Im Fluss der Zeit von Isa-tama ================================================================================ Kapitel 1: Sorgen ----------------- Nervös klammerte ich meine zitternden Hände um das Klemmbrett. Aufmerksam schaute ich dabei zu, wie der Fels von den Goronen bearbeitet wurde. Es war das letzte Hindernis, bevor die Ausgrabungen endlich beginnen konnten. Oder vielmehr bevor sie hoffentlich beginnen konnten. Wirklich, hier musste einfach etwas sein. Die Forschung, die ich in den letzten Jahren betrieben hatte… in dieser Gegend gab es etwas. Einen alten Tempel oder einen Schrein… was genau war unsicher. Es war nur klar, dass sich in dieser Gegend eine Art antiker heiliger Stätte verbarg. Es musste einfach so sein.   „Verdammt, diese Warterei macht mich ganz wahnsinnig.“ Neben mir meldete sich mein Assistent. Manori, ein Hylianer, der vor kurzem an der Universität zu Hyrule-Stadt in seinem Studienfach Archäologie seine Promotion begonnen hatte. Er hatte sich freiwillig dazu bereit erklärt, an meiner Forschung teilzunehmen. Mein Vortrag an der Universität über mein Vorhaben muss ihn begeistert haben, denn er wollte das Thema seiner Dissertation dieser Unternehmung widmen. In jedem Fall war ich dankbar für jede Hilfe, die ich kriegen konnte. Abgesehen von Manori waren nicht viele von meinem Vorhaben angetan. Die Gelder waren zu diesen Zeiten knapp und leider liefen frühere Ausgrabungen meinerseits eher ins Leere. Wenn sich dies erneut als Fehlschlag entpuppen sollte… „Wem sagst du das?“, fragte ich verzweifelt. Nur mit Mühe und Not konnte ich das Zittern meiner Stimme unter Kontrolle kriegen. „Kaffee?“, fragte er und hielt mir eine Tasse des dampfenden Getränks vor die Nase. Dankend nahm ich es entgegen. „Genau das brauche ich jetzt.“ Schweigend tranken wir beide unser heißes Gebräu und beobachteten die Goronen weiterhin bei ihrer Arbeit.   „Ich habe vorhin mit dem Teamleiter des Felsenteams gesprochen“, sagte Manori schließlich und brach damit erneut das Eis. „Der Fels stelle sich als ungewöhnlich zäh heraus, noch dazu sei er ungenießbar. Er kann uns nicht sagen, wie lange das hier noch dauern wird.“ „Das ist ein gutes Zeichen“, sagte ich. „Ich habe noch kein Ergebnis von der Probe erhalten, die ich Zeria zur Untersuchung gegeben habe, aber wenn unsere Vermutungen korrekt sind…“ „…handelt es sich bei dem Felsen um eine Shiekah-Konstruktion.“ Ich nickte und trank einen Schluck. „Von denen gibt es nicht viele. Gewöhnlich anmutendes Geröll aus nahezu unzerstörbarem Material, dazu gedacht jenes so unscheinbar wie möglich zu verstecken, was die Shiekah vor Jahrtausenden zu verbergen suchten.“ „Was dann wiederum bedeuten würde, dass hier auf jeden Fall irgendwas zu finden ist.“ „Genau.“ Ich versuchte überzeugt zu klingen, aber so wirklich gelang es mir nicht. Gewissheit würde ich erst erhalten, wenn die Ergebnisse von Zeria kamen. Mein Team war klein und sie war nun einmal die einzige Expertin auf dem Gebiet der Naturwissenschaften, die ich in meinem riskanten Vorhaben auftreiben konnte. Dabei war sie noch nicht einmal im Fachgebiet der Archäometrie geschult, sondern Biowissenschaftlerin! Sie war fähig, ohne Frage, aber dennoch verkomplizierte es die Sache, da sie mit den Methoden in der Archäologie nicht vertraut war. Noch dazu arbeitete sie ganz alleine…   Trotz all meiner Mühe musste Manori wohl meine Angespanntheit durchschaut haben, denn er sagte: „Thefa, das wird schon. Ich habe mir deine Forschungen schon mehrmals zu Gemüte geführt. Ich bin mindestens so überzeugt wie du, dass dieser Standort etwas verbirgt. Und wenn schon, wenn dieser Fels nichts Besonderes begräbt? Wir befinden uns auf bergigem Gebiet! Hier kann überall etwas verschüttet worden sein.“ Dankbar lächelte ich ihm zu. Was würde ich nur ohne seinen unentwegten Optimismus anstellen? Trotzdem blieb meine Nervosität. „Ich weiß deine Bemühungen, mich aufmuntern zu wollen, zu schätzen, Manori, wirklich. Aber wenn ich ehrlich sein soll, kann ich es mir nicht leisten irgendwas zu finden. Es MUSS einfach was Großes sein! Etwas, das unser historisches Verständnis von Grund auf erweitert, vielleicht sogar verändert. Sonst werde ich für meine Forschungen keine Unterstützung mehr erhalten, jedenfalls nicht mehr vom Staat. Und mit privaten Spenden komme ich kaum über die Runden, ein ganzes Team kann ich so schon gar nicht finanzieren. Zumal ich nicht wüsste, wie ich an solche Spenden kommen könnte. Und wenn diese Ausgrabung sich wieder als Fehlschlag erweist, was dann? Was soll ich dann machen? Ich kann mir einfach nichts anderes für mich vorstellen. Und für dich wäre das ebenso fatal. Du hast so viel Zeit für deine Dissertation in diese Unternehmung gesteckt. Die könntest du dann auch nicht mehr ausgleichen.“ Er seufzte und sagte: „Es kann nicht jede Ausgrabung irgendein bahnbrechendes Ergebnis mit sich bringen. Die meisten enden mit dem Fund von Kleinigkeiten, wenn überhaupt.“ „Das ist mir ja bewusst“, sagte ich und es fiel mir zunehmend schwerer die Verzweiflung zu verbergen. „Aber erzähl das bitte nicht mir, sondern dem Königshaus. Archäologie hatte es schon immer schwer, der Staat hat nie wirkliches Verständnis dafür gehabt… und ich kann verstehen, dass sie Sicherheit haben wollen, wenn sie sich dazu entscheiden, in etwas hinein zu investieren. Und Archäologie bietet diese Sicherheit einfach nicht. Außerdem liegen die Prioritäten des Staats momentan einfach wo anders.“   Es war klar, dass Manori etwas erwidern wollte, aber bevor er dazu kam wurden wir von Sivila unterbrochen. Ich hatte die Gerudo als Leiterin einer kleinen Gruppe zugeteilt, um eine auffällige Stelle in der Umgebung zu begutachten. Vermutlich hatte sie Neuigkeiten für mich. „Ich hoffe, ich störe nicht, aber wir haben da etwas, dass ihr euch ansehen solltet.“ Manori und ich warfen uns einen Blick zu. „Gut“, sagte ich, „bring uns hin.“     Kapitel 2: Entdeckung --------------------- Die Stelle befand sich auf erhöhtem Terrain, etwa 500 Meter von der eigentlichen Grabungsstätte entfernt. Unterwegs begann Sivila mit ihren Ausführungen: „Es hat ziemlich lange gedauert, bis wir auf etwas gestoßen sind. Wir mussten wirklich jeden Zentimeter absuchen. Den Boden, die Bergwände, einfach alles. Wir wollten schon aufgeben, aber dann ist jemandem eine bröcklige Stelle im Berg aufgefallen. Als er begonnen hat sie auszuheben, stellte sich heraus, dass irgendwann einmal eine Vertiefung in diese Stelle hineingehauen worden sein muss. Jedenfalls ist sie nicht unter natürlichen Umständen entstanden, dafür ist sie viel zu sauber bearbeitet. Ihr werdet gleich sehen, was ich meine.“   Der Platz war eine kleine, geebnete Fläche auf dem Berghang. Ein kleiner Teich plätscherte vor sich hin, der Wind ließ die Blätter des einsamen Baumes rascheln. Sobald wir angekommen waren, kam auch schon Lakus auf uns zu. Er war ein junger Orni, der noch in niedrigem Semester studierte und für sein Feldphasenpraktikum an meiner Ausgrabung teilnahm. Ich bemerkte sofort, wie aufgeregt er war, auch wenn er sich größte Mühe gab es zu verbergen. Er wollte wohl professionell wirken. Es war auf jeden Fall irgendwie niedlich. Es erinnerte mich ein wenig an mich selbst, als ich gerade mein Studium begonnen hatte. Sivila sagte: „Lakus war derjenige, der die Vertiefung entdeckt hat. Hat sich denn etwas ergeben?“ Er sagte: „J-ja, denke ich. Also, ich habe das gesamte Geröll entfernt und das sieht für mich jetzt wie eine Nische aus. Darin ist eine runde Vertiefung, ich denke mal das bedeutet, dass da mal etwas gestanden haben muss. Und an der hinteren Wand ist ein Symbol, das ist aber schon ziemlich verblasst. Ich konnte es kaum erkennen, habe es mir aber auch noch nicht genau ansehen können.“   Mein Herz machte einen Luftsprung. Das waren verdammt gute Neuigkeiten! Manori grinste mich von der Seite an. Er sagte: „Ich habe doch gesagt, dass du dir keine Sorgen machen musst.“ Ich lächelte zurück und richtete meine Aufmerksamkeit auf Lakus. Ich sagte: „Gute Arbeit. Führe mich bitte dort hin, ja?“ Der Orni nickte eifrig und ging voraus. Offensichtlich hatte mein Lob seine Wirkung auf ihn. Kein Wunder, sein erstes Mal in Aktion und er hatte schon etwas entdeckt. Das war immer ein tolles Gefühl.   „Hier ist es“, sagte Lakus und deutete auf die Stelle. Ich pflichtete ihm bei, es war definitiv eine Nische. Ich drückte Manori meine Kaffeetasse in die Hand, dann näherte ich mich. Ich ließ meine zitternden Hände die Wände entlang laufen. „Sivila, du hast Recht“, sagte ich. „Das ist eindeutig handgemacht. Die Wände hier scheinen feingeschliffen zu sein. Außerdem ist die Nische als perfekter Quader konstruiert, mal abgesehen von den vorderen Unebenheiten wegen dem Bergabhang. Und diese Vertiefung hier…“ Ich ließ meine Finger die kreisförmige Senke entlang gleiten. „Lakus, was denkst du darüber?“ Verdutzt starrte er mich an: „Äh, ich?“ „Natürlich“, sagte ich und lächelte ihm zuversichtlich zu. „Du hast die Entdeckung gemacht, also will ich auch deine Meinung hören.“ „Na gut, ähm.“ Zögerlich kam er näher. Ich ließ ihm etwas Platz, damit er es sich genauer ansehen konnte. „Ich denke, das ist der Platz für einen Opferkelch. Die Shiekah haben ja in ihren Kultstätten oft Opferkelche aufgestellt, auch in Nischen und so. Die Vertiefung dient dazu, den Platz dem Gegenstand fest zuzuweisen.“ Ich nickte. „Sehr gut. Da wir sowieso davon ausgehen, dass sich hier eine Sakralstätte befindet, ist die Annahme eines Opferkelches die naheliegendste. Stellt sich nur die Frage, warum der Kelch nicht an seinem Platz ist. Wenn die Stätte einfach vergessen worden und die Nische von dem Berggeröll zugeschüttet worden wäre, müsste der Kelch noch an Ort und Stelle sein.“ Manori klinkte sich ein und sagte: „Aus irgendeinem Grund ist der Kelch also entwendet worden. Vielleicht Räuber. Oder die Stätte wurde aufgegeben und der Kelch kam an anderer Stelle zum Einsatz.“ Ich sagte: „Welchen Grund es auch hat, es ist in jedem Fall schade.“   Schnell markierte ich die Fundstelle auf der Karte, die an mein Klemmbrett geheftet war, und zog im Anschluss meinen Shiekah-Stein hervor, um ein Foto zu machen. Anschließend sorgte ich mit dem Gerät für etwas Licht, um mir das Symbol an der hinteren Nischenwand, von dem Lakus zuvor gesprochen hatte, genauer anzusehen. Es war tatsächlich bereits verblasst, dass es einmal farblich hervorgehoben war ließ sich bloß noch an wenigen weißen Farbresten erkennen. Doch die Umrisse waren in das Gestein eingeritzt, sodass man zumindest die grobe Form erahnen konnte. Die äußere Form des Zeichens wies eindeutig auf jenes der Göttin Nayru hin, doch in der gegebenen Gesamterscheinung war es höchst selten anzutreffen. Im Zentrum befand sich eine Sanduhr. Ich schnappte nach Luft. Vielleicht war das hier wirklich eine große Entdeckung. Manori bemerkte meine Reaktion. Er fragte: „Was ist? Was ist mit dem Symbol?“ „Ich weiß nicht, ob ich das glauben kann. Schau es dir selbst an.“   Er warf einen Blick darauf und seine Reaktion war ähnlich. „Die Göttin der Zeit?“, fragte er ungläubig. „Wie bitte?“, fragte Sivila und betrachtete es ebenfalls. „Bei den Göttinnen!“, rief sie aus. „Das ist eine Sensation!“ Lakus schien ein wenig verloren. Er fragte: „Göttin der Zeit? Was ist damit?“ Ich antwortete: „Die Göttin der Zeit ist im Grunde bloß eine der Erscheinungsformen von Nayru. Nayru verkörpert, wie du vielleicht weißt, vielerlei. Vor allem Weisheit, Vernunft, aber eben auch Wasser. Gerade bei den Zoras wird sie dafür besonders verehrt. Aus dem Wasserattribut hat sich bald die Zugehörigkeit zur Zeit entwickelt, da diese sich wie Wasser im stetigen Fluss befindet.“ „Ja, das wusste ich“, sagte Lakus. „Aber warum ist das dann so eine Entdeckung?“ „Nun, auch wenn Nayru als Herrin der Zeit gilt, ist es höchst selten, dass sie bloß in ihrer Funktion als Göttin der Zeit verehrt wird. In dieser Erscheinungsform wird sie auch Nayru Temporis genannt.“ Manori meldete sich zu Wort und sagte: „Du musst verstehen, in ganz Hyrule ist derzeit nur eine Stätte bekannt, die gänzlich der Nayru Temporis gewidmet ist. Das hier ist wahrlich eine Entdeckung und vielleicht der Beweis dafür, dass der Kult um sie weitrechender ist, als ursprünglich angenommen!“ „Achso“, sagte Lakus begeistert. „Wie krass!“   Wir lachten ein wenig. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Dann wandte ich mich Sivila zu und sagte: „Ich möchte, dass du mit genaueren Analysen beginnst. Ich brauche Fotos, Zeichnungen und ein genaues Protokoll über den Befund und die Arbeit, die hier vorher stattgefunden hat.“ Sie nickte und sagte: „Kein Problem, mache ich sofort. Ich hoffe, ich kann weiterhin auf deine Unterstützung zählen, Lakus?“ Wenn Orni erröten könnten, würde er das nun vermutlich. Sichtlich verlegen sagte er: „K-klar, natürlich!“   Manori drückte mir meine Kaffeetasse wieder in die Hand. „Willst du diese Untersuchungen nicht selbst machen? Ich sehe doch, dass es dir in den Fingern juckt.“ „Das mag schon sein“, sagte ich sehnsüchtig und trank einen Schluck. Mittlerweile war das Getränk leider schon ordentlich abgekühlt, aber es war auch nicht mehr viel vorhanden. Den Rest würde ich noch trinken können. Ich sagte: „Aber ich muss wieder zurück zum restlichen Team und die Lage begutachten. Und ich will mich bei Zeria über den Stand ihrer Ergebnisse informieren. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass die Probe auf das hinausläuft, was wir bereits vermutet haben. Außerdem muss ich bald mit meinem Bericht für den heutigen Tag beginnen.“ „Nun, immerhin hast du jetzt etwas Aufregendes für den Bericht.“   Auf dem Weg zurück diskutierten wir, was uns spontan zu dem Befund einfiel. Manori fragte: „Was denkst du, wer das hier errichtet haben könnte? Wahrscheinlich Shiekah, vermute ich.“ Ich nickte und sagte: „Mit Sicherheit. Wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe, gab es einen Stamm der Shiekah, der sich neben der Verehrung zu Hylia gänzlich der Nayru Temporis gewidmet hat. Von diesem stammt ja auch die andere Stätte.“ „Wir werden es sicher wissen, wenn der Fels sich als Shiekah-Konstruktion herausstellt. Ich bin gespannt, ob Zeria schon etwas entdeckt hat.“ „Und ich erst.“ Ich konnte meine Aufregung nicht länger verbergen. „Manori, ich glaube es fast gar nicht. Die Nayru Temporis! Das ist so gut wie unerforschtes Gebiet, wir können hier so viel herausholen. Wenn wir Glück haben, befindet sich hinter dem Felsen ein ganzer Tempel mitten im Berg. Mit dem Fund könnten wir ganze Bücher füllen! Ich fasse es nicht!“ Manori lachte. „Ich sage ja immer, etwas Optimismus macht sich hin und wieder bezahlt. Ich frage mich nur…“ „Was?“, hakte ich nach, als er eine kurze Sprechpause eingelegt hatte und nicht weitersprach. „Na, es ist doch seltsam. Mit diesen Felsen wurden bisher fast nur fehlgeschlagene Konstruktionen der antiken Shiekah-Völker versteckt, die damals hätten gefährlich werden können. Meistens waren es fehlerhafte Wächtermodelle oder Waffen oder sowas. Aber weshalb sollte man ein Heiligtum der Nayru Temporis verstecken? Heiligtümer werden aufgegeben, das stimmt, aber gleich vollkommen versteckt? Mit voller Absicht? Was könnte dahinter stecken?“ „Wir wissen ja noch gar nicht, ob es wirklich ein Shiekah-Fels ist. Es könnte auch einfach nur Geröll sein, das vom Berg gerutscht ist.“ „Das mag sein. Aber die Nische im Berg wurde auch verschüttet. Und der Opferkelch ist weg. Das sind einige Zufälle. Wenn unsere Theorie stimmt frage ich mich einfach, was die Shiekah so unbedingt vor der Welt verstecken wollten? Und was hat das mit der Nayru Temporis zu tun?“ „Wir stehen noch ganz am Anfang“, sagte ich. „Spekulationen hin oder her, ob hier wirklich etwas Gefährliches verborgen liegt wissen wir erst, wenn wir den Felsen endlich losgeworden sind.“ „Ja, du hast Recht.“ Aber ich konnte keinesfalls leugnen, dass mir seine Bedenken keine Sorgen machten.   Kapitel 3: Neuigkeit -------------------- Am nächsten Morgen trat ich mit einem herzhaften Gähnen aus dem Zelt heraus. Der dicke Mantel reichte nicht ganz, um mich vor der morgendlichen Kälte zu schützen. Es war feucht, die Gegend von dichtem Nebel bedeckt. In der Ferne hörte ich das Klirren metallischer Gegenstände, die auf Stein geschlagen wurden, sonst war es angenehm still. „Die sind ja schon früh bei der Arbeit“, murmelte ich und beschloss, mir das einmal genauer anzusehen. Die Goronenarbeiter machten ihrem Ruf alle Ehre. Stets mit vollem Einsatz bei der Arbeit, von den frühen Morgenstunden bis spät in die Nacht hinein. Aber der ganze gestrige Arbeitstag und auch Tage davor hatten sie kaum vorangebracht, lohnte es sich also für sie weiterhin so zu verfahren? „Guten Morgen, Dakehro“, sagte ich, um den Anführer der Truppe auf mich aufmerksam zu machen. Er war größer und älter als der Rest, hatte aber mindestens so viel Temperament. Er drehte sich um und sagte: „Ah, Thefa. Guten Morgen! Ich hoffe, du hattest eine angenehme Nacht!“ „So angenehm es in einem Zelt eben sein kann. Wie ich sehe, seid ihr bereits fleißig?“ Dakehro betrachtete den Felsen und sagte: „Natürlich. Sobald das Zwitschern der Vögel uns geweckt hat, haben wir uns an die Arbeit gemacht. Auch, wenn wir gestern nicht viele Fortschritte gemacht haben, geben wir nicht auf. Kein Fels ist stärker als ein Gorone!“ Er lachte lautstark in Richtung Himmel. Ich pflichtete ihm mit einem verhaltenen Kichern bei. „Dakehro, hör mal“, sagte ich. „Ich denke, ihr habt euch eine kleine Auszeit verdient. Ihr verschwendet hier nur eure Zeit, bis wir nicht genau wissen, um welches Material es sich hier handelt.“ „Aber Thefa, also bitte. Diesen Felsen kriegen wir schon klein, du musst keine Rücksicht auf uns nehmen.“ „Ich sage dir nur, dass es am vernünftigsten wäre auf die Ergebnisse der Gesteinsprobe zu warten. Dann können wir bessere Methoden abwägen, um hier voranzukommen. Ich habe da so eine Vermutung und wenn ich richtig liege, könnt ihr hier so viel hämmern wie ihr wollt und seid in zehn Jahren noch nicht fertig.“ Dakehro wollte erneut widersprechen, zögerte allerdings. Dann sagte er: „Na schön, du bist der Chef. Aber was sollen meine Leute so lange machen? Lange Pausen stehen uns einfach nicht, weißt du? Wir brauchen eine Beschäftigung, die den Körper beansprucht, dafür leben wir, jawohl!