When the Sky Darkens von Votani ================================================================================ Kapitel 1: [1] -------------- THE FARMER Sie kamen in der Nacht. Scheinbar eins mit der Finsternis, die sich über Westeros gelegt hatte, erreichten die Geräusche zuerst das kleine Dorf, in dem in einigen Fenstern noch Licht von entzündeten Kerzen flackerte. Gelegentliches Grunzen wurde vom Wind herbeigetragen, ebenso wie Schritte, welche die Erde erzittern ließen, Knurren und das Schleifen von Metall auf dem unebenen Boden. Der alte Farmer, der zusammen mit seinem Sohn eines der Häuser bewohnte, entdeckte die unförmigen Gestalten als erstes, als sie über das Dorf herfielen. Mit ihrer Ankunft schien auch die Nacht finsterer zu werden und die Dunkelheit, die bis eben noch von einem halben Mond erhellt worden war, wurde mit einer undurchdringlichen Schwärze gefüllt, die verdorrtes Gras und tote Bäume hinter sich zurückließ. Ein Schrei steckte in der Kehle des Farmers, als die Gestalten, einige hochgewachsene und einige furchtbar klein, durch die Tür brachen und über sie herfielen, als sich eine verrostete Axt in seinen Magen grub. Es raubte ihm den Atem, als er auf die Knie sank und nach Luft schnappte. Die Wesen besaßen groteske Fratzen und schuppenartiges, mutiertes Fleisch, während einige von ihnen lederne Rüstungen trugen, die zerfressen und uralt wirkten. Eines von ihnen öffnete den Mund so weit, dass er in den Rachen des Wesens blicken konnte, bevor ein schriller Laut seine Trommelfelle zum Platzen brachte und die Axt aus seinem Körper gerissen wurde. Schwärze umfing ihn, als er nach vorn fiel und sein Blut sich auf dem Holzboden ausbreitete. JON Nach all den Geschehnissen der letzten Jahre hatte Jon angenommen, dass man sich an alles gewöhnen konnte. Inzwischen war er sich jedoch nicht mehr ganz so sicher, denn selbst nach all diesen Monaten des Friedens hatte er sich noch immer nicht an das schwere Metall der Krone auf seinem Kopf gewöhnt. Genauso wenig war der königliche Titel oder der unbequeme Eiserne Thron vertrauter geworden. Jon hatte gedacht, dass der mit Leichen gepflasterte Sieg über den Nachtkönig und anschließend auch über Cersei Lannister und ihre Armee die Welt ein wenig farbenfroher für ihn erscheinen lassen würde. „Eure Majestät?“ Doch stattdessen wirkte noch immer alles grau und trostlos, obwohl der Wiederaufbau von King’s Landing gut voranging. Der Palast hatte den Angriff ihrer Armee unbeschadet überstanden, doch das Gleiche konnte man nicht von den Dörfern oder den Häfen an der Küste behaupten. Letztere waren im Kampf von Eurons Flotte und Daenerys Drachen komplett ruiniert worden, wodurch der Handel eingeschlafen war. „Eure Majestät.“ All das hatte Jon nicht mit eigenen Augen gesehen, denn er war an diesen begehrten Stuhl gefesselt, in diesem Palast gefangen, in den er nie hatte Fuß setzen wollen. Wie genau ihn Varys und Tyrion nach Danys Tod im Kampf gegen Cerseis Armee dazu gebracht hatten, seinen angeblich rechtmäßigen Thron zu akzeptieren, war ihm auch heute noch ein Rätsel. „Jon“, rief dieselbe vertraute Stimme, die ihn davor bereits angesprochen hatte, doch ihn erst bei dem Ausruf seines Namens aus seinen Gedanken holte. Jon blinzelte und hob ruckartig den Kopf, um Sam anzuvisieren. Sein Freund stand vor dem Thron und hielt einen kleinen Zettel in der Hand, den ein Rabe ihm heute früh gebracht hatte. „Es tut mir leid, Sam“, sagte Jon und ein Seufzen lag auf seinen Lippen, welches er jedoch hinunter schluckte. „Was sagtest du?