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Erschütternde Erkenntnisse

von

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Gefühlsausbruch

…in seiner Rolle als Dai Moroboshi…

Nahezu apathisch zog sich Jodie den Kopfhörer aus dem Ohr und legte ihn langsam auf den Wohnzimmertisch. Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie war blass und atmete schwer. Jodie kämpfte mit ihren Gefühlen. Sie hatte sich immer geschworen, der Organisation nicht zu viel zu zeigen, nicht zu viel von sich preiszugeben und schon gar nicht vor ihnen zu weinen. Das Weinen hatte sie nach all der Erfahrung der letzten Jahre komplett aus ihrem Leben gestrichen. Aber jetzt? Jetzt war sie auf gutem Wege, dass alle Dämme rissen. Jodie kämpfte mit den Tränen. Dais Verrat saß tief, tiefer als sie es sich hätte je vorstellen können. Jodie legte ihre rechte Hand auf ihren Brustkorb. Sie musste sich zusammenreißen um das Zittern zu unterdrücken. Empfand sie vielleicht doch mehr für Dai und wollte es nur nicht zugeben? Sie schluckte. Das durfte nicht sein.

Jodie schüttelte vehement mit dem Kopf. Sie hatte die Situation noch immer nicht gänzlich verstanden. Zwar waren die Worte klar und verständlich, aber dennoch wollte sie sie nicht glauben. Nicht einfach so. Es ergab keinen Sinn. Die Organisation – mehrere Mitglieder – hatten ihn ausgiebig überprüft und seine Vergangenheit auf den Kopf gestellt. Es gab keinen Anlass, ihn für einen Verräter zu halten und scheinbar war er ihnen doch durchs Netz gegangen. Wie konnte es nur möglich sein, dass Dai gegen sie arbeitete? Warum? Und was hatte er vor? Was waren seine Absichten? Hatte er von Anfang an alles geplant oder war das alles nur ein großer Zufall?

Dai hatte nicht nur ihr Vertrauen, sondern auch das der Organisation missbraucht und gab möglicherweise wichtige Informationen weiter. Sie alle hatten ihn in ihrer Mitte aufgenommen und keinen Hauch von Zweifel verspürt. Und jetzt bekamen sie die Retourkutsche. Selbst wenn er erst am Anfang seiner Ermittlungen steckte, er musste zur Rechenschaft gezogen und sein Leben beendet werden. Ein für alle Mal. Mit Dai würden sie ein Exempel statuieren und alle anderen verdeckten Ermittler oder mögliche Verräter in ihre Schranken weisen.

Wenn du trotzdem mal jemanden zum Reden brauchst, weißt du wo du mich finden kannst.

Seine Worte waren eine Lüge. Alles, was er ihr je erzählte, war auf Lügen aufgebaut. Er hatte einen Moment ihrer Schwäche ausgenutzt und sich dabei langsam in ihren Kopf und in ihr Herz geschlichen. Ja, sie war selbst schuld, weil sie es zugelassen hatte. Er konnte Dinge sehen, die andere nicht sahen und er gab ihr das Gefühl, dass sie nicht mehr alleine war. Er hatte von Anfang an ihre Schwachstellen genauestens unter die Lupe genommen und musste nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Er gab ihr das Gefühl, endlich sie selbst zu sein. Aber jetzt wo Jodie wusste, dass er nur mit ihr gespielt hatte, machte sie das unglaublich wütend. Sie ärgerte sich. Sie hatte von Anfang an ein komisches Gefühl bei ihm gehabt und schob es letzten Endes auf ihr Interesse an ihm zurück. Jetzt machte alles einen Sinn. Wieso hatte sie einfach so aufgegeben und nicht weiter recherchiert? Wieso hatte sie auf ihren Körper, aber nicht auf ihr Gehirn gehört? Es wäre ihre Schuld, würde die Organisation nun fallen.

