelte sich in der allgemeinen Stimmung der Schüler wieder. Viele wirkten ein wenig bedrückt und immer wieder sah Aiden Mitschüler mit aufgeschlagenen Heftern und Büchern durch die Gänge laufen oder in den Gemeinschafts- und Klassenräumen sitzen. Selbst beim Essen hatten einige Schüler ihre Lernmaterialien offen neben sich liegen. Die Prüfungen an diesem Internat waren bekannt dafür sehr fordernd und anspruchsvoll zu sein. Auch war es nichts Ungewöhnliches für die Schüler hier – ähnlich wie Aiden – mindestens ein Elternteil zu haben, welches gute Leistungen erwartete. Was eigentlich auch nicht verwunderlich war, wenn man die Höhe der Schulgebühren und den gesellschaftlichen Status der Schüler bedachte. „Und wie läuft es bei dir mit dem Lernen?“ Selbst Lukas merkte man ein wenig Prüfungsstress an. „Eigentlich gar nicht mal so schlecht. Und bei dir so?“ Stellte Aiden die Gegenfrage, doch Lukas winkte ab. „Frag lieber nicht. Mit etwas Glück bestehe ich alle Prüfungen und schaffe hier und da vielleicht sogar ne 3 oder 2. Aber auf viel mehr kann ich leider nicht hoffen. Außer in Sport natürlich.“ „Ach, du packst das schon“, versuchte Aiden ihn aufzumuntern. „Lass uns lieber schnell das Thema wechseln. Sonst werd´ ich noch depressiv.“ Lukas setzte wieder sein jungenhaftes Lächeln auf und begann über das neuste Update von Summoners War zu reden. Mit einem Ohr lauschte Aiden seinen Ausführungen und mit dem anderen versuchte er zu hören, worüber sich die restlichen Schüler unterhielten. Der allgemeine Prüfungsstress hatte zumindest einen Vorteil – die Gerüchte über Aiden gerieten wieder in den Hintergrund und er war bisher auch von weiteren Anschlägen verschont geblieben. 'Vielleicht hat unserer Magier ebenfalls Prüfungen', hatte Reel angemerkt, jedoch hatte Aiden eine ganz andere Vermutung. Er war die letzten Tage über kaum aus seinem Zimmer raus gekommen. Wer auch immer es auf ihn abgesehen hatte, hatte schlicht und ergreifend keine Gelegenheit gehabt ihn in einen „Unfall“ zu verwickeln. Plötzlich erregte eine blonde Flechtfrisur Aidens Aufmerksamkeit. Mara sah ihn böse an und machte einen weiten Bogen um ihn, bevor sie sich dann zu ihrer Schwester und ihren Freundinnen setzte. Lukas bemerkte Aidens Blick. „Hey, mach dir nichts draus. Es gibt so viele Mädchen. Da findest selbst du Lauch was passendes.“ Er zwinkerte Aiden aufmunternd zu und erntete ein schiefes Lächeln von ihm. Gemeinsam gingen sie in ihren Fachraum. Die morgige Matheprüfung war die erste der Prüfungen und dementsprechend vollgepackt war nun die Mathestunde. Aiden gab sein Besten um mit dem Stoff mitzuhalten und auch Reel lauschte brav der Lehrerin. In der Umkleide vor und nach dem Sportunterricht wurden die anderen Jungen schnell auf Aidens neues 'Tattoo' aufmerksam und so hatten die Gerüchte über ihn wieder neuen Zündstoff. Reel übernahm seit zwei Wochen während der Sportstunden Aidens Körper um sich daran zu gewöhnen und besser einschätzen zu können, welche Leistungen glaubhaft waren. Aiden war nie besonders gut in Sport gewesen, daher wäre es mehr als auffällig wenn er auf einmal Schulrekorde brechen würde. Reel hatte durchaus seinen Spaß daran den Körper zu steuern und Aiden hatte ordentlich damit zu tun den Dämon davon abzuhalten etwas dummes während des Sportunterrichts zu tun oder jemandem bei einem unfairen Völkerball-Treffer an die Gurgel zu gehen. Lukas bemerkte Aidens ungewöhnliches Verhalten, hielt sich zu dessen Glück jedoch an seinen Grundsatz sich nicht in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen. Irgendwann würde er Lukas gern alles erklären, aber momentan würde Reel das nicht zulassen und Aiden wollte auch nur ungern seine Freundschaft zu Lukas aufs Spiel setzten. Maras Reaktion war ihm noch lebhaft im Gedächtnis und dort würde sie wohl auch noch eine ganze Weile bleiben. „Sag mal, Aiden. Hast du deine Strafe in der Bibliothek eigentlich mittlerweile abgearbeitet?