Cursed von Lycc ================================================================================ Kapitel 11: (Un)einigkeit ------------------------- Kaum hatte Aiden sein Zimmer verlassen, verflog seine gute Laune. Die abschätzigen Blicke seiner Mitschüler und die wilden Gerüchte, die sich nahezu überschlugen, erinnerten ihn schnell daran, dass er noch immer nicht mit Mara gesprochen hatte. Er fühlte sich unwohl außerhalb seines Zimmers – nahezu unsicher. „Lass dir nichts anmerken, Sunshine. Wenn du so tust als würde es dich nicht verletzten, dann verlieren sie früher oder später das Interesse.“ Normalerweise störte es Aiden, wenn Reel mit ihm sprach, während er sich mit jemand anderem unterhielt, aber jetzt grade war er ihm mehr als dankbar, denn es gab ihm das Gefühl nicht allein zu sein. Nach dem Mittagessen nahm Aiden all seinen Mut zusammen und lief zu Mara. Schweigend gingen sie in einen stillen Flur im Unterrichtstrakt. „Tut mir leid, dass ich in letzter Zeit nicht mit dir gesprochen habe. Ich wollte dich nicht ignorieren“, fing Aiden kleinlaut an. Mara atmete tief durch. „Schon gut. War vielleicht besser so. So hatte ich Zeit zum Nachdenken. Ich hätte nicht gedacht, dass du jemand bist, der sich prügelt.“ „Bin ich auch nicht! Ich wollte das nicht. Das musst du mir glauben.“ „Ich glaube dir doch. Du bist viel zu nett um jemanden absichtlich zu verletzten. Du wolltest Lukas beschützen, ober?“ Aiden nickte vorsichtig. Er fühlte sich schrecklich dabei sie anzulügen, aber er hatte nicht wirklich eine andere Wahl. „Ich verstehe es, wenn du jetzt sauer auf mich bist oder nichts mehr mit mir zu tun haben willst.“ Schuldbewusst sah er zu Boden. „Aiden. Ich war etwas schockiert, aber ich möchte immer noch deine Freundin sein. Aber du musst ehrlich zu mir sein. Warum hast du nicht aufgehört? Warum hast du Markus so schlimm zugerichtet? Und warum bist du in letzter Zeit so seltsam? So warst du doch sonst nicht.“ Er wich ihrem Blick aus und schwieg, also gab Mara ihm eine Gnadenfrist. „Wir reden nach dem Unterricht weiter. Entscheide dich bis dahin, ob du mit mir reden willst oder nicht.“ Dann ging sie zurück zu ihren Freundinnen und ihrer Schwester. „Warum machst du das, Mara? Willst du wirklich deinen guten Ruf wegen ihm riskieren?“ „Ist er das wirklich wert? Was ist wenn er wirklich gewalttätig ist und dich auch schlägt?“ Mara seufzte. „Er ist nicht gewalttätig. Er wollte nur nicht, dass Lukas verletzt wird.“ „Das sah nicht so aus. Er hatte Spaß daran. Ich hätte ihm das ja auch nie zugetraut, aber jetzt hab ich wirklich Angst vor ihm.“ Mara versuchte Aiden zu verteidigen. Sie war nach wie vor verliebt in ihn, auch wenn sie nicht abstreiten konnte, dass er sich in letzter Zeit veränderte. „Sierra, bitte sei nicht so unfair. Es gibt bestimmt eine logische Erklärung dafür.“ Sierra mochte Aiden nicht besonders, das war offensichtlich. „Mach die Augen auf, Schwesterlein. Mit ihm stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Erst geht er mit dir aus und dann ignoriert er dich tagelang. Er führt Selbstgespräche und will ganz offensichtlich im Zentrum der Aufmerksamkeit sein.“ Nun war Mara irritiert. „Wie kommst du denn bitte darauf?