Wenn ich ein Spion wäre, würde ich mich besser anstellen.

Jodie ballte die Faust. Sie schämte sich, weil sie seine Anspielung nicht auf Anhieb verstanden hatte. Es war wie ein Geständnis, aber nach all ihrer mühevollen Suche nach Beweisen gegen ihn, hatte er sie doch überzeugt. Es konnte nur ein gut durchdachter Plan sein, sie schickten jemanden in ihre Mitte, der genug Selbstbewusstsein besaß, damit er jeden beeindrucken konnte. Wahrscheinlich lachte er sie nach ihren gemeinsamen Nächten aus und prahlte damit, sie regelmäßig im Bett zu haben.

Es war eine Schmach für sie. Er hatte einfach jeden um den kleinen Finger gewickelt und nutzte jeden für seine Pläne aus. Er spielte Katz und Maus mit ihr. Nur mit dem Unterschied, dass er das Spiel ganz klar für sich entschied. Bis jetzt. Die Amerikanerin wurde von Wut durchströmt. Er hatte sie und ihre Gefühle – die sie so sehr zu unterdrücken versuchte - verletzt. Verletzt, weil sie auf ihn reingefallen war und sich selbst in dieser Situation wünschte, dass alles nur ein furchtbarer Albtraum war. Sie musste nur aufwachen, aber insgeheim ahnte Jodie, dass die Aussage der Wahrheit entsprach: Dai Moroboshi war ein Verräter.

Er arbeitete als Agent für die Gegenpartei und hatte – wie andere zuvor auch – das Ziel die Organisation zur Strecke zu bringen. Gelänge es ihm, würde jeder seine gerechte Strafe erhalten. Einige hatten es tatsächlich verdient und allein der Gedanke daran gefiel ihr. Dennoch würde sie selbst nicht den Rest ihres Lebens hinter Gittern verbringen.

Mit einer Handbewegung wischte Jodie den Kopfhörer vom Tisch. Sie schäumte vor Wut und brauchte einen Moment um sich wieder zu beruhigen. Sie durfte nicht übereilen und keine spontanen Handlungen durchführen. Wie sollte sie am besten Vorgehen? Wie lange würde sie warten müssen, ehe sie Dai bestrafen konnte? War sie überhaupt in der Lage zu warten? Andererseits musste sie die Füße still halten. Es stand Aussage gegen Aussage. Dai würde sie als Lügnerin bezeichnen und auch wenn sie bereits länger für die Organisation tätig war, würde der Boss unschlüssig sein. Sie wäre das eifersüchtige Mitglied, welches Dai seinen neuen Ruhm nicht gönnte.

Jodie biss sich bei dem Gedanken auf die Unterlippe. Nicht nur der Boss, auch ein paar andere hochrangige Mitglieder der Organisation schätzten Dai und würden für ihre Behauptungen Beweise fordern. Wenn sie nur welche hätte…oder wenn sie das Gespräch aufgezeichnet hätte…

Jodie schüttelte den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit um sich über ihren Fehler zu ärgern. Sie brauchte andere Fakten. Fakten und Beweise. Und wenn sie alles beisammen hatte, würde sie ihn auffliegen lassen. Aber was dann? Jeder von ihnen würde sich über ihren Fehler ärgern und jeder würde derjenige sein wollen, der Dai das Leben nahm. Alle würden ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. Alle.

Jodie verengte die Augen. Das durfte sie nicht zulassen. Nicht die anderen würden es sein. Sie würde Dai zur Strecke bringen. Sie würde ihm den Gnadenstoß verpassen und in sein Gesicht schauen. Sie würde die letzte Person sein, die er lebend zu Gesicht bekam, ehe er seine Augen für immer schloss.
 