“ Das schmale, zaghafte Lächeln auf den Lippen seines besten Freundes sagte ihm jedoch, dass dieser ihn gut genug kannte, um es auch so zu erahnen. Sam räusperte sich, bevor er den Blick wieder bedeutungsschwer auf die Nachricht senkte. „Für gewöhnlich würde ich dem nicht so viel Aufmerksamkeit schenken, aber dies ist nun schon die fünfte Nachricht dieser Art, die uns ereilt. Scheinbar gab es vor einigen Tagen einen Angriff auf ein kleines Dorf in der Nähe von Riverrun.“ Ein Beben ging durch Sams stämmigen Körper, denn selbst nach all den White Walkers, die sie bekämpft und getötet hatten, hatte sich Sam seine Unschuld und seine Herzlichkeit erhalten und es rang Jon trotz der schlechten Nachrichten ein müdes Lächeln ab. „Das Dorf ist vollständig zerstört“, fuhr Sam unbeirrt fort. „Sämtliche Einwohner wurden... abgeschlachtet. Es soll aussehen, als sei eine kleine Armee einmarschiert, die alle umgebracht hat. Alles ist tot. Laut der Nachricht sogar... die Landschaft.“ Er hob den Blick, doch Jon sah in Sams Augen dieselbe Verständnislosigkeit, die auch er fühlte. „Ich verstehe nicht“, sagte Jon und lehnte sich auf dem Eisernen Thron nach vorn, die Stimme senkend, obwohl sie allein in der großen Halle waren. „Die Landschaft?“ Sam nickte, rasch und abgehackt. „Die Bäume. Das Gras. Jeder Busch im näheren Umkreis ist vertrocknet. Auch der Himmel erscheint farblos und trüb.“ „Bist du sicher, dass das nicht Übertreibung ist, Sam? Vielleicht hat es ein Feuer gegeben.“ „Hätten wir nicht schon mehrere Nachrichten erhalten, die identisch sind, was den Inhalt angeht, würde ich dir zustimmen, Jon“, erwiderte Sam und faltete den kleinen Zettel zusammen. Ein Zögern unterlag ihm, doch dann straffte er die Schultern. „Aber ich habe mir die Erlaubnis genommen, um Sandor und Grey Worm zu einer kleinen Ortschaft nicht weit von King's Landing zu schicken, wo es einen ähnlichen Vorfall gegeben hat.“ Sam hob die Hände in stummer Abwehr. „Ich weiß, dass die Kingsguard eigentlich nur da ist, um den König zu beschützen, aber--“ „Sam“, unterbrach Jon, wobei das Lächeln sich diesmal weniger schwerfällig auf seinen Lippen ausbreitete. „Du bist meine Hand. Ich vertraue dir. Wenn du es als nötig empfunden hast, dann akzeptiere ich das.“ Kurz meinte Jon ein verräterisches Glänzen in Sams Augen zu sehen, bevor er ernst wurde. „Jedenfalls haben beide das bestätigt, was die Nachricht besagt hatte. Allerdings können sie sich auch keinen Reim daraus machen, was dort geschehen ist.“ „Was willst du damit sagen, Sam?“, fragte Jon mit rauer Stimme, obwohl seine Instinkte bereits in Alarmbereitschaft waren und ahnten, worauf sein Freund hinauswollte. Unsicherheit flackerte in Sams Gesicht. „Dass ich noch von keiner Armee gehört habe, welche die Farbe des Himmels verändern kann.“ Unwillkürlich kehrten die Erinnerungen an den Nachtkönig und den White Walkers zurück, die Jon noch immer mitten in der Nacht heimsuchten. Es waren diese Momente, in denen er Ghost am meisten vermisste und sich nach dem weißen Direwolf sehnte, den Tormund mit hinter die Mauer genommen hatte. Jon lehnte sich zurück, da er keine Antwort auf Sams Worte hatte. CULLEN Der Wellengang war eben und ihre Reise bereits so lang, dass Cullen ihn kaum mehr wahrnahm. Allerdings konnte man dasselbe nicht von Lavellan behaupten. Ein Schmunzeln lag auf den Lippen des Kommandanten, als er die kleine Kabine betrat, die Lavellan und er während der Schifffahrt nach Westeros bezogen hatten. Mehr als eine Kommode