“ „Bist du da noch nicht selbst drauf gekommen? Er wird ständig in irgendwelche „Unfälle“ verwickelt und bleibt immer auf wundersame Weise unverletzt. So viel Glück im Unglück kann man doch gar nicht haben. Das sind niemals nur Zufälle. Aiden ist ganz eindeutig ein Hypochonder und gefährlich ist er obendrauf.“ „Mara, wir sind deine Freundinnen und wir wollen nur das beste für dich. Nicht das du dich da zu sehr in irgendetwas hineinsteigerst und was dummes tust. Es gibt jetzt schon Gerüchte, weil du mit Aiden zusammen bist. Das kann dir so viel kaputt machen. Bitte denk nochmal drüber nach.“ „Reel, ich...“ „NEIN! Vergiss es! Das steht nicht zur Diskussion! Du wirst dem Mädchen NICHTS sagen.“ Kaum war Mara verschwunden, hatte sich Reel vor ihm materialisiert. „Aber Reel. Ich glaube ich liebe sie wirklich und ich will sie nicht verlieren. Ich will wenigstens vor ihr keine Geheimnisse haben müssen.“ Die Augen des Dämons brannten vor unterdrückter Wut. Er wollte nicht riskieren gesehen oder gehört zu werden, aber zeitgleich wollte er am liebsten explodieren. Es war ihm völlig unverständlich, dass Aiden ihr Geheimnis so einfach preisgeben wollte. Und all das nur wegen irgendeines Mädchens, mit dem er grade mal seit ein paar Tagen zusammen war. „Ich sagte NEIN! Und dabei bleibt es!“ Wut und Verzweiflung mischten sich in Aidens Stimme als er antwortete. „Du verstehst das nicht! Wie solltest du auch? Für dich sind ja alle Menschen nur Spielzeuge. Dir war doch garantiert noch nie jemand wichtiger als du selbst.“ „PASS AUF WAS DU SAGST!“ Grob griff er dem Kleineren an die Kehle und drückte ihn gewaltsam gegen die Wand hinter ihm. Tränen stiegen Aiden in die Augen und er konnte kaum atmen, dennoch sah er Reel unverwandt in die Augen. Sein standhafter Blick veranlasste den Dämon dazu den kleinen Brünetten los zu lassen. „Ich will sie nicht verlieren“, flüsterte Aiden nun mit weicherer Stimme. Reel wich seinem Blick aus. „Sollte nicht eigentlich ich dich in den Wahnsinn treiben?“ Reel schüttelte seine Schwäche ab und sprach kalt weiter. „Mach was du willst. Aber wenn mir nicht gefällt wohin das führt, dann töte ich dich. Oder das Mädchen. Oder wen auch immer ich grade will.“ Ohne auf eine Antwort von Aiden zu warten, zog er sich in dessen Körper zurück. Nach dem Unterricht trafen sich Aiden und Mara auf dem Schuldach. Der begehbare Teil war nur klein und dem leichten Nieselregen war es zu verdanken, dass sie heute völlig allein hier oben waren. „Hast du dich entschieden, Aiden?“ Mara wirkte weniger zuversichtlich als noch in er Mittagspause. „Mara ich... ich kann nicht. Ich liebe dich und ich bitte dich mir zu vertrauen. Ich weiß, dass das viel verlangt ist.“ „Aiden, ich will bei dir bleiben und ich bin mir sicher, dass das alles nur ein Missverständnis ist, aber du musst mit mir reden. Ich kann keine Beziehung führen, die auf Geheimnissen aufgebaut ist. Ich will doch nur, dass du ehrlich zu mir bist.“ Aiden konnte Reel deutlich in seinem Unterbewusstsein spüren und schwieg daher. „Aha. Ich bedeute dir also nicht wirklich etwas. Du trägst ja nicht mal das Armband, dass ich dir geschenkt habe. Und das, obwohl es dir doch angeblich gefällt.“ „Das kann ich erklären.