“ „Ich habe mir schon etwas überlegt“, sagte ich und konnte nicht anders, als erneut zu kichern. „Ich bin unsere derzeitige Situation noch einmal durchgegangen und habe erkannt, dass uns Ausrüstung fehlt, die wir auf jeden Fall brauchen werden. Ich werde dir eine Liste mitgeben. Das kannst du alles in Hateno beim Institut beschaffen.“ „Hm. Zu Fuß ist Hateno etwa einen Tagesmarsch entfernt, wenn wir uns beeilen. Aber wir kriegen das auf jeden Fall in der Hälfte der Zeit hin, verlass dich auf uns!“ „Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann. Ach, und… es ist immer offensichtlicher, dass es sich hierbei um eine ziemlich spezielle Shiekah-Stätte handeln dürfte. Frag also bitte nach, ob das Institut einen Experten entbehren kann, der uns unterstützt. Derjenige würde natürlich entsprechend entlohnt werden.“   Nachdem Dakehro sich umgedreht hatte, um seine Mannschaft zu versammeln und ihnen den neuen Auftrag zu erläutern, trat Manori an meine Seite. „Kaffee gefällig?“, fragte er mich und hielt mir, exakt wie am Vortag, die Tasse vor das Gesicht. Ich seufzte erleichtert und nahm sie dankend an. „Du weißt immer genau, wann ich einen Kaffee brauche“, sagte ich. „Wie machst du das? Hexerei?“ „Ich teile einfach gerne meinen Genuss. Außerdem weiß ich als langjähriger Kaffeetrinker einfach, wie jemand aussieht, der gerade dringenden Bedarf hat.“ „Jahrelange Recherche und Forschung also, ich verstehe. Dann kann ich mich wohl auch in Zukunft auf deine Kompetenzen verlassen.“ Er grinste. „Ich stehe gerne zu Diensten.   Also, wie lief das Schreiben des Berichts?“, fragte er, nachdem wir uns ins Speisezelt zum Frühstücken zurückgezogen hatten. „Ach, weißt du“, sagte ich, während ich mit dem Löffel mein Müsli umrührte, „der Bericht ging schnell vorbei. Bis auf die Entdeckung der Nische ist gestern ja nicht viel Erwähnenswertes passiert. Aber ich habe nochmal ein wenig nachgeforscht und geschaut, was ich zur Nayru Temporis finden konnte. Leider war da nicht viel. Ich habe ja erwartet, dass wir hier etwas finden, das Nayru gewidmet ist. Wir sind in Ranelle, der Name steckt ja schon darin. Aber das ist so speziell, darauf bin ich nicht vorbereitet. Ich habe einfach nicht die richtigen Materialien dabei. Tja, und so ist die Zeit verflogen.“ „Nicht sonderlich viel Schlaf also, verstehe. Hast du wenigstens etwas gefunden?“ „Ja, schon. Eine Erwähnung am Rande. Die Shiekah, die der Nayru Temporis huldigten, hatten vor selbst die Fähigkeit zu erlangen, die Zeit zu manipulieren. Wer weiß, ob sie es geschafft haben, aber die übrigen Stämme waren strikt dagegen. Da sie ihre Versuchungen aber nicht unterbanden, wurden sie aus den Shiekah-Kreisen verbannt.“ Manori blieb still und biss etwas von seinem Brot ab. Sein Blick wurde so nachdenklich, dass ich mich fragte, ob ich irgendwas gesagt hatte, was ihn verletzte. „Jedenfalls“, fuhr ich fort, „weiß man nicht, was aus den Abtrünnigen letztlich geworden ist. Ich habe nach einem Experten für die Geschichte der Shiekah schicken lassen, mal schauen, ob dieser irgendwas weiß. Es würde schon reichen, wenn er Zugang zu Materialen hätte, die uns weiterbringen.“   Endlich sagte er: „Sollten wir es hier wirklich mit jenem Shiekah-Stamm zu tun haben, werden wir mehr erfahren, sobald dieser dämliche Fels endlich beseitigt wurde.“ Seine Worte wirkten angespannt, so als müsste er sich alle Mühe geben, um nicht loszuschreien. Ich wollte ihn fragen, ob ihn etwas belaste, doch in dem Moment gesellte sich Zeria zu uns. Die Biowissenschaftlerin, die im Moment damit beschäftigt war, unsere Probe des Felsens zu identifizieren. Sie sah schrecklich erschöpft aus, sprühte aber dennoch über vor lauter Aufregung.   „Also, ich war die ganze Nacht wach und habe diese Probe analysiert, die du mir gegeben hast, Thefa, und-“ „Verdammt, Zeria“, fiel ich ihr ins Wort. „Das kannst du nicht machen, ich brauche jeden einzelnen so ausgeruht wie möglich!“ „Ja, schon klar“, sagte sie. „Aber ich konnte nicht schlafen, hab mich noch nicht an die Schlafbedingungen hier draußen gewöhnt. Ich brauche immer ein bisschen, um mich an eine neue Umgebung zu gewöhnen, wisst ihr, und da kann es passieren, dass-“ Diesmal war es Manori, der ihr ins Wort fiel und sagte: „Du konntest nicht schlafen, schon verstanden. Also, was ist? Hast du ein Ergebnis?“ „Oh ja, hab ich.“ Ihre Augen funkelten ein wenig. „Ich bin zwar noch nicht alle Tests durchgegangen, aber ich kann bereits mit Sicherheit sagen, dass sich eure Vermutungen als wahr herausstellen. Die Bestandteile gleichen bisher haargenau den Vergleichswerten, die ich von dir habe, Thefa.“   „Also hatten wir Recht“, sagte Manori strahlend. Ich konnte das Strahlen nur imitieren. Die Information erschlug mich wie ein einen Berg herunterrollender Gorone. Ich konnte nicht fassen, auf was wir hier gestoßen waren. „Die Shiekah-Felsen“, sagte ich. „Dann benötigen wir antikes Werkzeug. Gut, dass ich das Goronen-Team bereits zur Besorgung losgeschickt habe. Wenn alles gut läuft, sollten sie spätestens Morgen Mittag wieder hier sein. Vielen Dank, Zeria“, sagte ich. „Und jetzt geh dich bitte ausruhen. Mach das nicht noch einmal, verstanden? Ich kann keine übermüdeten Mitarbeiter während der Arbeitszeit gebrauchen.“ „Schon verstanden“, sagte sie und gähnte.   Nachdem Zeria das Zelt verlassen hatte, erhob Manori das Wort und sagte: „Bis Morgen Mittag also, dann ist es soweit. Ich bin schon so gespannt.“ Ich grinste in mich hinein, mein Herz raste wie verrückt. „Und ich erst“, sagte ich. „Sobald wir den Fels beseitigt haben, müssen wir mit dem gesamten Team anstoßen. Wie wäre es mit Grill zum Mittag?“ „Du bist ja richtig in Feierlaune.“ „Dazu habe ich allen Grund!“ Manori lachte und sagte: „Du hast natürlich Recht, das ist wirklich ein Grund zum Feiern.  Wenn du willst, kannst du die Organisation mir überlassen. Ich weiß, wo man in der Gegend einen tollen Sekt herbekommt.“ „Das klingt verlockend, gerne. Vernachlässige aber bloß nicht deine Dissertation.“ „Glaub mir, ich arbeite jede freie Minute daran. Ein bisschen Abstand tut mir dann ohnehin ganz gut. Also, was machen wir, bis die Goronen zurück sind?“ „Ich würde vorschlagen, wir erkunden die Umgebung noch einmal genau. Vielleicht finden wir doch noch etwas außerhalb. Ich werde gleich, sobald alle fertig gefrühstückt haben, die Aufgaben für heute verteilen. Ich schätze, der Felsen wird dann in spätestens drei Tagen Geschichte sein. Mit den antiken Werkzeugen dürfte das ein Kinderspiel werden. Und bis dahin finde ich schon etwas Sinnvolles, womit ich alle auf Trab halten kann.“ Kapitel 4: Rede --------------- Leider fanden wir außerhalb gar nichts mehr. Die Nische und die Ergebnisse der Gesteinsprobe blieben die einzigen Hinweise darauf, dass hier etwas Besonderes sein musste. Nur war dies für uns im Moment einfach nicht in Reichweite. Es war demotivierend, aber da die Hoffnung des gesamten Teams auf den Felsen gerichtet war, blieb die Moral der Gruppe einigermaßen positiv. Als ich die Goronen dann schließlich in der Ferne erblickte, wie sie den Trampelpfad entlangstapften und hinter sich einen Wagen herzogen, der mit einer Plane überdeckt war, war ich nicht sicher, wie ich meine Gefühle einzuordnen hatte. War es Freude und Aufregung oder doch eher erdrückende Panik? Ich atmete einmal tief durch und kam ihnen gemächlich entgegen. Auf dem Weg lief ich an Sivila vorbei, die wohl ebenfalls vorhatte, die Goronen zu begrüßen. Mit einem breiten Lächeln sagte sie: „Der große Augenblick rückt immer näher.“ Ich lachte und sagte: „Nicht mehr lange und die Arbeit kann endlich richtig losgehen.“ „Ich bin bereiter als bereit für alles.“   Dakehro begrüßte uns mit erhobener Hand und sagte: „Thefa, Sivila, schön euch zu sehen.“ Ich sagte: „Wir freuen uns auch, Dakehro. Und ihr seid sogar früher da, als erwartet!“ Der Gorone grinste und klopfte mit Überzeugung auf seinen Bizeps. „Das war doch gar nichts! Meine Leute und ich geben immer 100% bei unseren Aufträgen, oh ja! Es ist schon fast eine Beleidigung, dass deine Erwartungen nicht höher waren!“ Sivila rollte belustigt mit den Augen und fragte: „Kann ich euch beim Entladen helfen? Ich habe gerade sowieso nichts zu tun.“ „Eine helfende Hand mehr schlage ich nicht aus!“, sagte Dakehro freudig. Die Goronen respektierten die Stärke der Gerudo, und mir ging es da ähnlich. Gerade Sivila war besonders gut gebaut, groß und muskulös. Kein Wunder, denn für die Ausgrabungen, die sie für gewöhnlich in der Wüste durchführte, musste man ein gewisses Maß an körperlicher Stärke aufbringen. Noch dazu war sie eine ausgebildete Kriegerin, die auch lange nach Erfüllung ihrer Dienstzeit ihr Training nie vernachlässigte. Oft hatte ich sie abseits der Arbeitszeiten beim Laufen, Durchführen von Übungen oder anderen sportlichen Aktivitäten erwischt. Während Sivila demnach die übrigen Goronen beim Entladen unterstützte, nahm ich Dakehro noch für mich ein und fragte: „Hast du eine Auskunft zu dem Spezialisten bekommen?“ „Aber ja“, sagte Dakehro. „Das Hateno-Institut will gerne jemanden für unsere Sache verpflichten. Sie sagten, sie hätten eine Expertin für antike Shiekah-Geschichte, die perfekt für uns hier geeignet wäre.“ „Das klingt super! Und wann können wir mit ihr rechnen?“ „Naja, sie ist momentan mit einem Forschungsprojekt in Hyrule-Stadt beschäftigt. Sie hat noch nicht bestätigt, dass sie kommt. Das Institut wird uns kontaktieren, sobald sie eine Rückmeldung von ihr haben.“ Ich seufzte ein wenig enttäuscht. „Zumindest ein Ausblick auf Unterstützung. Dann warten wir die Antwort eben ab. Danke, Dakehro.“   Gerademal einen Tag später war es dann soweit, dass die erste Hürde gemeistert war. Mit dem antiken Werkzeug ging der Abbau wesentlich schneller voran, als ich vermutet hatte. Schon recht bald war der Blick auf ein großes Portal frei geworden, das nur minimal kleiner war als die Fläche, die von dem riesigen Felsen bedeckt gewesen war. Nun war es endlich komplett freigelegt. Die Goronen lachten angesichts ihrer erfolgreichen Arbeit frohen Mutes und klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Sivila war schon dabei, ihnen den Sekt anzubieten, den wir kurz zuvor geöffnet hatten. Meine Augen funkelten. Ich hatte nicht damit gerechnet, bereits hinter dem Fels einen Eingang vorzufinden, wesentlich mehr Grabung war von mir erdacht gewesen. Stattdessen blickte ich einem Tor entgegen, dass geradezu danach schrie, dass sich dahinter ein vollständiges Heiligtum befände. Da das Portal für so viele Jahre von dem Geröll bedeckt und somit frei von äußeren Einflüssen war, war es verflucht gut erhalten. Die Verzierungen, die an den Rändern des Tores entlangfuhren, konnte ich auch aus meiner Entfernung noch gut erkennen. Sogar die tiefblaue sowie die silberne Farbe, mit der Schriftzeichen, Symbole und markante Stellen hervorgehoben wurden, war noch kräftig. Der Eindruck dieser Entdeckung war so gewaltig, dass ich am liebsten alles stehen und liegen gelassen hätte, um sofort hineinzustürmen. Manori aber war derjenige, der mich zurück in die Realität holte. In altbekannter Weise hielt er mir ein Getränk vor die Nase, doch war es diesmal kein Kaffee, sondern ein Glas Sekt. „Danke“, sagte ich und nahm es an mich. „Ich weiß schon, was du denkst“, sagte er und blickte ähnlich erstaunt wie ich zum Portal. „Ich würde auch am liebsten reinstürmen und mit weiteren Erkundungen starten. Aber wir müssen das hier feiern. Das Team hat gute Arbeit geleistet und verdient die Anerkennung.“ „Du hast ja Recht“, sagte ich beipflichtend und trank einen Schluck.   Zu zweit schlossen wir uns dem Rest der Mannschaft an. Es roch bereits angenehm nach gegrillten Köstlichkeiten, die nicht mehr lange auf sich warten lassen würden, um endlich verspeist zu werden. Bei dem Geruch meldete sich schließlich mein Magen und mir wurde erst jetzt gewahr, dass ich den lieben langen Tag noch nichts gegessen hatte. Vor lauter Aufregung hatte ich es einfach vergessen. Zeria kam lächelnd auf uns zu. Sie sagte: „Verdammt, Thefa, veranstaltet ihr auf euren Ausgrabungen häufig solche Grillpartys?“ „Es kommt gelegentlich vor, ja“, sagte ich. „Das ist ja so unfair! Ihr Archäologen seid uns in der Hinsicht wirklich viel weiter voraus.“ Manori fragte scherzhaft: „Gibt es bei euch in der naturwissenschaftlichen Fakultät kein gesellschaftliches Beisammensein?“ Zeria schnaubte. Sie erwiderte: „Leider nicht sehr häufig. Vor allem nicht im Freien. Fragt mich ruhig häufiger, wenn ihr mal Hilfe braucht. Mit gegrillten Speisen kriegt ihr mich einfach rum.“ „Ich komme darauf zurück“, sagte ich und wir alle drei lachten.   Wir tranken, aßen und lachten noch eine ganze Weile gemeinsam. Die Goronen waren dabei die lautesten, aber auch diejenigen, die die besten Sprüche klopften. Nicht selten kam es vor, dass ich mich beim Losprusten beinahe an meinen Speisen verschluckt hatte. Nachdem schließlich das gesamte Team gut gesättigt war, war es an mir eine Rede zu halten. Ich bereitete mich mental darauf vor, indem ich mein erst neu eingeschüttetes Sektglas in einem Zug leerte und erhob mich von meinem Sitzplatz. Manori lenkte die Aufmerksamkeit aller auf mich, indem er mit einer Gabel gegen sein Glas hämmerte. Das penetrante Geräusch war wie Brennmaterial für meine Nervosität, jeder Schlag kam einem Stich in meinen Schläfen gleich. Reden und Vorträge waren schon lange fester Bestandteil meines Jobs und ich war auch nicht schlecht darin, jedenfalls ging ich davon aus. Aber bei Farore, die Aufregung würde ich niemals komplett ablegen können.   Alles verstummte. Sämtliche Blicke lagen auf mir. Glücklicherweise hatte ich mir bereits einige Worte zurechtgelegt und notiert. Ich holte meinen Zettel hervor, atmete tief ein, um mich zu beruhigen, räusperte mich und begann:   „Seit nunmehr zwei Jahren plane ich diese Unternehmung. Auf die Idee gekommen bin ich schon vorher, als ich während der Forschung für meine Dissertation auf einen kleinen Absatz in meiner Literatur gestoßen bin, die sich mit diesem Gebiet beschäftigt. Dr. Torenia war der Name der Autorin. Sie war eine Gerudo, die zu ihren Lebzeiten vor 250 Jahren das Fach der Archäologie so sehr geprägt hat, wie schon lange niemand mehr. So viele Ausgrabungen und Entdeckungen konnte sie mit ihrer eigens neu begründeten Methodenforschung durchführen, wie es kein Zweiter je konnte. Dr. Torenia ist mein Vorbild, schon seit ich ein kleines Mädchen war und sie war letztlich auch meine Inspiration dafür, mein eigenes Leben der Archäologie widmen zu wollen. Die Literatur, von der ich zuvor gesprochen habe, war eine kurz vor ihrem Tod überarbeitete Fassung ihres Werks Von den Heiligtümern in Ranelle. Altbekanntes, Neuentdeckungen und Forschungsausblicke. Und jener kleine Absatz sprach davon, dass sich nach ihrer Vermutung hier, genau hier, wo wir alle gerade stehen, etwas Großes befinden muss. Leider konnte Dr. Torenia selbst durch ihr baldiges Ableben keine Ausgrabungen mehr durchführen. Und wie wir alle wissen, ereignete sich nur kurz darauf der Ausbruch der Verheerung. Jenes böse Unheil, das unser Land für 100 Jahre in Angst und Schrecken versetzte. Viele Universitäten mussten in dieser Zeit aufgegeben werden, viele Fachrichtungen fielen in ein tiefes Loch der Vernachlässigung. Und die Archäologie war eines der Fächer, die es am schlimmsten traf. Kein Wunder, schließlich wollte niemand im monsterverseuchten Land umherstreifen. Auch das Risiko, das Ausgrabungsstätten von diesen Monstern überfallen würden, war einfach zu groß. Und noch heute hat es das Fach schwer. Der Grund, warum ich erst nach zwei Jahren mit den Ausgrabungen beginnen konnte, war unter anderem, dass die Regierung sich bei der Vergabe von Fördergeldern massiv zurückhält. Ich hatte lange damit zu kämpfen, andere Institutionen für meine Sache zu gewinnen. Ich habe so viele Ablehnungen von diversen Universitäten erhalten. Bis sich schließlich und endlich die Universität zu Hyrule-Stadt meiner erbarmte. Zwar fiel die Förderung nicht gerade großzügig aus, aber ich war an einem Punkt, an dem mir jede Hilfe recht war. Zudem war es mir erlaubt Vorträge zu halten, womit ich einige freiwillige Mithelfer für das Ausgrabungsteam anwerben konnte. Tja, und nun stehe ich hier. Dort, wo ich seit zwei Jahren sein will, mit einem tollen und engagierten Team, das mir nie von der Seite gewichen ist, auch, wenn es in all der Zeit oft aussichtslos wirkte. Aber ich denke, ich kann frei heraus sagen, dass wir soeben den größten Fund in meiner Zeit als Archäologin aufgedeckt haben. Wir mögen ein kleines Team sein, aber wir haben durchgehalten und so viel geschafft. Ich bin unheimlich stolz auf unsere, aber vor allem eure Leistungen. Daher vielen Dank, aus tiefstem Herzen, an jeden einzelnen von euch.“   Ich machte eine kurze Redepause, um den Anwesenden Raum für den Applaus zu geben. Zudem musste ich unbedingt durchatmen. Kurz blickte ich Manori an, der mir zuversichtlich zulächelte. Ich lächelte zurück. Dann erhob ich erneut das Wort: „Und ohne jetzt den Einsatz von irgendjemanden schmälern zu wollen, kann ich sicherlich sagen, dass manche unter uns besonders viel geleistet haben. Unter anderem möchte ich daher zunächst einmal den Goronen einen besonderen Dank aussprechen. Dakehro!“ Der aufgerufene Gorone erhob sich unter dem Jubel seiner Kameraden. Ich lächelte ihm leicht verlegen zu und fuhr fort: „Du und dein Team habt in den letzten Tagen unermüdlich geschuftet, von morgens bis abends. Und obwohl dieser verfluchte Fels nicht kleinbeigeben wollte, habt ihr weder eure Motivation noch eure gute Laune verloren. Ich wüsste nicht, was wir ohne euch getan hätten. Vielen Dank.“ Dakehro erwiderte freudig: „Haben wir doch gerne gemacht. Oder, Brüder?!“ Ein einstimmiges und mächtiges „JA!“ erklang aus den Reihen der Goronen. Ihr Chef lachte und sagte: „Glaub aber ja nicht, dass wir schon fertig sind, Thefa. Bei was auch immer du Hilfe brauchst, wir sind alle hier und einsatzbereit.“ „Das freut mich zu hören, Dakehro.   Sivila.“ Damit war der Name der Nächsten aufgerufen, bei der ich mich gesondert bedanken wollte. Ihr war die Überraschung ins Gesicht geschrieben, als sie sich zögerlich aufstellte. Sobald der Applaus abgeebbt war, fuhr ich fort: „Sivila, dank dir ging die Arbeit auf dem Feld so viel schneller voran. So viel Arbeit, die du mir abgenommen hast, so viele Einsätze, die du mit gesonderten Teams durchgeführt hast. Dank dir konnte ich mehr Zeit für andere Verpflichtungen aufbringen und hatte eine wesentlich stressfreiere Arbeitszeit. Außerdem wurde unter deiner Leitung der bisher wichtigste Fund gemacht.