“ Aiden antwortete mit einem Nicken. „Ja. Ich bin letzte Woche fertig geworden. Frau Eden war richtig traurig, weil sie jetzt wieder alles allein machen muss.“ Lukas lachte kurz auf. „Das glaube ich gern. Die Menge an Büchern, die du durch die Gegend geschleppt hast, war echt unglaublich. Kein Wunder, dass du auf einmal einen so starken Wurfarm hast.“ Lukas sah ihn forschend an. Die Anmerkung mit dem Wurfarm war eindeutig ein Versuch beiläufig etwas über Aidens plötzliche Sportlichkeit in Erfahrung zu bringen, aber Aiden überging ihn einfach. „Ja. Aber ich bin wirklich froh endlich fertig damit zu sein. Ich hatte ja so schon kaum genügend Zeit um zu Lernen.“ „Dieses Jahr scheinst du ja richtig ehrgeizig an die ganze Sache ran zu gehen.“ Aiden winkte ab. „Ich hab dieses Jahr echt nachgelassen, darum will ich das mit den Prüfungen ausgleichen.“ Wieder bedachte Lukas ihn mit diesem unschlüssigen Blick. „Du musst es ja wissen.“ So langsam störte ihn Aidens Verschwiegenheit ihm gegenüber doch. Lukas hätte nie angenommen, dass sein bester Freund so häufig etwas verstecken würde, doch er würde nichts dazu sagen. Zumindest vorerst nicht. Am Abend lief Aiden unruhig im Zimmer auf und ab. Die morgige Prüfung machte ihn schrecklich nervös und er kam einfach nicht zur Ruhe. Irgendwann reichte es Reel. „Verdammt, Sunshine! Du machst mich ja ganz kirre.“ „Tut mir leid. Aber ich kann einfach nicht anders.“ Mit einem entnervten Seufzen schwang sich Reel vom Bett und lief zu ihm hinüber. Bestimmend nahm er Aidens Gesicht zwischen die Hände und sah ihm fest in die Augen. „Du lernst seit Wochen ununterbrochen. Heute im Unterricht konntest du fast alle Aufgaben fehlerfrei lösen und ich bin ja auch noch da. Also mach dich nicht fertig. Wir schaffen das morgen. Du darfst jetzt nur nicht die Nerven verlieren.“ Aiden sah unverwandt in das fesselnde Rot der Augen seines Gegenübers. Er seufzte schwach und legte seine Hände auf Reels Unterarme. „Du hast ja recht.“ „Ganz genau. Also sein brav und hör auf deinen Dämon.“ Spielerisch zwang er sein kleines Lieblingsspielzeug sich aufs Bett zu setzen und schob ihm seinen Laptop zu. Aiden musste lachen. „Du willst doch nur Grimm weiter gucken.“ „Vielleicht“, gab Reel mit einem frechen Zwinkern zu und setzte sich ebenfalls aufs Bett. Aiden klappte den Laptop auf und öffnete Prime. Während sie die Serie weiter schauten, kuschelte Reel sich wieder von hinten an Aidens Schulter. Sein gleichmäßiger Atem an seinem Ohr half Aiden wieder zur Ruhe zu kommen und dafür nahm er auch bereitwillig den engen Griff um seine Taille in kauf. Reels Anhänglichkeit war inzwischen zum Normalzustand geworden und Aiden hatte sich nach einigen Tagen daran gewöhnt. Er hatte das Gefühl, dass der Dämon dadurch umgänglicher geworden war und ihm seltener auf den Keks ging. Entspannt lehnte er sich an Reel und wandte seine Aufmerksamkeit dem Laptop-Bildschirm zu. Nach nur zwei Folgen schloss Aiden den Laptop wieder. Er wollte heute etwas früher ins Bett gehen um morgen möglichst ausgeschlafen zu sein. Reel war wohl etwas unglücklich darüber, sagte jedoch nichts. Aiden ging duschen, Zähne putzen und anschließend ins Bett, wo er sich unruhig hin und her wälzte. Seine Gedanken kreisten ununterbrochen und ließen ihn einfach nicht in den ersehnten Schlaf sinken. Nach einiger Zeit hörte er wieder das leise Seufzen vom anderen Ende des Bettes – Papier raschelte und die Matratze bewegte sich ein wenig. Im nächsten Moment spürte er eine feingliedrige Hand auf seinem Kopf. Reel setzte sich am Kopfende auf die Bettkante und strich beruhigend über das braune Haar. Aiden schloss wieder die Augen und konzentrierte sich auf die sanfte Berührung. Reel gab ihm das Gefühl nicht allein zu sein und das half ihm ungemein, wodurch Aiden einige Minuten später auch schon eingeschlafen war. Als das Klingeln seines Handyweckers Aiden zwang seine Augen zu öffnen, saß Reel noch immer auf seiner Bettkante. „Guten Morgen, Sunshine.