“ Schnell zog Aiden das Band aus seiner Hosentasche. „Ich hab heute Morgen verschlafen und hab es so schnell nicht um bekommen. Das ist nicht so einfach mit nur einer Hand“, log er sie an. Mara schien positiv überrascht, dass Aiden ihr Band die ganze Zeit bei sich trug. „Oh. Dann lass mich dir helfen.“ Bevor Aiden reagieren konnte nahm Mara ihm das Band aus der Hand und begann es ihm ums Handgelenk zu legen. „Warte! Ich...“ Doch es war schon zu spät. Ein brennender Schmerz breitete sich in seinem Arm aus. Aiden stieß Mara von sich und befreite sich von dem Armband, doch es hatte bereits genügend Schaden angerichtet. Unter Schmerzen löste sich Reel von seinem Körper. Der Schatten des Dämons flackerte aggressiv und Aiden konnte unbändigen Hass von ihm ausgehen spüren. Maras Augen weiteten sich in Unglaube und Angst. „Reel. Reel, beruhige dich, bitte.“ Doch er ignorierte ihn. Langsam aber stetig schritt er auf das blonde Mädchen zu. Aiden konnte ihn nicht kontrollieren. Er hatte keinerlei Macht über ihn, aber er konnte auch nicht zulassen, dass Reel Mara tötete. Einem Impuls folgend lief er zur Dachkante. Seine – oder viel mehr Maras – letzte Chance war es, auf Reels Beschützerinstinkt zu vertrauen. Oder eben darauf, dass Reel verschwinden würde, sobald Aiden starb. „Reel! Lass sie in Ruhe oder ich springe.“ Der Angesprochene drehte sich zu ihm um und so konnte er endlich einen Blick auf dessen Gesicht erhaschen. Purer Hass spiegelte sich darauf wieder und zum ersten mal seit langem, hatte Aiden wieder Angst vor seinem Dämon. „DU wagst es MICH zu erpressen?“ Reel wandte sich wieder Mara zu. „Reel! Ich bluffe nicht. Ich springe wirklich.“ Mara war vor Angst erstarrt und Reel stand nur noch wenige Schritte von dem Mädchen entfernt. „REEL!“ Sein Dämon drehte sich zu ihm und in diesem Moment nahm Aiden allen Mut zusammen, den er aufbringen konnte, schloss die Augen und sprang. „NEIN!“ Aiden schloss instinktiv die Augen und als er sie wieder öffnete, befand er sich wieder auf dem Dach und in Reels Armen. Er sah zu ihm hoch und blickte in zwei wutentbrannte, dämonische Augen, die ihn kalt anfunkelten. Ohne ein weiteres Wort stellte Reel ihn auf dem Dach ab und ging schnellen Schrittes wieder auf Mara zu. „MARA! LAUF!“ Endlich löste sich ihre Starre, sie drehte auf dem Absatz und rannte um ihr Leben. Aiden erkaufte ihr Zeit und sprang noch drei weitere Male vom Schuldach, um es Reel unmöglich zu machen ihr zu folgen. Immer wieder fing er ihn auf, bis er ihn nach dem vierten Mal gar nicht mehr los ließ, sondern grob in seinen Armen festhielt. Mit brennendem Blick sah der Dämon ihn an. „DU BIST EINFACH...“ Reel rang nach Worten. Aidens angsterfüllte Augen ließen seinen Zorn zum größten Teil verrauchen und er ließ ihn wieder los. „Du bist einfach unglaublich“, schloss er mit leiserer Stimme und sein Schatten begann sich zunehmend ruhiger zu bewegen. Sanfter als Aiden erwartet hatte, griff ihm Reel unters Kinn und sah ihn an. „Ich verstehe dich einfach nicht. Warum bist du so?“ Die Frage galt weniger Aiden als viel mehr ihm selbst. „Hoffen wir, dass die kleine Hexe ihre Klappe hält und nicht auf dumme Gedanken kommt.“ Mit einem leisen Seufzer ging er wieder in Aidens Körper über. Aiden sammelte das Armband und seine Gedanken und ging dann wieder nach unten. Zurück in seinem Zimmer löste sich sein Dämon abermals von ihm. „Was sollte das, Reel? Du hättest Mara umgebracht? Einfach so? Warum wolltest du sie unbedingt töten?