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[Beta Ver.] CONDENSE

An jenem schicksalhaften Regentag
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
EXTREM WICHTIGE INFO:
Ich dulde keine Raubkopie auf anderen Plattformen oder das Aneignen meines geistigen Eigentums!
Zum anderen ist die Geschichte in ihrem jetzigen Zustand noch nicht vollständig, die Kapitel extrem fehlerhaft.
Als ich die Geschichte begonnen habe, war ich selbst noch sehr jung und wusste entsprechend nicht sehr viel. Weder was ich mit dem Plot noch was ich mit den Charakteren tun soll. Vieles von dem, was ich wie in die Geschichte integriert habe, würde ich heutzutage unter keinen Umständen so umsetzen.
Demnach ist es ratsam, auf das Release der Light Novel zu warten.
Informationen zum Kauf der jeweiligen Volumes werden auf der Startseite dieser Geschichte vermerkt.
Dadurch wird hier aber nichts gelöscht, sondern auch weiterhin kostenlos aufrufbar sein.
Die angegebenen Genres haben sich mit der Zeit leicht verändert. Zwar begann es als "Romantik, Drama, Hetero", entwickelte sich mit meiner wachsenden Unzufriedenheit allerdings in eine Richtung, in der "Romantik, Drama, Hetero, Boys Love, Girls Love, Lime, Darkfic, Parodie" es wohl viel eher trifft.
Figuren und Handlungen sind frei erfunden. Komplett anzeigen

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Vol. 5 - An jenem schicksalhaften Regentag Teil 1

Beim Frühstückstisch ist es, wie auch sonst immer, still. Ich sehe unauffällig zu meinem Bruder, der mal wieder viel zu viel Butter auf seinen Toast schmiert. Die Nutella nicht zu vergessen. Ich werde niemals verstehen, wie man Nutella mit Butter essen kann. Er bemerkt meinen Blick und ersticht mich mit seinem kalten Blick. "Was?!", knurrt er und ich verschlucke mich beinahe an meinem Star Wars-Müsli.

 

"N-nichts... Ähm, Onii-chan, kann ich... die Butter haben?", frage ich stammelnd. Er starrt die Butterdose neben seinem Teller drei Sekunden schräg an und überreicht sie mir wortlos. Eigentlich weiß ich selbst, dass ich für Müsli keine Butter benötige, jedoch will ich so wenig, dass er denkt, ich hätte ihn unnötig provoziert, dass ich mir was überlegen musste.

 

"Wofür brauchst du für das Müsli denn bitte Butter?", fragt er und ich fliege auf. Verdammt.

 

"Kannst sie ja wiederhaben, wenn du sie so nötig hast.", antworte ich bissig und er nimmt sie tatsächlich zurück.

 

"Taiyo-Schatz, denkst du nicht, dass das genug für ein einziges Brot ist?", fragt meine Mutter vorsichtig. Mein Bruder fackelt nicht lange, nimmt sein mit viel zu viel Butter entstelltes Nutella-Brot, das noch unberührt auf seinem Teller liegt und marschiert davon.

 

"Wo gehst du hin, Junge?", will mein Vater nun auch etwas pikiert wissen.

 

"Ich esse das Brot in meinem Zimmer...", meint er nur und verschwindet.

 

"Tut mir leid, das ist meine Schuld, ich hätte nicht nach der Butter fragen dürfen.", entschuldige ich mich unnötigerweise, wie ich es immer tue.

 

"Nicht doch, es ist nicht deine Schuld, Elvis, auch wenn mich interessiert, wofür du sie eigentlich verlangt hast. Aber egal, dein Bruder macht wahrscheinlich gerade eine schwere zeit durch. Du weißt schon, er ging nicht gerne zur Schule und die Uni macht ihm zu schaffen. Bitte sei nachsichtig mit ihm, ja?", lautet die Devise meines Vaters. Onii-chan ist doch bloß zurückgekommen, weil er aus der Wohnung rausgekickt wurde, denke ich, doch unterlasse einen weiteren Kommentar. Aber im Ernst, er hatte keine andere Wahl und ist deshalb gestern wieder eingezogen, der ist morgen wahrscheinlich wieder weg. Meine Mutter schweigt. "Nun, du musst jetzt aber los, wenn du nicht zu spät kommen willst und wo wir gerade von Schule reden, wie trägst du den Schon wieder deine Schuluniform, wirst du jemals aufhören, einen Kapuzenpullover darunter zu tragen?", bricht sie ihr Schweigen. "Es hindert mich ja keiner daran.", gebe ich achselzuckend zurück, lasse das Müsli links liegen und will auch gehen. "Und was ist mit deinem Müsli?", versucht sie, mich aufzuhalten.