“ Verschlafen machte Aiden seinen Wecker aus und setzte sich im Bett auf. Seine Haare standen wild in alle Richtungen ab und ließen Reel unwillkürlich schmunzeln. „Ja, ich weiß. Ich muss unbedingt mal wieder zum Friseur.“ Rechtfertigte sich Aiden und versuchte fahrig seine Haare mit den Fingern zu bändigen – mit mäßigem Erfolg. „Ich finde du solltest sie wachsen lassen.“ Reel hielt Aidens Finger fest und und begann dann seinerseits sanft die braunen Haare zurück zu streichen. Mit langen Haaren würde er der Person auf seinen Zeichnungen noch viel ähnlicher sehen. Aiden betrachtete Reels Gesicht. Er lächelte, aber schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Schließlich ließ er wieder von Aiden ab und erlaubte ihm so aus dem Bett aufzustehen. Ab heute wurde es ernst. Ab heute hatte er fast jeden Tag eine Prüfung zu bestehen. Schnell durchlief er seine Morgenroutine, zog sich an und überprüfte seine Schultasche. Taschenrechner, Formelsammlung, Stifte, Papier, Geodreieck, Zirkel – alles da. „HEY!“ Aiden hatte die Hand schon auf der Türklinke gehabt, hielt nun inne und lief schnell zum Bett zurück. „Entschuldige, Reel.“ „Du bist ja wirklich total durch, wenn du sogar schon mich vergisst.“ Aufmunternd legte er ihm eine Hand auf die Wange und strich ihm mit dem Daumen darüber. „Wir packen das schon. Mach dich nicht fertig, Sunshine.“ Dann ging er in seinen Körper über und Aiden verließ sein Zimmer. Der heutige Beginn der Prüfungsphase drückte die Stimmung im Speisesaal – es war nahezu beängstigend still. 10 Minuten vor dem regulären Unterrichtsbeginn saßen dann alle Schüler auf den ihnen zugewiesenen Plätzen. Akribisch sortierte Aiden nun schon zum fünften mal seine Stifte und Materialien neu und seine Nervosität wuchs weiter an. „Bleib ruhig, Sunshine. Wir beide kriegen das schon hin.“ Reel nutze ihre Verbindung um Aidens Angst so gut wie möglich zu mindern. Die Prüfungsbögen wurden ausgegeben und Reel musste sich wirklich bemühen um sein kleines Lieblingsspielzeug zu beruhigen. Nach der Belehrung wurden die Prüfungsbögen aufgeschlagen und der Kampf begann. Verbissen löste Aiden eine Aufgabe nach der anderen und nur zwei mal machte Reel ihn auf einen Flüchtigkeitsfehler aufmerksam. Aiden unterstrich sein Ergebnis der letzten Aufgabe und im selben Moment ermahnte die Klingel alle Schüler dazu ihre Stifte niederzulegen. Mit einem erleichterten Seufzen ließ sich Aiden im Stuhl nach hinten sinken. Die Mathelehrerin sammelte alle Bögen ein und die Schüler verließen geordnet den Raum. Dabei traf Aiden wieder auf Lukas. „Und? Wie ist es bei dir gelaufen?“ Lukas wirkte recht gelassen als er antwortete. „Ganz okay, glaube ich.“ Mathe war neben Sport und Wirtschaftswissenschaften eines seiner stärkeren Fächer, auch wenn er das nie raus hängen ließ. Sprachen waren nicht sein Ding, ansonsten verstand er den meisten Lernstoff recht schnell. Lukas war sehr intelligent, aber er war kein großer Fan vom Lernen. Was er in Prüfungen aufschrieb waren größtenteils nur Dinge, die er eh aus dem Kopf wusste und nicht zuvor gezielt gelernt hatte. Für Aiden würde diese Herangehensweise in einer Katastrophe enden, aber für Lukas schien es zu funktionieren. Gemeinsam gingen sie wieder in dem Speisesaal. Die Prüfung hatte insgesamt über 4 Stunden gedauert und nun war es bereits Zeit fürs Mittagessen. „Willst du nach dem Essen zum Zocken vorbei kommen?“ Doch Aiden winkte ab. „Ich will noch etwas für Englisch lernen.