“ Aiden war wütend, doch Reel stand ihm dahingehend in nichts nach. „Was bildest du dir eigentlich ein? Ich bin ein Dämon! Natürlich mache ich was ich will und töte wen ich will. Und du wagst es, MICH erpressen zu wollen!“ „Du kannst das vielleicht nicht nachvollziehen, aber stell dir vor: Mir ist Mara wichtig. Und dank dir sterbe ich ja eh bald, da kann ich wenigstens noch Maras Leben retten. Ich werde nicht zulassen, dass du ihr etwas antust. Dir ist dieses Gefühl vermutlich völlig fremd, aber ich liebe sie!“ Aiden war bereits drauf gefasst von Reel für diese Worte bedroht und verletzt zu werden, doch mit dem was jetzt passierte rechnete er nicht. Reel schwieg. Aiden sah ihm an, dass er ihn überraschender Weise getroffen hatte. Ohne ein weiteres Wort griff der Dämon nach Aidens Arm und verschwand. Aiden blieb allein zurück. Unschlüssig ließ er sich aufs Bett sinken und betrachtete das Band mit den Schutzsiegeln. Er hatte Reel schon einige male wütend gesehen, aber so hasserfüllt, wie er Mara angesehen hatte, hatte er ihn noch nie erlebt. Es war nicht nur das Schutzband oder der Schmerz. Da war mehr, aber Reel wollte nicht mit ihm sprechen. Grade als er dem Dämon endlich etwas näher kam, musste so etwas passieren und er spürte wieder die Mauern zwischen ihnen. „Ich glaubte, sie sei eine Hexe. Vielleicht sogar die Hexe, die dich mit mir verflucht hat.“ Zum allerersten mal war es Reel, der das Schweigen zwischen ihnen nicht mehr ertrug. „Ich bin kein großer Fan von Magiern.“ Aiden war überrascht. Schnell setzte er sich auf und sah zu seinem Dämon. Dieser hatte sich neben dem Bett materialisiert und saß nun auf dem Boden mit dem Rücken gegen das Bett gelehnt. Reel sah ihn nicht an, aber er konnte deutlich spüren, dass dem Dämon sein Kontrollverlust leid tat. „Du meinst Mara könnte meinen Tod wollen?“, fragte Aiden ungläubig. „Nicht unbedingt. Ich war mir sehr sicher, als sie dir so engagiert das Schutzband anlegte, aber ihre Reaktion auf mich war unpassend. Ich denke nicht, dass sie diejenige ist, die dich verflucht hat. Aber es ist immer noch möglich, dass sie genau weiß, was es mit diesem Band auf sich hat.“ „Was genau hast du denn gegen Magier? Es muss ja was Ernstes sein, so wütend wie du warst. Oder soll ich lieber nicht fragen?“ Reel seufzte schwer. „Nein. Schon okay. Es war ein Hexer, der mir das hier angetan hat. Mit einem Magier hat es angefangen und das werde ich niemals verzeihen.“ Aiden rutschte vom Bett runter und setzte sich neben Reel. Flüchtig sah dieser zu ihm hinüber und fuhr dann mit seiner Erklärung fort. „Oft sind es Magier, die mit mir verflucht werden. Die meisten Rachedämonen sind nicht mächtig genug um mit einen Magier fertig zu werden – ich schon. Flüche sind extrem beliebt, wenn es darum geht einen anderen Magier zu töten, weil es unmöglich ist nachzuvollziehen wer den Fluch ausgesprochen hat. So brauchen sie sich selbst nicht die Hände schmutzig zu machen, sondern können die Drecksarbeit auf mich abwälzen.“ Reel zwang sich dazu ruhig und emotionslos zu klingen, doch Aiden ließ sich nicht von ihm täuschen. Er spürte Reels Schmerz. „Ich habe überstürzt reagiert und die Kontrolle verloren – schon wieder. Tut mir leid, Aiden.