 

"Ess' ich zum Abendessen.", sage ich nur, nehme meinen Rucksack und verschwinde in die Schule. Auf ein gutes neues Schuljahr!
 

"Jo! Kyocchi! 'nen Morgen!", höre ich Egaoshita rufen, als dieser aus dem Busch herausgesprungen kommt und mich erschreckt.

 

"Aaaaahhhh!", entfährt es mir und ich falle hin vor Schreck.

 

"Sag mal, hast du dich wirklich so lange hier versteckt, nur, um mir hier einen Mini-Herzinfarkt einzujagen?!", schimpfe ich und stehe wieder auf. Dass der auch immer so übertreiben muss...

 

"Ach, nun hab dich nicht so, ein bisschen Angst ist doch schließlich gesund, oder nicht? Lass krachen!", der hört nicht mal zu und harkt sich bei mir ein.

 

"Denkst du das echt?", flüstere ich, ohne es zu wollen. Diese Gedanken sind doch nicht für fremde Ohren bestimmt! "Wie bitte, was jetzt, hast du was gesagt, Kyocchi?", fragt er und sieht mich neugierig an.

 

"Ach nichts, ich... habe nur laut gedacht. Lass uns zur Schule gehen.", antworte ich kühl und das machen wir auch. Noch immer versuche ich zu raten, wann Onii-chan wohl wieder abdüst und wieso ich irgendwie das Gefühl habe, dass all das hier, das Leben, dass ich alltäglich lebe, so sinnlos erscheint. Es ist nicht so, als hätte ich es vorher nicht als langweilig und eintönig wahrgenommen, jedoch, seit diesem Traum heute Nacht, ist das Bedürfnis nach etwas, dass mich aus diesem trostlosen Alltag herausreißt, noch mal um ein Vielfaches größer geworden. Egaoshita sagt nichts mehr und wir gehen schweigend in die Schule. Dieses Schuljahr scheinen Egaoshita und ich nicht mehr in einer Klasse zu sein. Ich mag ihn ja schon, aber irgendwie fühlt es sich nicht richtig an, so gleichgültig dem gegenüberzustehen. Schließlich habe ich doch den Stellenwert des besten Freundes, ich muss traurig sein, wenn wir getrennt sind, wenn auch nur ein Stück weit. Egaoshita dagegen scheint ernsthaft sauer zu sein und trollt sich, ehe ich so tun kann, als würde es mich stören. Allein mache ich mich also auf den Weg in meine Klasse. Weil ich heute morgen zu früh los bin, um der unangenehmen Spannung zwischen meinen Eltern zu entfliehen, die einfach schon immer komisch waren, ziehe ich es vor, bei meinem Lieblingsort noch etwas Luft zu schnappen, ehe der Unterricht beginnt. Ich gehe an der Klasse 3-1 vorbei, in die ich jetzt, so wie es aussieht, gehe, sehe dort niemanden herausstechen und gehe weiter in Richtung Schuldach. Dieses ist sozusagen mein zweites Zuhause geworden, weil ich das Gefühl habe, dem Himmel dort näher zu sein, als woanders. Ich weiß auch nicht, woran es liegt, ich sehe einfach für mein Leben gerne sinnlos in die Luft. Am frühen Morgen, wenn das Blau des Himmels sich in meine Netzhaut einbrennt und spät in der Nacht, wenn mich die Schönheit des Nachthimmels fast umbringt. Als wäre der Himmel für mich einer der wenigen Gründe, um weiterzuleben. Denn, mal ganz unter uns, ich habe nicht viel, von dem ich sagen kann, dass ich deshalb unbedingt hier bleiben muss. Ich gehöre wohl zu den Menschen, die immerzu denken, "da muss es doch mehr geben", "So kann es nicht ewig weitergehen!", aber damit fühle ich mich ziemlich allein. Ich kann mit keinem über meine wahren Gefühle reden. Das ist schräg. Niemand ist wie ich. Das ist sowohl ein Segen, weil ich mich darüber freue, mir wenigstens einzubilden, dass ich etwas besonderes bin, aber auch ein Fluch, weil mich das einsam macht und ich kein aufrichtiges Interesse an zwischenmenschlichen Aktivitäten habe und alles spielen muss. Darin bin ich inzwischen so gut, dass ich manchmal wahrhaftig glaube, dass ich normal bin. Nun, es gibt Dinge, die mich wirklich interessieren, wie zum Beispiel Schach oder Science-Fiction, ich lese viel und liebe Filme und so etwas. Meine Lieblings-Anime sind "Code Gease", "Steins:Gate" und "Die Melancholie der Haruhi Suzumiya". Alle haben gemein, dass sie etwas verändern. Etwas, wovon ich nur träumen kann. All diese Charaktere erleben Veränderungen, die von der Norm abweichen und ich, ich bleibe an Ort und Stelle und komme nicht weiter. Als ich die Tür aufstoße und sehe, dass ich vor Schulanfang wohl doch nicht so allein sein werde, wie ich befürchtet habe, überschlägt sich fast mein Atem. Da ist doch tatsächlich das mysteriöse Mädchen aus meinem Traum! Das Mädchen mit den grünen Haaren. Als sie sich umdreht, erstarre ich. Selbst aus der Distanz sehe ich diese goldenen Augen strahlen, und zwar richtig intensiv.