und ein Bett mit durchgelegener Matratze befand sich nicht in ihr, doch Lavellan zog diese der salzigen Meeresluft und dem unendlichen Nass vor. „Du kannst nicht ewig im Bett verbringen, meine Liebe“, meinte Cullen, als er an dieses herantrat und die Frau betrachtete, die dort unter der rauen Stoffdecke eingerollt lag. Nur ein paar ihrer rotbraunen Haarsträhnen schauten heraus, die auf dem Kissen ausgebreitet lagen. Ein wenig so wie sie es letzte Nacht getan hatten... Bei dieser Erinnerung durchfuhr Cullens Körper ein heißer Schauer, als er sich auf der Bettkante niederließ. Lavellan gab ein Murren von sich, als sie sich auf den Rücken drehte und ihr Gesicht unter der Decke zum Vorschein kam. Es war fürchterlich blass, so dass die rötliche, verschnörkelte Tätowierung, welches sich über ihr linkes Auge bis hinunter zu ihrer Wange zog und Zeichen ihres Stammes war, scharf hervorstand. Er streckte die Hand nach ihr aus, um ihr ein paar Haarsträhnen aus der Stirn zu streichen und Lavellan öffnete die Augen bei seiner Berührung, gegen das grelle Tageslicht anblinzelnd, welches durch das Bullauge fiel. „Bitte sag mir, dass wir endlich in King's Landing anlegen, Cullen“, presste sie so atemlos hervor, so dass sich Cullen nicht erkundigen musste, wie es ihrem Magen erging. „Auf den Weg zurück nehmen wir den Weg über das Land. Egal, wie lang es dauern wird.“ „Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber Westeros und Ferelden sind mit keiner Landbrücke verbunden", antwortete Cullen. „Aber die gute Nachricht ist, dass wir schon heute Nachmittag King's Landing erreichen werden. Die Frage ist nur, ob man uns mit dem König sprechen lässt. Vielleicht hätten wir Josephine doch vorher einen Brief schreiben lassen sollen.“ Doch für diese Einsicht war es inzwischen zu spät, abgesehen davon, dass sie darüber vor ihrer Abreise schon ausgiebig debattiert hatten. „Das hätte viel zu lange gedauert. Außerdem weißt du, dass man uns nicht geglaubt hätte“, meinte Lavellan und setzte sich schwerfällig auf, nur ein loses Nachthemd tragend, welches sie weich und verletzlich wirken ließ, ganz anders als in ihrer Rüstung. „Soweit ich Leliana verstanden habe, gab es in der gesamten Geschichte von Westeros noch keine Verderbnis. Keine, die sich soweit ausgebreitet hat. Nicht, dass ich eine Expertin auf diesem Gebiet wäre...“ „Nein, aber du bist die Inquisitorin“, sagte Cullen, um Lavellans Zweifel Einheit zu gebieten. „Wenn jemand eine Audienz mit dem König bekommt, dann bist du es.“ Doch das war nicht der einzige Grund, weshalb Josephine, Leliana und auch Cassandra entschieden hatten, dass Lavellan ihre beste Chance war, um dieser Gefahr Einhalt zu gebieten. Nicht nur, dass sie in der Vergangenheit das Unmögliche möglich gemacht hatte, aber auch ihre Vergangenheit ähnelte der von dem jetzigen König der sieben Königreiche. Jon Stark war als Bastard aufgewachsen, während Lavellan einem Stamm von Ureinwohnern entstammte. Von keinem von beiden war etwas Großes erwartet worden, aber genau dies hatten sie vollbracht. Wie wenig Lavellan dieser Vergleich jedoch gefallen würde, wusste er, denn sie sprach nie über ihre Vergangenheit oder über den Vorfall, der sie zur Inquisitorin gemacht hatte. Cullen lehnte sich über das Bett, um seine Stirn gegen die von Lavellan zu lehnen und die Hand in ihrem Nacken und ihrem Haar zu vergraben. BRIENNE Sie versuchte nicht zu oft oder zu intensiv über die Situation nachzudenken, da ihr dies höchstens Kopfschmerzen bereiten würde. Schließlich