“ „Bitte, bitte“, sagte Sivila. „Ich fühle mich geschmeichelt, wirklich. Aber das Lob für den Fund der Nische gebührt eigentlich unserem Praktikanten, Lakus!“ Ich konnte förmlich spüren, wie die plötzliche Aufmerksamkeit den jungen Orni überrollte. Er ertrank regelrecht in seinem Scham, aber er bemühte sich um ein verlegenes Lächeln, nickte mit dem Kopf und winkte unbeholfen in die Runde, als der Applaus aufkam. Ich lachte und sagte: „Da hast du Recht, Sivila. Ihm gebührt ebenso mein Dank.   Nun möchte ich mich an Zeria wenden.“ Zeria saß an meinem Tisch und sprang geradezu auf, als ich ihren Namen erwähnt hatte. Sie fragte: „Ähm, ja?“ „Obwohl du zuvor noch nie etwas mit der Archäologie zu tun hattest, hast du dich dennoch bereit erklärt unser Team zu unterstützen. Ganz alleine hast du dich deinen Aufgaben gewidmet, hast Nächte durchgearbeitet, nur um uns ein schnelleres Ergebnis liefern zu können. Nur dank deiner Einsatzbereitschaft können wir schon morgen den neuen Fund genauer erkunden. Daher, vielen Dank auch dir.“ „Ha“, sagte sie und lachte. „Und du hast mich zuletzt noch für meine, wie sagtest du? Ah ja, Einsatzbereitschaft ausgeschimpft.“ Ich lachte und erwiderte: „Ja, und dazu hatte ich allen Grund. Mach das wirklich auf keinen Fall noch einmal. Mir ist ein ausgewogenes Schlaf-Arbeitsverhältnis wichtig.“ „Ja, ja, schon verstanden“, meinte sie scherzhaft und setzte sich wieder hin.   „Und zu guter Letzt“, sagte ich, „will ich mich bei demjenigen bedanken, der mich schon unterstützt hat lange bevor die Ausgrabungen begonnen haben. Der mir stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat, sich in Ruhe meine Sorgen und Bedenken angehört hat, mit mir diskutiert und recherchiert hat, mir praktisch nicht von der Seite gewichen ist und auch immer einen Kaffee parat hatte, wenn ich ihn brauchte.“ Gelächter erfüllte die Runde.   „Manori“, sagte ich schließlich und mit einem breiten Grinsen erhob sich mein Tischnachbar. „Ich habe eigentlich schon alles gesagt, wofür ich dir dankbar bin. Du bist wirklich der beste Assistent, den ich mir hätte wünschen können. Du bist so intelligent und talentiert, hilfsbereit und offen. Ich freue mich schon wahnsinnig darauf, deine Dissertation über diese Ausgrabung zu lesen.“ Er erwiderte: „Es wird zwar noch eine Weile dauern, bis ich fertig bin. Aber ich freue mich mindestens genauso wahnsinnig auf deine Beurteilung.“ Ich lachte. „Glaub aber ja nicht, dass ich mich mit meiner Kritik zurückhalte, bloß weil du es bist.   Jedenfalls“, fuhr ich fort, „bist du in all der Zeit nicht bloß ein Kollege gewesen, sondern ein guter Freund geworden. Und dafür danke ich dir.“ Wir umarmten uns. Ich spürte, wie sich Tränen ihren Weg in meine Augen bahnen wollten, aber ich war noch nicht ganz fertig mit meiner Rede.   „Zum Schluss will ich das Wort nochmal an alle richten. Wie ihr euch mittlerweile vermutlich alle denken könnt, ist das hier die vielleicht wichtigste Unternehmung in meiner Laufbahn. Und ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich nicht die gesamte Zeit über unheimlich nervös war. Was, wenn sich das als Fehlschlag herausgestellt hätte? Was hätte das für mich bedeutet? Das hier muss ein Erfolg werden, es steht so viel für mich auf dem Spiel. Und ich glaube tatsächlich daran, dass es ein Erfolg ist. Und ich bin wirklich, wirklich dankbar dafür, dass ich so tolle Leute um mich habe, die mich unterstützen und in dieser turbulenten Phase meines Lebens begleiten. Vielen Dank, euch allen.“ Zum Ende hin wurde meine Stimme etwas zittrig. Ich musste mich mit aller Kraft zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen und ich war mir sicher, dass es nicht unauffällig war. Ein triftiger Grund, um eine künstliche Sprechpause einzulegen. Ich holte einmal sehr tief Luft, um die Fassung zu wahren und sagte: „Und jetzt feiern wir unseren Fortschritt. Auf uns!“ „Auf uns!“, riefen alle im Chor, hoben ihre Gläser und tranken einen Schluck. Ich tat es ihnen gleich, denn netterweise hatte Manori mein Sektglas neu gefüllt und mir sogleich in die Hand gedrückt.   „Aber übertreibt es nicht!“, warf ich noch mahnend, aber mit einem scherzhaften Unterton in die Runde. „Ich brauche euch alle morgen früh munter auf der Matte. Denn morgen wird es endlich ernst.“ Kapitel 5: Schlaflosigkeit -------------------------- Nachts in meinem Bett fiel es mir schwer einzuschlafen. Zu viele Gedanken wirbelten in meinem Kopf. Zu viel kreiste sich um den morgigen Tag. Vorfreude, Aufregung, Spannung, aber auch Furcht. Die Furcht vor Enttäuschung. Was, wenn sich das Ergebnis letztlich als ernüchternd herausstellte? Setzte ich zu viele Hoffnungen in diesen Fund? Wenn wir morgen dort eintraten, was würden wir vorfinden? Meine Vorstellungen reichten von typischen Tempelruinen über geradezu unberührte, der Perfektion gleichenden Erhaltungen, bis hin zu reinster Zerstörung. Vielleicht hatten die Shiekah alles entwendet, bevor sie den Eingang absperrten. Vielleicht gab es darin auch gar nichts Sehenswertes. Aber, wenn doch? Ein geschlossener Berg war perfekt, um einen sehr guten Erhaltungszustand zu gewährleisten. Schließlich kam kaum Luft an die Jahrtausende alten Relikte heran. Die Chancen standen gut, dass was auch immer darin vorzufinden war relativ unberührt sein würde. Meine Sorgen brachten mich noch um den Verstand. Ich wollte einfach nur schlafen und die Auflösung dem morgigen Einsatz überlassen. Doch ich konnte einfach nicht. Ich wälzte mich in meinem Feldbett von einer Seite auf die andere. Leider war jede neue Position ungemütlicher als die vorherige. Bis ich mich schließlich geschlagen gab. Um die Zeit totzuschlagen, ging ich im Kopf mehrmals durch, wie der Plan für morgen auszusehen hatte. Sollte ich während der Arbeit müde sein dann war das nun mal so. Deshalb würde ich meine Pflichten nicht vernachlässigen können.   Was war das?, dachte ich, als ich draußen ein Knacken hörte. So, als wäre jemand auf einen Ast getreten. Bloß ein Tier, wollte ich meinen, aber dann fiel mir die schwache Beleuchtung auf, die durch meine Zeltplane hindurchschien. Vermutlich will jemand auf die Toilette, dachte ich dann. Doch recht bald bemerkte ich, dass das Licht sich in die entgegengesetzte Richtung von den Toiletten entfernte. Es bestand natürlich die Möglichkeit, dass derjenige bereits dort gewesen war, aber hätte ich das nicht bemerkt? Zudem dürfte an meinem Zelt eigentlich niemand vorbeikommen, denn es stand am weitesten draußen. Wahrscheinlich war es nichts Großartiges, aber ich wollte es nicht auf sich beruhen lassen. Schnell schlüpfte ich in meine Stiefel, warf mir Mantel und Schal um und schnappte mir meinen Shiekah-Stein. Draußen blies mir eisiger Wind um die Ohren, weshalb ich mir die Kapuze überzog. Mithilfe des Shiekah-Steins leuchtete ich mir den Weg aus und eilte wem auch immer hinterher. Scheinbar zog es ihn zum freigelegten Portal hin. Ich beschleunigte meinen Schritt.   „Manori?!“, fragte ich, nachdem er mich bemerkt und sich hastig umgedreht hatte. „Was machst du hier?“ „Thefa, verdammt“, zischte er. „Du hast mir einen Schrecken eingejagt!“ „Ich wollte nun mal wissen, wer sich hier mitten in der Nacht herumtreibt!“ Er zögerte, bevor er sagte: „Ich dachte du schläfst schon lange.“ „Das dachte ich von dir auch.“ „Naja, Ich konnte nicht schlafen.“ „Ich auch nicht.“ „Achso.“ Nach kurzem, unangenehmem Schweigen, fragte ich: „Also, was machst du hier?“ „Ich wollte mir die Beine vertreten.“ „Das soll ich dir glauben? Mitten in der Nacht, bei der Kälte? Denk dir doch wenigstens eine gute Ausrede aus.“ Er starrte mich an. Dann stöhnte er laut und sagte: „Na schön, okay! Ich wollte mir das Heiligtum schonmal ansehen.“ „Bitte was? Manori, das geht nicht! Das verstößt gegen meine Vorschriften! Außerdem weißt du nicht, was da drin lauert. Es könnte gefährlich sein, nachts, ganz alleine, ohne Hilfe!“ „Komm schon, Thefa! Die Neugier frisst mich auf!“ „Pst“, zischte ich. „Du weckst noch alle.“ „Thefa“, sagte er und kam einen Schritt auf mich zu. „Ich kenne dich gut. Ich weiß doch, dass du auch vor Neugier platzt. Vergessen wir für einen Moment alle Vorschriften und Verpflichtungen und stürmen einfach hinein.“ „Du benimmst dich wie ein Kleinkind.“ „Wenn du mich nicht begleitest, bitte. Ich gehe trotzdem.“ „Wenn du meine Vorgaben nicht beachtest, muss ich dich von dieser Unternehmung ausschließen. Das würde sich negativ auf deine Promotion auswirken!“ „Das würdest du tun?“ „Es wäre was ich tun müsste!“ „Und was willst du tun?“   Ich schwieg. Er starrte mich noch eine kleine Weile an, dann drehte er sich um und ging auf die Pforte zu. Ich sagte: „Willst du wirklich alleine da rein? Das ist zu gefährlich!“ „Begleite mich, dann bin ich nicht alleine.“ „Aber… aber, Manori…“ Mir fehlten partout die Worte. Was sollte ich dem entgegnen? Ich war einfach fassungslos, so rebellisch kannte ich ihn nicht. Doch er hatte auch Recht damit, dass ich vor Neugier platzte. „Verflucht, na schön.“ Ich stapfte ihm hinterher. „Aber nur, um uns einen ersten Überblick zu verschaffen. Das… das macht die Planung einfacher.“ „Ja, ja“, sagte Manori. „Für einen ersten Überblick. Genau das hatte ich doch von Anfang an vor.“ Genervt verdrehte ich die Augen. Ich glaubte einfach nicht, was ich hier tat.   Vor dem Portal machten wir Halt. Manori beleuchtete die Schriftzeichen, die über dem Torrahmen bogenförmig entlangliefen. Ich sagte: „Sieht aus wie die Schrift der antiken Shiekah. Scheint mir aber ein besonderer Dialekt zu sein. Ohne Wörterbuch kann ich das nicht übersetzen.“ „Grausam ist der Fluss der Zeit, oh so grausam und kalt. Wir erzittern vor dir, mächtige Göttin der Zeit.“  Ungläubig starrte ich ihn an. „Das kannst du lesen?“, fragte ich. „Nein“, meinte er und lachte. „Ich habe nach der Feier ein Foto gemacht und die Zeit, in der ich nicht schlafen konnte mit übersetzen verbracht.“ „Und du hattest rein zufällig das geeignete Wörterbuch dabei?“ „Ich bin eben vorbereitet.“ „Okay, ähm. Gut“, sagte ich. „Das ist aber seltsam, oder? Ich weiß nicht viel über das andere Heiligtum der Zeitgöttin, aber soweit ich mich erinnere haben sie keine Angst ihr gegenüber ausgedrückt. Das scheinen mir radikale Verehrer zu sein, die ihre Anbetung in Furcht und Schrecken ausdrücken.“ „Scheint so“, sagte Manori. „Wobei ich denke, dass es mehr ein Ausdruck von Demut und Ehrfurcht sein soll. Aber du hast Recht, es ist ungewöhnlich radikal formuliert.“   Er führte den Lichtstrahl hinunter und sagte: „Sieh dir mal diese Verzierungen an. Ein Haufen von Leuten auf Knien, die ihre Arme hochstrecken. Sie greifen nach einer Sanduhr, die in weißem Licht erstrahlt.“ „Und sieh dir das Bild auf der rechten Tür an. Quasi dasselbe, aber die Arme der Leute greifen nach einem schwebenden Instrument. Könnte das eine Lyra sein? Heißt das trotz allem wird hier noch Hylia gehuldigt?“ „Es könnte aber auch die Harfe der Zeit sein. Oder nicht?“ „Verflucht, du hast Recht!“, rief ich lauter aus als beabsichtigt. „Dass wir nicht gleich darauf gekommen sind! Vermutlich ist das nicht nur eine Kultstätte für die göttliche Sphäre von Nayru, sondern auch der irdischen!“ „Du meinst Nayru wird hier in ihrer Erscheinung als Orakel der Zeit verehrt?“ „Vielleicht, vielleicht aber auch beides. Wir wissen jedenfalls, dass die Harfe das Symbol des Orakels der Zeit ist.“ „Sowohl Nayru Temporis als auch Nayru Oraculi finden hier also ihre Huldigung, das könnte sein. In Hyrule selbst gibt es ja eigentlich kaum Bezug zu den Orakeln, da ihr Kult in Nachbarländern entstanden ist.“ „Genau. Labrynna und Holodrum hauptsächlich, oder?“ „Jap. Hier in Hyrule aber wurde der Glaube die Göttinnen wären in der Form von Orakeln auf Erden gewandelt als Lästerung empfunden und stark abgelehnt. Diese Shiekah haben sich wohl nicht davon abbringen lassen. Denkst du das Heiligtum ist vielleicht deshalb aufgegeben und versteckt worden?“ „Weil hier Anbetung eines lästerlichen Glaubens betrieben wurde? Könnte durchaus möglich sein. Wir werden hoffentlich mehr erfahren sobald wir drin sind.“   „Das ist dann wohl mein Stichwort“, sagte Manori und legte sogleich seine flache Hand auf die rechte Torhälfte. „Bereit?“, fragte er. Ich schluckte. Aufregung in Form eines flauen Gefühls machte sich in meinem Magen breit. Ich sagte: „Bereit.“ Er grinste und presste sich gegen das Tor. Es ließ sich nur schwerfällig öffnen. „Boah, das ist nochmal viel schwerer als gedacht“, stöhnte Manori. „Warte, ich helfe dir“, sagte ich und drückte ebenfalls mein gesamtes Körpergewicht gegen die Torhälfte. Gemeinsam schafften wir es sie einen Spalt breit zu öffnen. Gerade groß genug, dass wir uns hindurch quetschen konnten.   Kapitel 6: Nächtliche Erkundung ------------------------------- Natürlich war es im Inneren stockdüster. Glücklicherweise hatten wir unsere Shiekah-Steine dabei. Die Luft allerdings war alles andere als angenehm, sie erschlug einen geradezu. „Jep“, sagte ich. „Hier ist es genauso modrig und stickig, wie ich erwartet habe.“ Manori lachte und sagte: „Jahrtausende ohne frische Luft fordern eben auch ihren Tribut.“ Wir mussten den Eingangsraum nur kurz ausleuchten, schon erkannte ich Ähnlichkeiten zu anderen Gebilden. Manori schien denselben Einfall zu haben, denn er fragte: „Erinnert dich das auch an den Innenraum der Schreine?“ Ich nickte mit dem Kopf und sagte: „Dieses Heiligtum muss in etwa zur selben Zeit konstruiert worden sein. Vor allem die Wände. Hier würde man den Energiefluss sehen, wenn wir das alles in Gang setzen könnten.“ Manori fragte: „Aber sollte das nicht Aufgabe der Türme sein? Klar, mag ja sein, dass man hier noch weiteres aktivieren kann, aber zumindest im, äh, sagen wir mal Ruhemodus sollte hier doch alles laufen?“ „Hm“, sagte ich. „Eigentlich schon. Vielleicht hat das was mit der Abschottung zu tun. Vielleicht haben die Shiekah den Ort von der Hauptenergiequelle gekappt.“ „Das heißt, es würde sich auch nichts ändern, wenn wir diesen Schalter hier aktivieren.“ Ich betrachtete besagtes, auf das Manori das Licht seines Steins warf. Ich sagte: „Vermutlich nicht. Außerdem haben wir auch gar nicht den Schlüssel dafür. Auf unsere Shiekah-Steine würde es nicht reagieren. Wir bräuchten Originale aus derselben Zeit.“ „Wir könnten doch Originale von der Universität beantragen und es ausprobieren. Vielleicht passiert was, wer weiß?“ „Ja, wir sollten zumindest mal im Team darüber beraten.“   Langsam gingen wir auf die Mitte der Halle zu. Es war so viel größer, als ich erwartet hatte. Und nicht nur diese Eingangshalle war überwältigend. An den Wänden prangten viele Türen, die bloß andeuteten, wie viel größer das Gebäude tatsächlich war. „Das ist ja ein richtiger Tempel“, sagte ich, ohne mir große Mühe damit zu geben meine Euphorie zu verbergen. Der Raum war in Form einer Halbkugel konstruiert, mit Fokus auf dem Zentrum. Sämtliche der Türen, die in regelmäßigem Abstand zueinander standen, waren mit tiefblauen Teppichen ausgelegt, die allesamt in der Mitte zusammenliefen. Dort stand eine gewaltige, an die vier Meter hohe Statue einer sitzenden Frau mit übereinandergeschlagenen Beinen. Sie stand erhöht auf einem runden Podium, umgeben von einem kleinen Graben klaren Wassers. Voller Staunen stieß ich einen freudigen, quietschenden Laut aus und sagte: „Oh große Nayru, kneif mich. Das ist einzigartig!“ Manori pflichtete mir bei, wobei es ihm einfacher fiel die Fassung zu wahren. Zumindest äußerlich. Er sagte: „Selbst die Farbe ist so gut wie erhalten. Wann hast du jemals eine vollbemalte Statue aus der Antike gesehen?“ „Noch nie, du etwa?! Verdammte Scheiße, ich kann das nicht fassen!“ „Ich meine, ein bisschen verblasst scheint die Farbe schon zu sein…“ „Manori, das ist besser als alles, was jemals geborgen wurde. Verblasst hin oder her, das ist perfekt. Wir müssen morgen dringend dafür sorgen, dass der Raum besser ausgeleuchtet ist und eine ganze Menge Fotos machen. Ich kann es kaum erwarten, eine Zeichnung anzufertigen!“ „Wer wollte nochmal nicht, dass wir herkommen?“, fragte Manori mich belustigt. Ich räusperte mich und sagte verbissen: „Sehr witzig. Wenn wir schonmal hier sind, kann ich das doch auch wertschätzen.“ Er zuckte mit den Schultern und akzeptierte. Er sagte: „Jedenfalls, die Farbgebung steht ganz im Zeichen Nayrus. Blaues Kleid, blaues Haar, silberner Schmuck. Das Design erinnert mich ein wenig an die typischen Darstellungen des Orakels. Nur singt sie nicht.“ „Ja, stimmt. Wobei, ungewöhnlich dafür ist auch, dass der Gesichtsausdruck etwas sehr ernst und bestimmend ist. Da kommt wieder das Ausdrücken einer zu fürchtenden Entität zum Vorschein. Und sieh mal“, sagte ich und deutete auf ihre ausgestreckte, linke Hand. „Sie trägt eine wirklich sehr große Sanduhr.“ „Typisches Symbol für die Nayru Temporis“, meinte Manori. „Man sieht aber nicht, wie weit der Sand schon durchgelaufen ist. Denkst du, das ist absichtlich und irgendeine Symbolik steckt dahinter? Oder ist das aus reinen Einfachheitsgründen nicht so detailliert gestaltet worden?“ „Wer weiß“, sagte ich. „Könnte auch sein, dass es einfach nicht mehr erkennbar ist. Verblasste Farbe und so, hast ja darauf hingewiesen.“ „Stimmt, habe ich“, sagte er grinsend.   „In ihrem Schoss ist auch etwas“, sagte Manori und leuchtete auf besagte Stelle. Er sagte: „Die Harfe der Zeit, wie mir scheint. Sie singt nicht und spielt nicht, aber die Sanduhr hebt sie hervor. Das muss doch eine Bedeutung haben.“ „Darüber können wir morgen debattieren“, sagte ich. „Und so toll ich die Statue auch finde, wir haben morgen und viele weitere Tage Zeit uns mit ihr zu beschäftigen.“ „Zeit. Ich sehe schon, du bist ja sehr lustig drauf heute.“ „Das war doch keine Absicht“, sagte ich, konnte aber das Lachen nicht unterdrücken.   Nach einer kurzen Absprache hatten wir uns dazu entschlossen, den Türen fürs erste keine Beachtung zu schenken und unsere Aufmerksamkeit auf die gegenwärtige Halle zu konzentrieren. Sie war auch allemal groß genug. Da ich schon einmal hier war, entschloss ich mich dazu den Boden genauer zu betrachten. Und das war wieder ein absoluter Volltreffer. „Schau mal“, meinte ich begeistert zu Manori. „Der Boden.“ „Unglaublich“, pflichtete er mir bei. Es war uns zuerst nicht aufgefallen, da wir nicht direkt auf die Konstruktion des Bodens geachtet hatten, aber nun eröffnete sich uns der Blick auf verschiedenste bunte Mosaikmotive, je ein anderes war zwischen zwei Teppichen zu betrachten. Entsprechend den Teppichverläufen waren sie dreiecksförmig ausgelegt, die Motive waren ebenfalls zur Mitte ausgerichtet. Noch immer standen wir bei der Statue, sodass wir gut erkennen konnten, um was es sich handelte. Ich sagte: „In Richtung des Eingangsportals ist Nayrus Zeichen abgebildet. Nur Nayru, ohne die Sanduhr. Interessant.