 

"Du!", sagt sie auf einmal, erhebt ihren Zeigefinger in meine Richtung. Ihre Augen schneiden mich praktisch in zwei Hälften, so scharf ist ihr Blick und so harsch ihre Stimme, daran muss ich mich erst gewöhnen.

 

"Komm doch näher!", bietet sie an und auf einmal umgibt sie eine ganz andere Ausstrahlung als vorher, als es aussah, als hätte sie mich gerade beim Banküberfall ertappt.

 

"K-klar...", murmle ich und komme zögerlich näher. Wieder einmal, wie im Traum letzte Nacht, kann ich nicht verhindern, meinen Blick überall umherschweifen zu lassen und sie mir unauffällig, zumindest hoffe ich das, von oben bis unten anzusehen. Im Gegensatz zu ihrem Traum-Ich, wenn ich das mal ganz frech behaupten kann, trägt das grünhaarige Mädchen eine blaue Schleife im Haar und ihr Vorbau ist weitaus größer als ich ihn aus meinem Traum in Erinnerung habe. "Hey! Hat man dir nicht beigebracht, Frauen nicht so anzustarren?!", keift sie auf einmal und ich merke, dass ich zu unvorsichtig war.

 

"E-es tut mir... echt leid, ich... Also, ich wollte nicht...", doch ehe ich mich fertig entschuldigen und ihr sagen kann, dass ich ihr nicht absichtlich auf die Brüste gestarrt habe, kommt sie mir unerwartet näher.

 

"...", ich muss schlucken.

 

Unsere Nasen berühren sich fast. Ihr Blick ist starr und intensiv, noch nie hat mir ein Mensch so tief in die Augen gesehen.

 

"Diese Augen... Diese roten Augen und dieses Gesicht...", sie atmet dramatisch ein und entfernt sich wieder einen halben Meter von mir, ehe sie fortfährt.

 

"D-d-du... bist es also wirklich... der Auserwählte... mein... Held...", höre ich sie murmeln und ihr Gesicht ist zum Boden gewandt. Plötzlich springt sie wieder auf.

 

"Oh mein Gott, Ellie, ich habe dich so abgöttisch vermisst!", heult sie auf einmal und fällt mir mit voller Wucht um den Hals.

 

"So lange habe ich nur gewartet, ein ganzes Jahr... Jetzt habe ich endlich den Mut gefasst. Dass du hergekommen bist... Ist einfach Schicksal...", flüstert sie und ich vergesse aus lauter Verblüffung fast, wie man atmet.