Jodie atmete mehrfach tief ein und aus. Du schaffst das, machte sie sich selbst Mut. Aber innerlich war sie ein Wrack. Sie hatte sich zwei Tage lang in ihrer Wohnung verschanzt und war alle Begegnungen mit Dai, sowie ihre Notizen zu seinem Hintergrundcheck noch einmal durchgegangen. Sie suchte nach Ungereimtheiten oder Hinweisen, die ihn entlarvten. Sie fand aber letzten Endes nichts um ihn auffliegen zu lassen. Dais Geschichte war wasserdicht. Am Ende hatte sie nur noch eine Möglichkeit: Flucht nach vorne.

Sie musste sich normal verhalten und abwarten. Irgendwann würde er einen Fehler begehen oder sich ihr anvertrauen, weil die Last zu groß wurde um sie auf einer Schulter zu tragen. Vielleichtwürde sie auch den anderen Agenten wiedertreffen und ihn in die Mangel nehmen können. Aber wo sollte sie suchen?

Da machte es mehr Sinn, wenn sie Dai direkt aufsuchte. Jodie wusste, dass das schwer werden würde, aber sie hatte von Chris gelernt und würde sich nicht so einfach unterkriegen lassen. Das hieß auch, dass sie weiterhin Interesse an ihm vorgeben musste. Zögerlich betätigte Jodie die Türklingel und wartete. Wenige Sekunden später stand sie dem Verräter gegenüber. Sie riss sich zusammen und versuchte an die guten Momente in ihrem Leben zu denken.

„Jodie.“ Akai lächelte. „Komm doch rein“, fügte er hinzu und machte einen Schritt zur Seite.

Jodie nickte und betrat die Wohnung des Agenten. Sie sah sich um und legte ihre Tasche auf den Boden, ehe sie die Jacke an den Garderobenständer hing. „Hast du mich vermisst?“, wollte sie süffisant wissen.

„Das hab ich tatsächlich“, gestand Akai. „Ich habe mir bereits gedacht, dass du einen wichtigen Auftrag gehabt haben musst. Deswegen wollte ich nicht stören und dir nicht in die Quere kommen.“

Jodie nickte erneut und ging in sein Wohnzimmer. „Ich brauchte eine Weile um wieder einen klaren Gedanken zu fassen.“ Es war wichtig der Lüge einen Hauch von Wahrheit einzuverleiben. Nur so konnte man falsche Tatsachen ins richtige Licht rücken.

„War es so kompliziert? Oder gefährlich? Hat dir der Kerl irgendwas getan?“

Jodie sah zu ihm. „Mhm?“ Sie schüttelte den Kopf. „Entschuldige, ich bin irgendwie nicht bei der Sache.“

Der Agent ging zu ihr. „Ist schon gut“, begann er. „Wenn du darüber reden willst, bin ich da. Soll ich uns was zu trinken holen?“

„Gern“, murmelte Jodie und ging an das Fenster. Sie sah nach draußen und seufzte leise auf. Hatte er sich wirklich nur für ihren Tagesablauf interessiert oder wollte er wieder Informationen erhalten? Jodie verengte die Augen. Jetzt reiß dich zusammen, mahnte sie sich selbst.

„Alles in Ordnung?“ Shuichi stellte zwei Tassen und eine Flasche auf den Tisch. Er ging zu Jodie und legte seine Hand an ihren Rücken. „Wenn es dir nicht gut geht…“, fing er an.

Jodie drehte sich abrupt um. „Alles in Ordnung. Ich bin einfach etwas müde. Wahrscheinlich hätte ich nicht herkommen sollen.“

„Oder du bist gerade deswegen hergekommen?“, wollte er ruhig wissen.

„Mhm?“

„Um mich zu sehen, mein ich“, hauchte er gegen ihre Lippen.

Eine Gänsehaut legte sich auf Jodies Körper. Sie küssten sich heiß und innig. Sie spürte jede Berührung von ihm. Sie genoss es und ihr Körper reagierte sofort darauf. Jodie wollte eindeutig mehr – wie die Wochen zuvor auch.