“ „Dafür ist die Sanduhr links davon. Und rechts die Harfe der Zeit. Daneben das Triforce und hier-“ „Warte mal“, sagte ich, um ihn kurz zu unterbrechen. „Ist dir auch aufgefallen, dass die Sanduhr immer links und die Harfe immer rechts stehen? An der Tür, in den Händen der Statue, auf dem Bodenmosaik. Denkst du, das hat irgendeine Bedeutung, oder wollten die Shiekah nur die Kontinuität wahren?“ Manori zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, mir wäre nichts dergleichen geläufig. Entweder ist das Zufall oder es handelt sich um artistische Entscheidungen oder so.“ „Ja, war auch nur so ein Gedanke.“ „Wir sollten das auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.“   Als wir uns zur anderen Seite des Raumes vorgearbeitet hatten, rutschte mir das Herz vor Schreck in die Hose. Ich schrie, als meine Beleuchtung an einem Wächter haftete, der mich von oben herab aus seinem leblosen, mechanischen Auge beobachtete. „Bei den Göttinnen“, brachte ich keuchend hervor. „Hab ich mich erschrocken.“ Manori lachte dreckig und sagte: „Echt? Hab ich nicht bemerkt.“ „Halt die Klappe“, sagte ich und schlug ihm mit der Faust gegen die Schulter. Mein Herz pochte wie wild, um mich zu beruhigen hielt ich mir die freie flache Hand auf die Brust. Ich sagte: „Vielleicht ist das das Zeichen, dass wir verschwinden und mit Verstärkung wieder kommen sollten.“ „Beruhig dich mal wieder“, sagte Manori, der sich wirklich zusammenreißen musste, um nicht wieder laut los zu prusten. „Sie dir das an, das Ding ist total hinüber. Und furchtbar alt. Außerdem läuft hier drin sowieso nichts. Der wird uns schon nicht mit seinen Lasern grillen.“ „Noch nicht“, erwiderte ich und blieb meiner Skepsis treu. Um mich ein wenig in Sicherheit zu wiegen, ging ich auf Abstand. Manori hingegen ging noch näher heran und starrte mitten in das Auge dieser Todesmaschine. „Bist du wahnsinnig?“, zischte ich ihm zu. „Wenn das Ding jetzt aufwacht, durchlöchert es deinen Schädel!“ „Alles gut“, sagte er nur ruhig. „Das wird nicht passieren. Komm mal her, ich zeig’s dir.“ Zögerlich folgte ich seiner Aufforderung. „Siehst du?“, fragte er. „Das ist kein richtiger Wächter. Oder zumindest das Auge ist anders konstruiert, als gewöhnlich.“ „Stimmt, du hast Recht“, bemerkte ich irritiert. „Sowas habe ich noch nie gesehen. Sieht aus wie irgendein roter Edelstein. Was hat das denn jetzt wieder zu bedeuten?“ „Das kann ich dir sagen“, sagte Manori wissend und zog urplötzlich ein Messer hervor. Instinktiv zuckte ich zusammen, was meinen Begleiter nur dazu brachte erneut loszulachen. „Was ist denn los?“, fragte er. „Du bist auf einmal so schreckhaft.“ „Verflucht, du musst mich ja auch warnen, wenn du ein Messer ziehst! Warum hast du überhaupt eins dabei?“ „Denkst du wirklich ich bin blöd genug, um nachts alleine in ein unentdecktes Heiligtum zu gehen, ohne irgendetwas, womit ich mich verteidigen kann?“ „Ganz ehrlich, wenn wir es hier mit funktionierenden Wächtern zu tun hätten, würde dein Messerchen dir auch nicht weiterhelfen.“ „Ach, auf einmal ist das nur ein Messerchen. Deine Reaktion hat mir aber eine andere Bewertung suggeriert.“ „Halt doch die Klappe, du… ach, egal. Also, was hast du damit vor?“      „Pass auf“, begann er seine Ausführung, „das ist genauso eine Sache, die man in zahlreichen Tempeln antrifft. Vor allem denjenigen, die die Helden unseres Landes zu überwinden hatten. Oder auch die Schreine, die ja sogar speziell für solche Helden konstruiert wurden.“ „Meinst du ein Rätsel?“ „Ding ding ding, du hast es erfasst! Das hier ist ein Rätsel! Viele jener Rätsel hängen mit einäugigen Gebilden zusammen. Zudem ist das einzelne Auge auch noch, wie bekanntlich jeder weiß, das Symbol der Shiekah und damit ebenso für die Betrachtung relevant.“ „Worauf willst du hinaus?“ „Ist doch glasklar. Wir müssen Druck auf das Auge ausüben. Das ginge mit einem gezielten Pfeilschuss, einem präzisen Schlag mit einem Schwert oder…“ „…mit einem Messerstich?“ „Exakt!“ „Oder du aktivierst damit den Wächter und krepierst elendig.“ „Tja, es gibt nur einen Weg das rauszufinden.“ Ich war mir sicher, dass wir einen besseren Weg finden könnten, wenn wir uns nur gemeinsam einen überlegten. Ich erwiderte: „Ich verstehe ja deinen Gedankengang und er erscheint mir auch sehr logisch, aber bevor wir solche eigenmächtigen Handlungen ausführen, sollten wir nochmal mit dem Team beraten und Sicherheitsmaßnahmen treffen und… Verdammt, was soll das?!“   Statt meinen Worten Beachtung zu schenken, hatte er natürlich seinen eigenen Willen durchgesetzt und die Messerspitze schon in den Stein hineingerammt. Seine Attitüde machte mich allmählich wirklich rasend, was erlaubte er sich eigentlich? „Manori“, begann ich, möglichst ruhig und gefasst, „du verletzt hier gerade in erhöhtem Maße meine Autorität. Ich kann nicht erlauben, dass du-“   Ein kleines Erdbeben unterbrach meine Standpauke. Ich warf einen panischen Blick auf den Edelstein und stellte fest, dass dieser nun gräulich verfärbt war. Was auch immer Manori soeben angestellt hatte, es musste irgendeinen Mechanismus ausgelöst haben. Wir sprangen überrascht zur Seite, als vor der Wächterstatue ein quaderförmiges Loch im Boden aufkam. Ein zweites, etwas Tieferes reihte sich daneben und so verlief es immer weiter. Recht schnell verstand ich, dass sich vor unseren Augen eine Treppe auftat, die um die Statue herum verlief. Ich konnte von hier oben nicht genau erkennen, wie weit herunter sie führte, aber es schien tief unter die Erde zu reichen.   Ein verstohlener Blick seitens Manori und ich wusste sofort, was er mir mitzuteilen versuchte. „Oh nein“, meinte ich nur. „Wir gehen jetzt nicht da runter.“ „Komm schon!“, flehte Manori mich an. „Wir haben es doch gerade erst entdeckt! Willst du nicht auch wissen, was es damit auf sich hat?“ „Natürlich will ich, aber das ist doch wirklich viel zu riskant! Ich meine, wir haben die Treppe durch einen Wächter freigelegt. Einen WÄCHTER! Vielleicht ist das eine Falle, die uns geradewegs ins Verderben  führt!“ „Aber, Thefa-“ „KEIN aber“, fiel ich ihm ins Wort. „Ich bin nicht dazu bereit ein weiteres Risiko einzugehen. Wir werden morgen wiederkommen, mit einem Plan und entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen. Ich verspreche dir, dass wir beide morgen zuallererst begutachten werden, was sich dort unten verbirgt. Aber in Begleitung. Hast du mich verstanden?“   Für einen Moment sagte Manori nichts. Sein Blick wanderte flüchtig zwischen mir und der Treppe hin und her. Letztlich entschied er sich aber dazu, mir zuzustimmen. Ich merkte, dass er sich beherrschen musste, aber er sagte: „Schön. Na schön, von mir aus. Morgen.“ „Gut.“ Kapitel 7: Kampfbereit ---------------------- Früh am nächsten Morgen, nachdem das Frühstück beendet war, versammelte sich das gesamte Team vor dem Eingang des Heiligtums. In den Händen hielt ich meinen bereits dritten Kaffee und trank genüsslich einen Schluck. Ich konnte wirklich nur hoffen, dass der Koffein bald seine Wirkung zeigen würde. Das lange Aufbleiben hatte Spuren hinterlassen. Besonders problematisch war, dass ich auch im Bett erstmal eine Zeit gebraucht hatte, um überhaupt erst einzuschlafen. Die Eindrücke, die ich gewonnen hatte, lagen gewaltig auf mir, und auch der kleine Konflikt mit Manori hing mir nach. Alles in allem war ich also ziemlich müde. Es war aber auch nicht das erste Mal, das ich mit wenig Schlaf zu arbeiten hatte. Ich würde den Tag einfach durchziehen müssen. Außerdem, die Vorfreude und die Spannung auf baldige neue Entdeckungen machten die Müdigkeit so viel erträglicher. Zudem hatte die nächtliche Besichtigung auch etwas Gutes, denn so fiel mir die Planung wesentlich einfacher.   „Also Leute, heute geht es endlich zu Sache“, sagte ich. Das Team lachte, manche warfen ein „Ja!“ oder „Endlich“ in die Runde. „Wie ihr bestimmt schon mitbekommen habt, haben Manori und ich uns bereits einen kleinen Überblick über das Heiligtum verschafft. Aber dennoch erwartet uns da drin noch vieles, was wir nicht begutachten konnten. Dementsprechend würde ich die einzelnen Gruppen darum bitten, noch keine Detailarbeit zu beginnen und zunächst zu dokumentieren, was ihr vorfindet. Ihr werdet schon in der Eingangshalle bemerken, dass einige Türen in abgegrenzte Räumlichkeiten führen. Mein Plan für den Anfang sieht wie folgt aus: Ich werde uns in insgesamt fünf Gruppen je drei Personen einteilen. Gruppe Eins begutachtet die Eingangshalle genauer. Gruppe Zwei bis Vier wird sich die ersten drei Räume links von der Eingangshalle aus genauer anschauen. Gruppe Fünf wird die Treppe hinuntergehen, die am anderen Ende der Halle zu finden ist und untersuchen, was es dort zu finden gibt. Da ich mir noch nicht über die Sicherheit dieser unentdeckten Gebiete im Klaren bin, habe ich beschlossen, dass jede Gruppe von einem der Goronen begleitet wird, die uns mit ihrer Stärke beschützen, sollte es gefährlich werden. Außerdem möchte ich, dass jeder von euch Waffen oder irgendwas zur Selbstverteidigung mitnimmt, insofern es euch möglich ist. Keine Sorge, ihr müsst keine Angst haben, es ist lediglich ein Vorsichtsgebot. Nochmal zur Erinnerung, hierbei handelt es sich um ein antikes Shiekah-Heiligtum, weshalb wir auch mit Wächtern oder ähnlichem rechnen müssen. Falls auch nur einer von ihnen noch funktionstüchtig sein sollte, will ich mich vergewissern, dass ihr euch verteidigen und schützen könnt. Daher will ich den Goronen nochmal ein Dank dafür aussprechen, dass sie sich unserer Sicherheit annehmen möchten.“ Dakehro sagte: „Kein Problem! Was auch immer da drin meint, Ärger machen zu müssen, kriegt es mit uns zu tun!“   Das Einteilen der Gruppen dauerte nicht lange, zumal ich dies bereits zuvor festgelegt hatte. Lakus teilte ich als Praktikanten noch einmal spezifisch der ersten Gruppe zu, da ich davon ausging, dass der Eingangsbereich relativ ungefährlich sein dürfte. Ich selbst teilte mich und Manori, entsprechend meines nächtlichen Versprechens, Gruppe Fünf zu. Dazu wollte ich Sivila dabei haben, die mir mit ihrer Expertise und ihrer Stärke an diesem geheimen Ort sicherlich eine wunderbare Hilfe sein würde. Als Sicherheitsstütze wollte ich Dakehro an meiner Seite wissen, der uns auch bereitwillig unterstütze.   Man mochte mich paranoid nennen, aber ich hatte das ungute Gefühl, dass vor allem mein Team auf eine böse Überraschung stoßen würde. Leider war ich keine sonderlich gute Kämpferin, doch war ich recht gewandt im Umgang mit dem Bogen. Glücklicherweise hatte ich noch einen kleinen Vorrat an antiken Pfeilen beherbergt. Ein Auftreffen mit Wächtern würde mit diesen wundervollen Wurfgeschossen zum kurzen Prozess werden. Leider waren es aber auch nicht mehr viele. Ich konnte nur beten, dass es genug sein würden. Oder sie im besten Fall gar nicht erst zum Einsatz kämen. Der Köcher hing mir bereits um meinen Rumpf, schon machte ich mich daran die Spannung meines Bogens zu überprüfen. Gerade in diesem Moment trat Manori in mein Zelt. Ich fragte ihn etwas überrascht: „Kann ich dir bei irgendwas helfen?“ Er wirkte ziemlich unsicher, wie er vor mir stand und sich verlegen am Hinterkopf kratzte. „Nicht direkt, nein“, sagte er. Er holte einmal tief Luft, dann sagte er: „Hör mal, ich bin hier, weil ich mich… für mein Verhalten von gestern entschuldigen wollte. Das war höchst unprofessionell und es… tut mir leid.“ Mir fiel ein Stein vom Herzen, als er diese Worte ausgesprochen hatte. Sein Auftreten in der letzten Nacht hatte mir wirkliche Sorgen bereitet und ich war froh, dass er darüber nachgedacht und eingesehen hatte, wie unangebracht es gewesen war. Vor lauter Erleichterung lächelte ich und sagte: „Ist schon wieder vergessen, Manori. Aber weißt du, ich hatte irgendwie den Eindruck, als würde dich etwas belasten. Wenn das der Grund für dein Verhalten war möchte ich, dass du weißt, dass ich dir gerne zuhören werde, wenn du reden möchtest.“ Unbeholfen trat er von einem Fuß auf den anderen, verschränkte die Arme. Hatte ich damit einen Nerv getroffen? Er sagte: „Ach, weißt du, eigentlich, ähm… Dass wir dieses Heiligtum gefunden haben, bedeutet mir aus bestimmten Gründen sehr viel, weißt du, und… Aber lass uns lieber ein andermal darüber sprechen. Wenn allgemein etwas mehr Ruhe eingekehrt ist.“ „Na schön“, meinte ich. „Aber falls mal etwas wirklich wichtiges aufkommen sollte, bin ich für dich da.“ Er lächelte mir schief zu, was ich wiederum mit einem zuversichtlichen Schmunzeln erwiderte. Doch konnte ich den Eindruck nicht abstellen, dass sein Gesichtsausdruck einen Hauch von Schuldbewusstsein aufzeigte. Es kam mir etwas seltsam vor, aber vermutlich hatte er bloß noch ein schlechtes Gewissen aufgrund seines Verhaltens. Genau konnte ich es dem aber nicht zuordnen.   Ich spürte mehr als deutlich das Herz in meiner Brust, als wir die Treppe erreicht hatten. Wir vier waren so weit bewaffnet, wie es für uns nur möglich war. So trug Manori ein Schwert bei sich, was ich recht interessant fand, da ich ihn nie für einen Schwertkämpfer gehalten hatte. Die Klinge war ein recht kurzer Einhänder, feststeckend in einer ledernen Scheide, die an einem Gurt um seine Hüften befestigt war. In seiner linken Hand befand sich ein Reiseschild, der im Notfall hoffentlich einen Wächterstrahl abwehren würde, insofern der Schild dies aushalten konnte. Sivila war die wohl kampferfahrenste unter uns. Im Sinne der Traditionen der Gerudo hatte sie eine harte Ausbildung zur Kriegerin durchgezogen und dazu noch einige Jahre in der Garde ihrer Königin gedient. Sie war spezialisiert auf den Kampf mit der Lanze, dementsprechend führte sie auch eins der für ihr Volk typischen Exemplare bei sich. Die neugeschliffene Klinge funkelte bedrohlich im Licht der Laternen, die wir zuvor in der Halle verteilt hatten. Sivila an meiner Seite zu wissen würde mir nicht nur bei meiner Arbeit eine erhebliche Hilfe sein, ich fühlte mich auch sogleich wesentlich sicherer. Bei Dakehro hatte ich ursprünglich erwartet, dass er ohne weitere Kampfausrüstung erscheinen werde. Schließlich war er riesig, kräftig und verdammt stark. Aber er wollte es sich nicht nehmen lassen, einen großen Hammer anzuschleppen, der ihm vom Boden an bis zu seinem Hals reichte. Ohne weitere Probleme hielt er ihn in einer Hand fest, als wäre es ein federleichter Stock, was es für ihn vermutlich auch war.   Ich atmete einmal tief ein und sagte: „Dakehro, geh du bitte voraus. Sei bitte auf der Hut.“ Mit selbstgefälligem Grinsen rammte er den Stab an seinem Hammer in seine freie Hand und sagte: „Überlass das nur mir, an mir kommt nicht mal der kleinste Wächter vorbei.“ Langsamen Schrittes nahmen wir Stufe für Stufe in Angriff. Die Dunkelheit erleuchteten wir uns mithilfe unserer Shiekah-Steine. Eigentlich hatte ich gehofft, hier auf Wandmalereien oder Reliefs oder ähnliches zu stoßen, aber leider Fehlanzeige. Die Wand bestand aus Stein, die Treppe bestand aus Stein… ziemlich langweilig. Meine Hoffnungen waren höher angesetzt.   Sivila meldete sich zu Wort: „Also, was denkst du, was wir unten auffinden werden. Eine Schatzkammer vielleicht? Oder Waffen? Vielleicht irgendein lang gehütetes Geheimnis?“ Ich sagte: „Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich keine Ahnung. Aber da der Zugang zuvor noch versteckt war, gehe ich schon von etwas besonderem aus. Und auch mit etwas, das dieses Besondere bewachen wird.“ Manori, der die Nachhut bildete, sagte: „Ich bin sicher, es ist etwas Großes. Thefa, nachdem wir untersucht haben, was auch immer dort ist, ist deine Karriere gesichert. Dein Name wird fester Bestandteil der Archäologie-Szene sein, darauf wette ich.“ Ich sagte: „Übertreib jetzt aber nicht. Vielleicht ist auch schon längst alles geplündert worden, das können wir nicht wissen.“ Manori sagte: „Nachdem das restliche Heiligtum so unberührt scheint? Wohl kaum.“ Sivila sagte: „Was auch immer wir vorfinden werden wird sich mit Sicherheit lohnen, davon bin ich überzeugt.“   „Passt auf, Freunde“, meinte Dakehro und brachte uns zum Stillstand. „Hier ist Endstation.“ „Was siehst du?“, fragte ich ihn, der vor mir stand und mir die komplette Sicht versperrte. Er antwortete: „Eine Holztür, etwas klein, aber ich kann mich schon durchquetschen. Soll ich sie öffnen?“ „Ja“, bestätigte ich. „Aber vorsichtig.“   Ich hörte ein Knarren und Quietschen, das wohlbekannte Geräusch alter Türen, die langsam geöffnet wurden. Angespannt hielt ich meinen Bogen bereit und war jederzeit darauf gefasst, einen Pfeil ziehen zu müssen. Langsam und gebückt trat Dakehro, der ebenfalls seine Waffe erhoben hielt, in den verborgenen Raum ein, wir folgten im gleichen Tempo. Dakehro sagte: „Die Luft scheint rein zu sein. Abgesehen von dem stickigen Gestank natürlich.“ Sivila pflichtete ihm bei: „Hier ist es wesentlich schlimmer als oben.“ Ich sagte: „Glaubt mir, gestern war es oben noch viel unerträglicher. Aber ja, die Luft hier ist wirklich übel.“   Behutsam leuchteten wir die Umgebung aus. Der Raum war nicht übermäßig groß, aber es war Platz genug, dass wir alle ohne Probleme Bewegungsfreiheit hatten. Und noch dazu einige Wächter verschiedener Typen, einige hingen sogar an den Wänden. Ich sagte: „Ich wusste doch, dass wir welche von diesen Mistdingern vorfinden werden.“ Dakehro meinte: „Die wirken aber ganz schön kaputt. Soll ich zur Sicherheit nochmal drauf schlagen?“ „Das wird erstmal nicht nötig sein, danke“, verneinte ich und lachte ein wenig.   Manori, der sich zur anderen Seite vorgearbeitet hatte, sagte: „Hier ist sowas wie ein Altar. Aber bereits ziemlich heruntergekommen. Ich denke, wir könnten hier etwas verstecktes finden, vorausgesetzt etwaige Mechanismen sind noch funktionstüchtig.“ Ich wollte zu ihm aufschließen, aber Sivila meldete sich zu Wort: „Schaut doch mal alle nach oben.“ Sie leuchtete die Decke an und erhellte einen herunterhängenden, ziemlich großen Edelstein, der ein mattes Lila projizierte. Auf einer Seite war in weißer Farbe ein Auge mit einer Träne abgebildet, dem Shiekah-Zeichen gleichend, doch in einer eher geometrischen Darstellung. Sivila fragte: „Täusche ich mich oder ist das ein Stein der Zeit?