“ Tatsächlich war morgen zum ersten mal Reel dran. Er beherrschte viele Sprachen. Immerhin wurden im Laufe seines Lebens nun schon viele Personen verschiedenster Abstammung mit ihm verflucht und jedes mal hatte er sich in deren Kopf breit gemacht und so schnell die nötige Sprache erlernt. Die eigenen Muttersprache war etwas so grundlegendes im Kopf eines jeden, dass Reel es sich nach einigen Versuchen problemlos angeeignet hatte diese von seinen Opfern zu adaptieren. Englisch gehörte dabei noch zu einer der häufigsten Sprachen und daher beherrschte er diese nicht nur mündlich, sondern konnte sie auch problemlos lesen und schreiben. Die morgige Prüfung wäre für ihn also mehr eine Formsache als alles andere. Latein wurde von den Hexen und Hexern, die mit Reel verflucht worden waren, häufig verwendet. Es war die gängige Sprache der Magie und während die Magier versuchten Reel mit verschiedensten Zaubern oder Ritualen loszuwerden, hatte dieser sich nach und nach auch diese Sprache angeeignet. Nach dem Essen kehrte Aiden in sein Zimmer zurück. Rücklings ließ er sich aufs Bett fallen und atmete tief durch. „Eine geschafft. 12 kommen noch.“ Reel materialisiert sich neben ihm auf dem Bett. „Die morgige Prüfung ist eine Kleinigkeit. Um die brauchst du dir also keine Gedanken machen.“ „Bist du dir sicher, dass du die volle Punktzahl schaffst?“ „Ich hatte seeehr viel Zeit um Englisch zu lernen. Glaub mir, Sunshine. Das wird kein Problem. Was ist übermorgen dran?“ „Chemie“, antwortete Aiden unglücklich. Chemie lag weder Aiden noch Reel besonders gut. Sie hatten beide nur leidlich dafür gelernt und taten sich recht schwer mit den meisten Themengebieten. Mit einem unglücklichen Seufzen ließ sich Reel nach hinten aufs Bett fallen und sah Aiden von der Seite an. „Danke“, kam es leise von Aiden. „Ich hab doch kaum was gemacht. Die zwei Fehler hättest du irgendwann auch selbst bemerkt.“ „Das meine ich doch gar nicht. Ohne dich hätte ich heute wahrscheinlich einen totalen Nervenzusammenbruch gehabt.“ Reel drehte sich auf die Seiten um Aiden besser ansehen zu können und dieser tat es ihm gleich. Behutsam strich er seinem Lieblingsspielzeug eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Du brauchst dringend etwas mehr Selbstvertrauen, Sunshine. Du hättest das heute alles problemlos auch ohne mich geschafft. Du musst dir nur mehr zutrauen.“ Schuldbewusst sah Aiden in die roten Augen. „Ich weiß. Tut mir leid.“ „Keine Angst. Das kriegen wir schon noch hin. Wer sich mit einem Rachedämon streiten kann, der sollte sich auch von einer Schulprüfung oder seinem Vater nicht unterkriegen lassen. Und im Zweifelsfall hab ich genügend Selbstbewusstsein für uns beide.“ Aiden konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken als er antwortete. „Das glaube ich dir gerne.“ Spielerisch fuhr Reel ihm durch die Haare. „Du bist echt nicht normal. Eigentlich sollte ich dich töten und nun helfe ich dir mit deinen Schulprüfungen.“ Ein unterdrücktes Lachen fand seinen Weg aus Aidens Kehle. „Das Gleiche hab ich mich auch schon gefragt, aber ich dachte ich frage lieber nicht nach.“ Eine kurze Pause entstand. „Aber mal ehrlich, Reel. Warum machst du's? Meine Prüfungen haben doch überhaupt nichts mit unserem eigentlichen Deal zu tun.“ Reel stieß hörbar die Luft aus. „Keine Ahnung. Ich schätze, ich mag dich einfach. Und es ist ja nicht so, als hätte ich all zu viel besseres zu tun.“ „Ich mag dich auch, Reel.“ Dieser sah seine Chance Aiden mal wieder etwas zu ärgern und ergriff sie sofort. Mit einer schnellen Bewegung überwand er die kurze Distanz zwischen ihnen, drückte den Kleineren in die Laken und grinste ihn mit entblößten Reißzähnen an. „Bist du dir da sicher?“, fragte er provokant nur wenige Zentimeter von Aidens Gesicht entfernt, doch dieser blieb unverändert ruhig. „Jap. Ich bin mir absolut sicher.