[Beta Ver.] CONDENSE von YukihoYT (An jenem schicksalhaften Regentag) ================================================================================ Kapitel 86: Vol. 4 - Die Etüde von Leid und Liebe ------------------------------------------------- Setsuna: Ich habe mir extra frei genommen, um meine Eltern zu besuchen. Sie sind schließlich in Rente und ich will nicht erst am Sonntag bei ihnen aufkreuzen, ich... will einfach nicht noch länger warten. Shun kommt nachher, damit wir alles weitere dann zusammen besprechen. So wird es sein. Ich gehe also den langen Weg zu meinem Elternhaus und denke derweil nach. Zu gerne hätte ich doch erfahren, was mit Taiyo los ist, wieso er nicht nach Hause kommt, wie und wie stark er verletzt ist, aber... ich habe es gelassen. Ich hatte Angst, die Wahrheit herauszubekommen. Ich weiß es doch auch nicht, ich ziehe es immer vor zu schweigen, wenn es um meine eigenen Gefühle geht. Ich weiß doch, dass sie auf mich Rücksicht nehmen, das reicht doch... Ich weiß doch selbst, dass ich in meinem jetzigen Zustand keinen psychischen Herausforderungen gewachsen bin, wenn Taiyo wirklich ernsthaft verletzt ist, dann würde das mein Herz nicht ertragen. Und das würde das Kind zu spüren bekommen. Selbst, wenn es mir niemals sagen könnte, dass es das hat, es wir es gespürt haben. Und das will ich ihm nicht zumuten. Sachte streiche ich mir über den Bauch, weil ich diesbezüglich beinahe glaube, der Fötus könne meine Gedanken lesen. Schließlich ist er in mir drin. Das würde doch eigentlich ziemlich viel Sinn ergeben, oder? Das gleiche Gefühl über siebzehn Jahre später zu spüren, erscheint mir nach wie vor utopisch. Na ja, wie auch immer, ich bin jetzt da. Fast schon ängstlich betätige ich die Klingel, auf der Shizuhara steht und sehe nochmals zu mir herunter. Ich habe extra weite Kleidung angezogen, damit sie die Veränderung an der Stelle nicht sofort zur Kenntnis nehmen. Ich will es ihnen zuerst sagen. "Setsuna-Schatz, was für eine Überraschung!", begrüßt mich Mutter, als ich vor der Tür stehe. "Hallo Mutter.", begrüße ich sie schüchtern. "Habt ihr kurz Zeit für mich? Ich würde gerne mit euch reden.", komme ich gleich zur Sache. "Sicher doch, wir haben gerade sogar Tee gemacht, du kommst wie gerufen.", witzelt sie und ich betrete das Haus. Bei Tee und Keksen herrscht schon wieder Stille. Ich breche sie. "Warum habt ihr damals Onee-sama geschlagen?", will ich leise wissen. "Wie kommst du jetzt auf deine Schwester?", will Vater wissen. "Sagt es einfach. Bitte. Ich habe mich mit dieser Frage mein ganzes Leben lang zurückhalten müssen. Ich will es wissen.", flüstere ich nun mit mehr Nachdruck. Dieselben Menschen, die immer so lieb zu mir waren. Dieselben haben sich auch mit meiner Schwester angelegt. Haben zurückgeschlagen. Es war so grausam. Ich hasste es so sehr. Nach einer weiteren Schweigeminute begann Vater anschließend zu erzählen. "Wir waren überfordert mit ihr, verzweifelt. Sie hatte sich jeden Tag mit irgendwelchen Altersgenossen geprügelt und auch dich hat sie öfters niedergeschlagen. Wir hatten Angst, hörst du? Auf der einen Seite war sie manchmal so still und hatte keiner Menschenseele etwas angetan, auf der anderen Seite war sie anderen gegenüber oft so feindselig und respektlos, dass wir dachten, wir müssen Feuer mit Feuer bekämpfen. Shizuku war schrecklich eifersüchtig auf alles und jeden, besonders auf