“ „Nein“, meinte ich, „du hast Recht. Das ist ein Stein der Zeit. Angesichts des Themas im Tempel hier eigentlich nicht verwunderlich, aber verdammt. Steine der Zeit habe ich selbst noch nie gesehen.“ „Stein der Zeit?“, fragte Dakehro. „Haben wir etwa gerade mein Mittagessen gefunden? Nur ein Witz. Aber mal ehrlich, was soll das sein?“ „Ein Gorone, der sich nicht mit Steinen auskennt?“, fragte Sivila neckisch. „Dass es sowas überhaupt gibt.“ Dakehro erwiderte: „Steine sind meine Mahlzeit, so viel mehr weiß ich darüber auch nicht. Oder kennst du dich perfekt mit all dem aus, was du isst? Was auch immer das ist, Gewürze oder so.“   Dakehro schaffte es jedes Mal, mich zum Lachen zu bringen, so auch jetzt. Recht bald erklärte ich ihm aber genaueres: „Ich denke du kannst dir das wie ein Kraftfeld vorstellen, das von dem Stein ausgeht, wenn du ihn mit Druck aktivierst. Alles, was sich in diesem Kraftfeld befindet, ist in der Vergangenheit.“ Er schien mit Unglaube erfüllt als er fragte: „Das soll funktionieren? Man schlägt den Stein und plötzlich sind 100 Jahre zurückgedreht? Klingt verrückt, seid ihr euch sicher?“ Manori sagte: „Sehr sicher sogar. Es gibt eine ganze Wissenschaft, die sich nur mit diesen Steinen beschäftigt, aber die Forschung unterliegt strengen Regulierungen. Nicht viele wissen davon und es ist eigentlich auch verboten, sie außerhalb der vorgesehenen Einrichtungen zu verwenden. Es gibt hier und da auch Einschränkungen bei der Benutzung, aber sie sind eines der interessantesten Phänomene unserer Welt.“ Dakehro schien immer noch nicht ganz überzeugt. Er sagte: „Na schön. Angenommen, wir aktivieren das Ding da. Was würde dann passieren? Wie weit in der Vergangenheit wären wir dann?“ Sivila meinte: „Schwer zu sagen. Wie weit wir in die Vergangenheit reisen und wie groß die Reichweite ist hängt von vielem ab. Größe, Volumen, Reinheit des Materials. Aber der hier ist ja recht groß, zumindest der ganze Raum dürfte betroffen sein.“ Ich sagte: „Und ich schätze mal, dass wir mindestens 1.000 Jahre, vielleicht sogar mehr zurückspringen würden. Was wiederum bedeuten könnte, dass die Wächter erwachen. Wir sollten es erstmal sein lassen.“   Manori fragte: „Ist das dein Ernst? Wenn wir den Stein aktivieren, landen wir vermutlich in einer Zeit kurz nach der Fertigstellung des Tempels. Auf diese Weise könnten wir so viel neues entdecken, was vermutlich gar nicht mehr da ist oder schon zerstört oder was auch immer! Du kannst mir wirklich nicht erzählen, dass du das nicht austesten willst.“ Ich sagte: „Ich will aber auch nicht austesten, wie lange wir den Wächtern Widerstand leisten können bevor wir sterben, verstehst du das nicht?“ Er widersprach: „Wir sind bewaffnet, wir können kämpfen. Ich bin mir sicher, dass wir es schaffen können. Lass es uns versuchen. Wenn es brenzlig werden sollte, kannst du den Stein mit deinen Pfeilen jederzeit deaktivieren.“ Dakehro meinte: „Also, wenn wir es jetzt versuchen und das alles stimmt was ihr sagt, bin ich auf jeden Fall bereit. Ich hätte nichts gegen einen kleinen Kampf. Diese Wächter sollten sich jedenfalls warm anziehen!“ Auch Sivila war bereit und sagte: „Thefa, wir machen das schon. Wie Manori schon sagte, im Notfall kannst du das alles auch wieder beenden.“   Die drei brachten mich in einen Zwiespalt. Einerseits wollte ich nach wie vor kein Risiko eingehen, andererseits war ich beeindruckt von ihrer Einsatzbereitschaft. Ein wenig haderte ich mit mir selbst, doch dann knickte ich ein und sagte: „Na schön, ich bin hier eindeutig überstimmt. Wir werden es versuchen, aber nicht ohne einen Plan.“ Manori schmunzelte und sagte: „Genau das wollte ich hören. Wie sieht der Plan aus?“ Erwartungsvolle Blicke lagen auf mir, ruhig und geduldig, trotzdem setzte es mich ein wenig unter Druck. Ich hoffte einfach, dass meine Entscheidung richtig war und ich auf die Schnelle einen akzeptablen Plan ausarbeiten könnte. Kurz ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, dann sagte ich: „Das beste wäre, wenn wir uns aufteilen. Dakehro, du übernimmst den großen Wächter am Eingang. Dresche am besten sofort auf ihn ein, lass ihm keine Zeit hochzufahren. Das gilt aber für euch alle.“ Sie nickten, Dakehro sagte: „Überlass das mir. Der große Klotz wird nicht wissen, wie ihm geschieht.“ Ich fuhr fort: „Sivila, du bist die gewandteste Kämpferin unter uns, weshalb ich vorschlage, dass du die beiden Modelle übernimmst, die auf den Nahkampf ausgerichtet sind. Kriegst du das hin?“ Sivila stieß einen abwertenden Ton aus und sagte: „Für wen hältst du mich? Dämliche Wächter können es nicht mit einer Gerudo-Kriegerin aufnehmen.“ Ich lächelte und wandte mich dann an Manori: „Ich denke es wäre gut, wenn du dann-“ „Wenn ich den übernehme, der übrig ist, schon klar“, fiel er mir ins Wort. „Thefa, du machst dir zu viele Sorgen. Wir packen das schon.“ Er wirkte zuversichtlich. Ich schluckte und sagte: „Freut mich zu hören. Ich selbst werde aus der Distanz die drei Wächter angreifen, die oben an den Wänden angebracht wurden. Was auch immer die bewachen sollen, ich hoffe wirklich, dass es das wert ist. Ich zähle auf euch.“   Zur Sicherheit ging ich hinter dem Altar in Deckung. Der Pfeil war bereits an meinem Bogen angebracht. Ich atmete einmal tief ein und aus, dann fragte ich in die Runde: „Bereit?“ Ich bekam zustimmende Rufe zurück. „Na schön“, sagte ich. „Es geht los.“ Ich zielte auf den Stein und schoss. Kapitel 8: Aufgewühlt --------------------- Sobald der Pfeil den Stein traf, strahlte dieser in einem hellen Blau auf. Jenes Kraftfeld, von dem wir zuvor gesprochen hatten, breitete sich in aller Schnelle aus und durchflutete den gesamten Raum. Sofort wurde es hell, Lichtquellen leuchteten auf, die Wände waren von fließender Energie gezeichnet. Die schlechte Luft wich einer überraschenden Frische, sodass mir von dem plötzlichen Wechsel kurz schwindelig wurde. Auch der Altar vor mir sah nun aus wie neu, was er momentan auch irgendwie war. Mehr als deutlich war zu erkennen, dass dieser am Energiefluss angeschlossen war. Irgendwas konnte hier aktiviert werden, aber ich hatte nicht die Zeit, mich damit auseinanderzusetzen, denn wie erwartet erwachten auch die Wächter nahezu sofort. Die anderen waren schon mitten im Kampf und auch ich hatte bereits den ersten Wächter in meinem Visier. Die Spitze des antiken Pfeils leuchtete auf, als dieser ausfuhr. Der Wächter wirkte noch orientierungslos, sein Auge wirbelte wild umher. Ich ließ ihm keine Möglichkeit sich einzurichten und schoss ihm mitten in jenen unruhigen Schwachpunkt. Es flackerte noch kurz, bevor es sich endgültig abschaltete. Unglücklicherweise bemerkten mich beide Wächter daneben nahezu im selben Augenblick und setzten sofort zum Gegenangriff an. Nur knapp konnte ich meinen Kopf hinter dem Altar einziehen, sodass ich die Hitze des über mich hinüber geschossenen Strahls deutlich spüren konnte. Auf der Stelle klopfte mir das Herz bis zum Hals, ich begann zu zittern. Hektisch nahm ich ein paar kräftige Atemzüge, bevor ich mich traute hervorzukommen und erneut zu schießen. Ich zwang mich dazu das Auge eines Wächters zu fokussieren, aber durch die Panik fehlte mir die Konzentration, das Zittern meiner Hände erschwerte das Zielen um ein Vielfaches. Die roten Strahlen der Wächter ruhten auf mir, markierten mich als ihr Zielobjekt. Ich fühlte mich ihnen hilflos ausgeliefert…   Ich wusste, es war eine blöde Idee gewesen. Und gerade ich sollte Rückendeckung geben? Ich, die noch nie in einen richtigen Kampf verwickelt gewesen war? Gedanken kreisten um mich, Zweifel, Angst. Letztlich schoss ich, aber verfehlte bei Weitem. Mir blieb keine Zeit mich selbst zu verfluchen, denn erneut musste ich sofort in Deckung gehen. Der zweite meiner antiken Pfeile war damit zur reinsten Verschwendung geworden, bloß noch drei blieben übrig. Konzentrier dich, verdammt, dachte ich. Du kriegst das hin. Als ich wieder hervorlugte sah ich, dass einer der Wächter sich bereits ein neues Ziel aussuchte, nachdem ich aus dem Visier verschwunden war. Ich folgte dem Blick des mechanischen Auges und stellte fest, dass dieser eindeutig auf Sivila ruhte, welche nach wie vor in ihren Kampf mit den beiden anderen Modellen verstrickt war. Sie war zu abgelenkt, um die unmittelbare Gefahr zu erkennen. Vermutlich wäre es besser gewesen, hätte ich schnell gehandelt und sofort geschossen, noch bevor der Wächter zu seinem Zug kam. Doch ich war zu aufgebracht und allem voran zu besorgt. „Sivila, pass auf!“, schrie ich, ohne nachzudenken. Sivila kam aber zurecht, ihre Erfahrung half, dass sie sich nicht aus der Fassung bringen ließ. Sofort reagierte sie mit einem eleganten Rückwärtssalto, zeitgleich konterte sie mit ihrer Lanze noch die Schwerthiebe ihrer Angreifer. Sobald sie wieder am Boden war, schnellte sie hervor und schlug einem der Wächter mit aller Kraft die Lanze aus dem Griff. Sie rief mir zu: „Achte nicht auf mich, konzentrier dich auf deine Ziele!“   Nur kurz darauf sollte mir bewusst werden, wie recht sie mit diesen Worten doch hatte. Der dritte der Wächter, die ich zu übernehmen hatte, war währenddessen schließlich nicht untätig gewesen, von mir aber aufgrund meiner Sorge um Sivila unbeachtet geblieben. Erst, als ich Manoris schmerzhaften Aufschrei hörte, wurde meine Aufmerksamkeit auf diesen gelenkt. Während Manori mitten im Kampf verwickelt war, wurde er zum Ziel eines Strahls, der ihm ein sauberes Loch durch die Schulter schoss.   „Manori!“, rief ich besorgt. „Alles gut“, ächzte er, biss die Zähne zusammen und kämpfte so gut er konnte weiter. Bloß den Schild würde er aufgrund der Verletzung nicht mehr benutzen können, doch war dieser ohnehin mittlerweile ganz schön ramponiert.   Noch immer zitterte ich, als ich den Bogen wieder spannte, aber diesmal war ich konzentrierter. Ich fühlte mich schuldig, da ich meine Teamkameraden durch mein Zögern und meine Angst in Gefahr brachte. Manori war wegen mir verletzt worden. Kurz dachte ich darüber nach den Kristall zu deaktivieren, aber das wäre meinen kämpfenden Kollegen gegenüber nicht fair. Ich kam aus meiner Deckung hervor und versuchte, meine Ziele auf mich aufmerksam zu machen. Noch bevor eine Reaktion folgen konnte traf ich und das Mistding, das Manori durchlöchert hatte, war zerstört. Schnell belud ich den Bogen mit dem nächsten Pfeil, musste mich aber schnellstmöglich herunterstürzen, als mir gewahr wurde, dass der letztübrige Wächter schoss. Mein Sturz war so plötzlich und mit unnötig viel Schwung passiert, dass ich durch die unsanfte Landung mit Schmerzen zu kämpfen hatte. Ich versuchte es zu ignorieren, rappelte mich schnell auf und kümmerte mich um den Rest.   Unwillkürlich stieß ich einen Laut der Erleichterung aus, als auch das Licht des dritten Wächters erlosch. Und ich hatte sogar noch einen antiken Pfeil übrig. Hektisch ließ ich meinen Blick durch den Raum wandern, auf der Suche nach einer Gelegenheit die anderen zu unterstützen. Mein Gedanke war zunächst bei Manori, der durch die Verletzung wohl am eingeschränktesten war. Aus seiner Schulter musste bereits einiges an Blut geflossen sein, denn der Ärmel seines Pullovers war großteilig durchtränkt. Er war blass, schweißgebadet, bewegte sich schwerfällig. Ich bewunderte ihn dafür, dass er noch so gut kämpfen konnte, dass er noch die Kraft aufbrachte auf beiden Beinen zu stehen geschweige denn seine Waffe zu schwingen. Doch er sah aus, als würde er jeden Moment umkippen. Vermutlich war das Einzige, was ihm noch Antrieb gab das Adrenalin, das ihn durchströmen musste.   Ich wollte bereits losstürzen, der Pfeil war zum Abschuss bereit, doch schon aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass Dakehro wie ein Berserker herbeistürmte, unter Kampfesgebrüll und mit erhobener Waffe. Der größte aller Wächter in diesem Raum, dem er sich gestellt hatte, war ein Trümmerhaufen. Bei meiner flüchtigen Observierung bemerkte ich, dass das Auge der Maschine zerschmettert war und ich ging davon aus, dass dies seine erste Kampfeshandlung gewesen sein musste. Ein schlauer Zug. Dakehro holte aus und schlug dem Wächter den Kopf herunter, der gegen die nächste Wand klatschte. Es zischte und rackerte, kurz schlug das nun kopflose Modell wild mit seinem Schwert umher. Dann ließ es die Waffe sinken, das Licht verblasste und es wurde regungslos. Der Gorone lachte triumphierend auf und rief: „Ohne Kopf gefällst du mir viel besser!“ Nahezu sofort holte Manori ein Anflug von Schwäche ein, als er verstand, dass sein Kampf vorbei war. Er ließ das Schwert fallen und taumelte nach hinten. Dakehro war instinktiv dazu bereit ihn zu fangen, aber er wimmelte ihn ab. Ich eilte so schnell ich konnte herbei und fragte ihn: „Alles in Ordnung? Kannst du noch stehen?“ „Ja“, sagte er knapp. Es konnte nur gelogen sein. Seine graugrünen Augen verrieten seinen Schmerz. Nun, da ich ihn aus der Nähe betrachtete sah ich, dass er noch weitere Verletzungen eingesteckt hatte. Vor allem handelte es sich dabei um Schnitte, wobei einer an der Wange seines Gesichts ziemlich tief war. Das Ausweichen nach dem Schuss musste ihm wesentlich schwieriger gefallen sein. Ich schluckte. Es war meine Schuld. Ich hätte nicht zögern dürfen, diese Verletzung war mehr als nur unnötig. Sie war das Resultat reinster Dummheit meinerseits. Ich war nur froh, dass es keine gefährlichere Stelle abbekommen hatte. Über den Blutverlust machte ich mir wiederum große Sorgen.   Sivila war ebenfalls soeben fertig geworden. Gerade, als ich mich nach ihr umgesehen hatte sah ich, wie sie ihre Lanze aus dem Korpus von einem der Wächter herauszog. Der andere war bereits außer Gefecht gesetzt. Als sie zu uns aufschloss bemerkte ich, dass auch sie verletzt worden war, aber es beschränkte sich glücklicherweise auf einen oberflächlichen Schnitt an ihrem rechten Oberarm. Sie war ein wenig außer Atem, wirkte trotz ihres wesentlich schwereren Kampfes aber weitaus entspannter als ich. Sie befreite ihre langen und knallroten Haare aus ihrem Pferdeschwanz und schüttelte sie aus, um ihren Kopf nach dem Kampf besser atmen lassen zu können. Dabei sagte sie: „Dann wäre das auch endlich geschafft. Bei Din, wie ich diese verfluchten Wächter hasse.“ „Und ich erst!“, rief ich zustimmend aus. Nach wie vor klopfte mein Herz wie wild und mir stockte der Atem, aber ich war so froh, dass es vorbei war.   Sivila betrachtete den verletzten Manori mit besorgter Miene und sagte: „Du solltest dich verarzten lassen. Das sieht gar nicht gut aus.“ Der Meinung war ich ebenso. Ich sagte: „Zeria kennt sich ein wenig mit Medizin aus. Sie kann sich deine Wunden ansehen und dich behandeln.“ „Nein“, meinte er. „Es ist alles gut, ich muss das nur verbinden. Das ist nicht weiter schlimm.“ Dakehro sagte: „Du bist bleicher als die Geister unserer Vorfahren. Hör auf die beiden und lass dich verarzten.“ Manori sagte: „Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Wir alle wussten das. Ich hab ein bisschen was abbekommen, aber das ist nichts womit ich nicht klar käme.“ „Manori, du zitterst wie verrückt“, erwiderte ich. „Stell dich nicht so quer. Ja, du wusstest worauf du dich einlässt und du wusstest auch, dass du verletzt werden könntest. Was bedeutet, dass du hoffentlich auch wusstest, dass du eventuell untersucht werden müsstest. Vielleicht reicht ein Verbinden, aber lass es wenigstens professionell machen.“ „Ich muss mir das hier ansehen!“, rief er plötzlich, ein wenig wütend, beinahe verzweifelt.   Er fing schon wieder an. Schon wieder verhielt er sich so stur, so rebellisch, selbst seine Gesundheit war ihm egal. Was war nur in ihn gefahren? Was war aus seiner positiven, entspannten und verständnisvollen Einstellung geworden? Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte, aber Sivila nahm mir dieses Problem ab. Sie sagte: „Manori, wenn du nicht sofort deinen Arsch hoch zu Zeria bewegst wird deine Verletzung zu deinem geringsten Problem werden.“ Ihr bestimmender und drohender Unterton bereitete mir schon fast eine Gänsehaut. Manori blieb klug genug darauf nichts zu kontern. Sein Blick ruhte kurz auf Sivila, dann auf mir. Schließlich machte er kehrt, hob sein Schwert und seinen Schild auf dem Weg auf und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort zu sagen. Ich hatte nicht einmal die Möglichkeit bekommen mich für die Verletzung zu entschuldigen, was ich eigentlich tun wollte. Ich sagte: „Dakehro, begleite ihn bitte. Pass auf, dass er nicht noch mehr Dummheiten macht, ja? Und lass einen Feldarzt rufen. Vielleicht müssen auch andere Mal ordentlich durchgecheckt werden.“ Er nickte und sagte: „Kein Problem, mache ich gerne.“   Nachdem auch er den Raum verlassen hatte, seufzte ich tief aus. Nach dem Kampf konnte ich so einen Streit nicht auch noch gebrauchen. Das war einfach zu viel. Sivila fragte: „Man, was ist denn mit dem los?“ „Keine Ahnung“, antwortete ich. „Seit wir den Tempel freigelegt haben verhält er sich schon so seltsam. So als gäbe es hier etwas, um das er sich unbedingt kümmern muss. Ich weiß, dass ihm viel an seiner Dissertation liegt, aber das ist doch kein Grund gleich auf die Barrikaden zu gehen.“ „Deshalb hat er sich letzte Nacht rausgeschlichen, oder? Das wirkt untypisch für ihn.“ Ich nickte. „Ja, finde ich auch. Wenn er mir doch wenigstens sagen würde, was los ist.“ „Denkst du es gibt etwas, das ihn belastet?“ „Und ob. Er hat mir auch gesagt, dass dieser Fund aus persönlichen Gründen wichtig für ihn ist, aber er wollte nicht genauer werden.“ „Vielleicht solltest du nochmal mit ihm reden, wenn er sich beruhigt hat.“ „Vielleicht. Wenn er denn auch mit mir reden will. Aber lassen wir das“, schloss ich fürs erste damit ab. „Wir haben hier noch was zu tun.“ „Richtig“, stimmte Sivila mir zu. „Endlich kommen wir zum guten Teil. Bin gespannt was so wichtig war, dass es derartigen Schutz brauchte.“ „Und ich erst. Ach und, du solltest daran denken deine Schnittwunde zu versorgen.“ „Stimmt, da war ja etwas. Warte mal eben, ich kümmere mich schnell darum.“   Glücklicherweise hatte sie in ihrer Gürteltasche alles dabei, um ihre Wunde selbst zu versorgen, wobei ich im Notfall auch selbst mit Erster Hilfe eingedeckt war. Sie tupfte das Blut mit einem sauberen Tuch ab, desinfizierte den Schnitt mit purem Alkohol und wickelte zum Schluss ein steriles Verband darum.   