war es immer schon ihr Wunsch gewesen, ein Mitglied der königlichen Garde zu sein und dieser hatte sich nun endlich erfüllt. Zudem hatte sie nicht vor, ihr Versagen, als sie Renly nicht hatte beschützen können, zu wiederholen. Doch Jaimes Anwesenheit machte es ihr schwer, sich vollständig auf ihre Verantwortungen zu konzentrieren, ganz besonders in Momenten wie diesen, in denen sie seine schneller werdenden Schritte hinter sich vernahm und er sie binnen weniger Sekunden eingeholt hatte. „Ser Brienne“, begrüßte er sie, obwohl etwas Zögerliches in seiner Stimme lag. Seine linke Hand lag auf seinem Schwertgriff und selbst aus den Augenwinkeln konnte Brienne nicht ignorieren, wie gut der andere Ritter der königlichen Wache in seiner goldenen, neuangefertigten Rüstung und dem weißen Umhang aussah. „Ser Jaime“, erwiderte sie, als er nichts weiter sagte, sondern lediglich neben ihr herging, als hätte er nach dem Sieg gegen den Nachtkönig nicht mit ihr geschlafen, um wenige Tage später fortzureiten und mit seiner Schwester zu sterben, auch wenn ihm dies nicht gelungen war. Doch Brienne würde nur den Kopf zur Seite drehen und den Blick heben müssen, um die Trauer in Jaimes hagerem Gesicht zu entdecken, die er noch immer mit sich herumtrug. Und obwohl das Wissen für einen Stich in ihrer Brust sorgte, so verstand sie, dass man einen Bund, der schon vor der Geburt geschlossen war, nicht einfach auslöschen konnte. Darum brachte sie es nicht einmal fertig, wütend auf den Mann zu sein, der ein furchtbar schlechtes Selbstwertgefühl besaß. Obwohl es verdreht war, verstand sie, warum er in besagter Nacht nicht bei ihr geblieben war, auch wenn es diese Zusammenarbeit in King's Landing nicht vereinfachte. Wie lange sie schweigend nebeneinander hergingen vermochte Brienne nicht zu sagen, doch irgendwann kam sie zu einem abrupten Halt. Wenn es nötig war, konnte sie professionell sein, doch dieses Schauspiel war selbst ihr langsam zu albern. Mit zusammengezogenen Augenbrauen funkelte sie den Mann an, der nach ein paar weiteren Schritten ebenfalls stehen blieb und ihr einen überraschten Blick über die Schulter zuwarf. „Darf ich mal fragen, was das werden soll?“, erkundigte sich Brienne und ihre Finger festigten sich um den eigenen Griff, wobei sie nie vergessen konnte, dass es das von Jaime geschenkte Schwert war: Oathbringer. „Ich... ich weiß nicht, was du meinst.“ „Tu nicht so, Jaime“, herrschte sie ihn an und seine Augen weiteten sich nur noch mehr bei ihrem Ton. „Willst du mir jetzt jeden Morgen bis zu meinem Posten folgen?“ „Zufällig bin ich eben...“, begann Jaime als Erklärung, brach unter ihrem skeptischen Blick jedoch mittendrin ab und fuhr sich mit der Hand über das bärtige Kinn. „Ich würde gern mit dir reden, Brienne“, sagte er dann und senkte die Stimme, obgleich sich niemand außer ihnen in diesem Gang der Feste befand. „Unter vier Augen und in Ruhe. Das wollte ich dir schon die ganze Zeit sagen, aber ich wusste nur nicht wie. Eigentlich habe ich es nicht verdient, dass du mir zuhörst, das weiß ich.