“ Reel war sichtlich überrascht und musste lachten. Das Aiden keine Angst mehr vor ihm hatte, war ihm bewusste gewesen, aber mit einer so abgebrühten Reaktion hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Ertappt ließ er seinen Kopf auf Aidens Brust sinken. Selbst sein Herzschlag hatte sich kaum beschleunigt. Reel kuschelte sich an ihn und blieb einfach liegen. Aiden roch so gut und war so unglaublich gemütlich. Nach wenigen Augenblicken spürte er, wie Aiden begann seinen Rücken zu kraulen und mit seinen Haaren zu spielen. Er hatte sich wohl wirklich an Reels ungewöhnlichen Wunsch nach Nähe gewöhnt und nahm ihm diesen auch nicht übel. Seidig glitten die schwarzen Strähnen zwischen Aidens Finger. Noch nie hatte er so rabenschwarzes Haar gesehen wie bei Reel. Er bemerkte zwar, dass Aiden mit seinen Haaren spielte, störte sich allem Anschein nach aber nicht daran. Aiden achtete darauf den Ohrring seines Dämons nicht zu berühren, denn er befürchtete er könnte ihm das übel nehmen und Aiden wollte diese zugegeben etwas ungewöhnliche Situation noch nicht auflösen. Anfangs war es schwierig für ihn gewesen mit Reels Verhalten klar zu kommen, aber inzwischen genoss er dessen Zuneigung richtig. Ein weiteres Mal nahm er eine Strähne des schwarzen Haares zwischen die Finger und betrachtete wie sie im einfallenden Licht glänzte. Wunderschön. Sein Blick fiel auf den Schattenumhang, der ruhig über die Bettbezüge flackerte. Vorsichtig versuchte Aiden ihn zu berühren und dieser schien auf ihn zu reagieren. Er konnte ihn nicht wirklich anfassen, da der Schatten keine feste Form besaß, aber Aiden konnte ihn dennoch spüren. Wie ein schwacher Luftzug war er zwar eindeutig da, aber nicht greifbar. Ruhig zog sich der Schatten zu Aidens Hand hin und umschlang diese sanft. Ein kleines Stück weit kletterte die Schwärze seinen Arm hinauf, doch Aiden empfand das nicht als beunruhigend. Ganz im Gegenteil – er hatte das Gefühl der Schatten wollte ihn beschützen und Aiden begann zu vermuten, dass er immer Reels Gefühlslage widerspiegelte. War er wütend oder aufgewühlt, dann flackerte der Schatten wild und ungezügelt. War Reel hingegen entspannt – so wie jetzt – dann verhielt sich auch der Schatten ruhig. Aiden konnte nicht anders als immer wieder aufs neue fasziniert von dem hübschen Dämon zu sein, der nun auf seiner Brust eingeschlafen zu sein schien. Gedankenverloren fuhr Aiden ihm wieder mit den Fingern durch die Haare und nickte irgendwann ebenfalls ein. Doch sein Schlaf hielt nicht lange an. Nach circa einer halben Stunde wachte Aiden wieder auf und versuchte widerstrebend Reel zu wecken. Eigentlich wollte er ihn gern weiterschlafen lassen, aber Aiden hatte sich vorgenommen heute noch zu lernen, also begann er sanft an Reels Schulter zu rütteln. Dieser knurrte unzufrieden und vergrub sein Gesicht noch tiefer an Aidens Brust. „Reel. Ich muss noch lernen.“ Doch dieser machte keinerlei Anstalten sich von ihm runter zu bewegen. „Och man, Reel.“ Widerwillig setzte sich der Angesprochene auf und starrte Aiden böse an. Der entschuldigte sich knapp, schnappte sich seinen Chemie-Hefter und wollte sich grade am Schreibtisch einrichten, als Reel wieder hinter ihm auftauchte und ihn kommentarlos zum Bett zurück zog. Kurz versuchte Aiden sich zu wehren, gab es jedoch schnell wieder auf. Der Dämon setzte sich auf das Bett, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und zog Aiden bestimmend in seine Arme. Dieser fand sich schließlich in einer ähnlichen Umklammerung wie beim Netflix gucken wieder – Reels Arme um seine Taille geschlungen und dessen Kopf auf seiner Schulter ruhend. In dieser Position konnte Aiden lernen ohne das Reel ihn loslassen musste. „Du hättest auch einfach was sagen können“, ermahnte ihn Aiden. „Wozu denn? Du gehörst mir und ich mache mit dir was ich will.“ Demonstrativ drückte er ihn enger an sich und schmiegte sich an seine Schulter. Mit einem resignierten Seufzen schlug Aiden seinen Hefter auf und wandte sich lustlos den Reaktionen der Alkalisalze zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)