Sivila und ich einigten uns darauf, dass der Altar derzeitig der interessanteste Fund war, den es zu beleuchten galt. Uns fiel schnell auf, dass das Material kein gewöhnlicher Stein war, wie es üblicherweise bei Altären in großen Heiligtümern vorzufinden war. Um was genau es sich handelte würde eine Probenuntersuchung erfordern, aber bei bloßer Betrachtung und Berührung ging ich von demselben aus, aus dem auch Wächter erbaut wurden. Daraus ließ sich erneut die ungefähre Erbauungszeit ableiten, gleichend mit der Erbauung der Schreine, der Wächter, der Türme und auch der Titanen. Es musste bereits 10.000 Jahre alt sein, mindestens. Und wenn Manori Recht behielt mit der Zeit, die uns der Stein zurückbrachte befanden Sivila und ich uns nun ebenfalls 10.000 Jahre in der Vergangenheit. Der Gedanke sprengte den Umfang meiner Aufnahmefähigkeit. Es war so unglaublich, so unwirklich. Wenn der Kampf und der Streit nicht vorangegangen wären, wäre ich nun wesentlich begeisterter.   Sivila sagte: „Hier sind doch lauter Schlitze auf der Oberfläche und auch an der Seite. Das bedeutet auf jeden Fall, dass man hier irgendwas öffnen kann. Vielleicht gibt es einen Mechanismus, um sie zu öffnen. Vielleicht würde auch etwas herausfahren. Was denkst du?“ „Ich könnte mir das auch vorstellen. Wir sollten die Augen nach Schaltern oder Hebeln oder sowas offen halten.“ Wir tasteten den Altar von allen Seiten ab, gründlichst, und als wir nichts fanden und auch nichts geschah tasteten wir dieselben Stellen erneut ab. Aber recht bald mussten wir einsehen, dass wir so nicht weiterkommen würden. Am Altar selbst schien es keine aktivierenden Teile zu geben. „Das bringt nichts“, sagte Sivila. „Ich schau mich mal im übrigen Raum um, vielleicht finde ich so etwas.“ „In Ordnung“, entgegnete ich. „Ich mache solange ein paar Fotos.“   Sivilas kritischer Blick wanderte zu allen Ecken, betrachtete alles gründlich von oben nach unten. Derweil hatte ich meinen Shiekah-Stein hervorgeholt und fotografierte den Altar von verschiedensten Seiten. „Hast du schon was interessantes entdeckt?“, fragte ich während meiner Tätigkeit. Sie antwortete: „Ein paar Symbole hauptsächlich, aber sonst… warte, dass hier ist glaube ich irgendwas.“ Ich hielt inne und sah mich nach ihr um. „Was?“, fragte ich. „Naja, hier. Es sieht nicht auffällig aus, aber die Stelle an der Wand fühlt sich irgendwie anders an. Glatter und auch wärmer. So als würde die Energie sich hier konzentrieren oder so.“ Sie tastete die Stelle gründlicher ab, während ich mich dazu entschloss zu ihr aufzuschließen. „Lass mich mal fühlen“, sagte ich und legte meine Hand darauf. Sie hatte Recht, vor allem die angenehme Wärme war deutlich zu spüren. Ich half ihr beim Abtasten. Die Stelle war rechteckig, quaderförmig, von der Fläche her nur ein wenig größer als ein gewöhnliches Shiekah-Stein-Modell.   „Hier sind auch Schlitze an den Seiten“, sagte Sivila nach einer kleinen Weile. Sie fuhr die betroffenen Linien mit ihren Fingern ab. Ich kniff die Augen enger zusammen und ging näher heran. Man konnte sie erkennen, aber sie waren mit bloßem Auge wirklich leicht zu übersehen. Die dunkle Farbe der Wände war eine gute Tarnung. Ich fragte: „Und was bedeutet das jetzt? Denkst du man kann hier was öffnen?“ „Ich hab eine Idee“, sagte Sivila. Sie griff in ihren Stiefelschacht und zog ein Messer heraus, mit gebogener Klinge und goldenem Griff. „Wenn hier etwas zu öffnen ist, geht es vielleicht damit.“ „Einen Versuch ist es wert, schätze ich“, sagte ich.   Es dauerte eine Weile, bis sie es schaffte die doch relativ dicke Klinge in den schmalen Schlitz zu stecken. Ich war nicht sicher, ob sich dahinter wirklich etwas verbergen würde, aber recht bald versank die Klinge immer tiefer, wobei Sivila eine Menge Druck ausüben musste. Sivila sagte: „Ich glaube das ist eine Abdeckung, wie ein Deckel. Ich kann sie bestimmt lockern, warte…“ Wie einen Hebel drückte sie ihr Messer zur Seite. Überrascht wich ich aus, als die Abdeckung sich löste und herausfiel. Mit einem Poltern schlug sie auf dem Boden auf.   Bei der Entdeckung warfen Sivila und ich uns skeptische Blicke zu. Hinter der Abdeckung waren mehrere Reihen gelbleuchtender Kreise versteckt gewesen, aus denen die Wärme nur so herausströmte. „Was soll das sein?“, fragte ich. „Vielleicht muss man sie berühren?“, fragte Sivila ähnlich ratlos. „Bist du dir sicher?“ „Sicher nicht, aber findest du nicht auch, dass die Kreise ein wenig wie leuchtende Knöpfe aussehen? Vielleicht haben wir hier den Aktivierungspunkt gefunden, nachdem wir die ganze Zeit gesucht haben.“ „Könnte sein. Lass mich aber zuerst ein Foto machen.“   Nachdem dies erledigt war, erlaubte ich, dass Sivila einen dieser vermeintlichen Knöpfe berührte. Sobald ihr Finger mit diesem in Kontakt kam, wechselte dieser die Farbe von leuchtendem Geld zu einem angenehmen Blau. „Und jetzt?“, fragte ich. Sie sagte: „Es ist blau geworden, aber sonst? Soll ich noch einen drücken?“ „Ja, versuch’s mal.“ Sie färbte ein paar weitere Stellen ein. Insgesamt kam sie auf neun, bevor diese sich zurück zu ihrer Ausgangsfarbe umfärbten. „Es hat sich nichts getan“, sagte ich. „Wir sind wieder am Anfang.“   Sivila schien einen Einfall zu haben. Ihr Gesichtsausdruck erhellte sich und  sie sagte: „Ich glaube ich weiß, was das ist. Sowas gibt es auch in manchen Gerudo-Heiligtümern. Schalter, die in einer bestimmten Reihenfolge aktiviert werden müssen, um etwas freizulegen. Wir müssten nur die richtige Kombination herausfinden.“ „Das klingt einleuchtend. Aber das könnte lange dauern. Bei neun Knöpfen, die wir in einer bestimmten Reihenfolge aktivieren müssen und dass bei dieser Menge an Auswahlmöglichkeiten… eigentlich habe ich bei dem Gedanken daran schon keine Lust mehr.“ Sivila lachte und sagte: „Einladend ist das nicht, aber ich finde wir sollten es ausprobieren.“ „Na schön, du hast ja Recht. Ich schreibe unsere Versuche auf. Ich denke, dass ich ziemlich viel Papier brauchen werde.“ Kapitel 9: Überraschendes ------------------------- Wir versuchten und versuchten es über einen Zeitraum, den wir im Nachhinein nicht genau bestimmen konnten. Irgendwann hatte ich mich auf den Boden gesetzt und lehnte mich gegen die Wand. In meinem Schoss war mein Klemmbrett, auf dem ich die Kombinationen mitskizzierte, die Sivila ausprobierte und mir diktierte. Uns wurde erst klar, wie lange wir hier gewesen sein mussten, als Dakehro zu uns zurückkehrte und sagte: „Ist alles in Ordnung bei euch? Es ist schon längst Abend. Ich wollte euch zum Abendessen holen, weil ihr ja schon das Mittagessen verpasst habt.“ Irritiert schaute ich zu ihm herauf und fragte: „Es ist schon Abend? Verflucht, wie lange versuchen wir das hier schon?“ Sivila war ähnlich verwirrt und sagte: „Keine Ahnung, aber so lange kam es mir eigentlich nicht vor…“ Dakehro fragte: „Was macht ihr denn die ganze Zeit?“ Sivila erklärte: „Wir haben hier eine Art Schalter gefunden. Wir glauben, dass wir etwas in diesem Raum bewirken können, wenn wir diese Knöpfe in einer bestimmten Reihenfolge aktivieren. Sie ändern die Farbe, wenn man sie berührt, siehst du?“ Sie demonstrierte das Ganze. Leider tat sich auch bei diesem Versuch nichts. Dakehro schaute skeptisch und sagte: „Klingt total langweilig. Das habt ihr die ganze Zeit gemacht, ernsthaft?“ „So ziemlich“, antwortete ich mit einem überforderten Lachen. „Ich habe jede Kombination, die wir ausprobiert haben mitgeschrieben.“ Ich ließ ihn einen Blick auf die etlichen herumfliegenden beschriebenen Zettel, die um mich herum lagen, werfen.   „Okay“, meinte Dakehro. „Ihr müsst auf jeden Fall eine Pause machen. Ihr seht schrecklich übermüdet aus. Und ihr könnt mir NICHT erzählen, dass ihr nicht am Verhungern seid.“ Dass konnte ich nicht verneinen. Schon als er zuvor auf das Abendessen zu sprechen gekommen war, hatte sich mein knurrender Magen gemeldet. Sivila sagte: „Ich könnte auf jeden Fall etwas vertragen. Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr runterbekommen.“ Ich stimmte nickend zu und sagte: „Ich habe schon richtige Kopfschmerzen. Seltsam, dass ich das erst jetzt merke. Aber“, sagte ich, „lass uns noch drei Kombinationen ausprobieren, bevor wir gehen, in Ordnung?“ „Klingt gut“, sagte Sivila. Dakehro schnaubte. Er sagte: „Wenn ihr unbedingt wollt. Aber, Thefa, bevor ihr anfangt wollte ich dir noch sagen, dass du einen Brief bekommen hast. Er kommt aus Hyrule-Stadt. Ich denke mal das könnte von dieser Shiekah-Expertin sein.“ „Ah, ja, bestimmt. Danke für die Info“, sagte ich.   „Sag mal“, meinte ich bevor wir fortfuhren, „wie geht es eigentlich Manori?“ „Ach“, machte Dakehro, „schon besser. Am Anfang war er eingeschnappt wie ein Kind, dem man keinen Lutscher kaufen will, aber Zeria hat ihn ordentlich zusammengestaucht. Das hättet ihr sehen müssen, es war zum Totlachen!“ Sivila lachte auf und sagte: „Kann ich mir gut vorstellen, Zeria ist bei sowas wirklich streng. Ich habe mir nach dem Training mal was gezerrt und sie das untersuchen lassen. Bei Din, ich habe sie noch nie so furios erlebt.“   Ich sagte: „Freut mich jedenfalls zu hören, dass es ihm besser geht. Was ist mit dem Feldarzt? Hat sich schon was ergeben?“ Dakehro antwortete: „Ich habe dem Orni-Postboten, der deinen Brief gebracht hat eine Nachricht mit der Anfrage mitgegeben. Ich denke wir kriegen morgen Auskunft.“ „Sehr gut. Danke. Bleibst du bis wir fertig sind hier bei uns?“ „Oh ja“, meinte der Gorone. „Ich kann doch nicht verantworten, dass ihr vielleicht wieder die Zeit vergesst. Ihr müsst endlich was essen, verdammt!“ Sivila und ich kicherten.   Beim ersten Versuch tat sich wieder nichts. Aber beim zweiten gab es wider Erwarten tatsächlich eine Reaktion. „Oh ihr Göttinnen!“, rief Sivila aus. „Thefa, Dakehro, seht euch das an!“ „Was, was?“, fragte ich und sprang wie von einer Wespe gestochen auf, auch Dakehro kam näher, um es sich anzusehen. Die aktivierten, blauen Knöpfe nahmen nacheinander eine grellgrüne Farbe an. Ich bekam noch mit, wie die letzten vier sich einfärbten. Dakehro fragte: „Äh, ist das gut?“ Ich antwortete: „Ich denke schon? Zumindest tut sich endlich etwas!“   Wir hörten ein Klicken, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Aus den Knopfreihen heraus wurde eine Linie sichtbar, die in selbigem Grün wie die aktivierten Knöpfe leuchtete. Sie zog sich bis zum Altar herüber. Wir folgten ihr und konnten beobachten, wie die Linie einen der quadratförmigen Schlitze auf der Oberfläche des Altars ausfüllte. Das Leuchten intensivierte sich kurz, dann drehte die betroffene Fläche sich einmal um sich selbst. Zu sehen war ein länglicher Gegenstand auf einem hellblauen Kissen, all jenes hinter einem Glaskasten befestigt. Die Farbe des Gegenstands ähnelte dem Braun von Leder, aber schon ohne eine Berührung war klar, dass es kein Leder sein konnte. Dafür war es zu glatt poliert und zu glänzend. Am oberen Ende war ein weißes Shiekah-Auge abgebildet, am unteren eine weiße Sanduhr. In der Mitte befand sich ein tiefdunkler, lila Stein. Mit großen, neugierigen Augen betrachtete ich den Fund. So etwas hatte ich in meiner gesamten Laufbahn noch nie entdeckt. Und, wenn meine Erinnerung mich nicht täuschte natürlich, auch noch nie als Abbildung in Büchern gesehen. Dakehro war der Erste, der fragte: „Was genau ist das?“ Sivila sagte: „Sieht aus wie ein Band. Vielleicht eine Kette oder doch eher ein Armband? Ich wusste nicht, dass die Shiekah geheiligten Schmuck besitzen. Bisher hatte ich immer angenommen, dass das eine Besonderheit der Gerudokultur sei.“ „Das habe ich auch immer gedacht“, sagte ich dazu.   „Okay, wir machen das so“, sagte ich. „Zuerst machen wir ein Foto davon im Glaskasten, dann nehmen wir das Glas herunter und fotografieren es so. Danach nehmen wir es mit. Ich werde es Zeria zur Untersuchung geben, damit wir ungefähr ermitteln können, wie alt das hier ist.“ Sivila und Dakehro nickten mit dem Kopf zum Zeichen, dass sie verstanden hatten. Ich machte mich sogleich daran das erste Foto zu schießen, anschließend bat ich Sivila darum den Kasten vorsichtig herunterzunehmen. Das nächste Foto folgte sogleich.   Ich steckte den Shiekah-Stein wieder an den Gürtel um meine Hüften. „Dann wäre das geschafft!“, rief Sivila freudig aus. „Ich kann das Essen gar nicht mehr erwarten. Bin gespannt, was es gibt.“ Dakehro sagte: „Für mich und meine Brüder gibt es natürlich delikate Steine von der Spitze des Hylia-Berges. Ich bemitleide euch richtig dafür, dass ihr diese Köstlichkeit nie werdet genießen können.“ Sivilas Blick, den sie mir verstohlen zuwarf, sprach Bände. Mit deutlich sarkastischem Unterton sagte sie: „Oh ja, das ist ja so traurig…“   Ich holte einen Handschuh aus meiner Gürteltasche hervor und zog ihn über meine rechte Hand, dazu hielt ich eine Tüte zum Konservieren in meiner linken bereit. Mit größter Achtsamkeit machte ich mich daran den neuen Fund zu bergen. Doch als meine Hand nur wenige Zentimeter darüber schwebte, sprang das Band mich förmlich an. Ehe ich reagieren konnte, hatte es sich schon um mein Handgelenk gewickelt. Überrascht wich ich zurück und rief: „Was zum?!“ Dakehro und Sivila starrten das Band um meinem Arm mit großen, entgeisterten Augen an. Mein Blick, der auf diesem ruhte, war ähnlich entsetzt.   Dakehro fragte: „Ist das gerade wirklich passiert?“ Sivila sagte scherzhaft: „Naja, zumindest wissen wir jetzt, dass es ein Armband sein soll.“ Ich lachte, aber in einem deutlich nicht begeisterten Ton und sagte: „Sehr witzig!“ „Worauf wartest du? Nimm es ab“, meinte Sivila. „Denkst du, das hatte ich nicht vor?“, gab ich zurück. Ich legte meine Finger, die aufgrund der Aufregung begonnen hatten zu zittern, um das Band. Da ich keine Stelle auffinden konnte, an der das Armband zu öffnen wäre, zog ich einfach daran. Aber das half nichts. Also versuchte ich es über meine Hand zu ziehen, doch schien mir so als würde es bei dem Versuch stetig enger werden. Allmählich tat es richtig weh, es schnitt sich regelrecht in meine Haut.   Ich gab auf und sagte ein wenig verzweifelt: „Ich krieg es nicht auf. Es geht nicht!“ Dakehro meinte: „Das kann doch nicht sein. Warte, ich versuch es mal.“ Mit aller Kraft versuchte der Gorone das Band mit seinen wulstigen Fingern auseinanderzureißen. „Mach es nicht ganz kaputt!“, rief ich, aber meine Bedenken waren nicht nötig. So sehr er sich auch anstrengte, es entstand nicht einmal ein kleiner Riss. Er sagte: „Verdammt noch eins. Ich hab noch nie so ein stabiles Armband gesehen!“ Sivila sagte: „Ich versuche mal, es durchzuschneiden.“ Sie zog ihr Messer hervor und schob es unter dem Band durch. Die kalte Klinge auf meiner Haut schoss einen fröstelnden Schauer durch meinen Körper.   „Auch das geht nicht“, meinte Sivila, die mit dem Messer größten Druck auf das Band auszuüben schien und beim Schneiden immer ungeduldiger wurde. „Das kann doch gar nicht sein!“ „Okay“, meinte ich. Die Sorge um die scharfe Klinge an meinem Handgelenk stieg allmählich an. „Steck das Messer wieder weg bevor du mich schneidest, bitte.“   Obwohl ich wusste, dass es nichts bringen würde, zog ich nochmal ein wenig daran. Es fühlte sich zwar wie das typische Baumaterial der antiken Shiekah an, aber es war elastisch und dehnbar. Ich sagte: „Wenn Zeria gleich noch Zeit hat, lass ich sie das mal untersuchen. Ansonsten muss das bis morgen warten. Ich habe zu großen Hunger und zu große Kopfschmerzen, um mir jetzt weitere Sorgen darum zu machen. Kommt, gehen wir.“ Kapitel 10: Untersuchung ------------------------ Zeria war während meiner Abwesenheit leider schon von den anderen Gruppen eingespannt worden und versank nun regelrecht in ihrer Arbeit. Aber da diese Angelegenheit mit dem Armband wirklich seltsam war, verabredeten wir uns gleich früh am nächsten Morgen, um die Sache näher zu beleuchten. Ihr Zelt war die reinste Unordnung, vollgestellt mit Büchern, herumfliegendem Papier, Gerätschaften, Gläsern für Experimente und noch viel mehr. Ich nahm es ihr nicht übel, schließlich hatte sie kaum Zeit zum Aufräumen.   Ich hatte es mir auf einem Stuhl gemütlich gemacht, Zeria saß mir gegenüber. Dabei legte ich meine Hand in ihre, sodass sie das Armband durch eine Lupe betrachten konnte. Sie fragte: „Und du sagst, es hat dich angesprungen und sich von selbst festgesetzt, ja?“ Ich sagte: „Ja genau.“ „Aha“, machte sie nur. Ihre blauen Augen schrien die Skepsis geradezu in die Welt hinaus. Ich war versucht sie zu fragen, ob sie mir etwa nicht glaube, aber ich verkniff mir eine derartige Aussage. Zudem ich einsehen musste, dass es ziemlich unglaubwürdig klang.   „Also“, sagte sie nach einer Weile, in der sie konzentriert alle Kleinigkeiten des Bands betrachtet und hin und wieder daran gezogen hatte. Bevor sie mit ihrer Erklärung ansetzte, warf sie ihre langen blonden Zöpfe nach hinten. „Ich könnte versuchen etwas davon abzuschneiden und Tests durchzuführen, um das Material zu ermitteln. Aber ich bezweifle, dass das möglich ist, nachdem du mir erzählt hast, dass es nicht durchgeschnitten werden konnte. Die gute Nachricht ist, dass ich von so einem unzerstörbaren dehnbaren Material schonmal gelesen habe, ist aber schon eine Weile her. Es ist definitiv von den Shiekah entwickelt worden, aber ich habe nichts Genaues im Kopf, bloß, dass die Herstellung mit einem großen Aufwand verbunden ist und sich eigentlich gar nicht rentiert. Für dieses kleine Band sind wahrscheinlich ziemlich viele Ressourcen draufgegangen. Darum wurde die Produktion vor Jahrtausenden eingestellt. Wenn dieses Band also das ist, wofür ich es halte, hast du wirklich etwas seltenes entdeckt.“ „Okay“, sagte ich. „Und wie kommt es, dass es sich selbstständig machen konnte? Und es sich ohne weiteres zusammenschweißen konnte?“ „Keine Ahnung“, gab Zeria zu. „Magie?“ „Das kann nicht dein Ernst sein.“ „Wieso? Hältst du das nicht für möglich? Hyrule ist nun Mal ein magisches Land und gerade die Shiekah haben doch ihre eigenen Rituale und Praktiken. Würde mich nicht wundern, wenn dieser Gegenstand ebenso von Magie durchtränkt ist. Aber, wenn du immer noch skeptisch bist… es gäbe die Möglichkeit die Magie zu messen, die davon ausgeht.“ „Sowas geht?“ „Ja schon. Ich meine, Magie zu erfassen ist schwierig und die Methoden dazu sind weit entfernt von der Perfektion. Aber ich hab hier ein tolles Gerät, das Strahlung messen kann. Wenn die Skala gesprengt wird, können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit von Magie ausgehen.“ „Warte, Strahlung? Meinst du sowas wie radioaktive Strahlung?!“ Zeria lachte. „Keine Sorge“, sagte sie. „Magische Strahlung ist im Gegensatz zu radioaktiver nicht gefährlich. Dein Arm wird nicht zersetzt werden oder mutieren oder so, mach dir mal keinen Kopf.