dich, Setsuna, Liebes, du warst ihre beste Freundin, aber zugleich auch ihre stärkste Rivalin und schlimmste Feindin. Als sie dich dann eines Tages mit dem Messer angriff und du ins Krankenhaus musstest, war der Zenit erreicht und wir wollten sie nicht mehr sehen. Man sagte, sie hätte deine Pulsschlagader am Hals oder gar dein Herz treffen können. Du hättest sterben können. Doch jetzt bereuen wir, dass wir ihr keine besseren Eltern waren und nicht versucht haben, ihr zu helfen. Jetzt bedaure ich, dass die Chance vergangen ist und sie uns niemals verzeihen wird.", in dem Moment klingele es. Mutter stürmt los, um zu schauen, wer die vormittägliche Ruhe störte, doch anscheinend ist keiner da. Als sie im Briefkasten nachsieht, wundert sie sich. "Wir haben Post bekommen!", bemerkt sie fast schon schockiert. "Von wem denn?", will Vater wissen. "Der Absender ist unbekannt. Da steht nichts.", erklärt Mutter die Lage und setzt sich zurück an den Tisch. Als sie den besagten Umschlag öffnet, hält sie sich augenblicklich die Hand vor den Mund. "Was ist los, Mutter? Vater, wieso guckst du so?", ich verstehe die Welt nicht mehr. Was kann an einem Brief nur so beängstigend sein? Sie überreichen mir ihn stumm. Als ich ihn lese, kann ich ihren Schock auf einmal klar und deutlich spüren und verstehe ihn. "Wenn ihr diese Nachricht lest, bin ich schon längst über alle Berge. Ich werde nicht zurückkehren, ich werde vermutlich noch nicht einmal weiterleben, dennoch will ich euch ein Zeichen geben. Ich bin hier. Doch das nicht für lange, ihr werdet euch fragen, wohin ich gehen werde, wo ich bin und warum das alles. Diese Antwort kann ich euch leider nicht geben. Ich kann nicht einmal von mir behaupten, dass es mir leidtut, was ich euch angetan habe. Dennoch kann ich sagen, dass ich euch ein klein wenig vermisse, so nah und doch fern, wie ich bin. Ich sage euch schon jetzt Lebwohl, dass ihr mich nicht rausgeschmissen habt. Ich bin von selbst gegangen. Es musste sein. Entweder seid ihr an allem schuld oder nur ich bin es. Ich habe dich stets geliebt und gehasst, Schwesterchen, doch ich habe ebenfalls meinen Platz gefunden. Ich habe mich entschieden. Lebt wohl. Gezeichnet, Shizuku." In diesem Moment schießen mir Tränen in die Augen. Meine Schwester... lebt? Sie lebt. Onee-sama war niemals weg. Sie war hier. Ganz nah. Meine große Schwester lebt... und sie... sie kehrt nicht wieder. Was kann ich nur tun? Ich werde meine Schwester nie wieder sehen. Wieso nur? Was habe ich ihr jemals getan? "Onee-sama…", schniefe ich. Diese Idiotin. Diese blöde Kuh. Was lässt sie mich einfach so allein? Auch meine Eltern stimmen ein und weinen mit mir. Eine Weile weinen wir einfach und versuchen, den Text auf uns wirken zu lassen. Und gleichzeitig, ihn zu vergessen. Was tut man in so einer Situation am ehesten? Als die Tränen versiegen, sehen wir einander einfach nur tief in die Augen, bevor meine Mutter wieder das Wort ergreift. "Sag, Kind, bist du noch wegen etwas anderem hier? Ich habe den Eindruck, dir liegt noch etwas auf dem Herzen.", nun ist es wohl an der Zeit mit der Wahrheit rauszurücken. "Ja, das ist genaugenommen wirklich so. Ich wollte euch noch etwas sagen, im Bezug auf mich. Auf die Familie.", spiele ich an und die beiden sehen mich zwar bestimmt, aber auch unschlüssig an. Dann atme ich ein und wieder aus. "Ich bin schwanger." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)