“ Aiden wusste nicht, was er sagen sollte. Zögerlich griff er nach Reels feingliedriger Hand und hielt sie fest. Der Dämon wirkte überrascht, stieß ihn jedoch nicht weg. „Tut mir leid, dass ich dich angeschrien hab“, entschuldigte sich jetzt auch Aiden und ein bitteres Lachen klang aus Reels Kehle. „Du bist der erste unter meinen Opfern, der das gewagt und überlebt hat.“ Vorsichtig drückte er dessen Hand. „Aber lass das nicht zur Gewohnheit werden. Sonst treib ich dir das ganz schnell wieder aus.“ Aiden musste ungewollt Schmunzeln. Eigentlich hätte er sauer sein sollen, aber mal wieder war ihm das unmöglich. Sein Dämon wirkte so zerbrechlich, wie er dort saß und Aiden konnte ihm einfach nicht böse sein, wenn er sich ihm öffnete. Also schluckte er seinen Zorn erneut runter. „Du meintest 'ein Hexer hat dir das angetan'. Heißt das, du warst mal ein Mensch?“ Reel seufzte schwer. Vorsichtig lehnte er seinen Kopf gegen Aidens. „Bitte frag nicht, Sunshine.“ „Okay.“ Nach einem kurzen Moment des Zögerns tat Aiden es Reel gleich und lehnte sich bei ihm an. Er war froh, dass der Zwischenfall auf dem Dach ihn doch nicht seine Verbindung zu Reel gekostet hatte. Allerdings fürchtete er um seine Beziehung zu Mara, aber darüber wollte er jetzt gar nicht nachdenken. Er verschob jeden Gedanken an Mara und die Folgen des Zwischenfalls auf morgen. Ihr würde eh niemand glauben, wenn sie jemandem von Reel erzählte. Und jetzt grade wollte er sich einfach nur an seinen Dämon lehnen und an gar nichts denken. Eine ganze Weile saßen sie zusammen auf dem Zimmerboden, hielten die Hand des anderen und lehnten sich aneinander. Doch irgendwann wurde der Boden einfach zu unbequem und Aiden musste sich ungelenk hoch stemmen. Eigentlich wollte er sein Zimmer heute am liebsten gar nicht mehr verlasse, aber er wollte auch Frau Eden nicht schon am zweiten Tag hängen lassen. Und so verbrachte er die letzten Stunden bis zur Bettruhe mit seiner Strafarbeit in der Bibliothek. Dieses mal gestaltete sie sich allerdings weitaus angenehmer als am Vortag. Sie verlief ohne brechende Leitern und Aiden konnte sich die Zeit damit vertreiben mit Reel zu sprechen. Er selbst konnte nur flüstern, aber dennoch genoss Aiden es sehr, sich ungezwungen mit seinem Dämon unterhalten zu können. Reel erzähle ihm Geschichten von seinen vergangenen Opfern und Aiden erzählte – oder flüsterte – von seiner Familie, der Schule und seinen Hobbys. Die Gespräche waren eher leichter und oberflächlicher Natur, doch Aiden hatte das Gefühl, dass sie ihre Verbindung festigten und es lenkte ihn von der langweiligen Arbeit ab. Bisher schienen auch noch keine neuen Gerüchte die Runde gemacht zu haben. Zumindest nicht, dass Aiden es mitbekommen hätte. Wieder in seinem Zimmer holte er sofort seine Schlafsachen und verschwand damit im Bad um sich eine lange heiße Dusche zu gönnen. Reel machte es sich wieder auf Aidens Bett gemütlich und begann zu zeichnen. Doch irgendetwas schien ihn abzulenken. Reel konnte sich nicht richtig konzentrieren und machte ständig Fehler. Entnervt legte er den Stift zur Seite und betrachtete seine alten Zeichnungen. Langsam schweifte sein Geist ab. Aus dem Bad konnte er das Prasseln der Dusche hören und für einen