“   Das Gerät, das Zeria nutzte ähnelte einem Shiekah-Stein, doch war es wesentlich kompakter, dazu schauten an der oberen Seite zwei Antennen hervor. Sie hielt es über das Band und es begann sogleich in regelmäßigen Abständen zu piepen. „Das dauert aber ganz schön lange“, sagte ich, nachdem wir schon einige Minuten auf ein Ergebnis warteten. „Jap. Noch ein Beweis, dass es wahrscheinlich Magie ist. Das Gerät versucht auf ein Ergebnis zu kommen, kann dieses aber nicht erfassen. Da, siehst du?“, meinte sie nur kurz darauf und hielt mir den Bildschirm vor das Gesicht. Angezeigt waren drei Nullen. Ich fragte: „Und was heißt das jetzt?“ Sie erklärte: „ Das heißt, dass die Strahlung außerhalb des messbaren Bereichs liegt. Ganz einfach.“ Ich seufzte. „Magie also“, meinte ich. „Toll, dann brauche ich ja schon wieder einen Experten. Das übersteigt ja eigentlich mein Budget… Wie auch immer. Danke, dass du dir das angesehen hast.“ „Kein Problem, gerne. Übrigens, der Stein in der Mitte da. Ich gehe mal stark davon aus, dass das ein Stein der Zeit ist.“ „Ein Stein der Zeit? Bist du dir sicher?“ „Relativ sicher. Ich meine, klar, ohne genaue Proben kann ich das nicht bestimmen, aber es spricht vieles dafür. Steine der Zeit sind auch magisch und die Strahlung, die sie abgeben ist enorm, sogar im deaktivierten Zustand. Vielleicht hat das Gerät vor allem das gemessen. Außerdem passt es ja auch zum Thema des Tempels, oder nicht? Und die dunkle Farbe entspricht eigentlich haargenau der eines deaktivierten Stücks.“ „Du könntest recht haben. Kannst du das nicht genau überprüfen?“ „Der Stein ist ziemlich klein, aber ich könnte bestimmt ein Stück davon abnehmen und einen ersten Test starten.“ „Klingt gut, mach das doch bitte.“ „Alles klaro.“   Als ich mich wieder auf den Weg machen wollte, trat Manori in das Zelt. Er trug einen Pullover, weshalb ich nicht sehen konnte, ob er in ein Verband eingewickelt war, aber ich konnte es mir denken. Ein großes Pflaster bedeckte den tiefen Schnitt an seiner Wange. Sein schwarzes Haar, das er für gewöhnlich zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden trug, war ausnahmsweise offen. Es reichte ihm bis zum Kinn. Sobald er mich bemerkt hatte, nahm sein Gesicht einen überraschten Ausdruck an. Er sagte: „Oh, Thefa, hallo.“ „Guten Morgen Manori. Wie geht’s dir?“ Er antwortete: „Ach, weißt du, ganz gut eigentlich. Den Umständen entsprechend eben.“ Er lachte ein wenig verhalten, ich tat es ihm gleich.   Nach einer kurzen und unangenehmen Sprechpause sagte ich: „Hör mal, ich hatte gestern nicht die Gelegenheit mich zu entschuldigen.“ „Wofür denn?“, fragte er irritiert. „Wenn schon muss ich mich für mein Verhalten entschuldigen. Schon wieder.“ „Ja, ähm. Das finde ich eigentlich erstmal nicht weiter schlimm. Ich meine, ich wollte mich dafür entschuldigen, dass du von dem Wächter verletzt wurdest.“ „Aber das ist doch nicht deine Schuld, Thefa.“ „Doch, ist es. Ich hätte mich um den Wächter kümmern müssen, aber ich war zu vorsichtig, habe zu lange gezögert. Ich hätte es beenden müssen, bevor er dich verletzen konnte. Und das tut mir leid.“ „Thefa“, sagte er. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich wusste nicht, dass dich das so mitgenommen hat. Ich gebe doch nicht dir die Schuld dafür. Es war ein Unfall, mehr nicht.“ Ich war immer noch der Meinung, dass es mehr als nur ein Unfall war, aber ich war dennoch erleichtert, dass er es mir nicht übel nahm.   Ich fragte: „Ich nehme mal an du bist hier, damit Zeria dich nochmal durchchecken kann?“ Zeria nahm ihm die Antwort ab. Sie sagte: „Du hast es erfasst. Ich muss sicherstellen, dass seine Wunden sich nicht entzünden. Eigentlich habe ich alles gründlichst behandelt, aber man kann ja nie wissen. Außerdem muss ich sein Verband wechseln.“ „Ach so. Dann will ich euch nicht weiter stören.“ Ich war schon fast aus dem Zelt getreten, da richtete Manori nochmals das Wort an mich. Er sagte: „Warte noch kurz. Ich hab vergessen dir zu sagen, dass gestern ein Brief aus Hyrule-Stadt für dich gekommen ist.“ Ich sagte: „Ja, ich weiß. Dakehro hat mir gestern schon Bescheid gesagt, ich hab ihn auch schon gelesen.“ „Und?“, fragte er. „War es etwas wichtiges?“ „Der Brief war von der Expertin für antike Shiekah-Geschichte. Ihr Name ist übrigens Dolris. Sie hat mich bloß darüber informiert, dass sie in der nächsten Zeit nicht zu uns stoßen kann. Aber es steht mir frei sie zu benachrichtigen, wenn ich bei irgendwas Fragen haben sollte.“ „Na dann“, meinte er. „Schade, aber nett von ihr. Hast du denn schon etwas, worüber du sie ausfragen willst?“ Zeria klinkte sich ein und fragte: „Wahrscheinlich wegen des Bands, oder?“ Fragend hob Manori die Augenbrauen. Er fragte: „Band?“ Ich antwortete ein bisschen genervt, auch wenn ich versuchte es zu verbergen: „Ja, darüber hab ich definitiv auch Fragen. Hier, es geht darum.“ Demonstrativ hob ich mein Handgelenk hoch. „Das haben wir gestern gegen Abend gefunden. Es hat sich quasi von selbst angezogen und jetzt krieg ich es nicht mehr ab. Ich würde Dolris gerne fragen ob sie weiß, was es damit auf sich hat.“   Manoris Blick wirkte fast schon entsetzt. „Komm mal bitte näher“, sagte er. „Ich würde es mir gerne genauer ansehen.“ „Ähm, okay“, willigte ich ein und folgte seiner Bitte. Er starrte es an, so als könnte er nicht glauben, was er da sah. Es war eine Art der Verwirrung, die jemand nur dann aufbrachte, wenn er nicht damit rechnete etwas lange Verschollenes an einem ungewöhnlichen Ort wiederzuentdecken. Irritiert fragte ich: „Hast du sowas etwa schonmal gesehen?“ „Was?“, fragte er, als hätte ich ihn aus einem Strudel an Gedanken gerissen. Er sagte: „Oh, äh, also… nein, ich sehe das zum ersten Mal.“ „Sicher?“, fragte Zeria, die wohl ebenfalls irritiert war über Manoris Reaktion. Also hatte ich es mir nicht nur eingebildet. Sie sagte: „Du hast so verwirrt geschaut, man könnte meinen, das Armband wäre das Triforce oder sowas.“   Manori spielte die Sache runter. Plötzlich wirkte er tatsächlich so, als wäre es seine erste Konfrontation mit diesem Gegenstand. Er sagte: „Nein, wirklich. Ich bin einfach nur erstaunt darüber. Das ist alles.“ „Na dann“, meinte ich zögerlich. „Dann lass ich euch mal alleine. Bis nachher.“ Kapitel 11: Ungewissheit ------------------------ Vorerst war mein Plan, den Tag in meinem eigenen Zelt zu verbringen, um eine Zeichnung des Armbands anzufertigen. Ich wollte diese dem Brief beilegen, damit Dolris auch ein Bild von dem gefragten Gegenstand hatte. In der Hoffnung, dass sie damit etwas anfangen konnte. Um mich vollkommen darauf konzentrieren zu können, hatte ich Sivila die Leitung übertragen, nachdem ich die Aufgaben für heute im Team verteilt hatte. Eine grobe Skizze war bereits angefertigt. Ich trank einen Schluck Kaffee und betrachtete das bisherige Werk. Zwar zeichnete ich sehr gerne, es gehörte zu meinen liebsten Freizeitbeschäftigungen, trotzdem wünschte ich mir sehr, dass die mit Shiekah-Steinen angefertigten Fotokopien irgendwann auf Papier übertragen werden könnten. Das würde mir so viel Arbeit ersparen. Ich wollte gerade zum Weiterzeichnen ansetzen, als ich hörte, dass jemand die Plane zu meinem Zelt beiseiteschob. Es war Manori.   Er sagte: „Hallo Thefa, störe ich gerade oder kann ich reinkommen?“ „Nein, nein“, meinte ich. „Komm gerne rein. Willst du auch Kaffee? Ich hab mir gerade eine Kanne gemacht.“ „Danke, aber ich hab vorhin schon einen getrunken.“ Ich sagte: „Und, gibt es irgendwas worüber du reden willst? Ich weiß, dass du dich vermutlich langweilst, weil ich dir für heute frei von der Arbeit gegeben habe. Aber es wäre eigentlich ganz schön, wenn du mir etwas Gesellschaft leisten könntest. Sonst vereinsame ich hier noch.“ Er sagte: „Eigentlich bin ich wegen diesem Armband hier.“ „Ach ja?“, fragte ich und warf intuitiv einen Blick auf den besagten Gegenstand. „Hast du irgendwas herausgefunden oder worum geht’s?“ „Nicht ganz“, erwiderte er. „Okay?“   Mir fiel auf, dass er um seine Hüften seine Schwertscheide trug, mit der Waffe darin. Verwirrt legte ich meine Stirn in Falten und fragte ihn: „Wozu hast du denn dein Schwert dabei?“ „Ach, weißt du, ich…“ Während er vor sich her stammelte und scheinbar versuchte die richtigen Worte zu finden, zog er die Klinge langsam aus der Scheide heraus. Ich bekam ein ganz ungutes Gefühl. „Manori? Was hast du vor?“, fragte ich. Da ich nicht wirklich glaubte, dass er irgendetwas gefährliches vorhaben könnte, lachte ich bei meiner Frage leicht überfordert. Noch immer hatte er Schwierigkeiten damit passende Worte zu finden. Schließlich stieß er einen langen, gequälten Seufzer aus und sagte: „Ich wünschte wirklich, es hätte nicht so kommen müssen.“   „Ähm…“, machte ich. Ich war sprachlos. Was sollte ich darauf entgegnen? Also sagte ich erstmal nichts. Manori bedachte mich mit erwartungsvollen Augen, aber als nichts von mir kam machte er selbst den nächsten Schritt. Langsam ging er auf mich zu, mit erhobener Waffe, die Spitze auf mich gerichtet. Instinktiv sprang ich von meinem Stuhl auf und wich zurück, ähnlich langsam. Die Absurdität dieser Situation lockerte dann doch meine Zunge. Ich fragte: „Was wird das? Ist das irgendein Streich oder so?“ Manori hielt inne. „Streich?“, fragte er und lachte verhalten. „Wenn es doch nur einer wäre.“   Er ließ die Waffe ein wenig sinken und sagte: „Thefa, hör mal… bitte, nimm das nicht persönlich, okay? Ich hab dich wirklich gern und… ich hab einfach keine andere Wahl.“ „Wovon redest du da eigentlich? Manori, was ist mit dir los?“ Er stammelte erneut: „Ich, also… oder vielmehr WIR brauchen das Band. Ich meine…“ Überfordert schrie er auf, ruckartig streckte er mir die Waffe gezielt entgegen. „Warum musste es hier sein? Warum musstest du es finden?!“ Der gehobene Ton, die Bewegung mit der Waffe, dass ich mit dem Rücken gegen ein Regal stieß… all dies im selben Moment bescherte mir ein grausiges Zucken durch meinen ganzen Körper. Mein verstohlener Blick wanderte zum Ausgang. Sollte ich diesen erreichen, konnte ich vielleicht entkommen. Dakehro, Sivila und bestimmt auch die anderen Goronen würden mir helfen Manori wieder Verstand einzuprügeln. Ich musste nur irgendwie dorthin gelangen…   So verstohlen schien mein Blick aber doch nicht gewesen zu sein, denn Manori sagte: „Du willst wohl abhauen. Du hast Angst, klar. Warum solltest du auch keine Angst haben, ich bedrohe dich hier gerade mit einer Waffe… Folgender Vorschlag“, sagte er. „Ich stecke das Schwert weg, wenn du dich ohne Widerstand von mir fesseln lässt. Und ich verspreche dir, ich werde alles erklären, obwohl ich das eigentlich gar nicht darf. Ich mache das, weil ich dich mag Thefa, wirklich, glaub mir das bitte.“ Zögerlich nickte ich. Welche Wahl hatte ich denn? Schwerfällig, mit leicht zitternder Stimme brachte ich hervor: „Na schön.“   Er packte mich erstaunlich grob an, als er meine Hände hinter meinem Rücken zusammenband, obwohl er eigentlich nur einen Arm frei bewegen konnte. Dabei schien er jedoch darauf zu achten, meine Fesseln nicht allzu fest zusammenzubinden. Nur fest genug, dass ich sie nicht selbst lockern und mich befreien könnte. Ich traute mich gar nicht weiteres zu erfragen, aber das war auch gar nicht nötig, denn er begann von selbst zu erzählen. Er sagte: „Gestern habe ich dir doch gesagt, dass die Entdeckung dieses Heiligtums eine besondere Bedeutung für mich hat. Nun, wo fange ich an… dieser Klan, der die Nayru Temporis anbetet, der auch diesen Tempel hier erbaut hat, vor langer Zeit. Ich bin ein direkter Nachkomme.“ „Was?“, fragte ich verwirrt. „Du bist ein Shiekah? Wirklich?“ „Nicht direkt“, meinte er. Langsam stellte er sich wieder vor mich, wandte aber das Gesicht von mir ab. Er sagte: „Du hast es doch selbst herausgefunden. Mein Klan, oder eher meine Vorfahren wurden von den Shiekah ausgeschlossen. Sie waren geächtet, verhasst. Und warum? Weil die anderen Shiekah Angst vor ihnen hatten. Angst vor dem, wozu sie im Stande waren.“ Vorsichtig fragte ich: „Meinst du Manipulation von Zeit?“ Er nickte. „Sie fanden Möglichkeiten direkten Einfluss auf den Fluss der Zeit zu nehmen, konnten genaue Zeitpunkte bestimmen, zu denen sie reisen wollten. Zumindest in der Theorie. Sie erschufen Artefakte, Gegenstände, die dieses direkte Zeitreisen ermöglichen sollten, untersuchten wie die Harfe und die Okarina der Zeit funktionierten, um ähnliches selbst zu erschaffen. Erste Versuche gingen allerdings schief. Nicht wenige gingen für immer im Zeitverlauf verloren. Aber die Versuche hörten da noch nicht auf und letztlich wurden diese Unternehmungen für zu gefährlich befunden.“ Ich wagte es erneut eine Frage einzuwerfen: „Und deshalb wurden sie von den Shiekah ausgeschlossen, richtig?“   Kurz reagierte er nicht darauf. Er wirkte nachdenklich, wie er seine Arme verschränkte und ins Leere zu starren schien. Schließlich sagte er plump: „Ausgeschlossen, ja?“ Er lachte leise, so wie jemand lachte, wenn er eine absurde Tatsache nicht zu glauben vermochte. „Sie wurden nicht nur ausgeschlossen, sondern brutal niedergemetzelt. Es war ein einziges Massaker. Die Geschichte schweigt darüber, weil die Shiekah das Ereignis gut zu verschleiern wussten. Bloß wenige kennen die Wahrheit.“ Ich hatte keine Ahnung, wie ich das zu kommentieren hatte. Verschleierungen geschichtlicher Ereignisse waren keine Seltenheit und eine Möglichkeit, mit der Historiker und eben auch ich als Archäologin immer zu rechnen hatten. Daher erschütterte mich diese Aussage nicht. Stattdessen sagte ich: „Ich schätze dazu gehören die Nachkommen. Du eben. Mündliche Überlieferung nehme ich an?“ „Zum Teil mündlich, ja“, sagte er. „Manches wurde niedergeschrieben und in geheimen Archiven verwahrt. Zugänglich sind sie nur der Gruppierung, zu der die Überlebenden damals übergelaufen sind.“ „Und ich nehme mal an ihr Nachkommen seid noch heute Teil dieser ‚Gruppierung‘, ja?“ Er nickte bloß. Genaueres dazu wollte er wohl nicht sagen und ich wollte ihn auch nicht provozieren.   Ich spürte, wie meine hinter meinem Rücken gefesselten Hände zitterten, auch die Knie schlotterten mir. Ich hatte wahnsinnige Angst, war verwirrt, ratlos, hilflos und fühlte mich vor allem von einem Freund verraten. Bald konnte ich die Frage, die mir schon länger auf der Zunge brannte, nicht mehr zurückhalten. Mit zittriger Stimme fragte ich: „Ist das der einzige Grund, warum du bei meiner Ausgrabung bist? Hat deine Organisation dich dazu angestiftet?“ Manori schwieg noch immer und das war mir eigentlich genug der Antwort. Nichts wäre mir im Moment lieber gewesen, als in Tränen auszubrechen und ihn anzuschreien, aber diese Blöße wollte ich mir nicht geben. Stattdessen schluckte ich dieses Bedürfnis herunter. Doch ich brachte nicht die Kraft dazu auf ihn wütend anzuschauen, weshalb mein Blick nun gen Boden gerichtet war. Ich hoffte, dass er meine zitternden Lippen nicht bemerkte. Ich fühlte mich so verletzt, so hintergangen. Ich hatte ihn wirklich für meinen Freund gehalten. Er hatte zwar immer wieder betont, dass ich ihm wichtig sei, doch konnte ich das wirklich glauben? Angesichts der Tatsache, dass er mich mit einer Waffe bedroht und gefesselt hatte? Wohl kaum.   Bald sagte er: „Ich habe mich für die Ausgrabung angemeldet, weil ich interessiert an deiner Forschung war. Meine Organisation kam erst ins Spiel, als klar wurde, um was für ein Heiligtum es sich handelt. Nayru Temporis, das musste ich melden. Auch um meinetwillen!“ Dazu wollte ich gar nichts mehr hinzufügen. Mit aller Macht spielte ich meine zittrige Stimme herunter und sagte: „Du hast gesagt, du seist wegen des Armbands hier. Ist es eins dieser Experimente, dieser Artefakte deiner Vorfahren?“ „Ja“, antwortete er knapp. „Dann nimm es dir doch!“ Nun kam ich doch an dem Punkt an, an dem ich meine Stimme unweigerlich erhob. „Wozu brauchst du mich noch?! Ich will es gar nicht! Nimm es und verschwinde!“ „Das ist… leider nicht so einfach.“   Es wirkte, als wolle er sich überlegen, wie er das Problem am besten erklären konnte, jedoch kam er nicht mehr dazu. Genau in diesem Moment drangen zwei weitere in mein Zelt ein, mit erhobenen Waffen. Der eine führte einen Bogen beladen mit gleich zwei Pfeilen, der andere eine sichelförmige Klinge. Sie waren in roten und engen Ganzkörperanzügen eingekleidet, ihre Gesichter vollkommen von Masken bedeckt. Schockiert schnappte ich nach Luft, als ich das Symbol darauf erkannte. Ein umgedrehtes Shiekah-Auge.   „Du gehörst zu den Yiga?“, fragte ich bestürzt, aber leise. Manori antwortete nicht. Sein Blick ruhte kurz auf mir, ausdruckslos, bevor er sich den Neuankömmlingen zuwandte. Derjenige mit dem Bogen sprach: „Warum dauert das denn so lange, hä?“ Der Stimme nach zu urteilen handelte es sich bei ihm um einen älteren Mann. Sie war rau und tief. Manori sagte: „Ich bin ja schon fertig. Wir können gehen.“   Und die Panik in mir wuchs und wuchs. Gehen?, fragte ich mich. Wohin wollten sie mit mir?   Die zweite Person meldete sich: „Ich hoffe doch, du hast dich nicht schon wieder verplappert? Diesmal wird der Chef nicht nachsichtig mit dir sein.“ Scheinbar handelte es sich hierbei um eine Frau, ebenfalls eher im älteren Alter. Manori schaute mich an, als er sagte: „Ich habe nur gesagt, was nötig ist.“ „Gut“, meinte die Frau. „Dann Abmarsch. Wir haben genug Zeit vertrödelt.“   Manori packte mich überraschend sanft, als er mich nach draußen eskortierte. Die anderen beiden führten uns an. Es war kühl und windig, meine braunen Locken peitschten vor meinem Gesicht umher. Recht bald fröstelte es mir. Kein Wunder, mir blieb es schließlich nicht vergönnt meinen Mantel anzuziehen. Glücklicherweise hatte ich mich dagegen entschieden meine Stiefel auszuziehen, sodass ich zumindest geeignetes Schuhwerk trug. Ich wollte fragen, wohin sie uns brachten, ich wollte schreien und hoffen, dass mich jemand hörte. Aber meine Zunge blieb mir vor Angst im Hals stecken. Außerdem bezweifelte ich, dass jemand in hörbarer Reichweite war. Gemäß meinen Anweisungen sollte mein Team im Tempel in der Arbeit vertieft sein.   Der Mann mit dem Bogen sagte: „Ich hoffe echt dieses Armband ist das, was dein alter Zeit-Klan verspricht, Manori. Ich habe nämlich echt kein Bock darauf dieses Mädel zu uns zu führen, wenn das umsonst ist…“ Mädel? Ich bin Mitte 30!, wollte ich rufen, aber ich hielt mich zurück. Die Frau meldete sich dreckig lachend: „Du hast doch sowieso nichts Besseres zu tun, du Idiot! Hör auf dich zu beschweren und mach, was man dir sagt.