 

Dann glaube ich, mich trifft der Schlag, als mir plötzlich alles wieder in den Sinn kommt. Sie ist es. Ach du heilige Scheiße.
 

Ich habe das Gefühl, als bliebe die Zeit stehen. Einfach so. Ich kann mich auf einmal überhaupt nicht mehr bewegen. Und alles an jenem Tag, den ich in den Jahren, die sich über ihn gelegt haben, fast vergessen hätte, wiederholt sich. In einem Augenblick. Auf einmal bin ich nicht mehr vierzehn Jahre alt sondern sechs, auf einmal weiß ich wieder alles. Und die Schuldgefühle wegen dem lodern erneut auf und verbrennen fast meinen Verstand. Es tut in diesem Moment so weh, sich zu erinnern, aber ich kann nicht aufhören und erst recht will ich es nicht stoppen. Und alles dreht sich wieder im Kreis:
 

Ich war allein. Meine Eltern hatten mich vorhin von der Schule abgeholt, doch war mir eingefallen, dass ich, wie auch immer ich das geschafft hatte, meine Tasche vergessen hatte. Ich war nochmal in die Schule gerannt, im Regen, mit einem Schirm, was sich als schwieriger gestaltet hatte, als ich es mir vorgestellt hatte und nun stand ich hier, mit einem dreckigen Regenschirm in einer Schlammpfütze zu meinen Füßen, mit meiner Schultasche, mit der ich eigentlich schnellstmöglich zurückkehren wollte, sie mir jedoch heruntergefallen war und sich der ganze Inhalt auf dem Boden verteilt hatte, und einem leeren Gesicht. Ich spürte, wie wenig ich gerade empfand, noch nicht einmal der Sturz, der doch schon ziemlich wehgetan hatte, konnte mir Tränen entlocken. Ich biss die Zähne zusammen und starrte fast schon entzürnt auf meine Sachen, die von Sekunde zu Sekunde mehr an Nässe zunahmen, weil ich mich nicht beeilte, sie wieder in die Tasche zu tun. Ich starrte mein Mäppchen an, die Schulhefte, die Bücher und nicht zu vergessen meine Zeichnungen, die ich angefertigt hatte, obwohl wir heute keine Kunst hatten. Ich hatte es einfach getan, weil mir langweilig war. Mehr gab es nicht. Mehr hatte ich in meinem sechsjährigen Leben nicht erreicht. Ich hatte Bestnoten und man konnte mich gut leiden, jedoch fühlte ich mich trotz der ganzen Gesellschaft jener, die meine wahren Gedankengänge nicht kannten, tief in meinem Herzen doch einsam und leer. Ich machte das alles nur, um es zu tun. Weil ich wusste, dass mein Umkreis, so blöd das auch klingt, ohne mich nicht derselbe wäre, weil ich wusste, dass ich meinen Posten nicht zu verlassen hatte. Ich war nur hier, damit niemand anderes meinen Platz einnahm oder merkte, wenn etwas anders wäre. Alles nur Show, ich wollte nichts weiter als ihnen das zu geben, was sie mochten und was mich selbst befriedigte. Ich liebte es, zu den Besten zu gehören und weil ich es hasste zu verlieren, sorgte ich eben überall dafür, dass ich das nicht tat, indem ich mich anstrengte, bis ich als Sieger hervorging. Das war mein einziger Lebensinhalt. Ich hatte Angst vor Veränderung und konnte gleichzeitig nicht aufhören, nach ihr zu suchen. Die menschliche Neugier ist einfach unlogisch. Und das wusste ich. Ich hörte nicht auf, meine Zeichnungen im Regen anzustarren, die alle so beeindruckten, mir selbst jedoch Unzufriedenheit einjagten, weil ich niemals sagen konnte, dass sie mir gefielen, zumindest nicht ganz. Ein Bild von mir selbst im Naruto-Stil. Dann ein Bild von meiner Familie. Ebenfalls im Naruto-Stil. Meine Mutter, mein Vater und Taiyo Onii-chan. Ich wusste nicht, wie man eine Familie zu fühlen hatte, irgendwie schien es mir, als wenn ich sie einfach lieben musste, weil sie meine Familie sind und ich ohne sie nicht da wäre. Ja, ich hatte mit vier Jahren bereits gewusst, dass es so etwas Idiotisches wie den Storch, der die Babys bringt, nicht gab und das alles nur eine billige Lüge war, um kleine Kinder wie mich vor der grauenhaften Wahrheit zu schützen. Wenn ein Mann und eine Frau sich ganz dolle lieb haben, steigen sie zusammen ins Bett und tun Dinge, für die sie sich fürchterlich schämen würden, wenn das nichts für die Ewigkeit wäre mit den beiden. Jemand aus dem Kindergarten, mit dem ich mich ganz gut verstand hatte mir das gesagt, er war einer der wenigen, mit denen ich mich tatsächlich fürchterlich gerne unterhielt, weil wir auf derselben Wellenlänge lagen. Jedoch machten wir nicht ganz so viel zusammen, denn sein bester Kumpel war eine ziemliche Heulsuse und brauchte ihn nahezu ständig. Ich blieb also die meiste Zeit, gepaart mit den Stunden allein in meinem Zimmer, in denen ich zeichnete oder sonst was tat, verbrachte ich also die meiste Zeit meines Daseins lieber allein als mit anderen, deren Interessen und Gedanken ich nicht teilte. Ich wollte lieber für mich denken und im Geist frei sein, dort, wo mich keiner schräg anstarrte, wenn ich etwas für mein Alter Unangebrachtes sagte. Plötzlich wurde ich umgerannt und landete auf der Stelle, die ich gerade so intensive angestarrt hatte. Ich wurde noch nasser als ohnehin schon, weil ich zu sehr unter Trance stand, und ja, ich wusste, was das war, auch das hatte mir mein Freund beigebracht, den ich seit der Grundschulzeit, deren erste Klasse bald endete, nicht mehr gesehen hatte, um en Schirm aufzuheben. "Aua, Manno, das tut weh, Herrschaft noch mal...", brummte ich als ich mich umdrehte und da dieses Mädchen vor mir saß. Ihr Blick lag auf dem Boden und sie wagte nicht, mich anzusehen.