“ Eine Weile sahen sie sich einfach nur an. Manchmal konnte Brienne kaum glauben, dass dieser Mann, der so furchtbar arrogante Reden schwingen und so schlagkräftig sein konnte, oftmals so herumdruckste. „In Ordnung“, presste sie schließlich hervor und bemühte sich darum, ihre Stimme möglichst neutral klingen zu lassen, während sie ihren Gesichtsausdruck schulte, damit er nichts von dem Gefühlswirrwarr in ihrem Inneren preisgab. Immerhin wusste sie nicht einmal selbst, wie sie fühlte oder was sie hiervon halten sollte, da hatte Jaime noch weniger Anrecht auf ihre Empfindungen. „Gut. Darüber bin ich froh“, antwortete Jaime und nickte, als läge es auf der Hand, dass dem so war. Erneut breitete sich Stille zwischen ihnen aus, ehe ferne Schritte ertönten und ein Soldat die Ruhe für sie brach. „Ser Brienne, Ser Jaime“, sagte dieser atemlos, als er um die Ecke des Ganges bog und die beiden Ritter antraf. „Jemand ist am Tor, der eine Audienz mit dem König verlangt!“ „Wer?“, forderte Jaime und der Bote der unerwarteten Nachricht zuckte zusammen, bevor er sich räusperte. „Sie nennt sich Inquisitorin Lavellan aus Ferelden.“ „Diesen Namen habe ich noch n—“ Doch bevor Jaime seinen Satz beenden konnte, trat Brienne näher. „Inquisitorin?", wiederholte sie. „Ich habe einiges über die Inquisition in Ferelden gehört - aber was bringt die Inquisitorin hierher?“ Der Soldat zuckte mit den Schultern. „Sie sagte, dass Sie dies nur mit dem König besprechen kann.“ „Bringt mich zu Ihr. Ich möchte mit Ihr sprechen“, entschied Brienne, die sich in solchen Situationen auf ihren Instinkt verließ. Ihre Menschenkenntnisse hatten sie selten im Stich gelassen, nicht einmal bei Jaime hatte sie sich geirrt, denn selbst all die Geschehnisse änderten nichts daran, das etwas Gutes in ihm steckte. „Sofort, Kommandant!“ Der Soldat wandte sich ab und Brienne schob sich an Jaime vorbei, vermied jedoch einen weiteren Blick in seine Richtung. Erneut zog sich etwas in ihrer Brust zusammen, denn sie beide hatten sich schon so oft voneinander entfernt und da war immer die Sorge, dass dies das letzte Mal sein würde. BLACKWALL Die Feste in King's Landing war ein eindrucksvolles Bauwerk, das sich majestätisch in den blauen Himmel erhob, auch wenn es trotz allem nicht an Skyhold heranreichte. Skyhold, welches seit dem Angriff von Corypheus in Haven als Stützpunkt der gesamten Inquisition fungierte, rief noch immer angenehme Erinnerungen in Blackwall hervor. Seine Gedanken kehrten oft zu dieser Festung zurück, in der er unter Lavellans wachsamen Augen Akzeptanz sowie eine zweite Chance erhalten hatte. Während die Stadtwachen sie durch die Ortschaft zur Feste führten und die Bewohner in den kaputten Straßen ihnen neugierige Blicke zuwarfen, schielte Blackwall aus den Augenwinkeln zu der schmalen Frau hinüber, die eine der wenigen Menschen war, die sein Geheimnis kannte. Lavellan ging neben ihrem Kommandanten her, die vertraute, dunkle Rüstung tragend, die bläulich schimmerte und mit einem blauvioletten Mantel abgerundet war. Ihre zwei Dolche ruhten in Halterungen auf ihrem Rücken und wurden den Wachen übergeben, als sie die Festung erreichten. Auch Cullen und Cassandra überreichten ihre Schwerter, während Blackwall langsamer den Schwertgürtel löste. Nur ungern legte er seine Waffe ab, noch weniger an einem unbekannten Ort wie diesem, der erst vor kurzen fast komplett vom Krieg um den Thron zerstört worden war. Obwohl Ferelden seine eigenen Kriege führte, hatten diese relativ wenig mit sogenannten White Walkers oder Fehden zwischen mächtigen Häusern zu tun. Diese Informationen hatten zumindest Lelianas Spione herangetragen, die Leliana selbst jetzt noch als das Oberhaupt der Kirche angestellt ließ. Angeblich hatte Frieden Westeros letztendlich doch wieder erreicht, doch Blackwall wusste, dass dieser oftmals nicht sonderlich langlebig und stabil war, weshalb er an seinem Misstrauen festhielt. Als sie durch das offene Tor auf den riesigen, bewirtschafteten