“ Er grummelte ziemlich laut und erwiderte: „Pah, ich hatte sogar etwas vor, ob du es glaubst oder nicht, also laber nicht so daher!“ „Aha, was denn bitte, hm?“ „Erzähl ich dir doch nicht, du Ratte.“ Sie schnaubte und sagte: „Warum steckt mich der Chef IMMER mit dir zusammen? Du Mistkerl, du-“   Sie hielt inne, gab ein stummes Zeichen, das wir stehen bleiben sollten. „Was ist denn jetzt wieder?“, fragte der Mann genervt. Sie zischte ihn an und sagte: „Sei still du Alter! Jemand hat uns gesehen.“ Und tatsächlich war dort jemand, in relativ großem Abstand zu uns. Er hatte keinen Laut von sich gegeben. Ich war wirklich erstaunt darüber, dass sie ihn bemerkt hatte.   Der Beobachter war Lakus. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Von allen Leuten, die uns hätten bemerken können, musste es unbedingt der junge Student sein? Ehe ich reagieren konnte, verschwand die Yiga aus meinem Augenwinkel und tauchte urplötzlich an Lakus Seite wieder auf. Sie hatte ihn gepackt und hielt ihm ihre Sichel an den Hals. Grob schleppte sie ihn zu uns. Die Überforderung und die Angst waren ihm ins Gesicht geschrieben.   In mittlerweile hörbarer Reichweite zischte sie dem Orni-Jungen ins Ohr: „Wenn du auch nur einen Laut von dir gibst, war‘s das mit dir, Orni.“ Lakus wimmerte. Ich konnte es nicht mit ansehen. Trotz meiner eigenen Angst erhob ich das Wort und flehte sie an: „Lasst ihn gehen, er hat damit nichts zu tun. Bitte!“ Ohne, dass ich mitbekommen hätte wie er sich bewegte, stand plötzlich der Mann an meiner Seite und keifte: „Hat jemand erlaubt, dass du redest, hä? Halts Maul, oder ihr geht beide drauf!“ Bei den Göttinnen, das meinte er doch nicht ernst?!   Zu meiner Verwunderung ergriff Manori, der bisher kein einziges Wort gesagt hatte, Partei für mich. Er sagte: „Das werde ich nicht zu lassen. Du rührst sie nicht an.“ Sein Ton war ungewohnt bedrohlich und kalt. „Du gibst mir keine Befehle, Kleiner“, gab der Mann verärgert zurück. Man konnte die angefeindete Stimmung regelrecht in der Luft spüren. Eine Weile lang starrten sie sich nur an und auch wenn ich Manoris Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, da er mich nach wie vor gepackt hatte und hinter mir stand, war ich mir sicher, dass er genauso bedrohlich schaute, wie er klang. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis einer der beiden seine Waffe zog und den anderen attackierte. Und ich war genau zwischen ihnen, mitten in der Gefahrenzone, ohne eine Fluchtmöglichkeit. Mein Kopf glühte mittlerweile regelrecht vor Aufregung und Panik.   Die Yiga, die Lakus in Gewahrsam hielt, seufzte entnervt aus und sagte: „Hört auf zu streiten ihr Kinder, jedes Mal das gleiche.“ Sie senkte ihre Waffe. Lakus stieß erleichtert Luft aus und begann beinahe augenblicklich zu zittern. Scheinbar hatte er aus Furcht ziemlich lange den Atem angehalten. Das konnte ich nur nachvollziehen. Sie holte ein Seil hervor. Während sie ihn fesselte, sagte sie: „Wir nehmen diesen Orni mit. Der Chef wird entscheiden, was mit ihm passiert, klar?“ „Na schön, von mir aus“, willigte der Mann ein.   Wir setzten uns wieder in Bewegung. Dennoch wollte er es sich nicht nehmen lassen, weiterhin seinen Senf zu der Sache beizulegen. Er sagte: „Trotzdem wär’s doch einfacher, wenn wir sie einfach beide umbringen, ihr das Armband abknöpfen und dann verschwinden.“ „Nein“, meinte Manori entschieden. „Und wieso nicht? Erklär’s doch endlich und tu nicht so auf mysteriös“, sagte der Yiga. Die Frau klinkte sich ein und sagte: „Langsam ist’s wirklich mal Zeit uns ein bisschen was zu erzählen, hm? Ich würde auch gerne mal wissen, wozu ich mir hier den Arsch aufreiße, anstatt sie gemütlich zu töten.“   Sie sprachen vom Töten, als wäre es eine alltägliche Tätigkeit, das normalste der Welt. Diese Leichtigkeit zu diesem grausigen Thema stieß mir sauer auf. Was waren das nur für Leute? Doch noch schlimmer war, dass ich dadurch auf einen Gedanken kam, der mein Herz erschweren ließ. Ich fragte mich, ob Manori schonmal jemanden ermordet hatte. Hatte ich einen Mörder meinen Freund genannt? Auf einmal wurde mir ein wenig schlecht.   Manori seufzte hinter mir, er klang stark genervt. Sein Atem streifte meinen Nacken, worauf sich sofort sämtliche meiner Haare aufstellten. Er sagte: „Ich weiß doch selbst nicht genau, wie diese Geräte funktionieren. Ich will einfach nur Vorsicht walten lassen. Aber was ich weiß ist, dass das Armband nun mit ihrer Lebensenergie verbunden ist. Sollte sie sterben, hört es auf zu funktionieren. Und dann war wirklich alles umsonst.“   Verteidigte er mich also nur, weil er die Funktionstüchtigkeit des Armbands aufrechterhalten wollte? Die kleine Hoffnung, dass er auf meiner Seite war, weil ihm wirklich etwas an mir lag, verschwand immer mehr. Und zu wissen, dass das Armband scheinbar mit meinem Leben verbunden war, war ebenfalls keine Neuigkeit, die ich einfach verkraften konnte.   Der Yiga-Trupp führte mich und Lakus gezielt den Berg herab. Ich wollte mich so gerne vergewissern, ob es Lakus einigermaßen gut ging, aber er ging mir voraus. Bisher hatte er noch keinen Mucks von sich gegeben. Daher konnte ich mir nur denken, wie er sich fühlen musste. Vermutlich war er noch verängstigter als ich, schließlich hatte er keine Ahnung, was vor sich ging. Er war zufällig in diese Angelegenheit hineingerutscht. Ich wollte etwas tun, ihm helfen zu entkommen, aber wie nur? Noch nie hatte ich mich so hilflos gefühlt, es war die reinste Qual.   Nach einem langen Marsch hatten wir den Fuß des Berges erreicht. Brav erwarteten uns drei Pferde, die gemütlich grasten. „Also“, sagte der Mann, „Manori, das Mädel reitet dann mit dir, ne? Und der Orni?“ „Wohl oder übel mit mir“, meldete sich die Frau, die so klang, als würde ihr der Gedanke überhaupt nicht gefallen.   Manori führte mich zu einem schwarzen Hengst und schickte sich an, mir beim Aufsteigen zu helfen, als er wie aus dem Nichts aufschrie: „Nein!“ „Was is‘?“, fragten die beiden Yiga nahezu aus einem Mund. „Das Armband“, sagte er knapp, voll Unglaube. „Es hat sich aktiviert!“ „Du verarschst uns, oder?“, fragte der Mann.   „Manori, was ist los?“, fragte ich vorsichtig. Ich wusste nicht, ob er mich gehört hatte, denn er stieß mich wortlos von sich weg. Wütend und ratlos starrte er mich an. Die Frau schrie: „Du hast uns nicht gesagt, dass das passieren kann!“ Manori schrie zurück: „Das wusste ich doch selbst nicht, verdammt nochmal!“   In absoluter Verwirrung warf ich meinen Blick zwischen Manori und der Frau hin und her. „Aktiviert?“, fragte ich und vergaß kurz meine Angst vor den Yiga. Nun machte mir eher das Armband Sorgen. Manori presste angespannt seine Lippen aufeinander. „Das sollte nicht passieren“, murmelte er. Hilfesuchend blickte ich zu Lakus, der mich aus großen Augen heraus anstarrte. „Thefa, du“, stammelte er. Die Frau gab ihm einen Schlag auf den Hinterkopf, er ließ ein Winseln vernehmen. „Die Klappe halten sollst du“, sagte sie. Wütend biss ich meine Zähne aufeinander. Am liebsten hätte ich mich nun auf sie gestürzt, aber was konnte ich schon anrichten? Gefesselt, unbewaffnet und voller Panik?   Der Mann meldete sich. Er fragte: „Ja, was stehen wir denn so blöd rum, hä? Mach doch etwas Manori, ja?“ „Was denn?“, keifte gefragter zurück. „Ich kann da nichts machen, versteh doch!“ „Wie du kannst nichts machen?!“, schrie der Mann zurück. „Das kann nicht dein Ernst sein!“   Entsetzt stellte ich fest, dass ich ihre Stimmen immer dumpfer wahrnahm. Bald klang es eher wie ein fernes Rauschen. Ich fühlte mich zunehmend, als wäre ich unter Wasser, alle Geräusche klangen so weit entfernt. „Was geschieht mit mir?!“, schrie ich aus Leibeskräften, konnte mich dabei selbst kaum hören. „Manori, was passiert hier?!“ Doch war das scheinbar noch nicht genug, denn hinzukam, dass mein Sichtfeld allmählich verschwamm. Ich konnte kaum noch verstehen, was Manori antwortete. Nahezu kraftlos taumelte ich nach hinten, als mich eine eigenartige Leichtigkeit einnahm. Das Rauschen in meinen Ohren verklang immer mehr, meine Umgebung nahm ich zunehmend schlechter wahr. Um mich herum wurde es heller und heller. Ungläubig presste ich meine Augen mehrmals aufeinander, aber mit jedem Mal, dass ich sie wieder öffnete sah ich schlechter. Jedoch angemessen reagieren konnte ich darauf auch nicht. Ich fühlte mich nicht mehr als die Herrin meiner selbst. Letztlich konnte ich bloß noch erahnen, wie Manori auf mich zugestürzt kam, bevor alles um mich herum in weißem Nichts verschwand.   Urplötzlich stand ich auf einer Wiese. Es war scheinbar Abend, die Sonne stand tief, der Himmel war in tiefes Orange getaucht. Die Luft war kühl, aber angenehmer als zuvor, ohne den lästigen Wind. Die Wiese befand sich auf einer weiten Ebene, weit und breit war nichts zu sehen außer Bäumen und einem Feldweg. Wie war ich hier gelandet?   Kraftlos sank ich auf die Knie. Mit einem Mal überrollte mich alles, was ich an dem Tag hatte ertragen müssen. Ich zitterte und weinte, schaffte es gerade so das laute Schluchzen zu unterdrücken, Tränen liefen dabei in Strömen über mein erhitztes Gesicht.   Ich fühlte mich so erbärmlich, so hilflos. Mit aller Macht versuchte ich mich dem Verlangen nach Tränen ob meines Schmerzes zu verwehren, aber… sie mussten einfach ausbrechen. Schon lange hatte ich nicht mehr so sehr geweint. Die Todesangst, Angst vor der Ungewissheit, was die Yiga mit mir anstellen würden, Angst um Lakus… Am schlimmsten schmerzte jedoch, dass Manori in die Angelegenheit verwickelt war. Ich fühlte mich von ihm verraten, hintergangen, dabei hatte ich ihm vertraut, mir in den letzten Tagen so oft Sorgen um ihn gemacht! Wie konnte das nur passieren? Kapitel 12: Orientierung ------------------------ Bereits eine ganze Weile stapfte ich den Pfad entlang, der über der Steppe verlief. Mittlerweile prangten schon für längere Zeit die Sterne am Firmament. Die Außenluft war deutlich herabgekühlt, sodass ich meinen Atem sehen konnte. Ich war erschöpft und müde, hatte Kopfschmerzen vom vielen Weinen, schmerzende Füße und steife Glieder aufgrund der unnatürlichen Position meiner gefesselten Arme, die ich schon seit Stunden ertragen musste. Noch immer war mein Gesicht ein wenig geschwollen, viel schlimmer waren aber die getrockneten Tränen und das Nasensekret, die mein Gesicht benetzten. Ich fühlte mich so ekelhaft. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so ausgeheult. Ich wusste, dass ich sensibel war und den Tränen häufig gefährlich nahekam, aber ich war mittlerweile geübt darin diese zurückzuhalten. Aber das… war einfach zu viel. Und mein Magen meldete sich auch immer häufiger.   Ich bemühte mich darum immer geradeaus zu gehen, bei Weggabelungen tendierte ich dazu den linken Weg einzuschlagen. Bis auf weitere Bäume und ein paar Tieren wie Rehen und Hasen, hatte ich nichts neues entdeckt. Es war die reinste Einöde! Und ich war alleine, bloß meine Gedanken begleiteten mich. Gedanken an das, was mir wiederfahren war. Die Erkenntnisse von Manori, die ich leider hatte machen müssen, nagten heftig an mir. Ich fragte mich immer wieder, wieso ich es nicht hatte erkennen können. Er war immer so eine nette, liebenswerte und aufgeschlossene Person gewesen. Immer wieder war ich im Kopf durchgegangen, ob es irgendwann ein Zeichen gegeben hatte, irgendein Signal, das mich hätte vorwarnen können. Doch bis auf die letzten paar Tage, in denen er nahezu besessen von dem Tempel schien und häufig irrational handelte, war alles in Ordnung gewesen. Und zu diesem Zeitpunkt hatte ich ihm bereits vertraut, ihn als Freund betrachtet. Nie wäre mir in den Sinn gekommen, er könne unlautere Absichten haben. Auch die furchtbare Angst um Lakus Wohlergehen machte mir zu Schaffen. Ich betete zu den drei großen Göttinnen und zu Hylia, dass die Yiga ihm keinen Schaden zufügten. Oder ihn gar schon umgebracht hatten, woran ich überhaupt nicht denken wollte. Der junge Orni hatte das einfach nicht verdient. Als Leiterin der Ausgrabung war ich für ihn während seines Praktikums verantwortlich. Obwohl ich wusste, dass ich den Yiga nichts entgegen hätte setzen können, so fühlte ich mich dennoch schuldig Lakus nicht geholfen zu haben. Irgendetwas hätte ich doch tun müssen…!   Bald versuchte ich mit aller Macht sämtliche dieser Gedanken zu vermeiden. Momentan hatte ich andere Sorgen, um die ich mich kümmern musste. Forsch zwang ich mich dazu nach vorne zu blicken und immer weiter zu gehen. Irgendwann musste doch ein Dorf oder eine Stadt auftauchen, wo man mir bestimmt helfen würde. Ganz bestimmt.   Ich traute meinen Augen nicht ganz, als ich sah, wie ein Mann in einiger Entfernung zu mir mit von sich gestreckten Beinen auf dem Boden saß, mit den Händen stützte er sich ab. Er schien nichts anderes zu tun, als gedankenlos in den Himmel zu starren. Was machte er hier im Dunkeln, ganz alleine? Verwundert ging ich auf ihn zu. Ihn schien mein vorsichtiges Näherkommen nicht weiter zu irritieren. Gemütlich blickte er zu mir auf, als er meine Anwesenheit bemerkte. „Oh, eine schöne Nacht wünsche ich“, begrüßte er mich herzlichst. Irritiert über diese Reaktion stammelte ich: „Ähm, ebenfalls…“ Er lachte ein wenig und wandte seinen Blick wieder den Sternen zu. Verträumt sagte er: „Ich bin wohl nicht der einzige, der den nächtlichen Frieden wertschätzt. Nach einem harten Tag wünsche ich mir nichts sehnlicher, als auf den Wiesen zu entspannen und das Funkeln der Sterne zu betrachten. Heute sind sie besonders schön, findest du nicht auch?“ Ich folgte seinem Blick und konnte bloß zustimmen. Die Sterne schienen sich heute besonders viel Mühe beim Strahlen zu geben. Ich sagte: „Ja, du hast Recht. Aber, ähm, um ehrlich zu sein bin ich nicht ganz freiwillig in der Nacht unterwegs.“ „Ach nein?“, fragte er und blickte wieder zu mir auf. „Wie das?“ Wie sollte ich das nur erklären? Ein bisschen überfordert sagte ich: „Das ist… naja, sagen wir… eine lange Geschichte. Jetzt habe ich mich wohl oder übel verlaufen. Und mir sind ein wenig die Hände gebunden…“ Demonstrativ drehte ich mich leicht zu Seite, um dem Fremden die Möglichkeit zu geben die Fesseln auf meinem Rücken zu sehen. Er machte große Augen und sagte: „Die Hände gebunden, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.“ Der Mann räusperte sich ein wenig verlegen, ehe er fortfuhr: „Mich geht das ja nichts an, deshalb frage ich nicht weiter. Aber kann ich dir dabei helfen, die Fesseln zu entfernen?“ Oh Hylia, dachte ich verzweifelt. Ich wollte gar nicht wissen, was für Szenarien er sich gerade ausmalte, die zu meinem derzeitigen Zustand geführt haben könnten. Ich sagte: „Ja, bitte, das wäre zu freundlich!“ „Na dann“, meinte er und stellte sich rasch auf. „Dann lass mich mal sehen.“   Seine kalten Finger berührten meine Arme, als er sich an dem Seil zu schaffen machte. Er zog ein wenig daran, in alle Richtungen. Bald sagte er: „Dieser Knoten ist verflixt gut, das könnte glaube ich ein Weilchen dauern. Hätte ich doch nur ein Messer dabei…“ „Ist schon in Ordnung, lass dir Zeit“, meinte ich. Mehr als hoffen, dass er mit dem Knoten fertig werden würde konnte ich ja nicht.   Es dauerte einige Minuten, in denen der Mann hinter mir an den Fesseln herumhantierte. Währenddessen redeten wir nicht viel. Ich wollte ihn nicht stören und mir fiel auch kein geeignetes Gesprächsthema ein. Schließlich spürte ich, wie das Seil an meinen Händen herunterglitt und zu Boden fiel. Erleichtert stieß ich Luft aus. Sofort reckte und streckte ich meine steifen Arme. Es schmerzte ein wenig, aber das würde sich mit der Zeit schon wieder geben.   „Vielen Dank“, sagte ich zu meinem Retter. „Ich wünschte, ich könnte mich dir irgendwie erkenntlich zeigen, aber ich habe leider nichts bei mir.“ Er winkte ab und sagte: „Kein Problem, habe ich doch gerne gemacht. Du musst mir dafür nichts geben, war doch Ehrensache.“ Ich lächelte dankbar. Dass ich ihm begegnet war, war definitiv das Beste, was mir an dem Tag passiert war.   Bevor ich mich von ihm verabschiedete, fragte ich ihn noch: „Kannst du mir sagen, ob in der Nähe ein Dorf oder eine Stadt ist?“ Er verschränkte die Arme und überlegte. „Naja“, setzte er an, „Hyrule-Stadt ist in der Nähe, aber die Zugbrücke ist nachts hochgezogen, da kommst du nicht rein.“ „Zugbrücke?“, fragte ich verwirrt. „Du redest von der Hauptstadt, oder?“ Er nickte. „Ja, die Burgstadt natürlich. Was denn sonst?“ „Keine Ahnung“, antwortete ich vorsichtig. „Aber seit wann hat die Stadt denn eine Zugbrücke?“ „So lange ich denken kann. Vielleicht schon immer vermute ich.“   Ich fühlte mich komplett verloren. Wovon redete er da eigentlich? Aber ich beschloss, dass das Gespräch zu nichts führte, daher sagte ich: „Also gut, die Stadt kommt für mich dann nicht in Frage…“ „Ja“, sagte er. „Abgesehen davon… Kakariko ist nochmal weiter weg, da wärst du ein gutes Stück unterwegs. Heute Nacht kommst du da nicht mehr an. Aber du könntest versuchen, Unterschlupf in der Lon Lon Farm zu suchen. Mir haben sie schon oft unter die Arme gegriffen, als ich während meiner Laufeinheiten beispielsweise vom Regen überrascht wurde. Das sind wirklich nette Leute, kannst du mir glauben.“ Von diesen Neuigkeiten war ich maßlos enttäuscht. In Kakariko hatte ich Verwandte, die mir bestimmt geholfen hätten, aber wenn es so weit weg war… „Eine Farm, gut“, sagte ich. „Wie komme ich da hin?“ „Einfach dem Weg geradeaus folgen und bei der nächsten Gabelung hältst du dich rechts. Irgendwann wirst du sie sehen. Du brauchst vielleicht eine halbe Stunde, bis du dort bist.“ „Alles klar“, sagte ich. „Vielen Dank für die Hilfe. Dann verabschiede ich mich und hoffe, dass ich diese Farm finde.“ Ich lachte verhalten, er tat es mir gleich. „Keine Sorge“, sagte er. „Das ist nicht schwer zu finden. Vielleicht sieht man sich irgendwann nochmal.“   Ich fragte mich kurz, wo er die Nacht verbrachte, wenn es denn offenbar keine befestigte Siedlung in der Nähe gab. Recht bald verwarf ich etwaige Überlegungen allerdings wieder. Er war ein Fremder, der nicht wirkte, als sei ein fehlender Schlafplatz ein Problem. Stattdessen folgte ich seiner Wegbeschreibung und genoss unterdessen im Stillen die wiedergewonnene Bewegungsfreiheit. Sollte ich nun ein Abendessen erhalten und Wasser, um mein Gesicht zu waschen, wäre ich erstmal rundum zufrieden. Schlafen konnte ich im absoluten Notfall auch unter freiem Himmel, es wäre nicht das erste Mal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)