 

"T-tut mir leid...", hörte ich sie wimmern, ehe es in ein mein Herz zerreißendes Weinen ausartete.

 

"Es tut mir... so leid!", sie heulte so viel und lange, obwohl sie mich doch bloß umgerannt hatte und das so schlimm doch nun auch nicht war.

 

"H-hey, n-nicht weinen, ich... ich bin okay. Du kannst einen Bonbon haben, wenn du willst.", versuchte ich, sie zu beruhigen, als ich ihr einen Bonbon, den ich mir heute mitgenommen hatte, zu reichen. Sie hörte augenblicklich auf zu weinen und sah mich mit Tränen, die ich trotz des Regens sehen konnte, an.

 

"Ich darf das echt haben?", flüsterte sie fragend und ich nickte. Sie nahm ihn mir zögerlich aus der Hand und wickelte das Papier auf, ehe sie die runde Süßigkeit in den Mund nahm. Sie wischte sich nun besser gelaunt die Tränen aus dem Gesicht, was nicht viel half, da sie, wie ich, ebenfalls vom Regen durchnässt wurde. Sie bemerkte, dass wir immer noch auf dem nassen Boden saßen und auch, dass ich gerade auf meinen Zeichnungen saß, auf die ich gelandet war. Sie stand so schnell es ging auf und reichte mir ihre Hand, wie auch ich es getan hatte, als ich ihr das Bonbon anbot, dass sie sofort wieder glücklich gemacht hatte.

 

"Chika bittet dich, ihre Hand zu nehmen!", sagte sie und grinste. Ich nahm sie schüchtern und versuchte einfach, sie nicht schon wieder zum Heulen zu bringen. "H-hast du das gemacht?!", fragte sie auf einmal völlig begeistert, als sie die zerknitterten entstellten Zeichnungen von mir erblickte.

 

"Das war ich...", bestätigte ich vorsichtig.