Shuichi drückte sie an sich und hob sie langsam nach oben.

„Was wird das?“, flüsterte Jodie.

Shuichi schmunzelte und trug sie in sein Schlafzimmer. „Ich dachte…wir machen es uns hier gemütlicher“, antwortete er. „Ein wenig Entspannung“, fügte er hinzu und setzte sie auf das Bett. Wieder fing er an sie zu küssen.

Jodie keuchte leise auf. Er spielt nur mit dir, schoss es ihr auf einmal durch den Kopf. Mit einem Mal versteifte sie sich und drückte Akai von sich weg. Er landete unsanft auf dem Boden und sah Jodie irritiert an.

Jodie schluckte. Er spielt nur mit dir, sagte sie sich erneut. Danach lacht er sich über dich schlapp, weil du ihn wieder nicht durchschaut hast. Mehrere Gedanken dieser Art kreisten in ihrem Kopf herum. Wieder verspürte Jodie diese unheimliche Wut.

„Jodie?“ Akai hatte sich etwas aufgerichtet. „Ist alles in Ordnung bei dir?“

Sie blickte ihn an. Verletzt und wütend. Ehe sie sich versah, war ihre Fassade eingestürzt und Jodie saß rittlings auf ihm. Aus ihrem Knöchelholster zog sie die kleine Waffe – ihre Colt Model 1908 Vest Pocket – und richtete diese auf das Gesicht des Agenten.

Akai schluckte. „Jodie“, begann er ruhig. „Was soll das?“, wollte er wissen.

„Halt den Mund“, schrie sie. „Alles was du sagst, ist eine Lüge. Alles…“

Shuichi atmete ruhig ein und aus. Er zeigte keine Angst.

„Das hier ist kein Test, Dai“, entgegnete die Amerikanerin. „Ich kenne die Wahrheit. Ich weiß, dass du die Organisation infiltriert hast, um sie zu zerstören. Ich weiß, dass du ein Agent bist und ich weiß auch, wer dein Kontaktmann ist. Aber nicht mit mir. Du glaubst, du mir was vormachen? Nein…ganz und gar nicht. Ich werde…ich werde…“

„Was wirst du, Jodie?“, fragte der FBI Agent.

Jodie schluckte. Wie konnte er in dieser Situation so ruhig bleiben? Glaubte er, sie hatte keine Beweise? Oder war er sich seiner Sache so sicher? „Du fühlst dich sicher, weil mir keiner glauben wird. Aber das macht nichts“, erklärte sie. „Ich werde mich jetzt um dich kümmern und wenn ich dich erschießen muss, dann ist das kein Problem. Du vergisst wer ich bin, ich weiß, wie ich deine Leiche verschwinden lassen kann.“

„Du wirst mich nicht erschießen“, sagte der Agent wieder mit ruhiger Stimme.

„Ach ja? Das glaubst auch nur du“, kam es sofort von Jodie. „Du wirst gleich sehen, dass ich das mache…ich mache es….ich mache es…“

Akai schüttelte den Kopf. „Und warum weinst du dann?“, wollte er wissen.

„Ich weine nicht“, gab Jodie von sich. „Ich weine nicht…“

Shuichi legte seine Hand an ihre Wange und wischte die Tränen weg.

„Lass das…“, wisperte sie. „Ich weine…nicht…ich…“

„Lass uns in Ruhe über alles reden, ja?“, fragte Akai.

Jodie schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht“, murmelte sie und stand langsam auf. „Ich kann…nicht…ich…“

„Jodie, das…“ Shuichi erhob sich ebenfalls.

„Sei still“, schrie sie ihm entgegen. Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Als sie sie wieder öffnete und in das Gesicht des Agenten blickte, machte sie einen Schritt nach hinten. „N..nein…“, fügte sie leise hinzu und lief aus dem Zimmer und aus der Wohnung.



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