Innenhof traten, wurden sie von einem Soldaten und einer Frau in einer frisch polierten Rüstung entfangen. Sie trug ihre Haare kurzgeschnitten, doch es war ihre Größe, die selbst seine überragte, welche die Aufmerksamkeit auf sich zog. „Sers, willkommen in King's Landing“, richtete sie das Wort an ihre Gruppe und deutete eine Verbeugung an, die Hand weiter auf dem Griff ihres Schwerts ruhend. „Mein Name ist Brienne of Tarth. Ich bin die Kommandantin der königlichen Wache, König Jon Stark direkt unterstellt. Darf ich fragen, was Sie hierher bringt?“ Ihre hellen Augen wanderten über Cassandras Rüstung, die das Abzeichen der Sucher auf sich trug, bevor sie an Blackwalls blauweißem Brustplatte hängen blieb, welcher ein Merkmall der Grauen Wächter darstellte. Letztendlich wandte sie sich Cullen und Lavellan zu, aber war offenbar nicht sicher, wer von den Anwesenden ihr Ansprechpartner war. Jedenfalls war sich Blackwall sicher, dass man selbst hier von der Inquisition gehört hatte, deren Aufgabe es gewesen war, das Ende von Ferelden, vielleicht sogar der gesamten Welt, abzuwenden. Ein Lächeln tauchte auf Lavellans Lippen auf. „Ich würde es wirklich bevorzugen, es mit dem König direkt zu besprechen. Wäre es nicht von absoluter Wichtigkeit, hätten wir uns nicht den Weg hierher gemacht. Ihr bin sicher, Ihr versteht das, Ser.“ Brienne neigte den Kopf, um ein Nicken anzudeuten. „Natürlich, Mylady. Doch ein paar Informationen muss ich haben, um Ihnen eine Audienz verschaffen zu können.“ Lavellan studierte das ernste, geschulte Gesicht der hochgewachsenen Frau, welche viel eher die Statur eines Mannes besaß, ehe sie sich an ihre Kameraden wandte. „Das Gebiet der Diplomatie liegt mir nicht“, erklärte Blackwall, als ihr Blick auf seiner Person zum Ruhen kam und stumm nach seinem Rat forderte. „Aber ich denke, dass es wohl nicht zu viel verlangt ist, nachdem wir unangekündigt hier aufgetaucht sind.“ Cullen strich sich durch das blonde Haar. „Nun, völlig unrecht hat er wohl nicht.“ „Es scheint, als hätten wir keine Wahl“, sagte Cassandra und hob genervt die Augenbrauen. „Der Weg ist zu weit gewesen, um kampflos umzudrehen und das Schiff zurück nach Ferelden zu nehmen.“ Brienne sah zwischen ihnen hin und her, und Blackwall konnte sich ein grimmiges Schmunzeln nicht verkneifen. Er wusste, wie ungewohnt es war, dass ein Anführer Ratschläge der Untergebenen entgegennahm. Bevor er Lavellan begegnet war, war es ihm nicht anders ergangen. Sie hatte seine Welt auf den Kopf gestellt und ihm zu dem gemacht, was er hatte sein wollen: Ein ehrlicher Mann und ein nobler Grauer Wächter. „Es scheint so, als sei ich überstimmt worden“, sagte Lavellan und trat einen Schritt näher an Brienne von Tarth heran, der sie gerade mal bis zur Schulter hinaufreichte. „Wie es oftmals so ist, wenn eine Gefahr gebannt ist, taucht eine zweite auf. Eine, die uns alle betrifft und nicht nur das Ende von Westeros oder Ferelden bedeuten kann, sondern der gesamten Welt. Wieder einmal.“ Ihre Worte waren nicht mehr als ein Flüstern, welches selbst Blackwall nur schwer aufschnappte, obwohl er direkt neben Lavellan stand. Doch bei den umhereilenden Leuten war es wichtig, diese Neuigkeiten über eine neue Gefahr geheim zu halten. Briennes Augen weiteten sich und ihr blasses Gesicht schien noch an etwas mehr Farbe zu verlieren. „Bitte folgt mir, Myladys, Mylords“, sagte sie und wandte sich mit wehendem Umhang ab, um sie in die Feste hineinzuführen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)