 

"Darf Chika sie wie den Rest der Sachen aufheben?", wollte sie und sprach wieder so, als wäre Chika jemand anderes als sie selbst. Das verwirrte mich, schließlich kannte ich niemanden, der so redete. Wieder nickte ich und gleichzeitig fühlte ich mich schlecht, ein fremdes Mädchen einfach so meine Sachen aufräumen zu lassen.

 

"Ich finde sie wunderschön...", flüsterte sie und sah sich das Bild, das mich zeigte besonders wehmütig an. Warum nicht das viel bessere Familienbild? Ich fand das Bild, auf dem nur ich allein abgebildet war, einfach... ich mochte es nicht. So sah ich doch überhaupt nicht aus!

 

"Wirklich? Also ich finde, das Familienbild ist besser...", versuchte ich, es runterzuspielen.

 

Doch ihr Blick blieb derselbe faszinierte.

 

"Kann Chika es behalten?"", auf einmal sah sie mich geradezu flehend an. Ich nickte wieder und verstand die Welt nicht mehr. Wenn sie klug wäre oder einen guten Geschmack besäße, hätte sie doch wohl das andere Bild ausgesucht, dachte ich, doch sagte nichts mehr.

 

"Sag mal, was machst du eigentlich so allein hier? Und wieso willst du nur das Bild von mir und nicht das andere Bild? Ist doch viel fröhlicher...", resümierte ich eher zu mir selbst als zu ihr.

 

"Familie...", murmelte sie. "Ist das denn... wirklich immer so toll?", ich legte den Kopf schief und versuchte, auf keinen Fall so etwas wie 'Aber klar doch, das ist das Beste auf der Welt!' zu erwidern.

 

Das glaubte ich doch selbst nicht, das waren doch nichts als Pflichtgefühle, um ein anständiger Sohn zu sein.

 

"Du empfindest das also auch so?", fragte ich zaghaft und hoffte pathetisch, dass sie nicht wie die anderen war, die sagte, nein, das ist immer das Beste und muss auch so sein.

 

Natürlich mochte ich meine Familie. Aber ich konnte diese Liebe nicht genauso stark erwidern. Und das fühlte sich mies an. Sie nickte, als sie mir meine geschlossene Tasche mit all dem Zeug wiedergab. Ich nahm sie an mich und hob den Schirm selbst auf, um wenigstens etwas selbst getan zu haben.

 

"Ich mag meine Familie überhaupt nicht.", kam es ihr überraschend und kaltklingend über ihre vorher noch so fröhlichem Lippen.

 

"Was? Aber wieso das denn?", erschrak ich über ihren Tonfall, als wir nun beide unterm Regenschirm standen. "Ihretwegen bin ich sitzengeblieben. Wegen meinem blöden Dad. Mum sagt nichts dazu. Ich kann überhaupt keine Träume haben, ohne, dass sie alles zerstören. Ich habe gar nichts. Manchmal würde ich am liebsten einfach verschwinden. Das alles ist doch wertlos. Aber zum Glück ist unsere zweite Etage hochgenug, sodass ich-", und dann schlug ich sie einfach.

 

Die erste Ohrfeige in meinem Leben gab ich diesem Mädchen, egal, ob man Mädchen nun schlagen durfte oder nicht, es interessierte mich, umgangssprachlich, einen Dreck.

 

"So was darfst du nicht sagen, du blöde Kuh!", keifte ich unter starkem Regen, weil ich den Schirm erneut hatte fallen lassen, um sie zu treffen.

 

"Wenn du nachgibst, war es das, verdammt! Du musst echt nicht darauf hören, glaubst du, ich habe einen Grund hier zu sein? Nein. Glaubst du, mir gefällt, wie langweilig das alles hier ist? Nein. Und gibt es irgendwem, den ich wirklich noch an meiner Seite habe, der mich versteht und wegen dem ich auf alle Fälle weiterexistieren muss? Auch nicht, aber weißt du was? Einen Scheißdreck mache ich, ich verteidige einfach meinen Platz und bin allen voraus, damit ich auserwählt werde, um Dinge zu ändern! Und das solltest du auch, wenn du ja angeblich so viel darunter leidest!", alle Emotionen brachen einfach aus mir heraus, alles, was ich niemals jemandem, noch nicht einmal meinem Kindergartenfreund, gesagt hatte, hatte ich ihr einfach so ins Gesicht geschrien.