kurzen Moment war er versucht zum Ursprung des Geräusches zu gehen. Doch er verwarf den Gedanken sofort wieder. Wie kam er überhaupt darauf? Was bei Valefar wollte er denn da drinnen? Mit einem Kopfschütteln wandte er sich wieder seinem Zeichenbuch zu. Aiden verließ das Bad in einem zu großen weißen T-Shirt und einer karierten Boxershort. Und aus unerfindlichen Gründen zog dieser Anblick Reels rote Augen nahezu magisch an. Aiden schien davon nichts zu bemerken und sortierte ordentlich seine Kleidung weg. Anschließend schnappte er sich seine PS Vita und kuschelte sich neben Reel ins Bett. Dieser klappte schnell sein Sketchbook zu und tauschte es gegen seinen Roman. Nach einigen Minuten ließ er jedoch auch diesen auf die Bettdecke sinken und lehnte sich stattdessen an Aiden um ihm beim Spielen zuzusehen. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er Nähe vermisste – körperliche und platonische. Alles an Aiden wirkte beruhigend auf ihn. Sein Geruch, der Klang seiner Stimme, sein Herzschlag, seine Wärme – einfach alles. „Du bist heute ja richtig anhänglich“, witzelte Aiden mit sanfter Stimme. „Pass auf was du sagst, Sunshine.“ Reel schmiegte sich an Aidens braune Haare und beobachtete weiter die Figuren auf dem Konsolen-Bildschirm. Die plötzliche Zutraulichkeit seines Dämons irritierte Aiden, aber sie störte ihn nicht wirklich. Ihre Beziehung war schließlich von Anfang an recht speziell gewesen und Aiden versuchte dem nicht all zu viel Bedeutung beizumessen. Am nächsten Morgen galt Aidens erster Gedanke Mara. Er wollte schnellstmöglich mit ihr sprechen und ihr endlich alles erklären. Hastig schrieb er ihr eine WhatsApp Nachricht mit der Bitte sich zu treffen. Reel hatte die Nacht erneut lesend auf Aidens Bett verbracht und beobachtete die Szene skeptisch. Beim Essen und im Unterricht wich Mara Aiden aus. Sie wirkte ängstlich und nervös, schien jedoch noch nicht mit jemandem über das Gesehene gesprochen zu haben, wie Aiden beruhigt feststellte, denn niemand von den Anderen teilte Maras Nervosität. Auf seine Nachricht antwortete sie nicht und so fand Aiden sich nach dem Unterricht in seinem Zimmer wieder. Ungeduldig starrte er sein Handy auf dem Nachtschrank an, während er auf dem Bett saß. Reel hatte es sich wieder auf dem Schreibtisch bequem gemacht und war in einem Buch versunken. Aidens Blick schweifte von seinem Handy auf das daneben liegende Objekt. Ohne weiter darüber nachzudenken stand er auf, griff nach dem Sketchbook und schlug die erste Seite auf. Reel zeichnete atemberaubend schön. Die Gestalt, die die Zeichnung abbildete, hatte sehr langes, glattes Haar, welches ihr sanft über den Rücken fiel. Auf der nächsten Seite war die gleiche Person – dieses mal an einem Tisch sitzend – zu sehen und auf der dritten Seite blickte ihm ein Portrait der mysteriösen Figur aus hellen Augen entgegen. Ihre Gesichtszüge waren weich und sie wirkte sehr zerbrechlich. Schnell blätterte Aiden durch die übrigen Seiten und stellte fest, dass Reel die langhaarige Gestalt auf jeder einzelnen verewigt hatte. Sie war sein einziges Motiv und auf unerklärliche Weise versetzte diese Erkenntnis Aiden einen leichten Stich. „Wer ist das?“, fragte er betont beiläufig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)