 

Und es klang verdammt noch mal unhöflich. Unvorstellbar, dass man mich immer für meine zurückhaltende und höfliche Art lobte, nun habe ich das getan, was absolut keiner, der mich kannte, von mir erwartet hätte. Ich sah zu dem Mädchen und wollte mich entschuldigen, als ich sie erneut weinen sah. Toll gemacht, Elvis, schlägst Mädchen, schreist sie an und bringst sie zum Heulen, dachte ich, doch diese... umarmte mich einfach. Wegen des Regens wusste ich nicht, ob ich alles verstanden hatte, doch ganz nah an meinem Ohr hörte ich etwas, dass sich wie ein aufrichtiges inniges "Danke" angehört hatte.
 

"Wie... bitte?", stammelte ich in den armen dieses seltsamen Mädchens.

 

"Du hast Chika schon verstanden. Du hast mich verstanden.", murmelte sie nur und ließ mich vorsichtig wieder los. Für einen Augenblick hatte ich fast vergessen, dass wir im Regen standen, so warm war es.

 

"Darf Chika dich nach deinem Namen fragen?", wollte sie wissen und sah mich mit den Augen, die trotz des trüben Wetters und des Regens goldener nicht hätten strahlen können. Ich nickte und sagte.

 

"Ich heiße Elvis.", antwortete ich, weil ich davon ausging, dass sie zu denen gehörte, die nicht lange brauchten, um jemanden beim Vonamen zu nennen. Das Mädchen hob den Schirm, den ich hatte fallen lassen, wieder auf und sah mir tief in die Augen, ehe sie sagte:

 

"Wie der Gitarrentyp? Das ist ja interessant!", es war komisch, ihr beim Sprechen zuzusehen, sie scheint ihre Mimik innerhalb eines Satzes nicht zu ändern und falls doch war es schneller und plötzlicher als es normal wäre. Zu dem 'Wie der Gitarrentyp?' konnte ich nichts weiter sagen, dafür verstrichen zu viele Sekunden danach, als dass es noch angemessen wäre.

 

"Und du bist... Chika, oder?", entgegnete ich.

 

"Ja. Die bin ich.", bestätigte sie beinahe klanglos.

 

"Elvis?", sagte sie meinen Namen mit einem Fragezeichen.

 

"Ja?", jetzt war ich neugierig, was darauf wohl folgte.

 

"Darf ich dich Ellie nennen?", hörte ich sie fragen und der Regen prasselte weiter erbarmungslos auf meinen schwarzen Erwachsenenregenschirm. War das nicht ein Mädchenname? Oder war das einfach eine verniedlichte Form für Elvis? Ich vermutete zweiteres und bejahte.
 

"Ellie?", sagte sie noch einmal meinen Namen in der neuen Form.
 

"Ja hoch zwei?", antwortete ich, weil ich Streber schon wusste, was Hochzahlen sind und wie sie aussehen.
 

"Ich liebe dich.",
 

Stille.
 

Was erwiderte man nun darauf? Ich war erst sechs Jahre alt, was wollte ich mit Liebe? Und kannten wir uns nicht erst seit, ich weiß auch nicht, heute? Das war einfach zu viel. Ich verstand die Welt nicht mehr. Schon wieder. Dieses Mädchen verwirrte mich einfach. Es war nicht so, dass ich sie absolut nicht ausstehen konnte oder unfähig, sie zu lieben, ich meine, sie war interessant und schon das, was man unter süß verstand. Aber ich wusste nicht, was Liebe ist. Jedoch wusste ich, dass ich dies nicht fühlte.

 

"Es... Es tut mir leid!", sagte diesmal ich und verschwand im an Stärke zugenommen habenden Regen, ohne mich umzudrehen oder daran denkend, dass sie noch meinen Schirm hatte.

 

Ich rannte einfach nach Hause und wusste nicht, wo mir der Kopf stand. Dieses Mädchen sah ich seither, genau wie den Regenschirm, den sie von mir noch hatte, im Leben nie wieder.
 

Und im Inneren habe ich es im Vergessenen bis zum heutigen Tag bereut, dass ich so taktlos zu ihr war.

 

"Ach du Scheiße, wir müssen los!", entfährt es dem Mädchen von damals und sie rennt in Sonic-the-Hedgehog davon, weil es schon geklingelt hat und wir mehr als nur zu spät sind, so lange waren wir in der Umarmung, und in meinem Fall in einem Flashback gleichermaßen, gefangen.

 

"Das, Ladies and Gentlemen, war echt krasse Scheiße vom Feinsten.", moderiere ich für mich selbst, ehe ich Chika, wie ich mir ja jetzt sicher bin, dass sie so heißt, folge und mich auf den Weg in mein Klassenzimmer mache.

 

Aber wer um alles in der Welt hätte gedacht, dass diese grünhaarige Berserkerin auch in meiner eigenen Klasse auf mich lauern würde?
 

"Ellie, was eine Überraschung? Wir sind dieses Jahr in einer Klasse!", freut sie sich und fällt mir schon wieder um den Hals, ein wenig zu eng, meines Erachtens nach.

 

"Ich... freu mich auch.", sage ich etwas geniert, weil ich nicht weiß, wie ich mit diesem heißblütigen Pferd umzugehen habe.

 

"Das klingt aber nicht sehr begeistert, dafür, dass wir uns ewig lange nicht gesehen haben...", bemerkt sie beleidigt. "Das muss Schicksal sein, Ellie, sonst wären wir nun nicht hier! An jenem schicksalhaften Regentag, würde uns so eine Biografie nicht voll reich machen und so?!", wollte sie sich absolut überzeugt meine Zustimmung einholen.

 

"Ich glaube, du hast eine Meise. Eine radioaktive.", meine ich nur mit einem Lächeln, um ihr wenigstens etwas entgegen zu kommen. Lustig.

 

"Eine radioaktive Meise? Ellie, du bist ein Genie! Du hast mich gerade auf eine Idee gebracht! Lass uns eine Front gründen! Die radioaktiven Meisen! Klingt das nicht geil?!", die setzt auch noch einen drauf, das wird ja immer krasser. Ach du heilige...

 

"Wow, du hast es geschafft, diese Unterhaltung in ein noch seltsameres Tief zu bringen. Respekt, Grünschnabel.", so nenne ich sie einfach, weil ich mich nicht dazu überwinden kann, sie beim Vornamen zu nennen und weil sie grüne Haare hat.

 

"Grünschnabel... Ich glaube, ich mag diesen Namen...", säuselt sie und starrt ins Leere. Das wird ja immer schräger mit der, ich komme nicht darauf klar...

 

"Ich will ja gar nicht anmaßend sein, aber... könnten sich der Herr und die Dame vielleicht hinsetzen? Der Unterricht hat bereits seit fünfzehn Minuten begonnen und dreißig Sekunden, einunddreißig, zweiunddreißig, dreiunddreißig, vier-",

 

"Verstanden! Tut uns leid, wir setzen uns!", unterbreche ich unseren ungeduldigen Lehrer und setze mich hin, Chi-, ach vergiss es, ebenso.

 

Der Unterricht beginnt, aber meine Gedanken sind in einem anderen Universum. Noch mehreren Paralleluniversum, wenn ich ganz genau sein möchte. In allem durchlaufe ich die Möglichkeiten, wie ich diese Situation an jenem schicksalhaften Regentag - gottverdammt, Chika! - hätte meistern können, ohne mich wie ein kompletter Vollidiot anzustellen. Ich komme mit meinen Gedankengängen nicht weiter. Aber was interessiert es mich schon? Das ist schließlich Vergangenheit. Und dass Chika hier ist, ist Zufall. Und, dass ich hier seit bald drei Jahren zur Schule gehe, auch. Weißt du, ich muss auch gut auf meine eigene Gegenwart aufpassen. Meine eigene Wunschvorstellung wahr werden zu lassen. Und die besteht darin, der Allerbeste zu sein. Nur dafür lebe ich. Und für niemanden sonst.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Trivia (kann Spuren von Spoilern enthalten);
Ehemaliger Titel aus Version 1.0 - An jenem schicksalhaften Regentag Teil 1
Grund:
- Komplett anzeigen

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