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[Beta Ver.] CONDENSE

An jenem schicksalhaften Regentag
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
EXTREM WICHTIGE INFO:
Ich dulde keine Raubkopie auf anderen Plattformen oder das Aneignen meines geistigen Eigentums!
Zum anderen ist die Geschichte in ihrem jetzigen Zustand noch nicht vollständig, die Kapitel extrem fehlerhaft.
Als ich die Geschichte begonnen habe, war ich selbst noch sehr jung und wusste entsprechend nicht sehr viel. Weder was ich mit dem Plot noch was ich mit den Charakteren tun soll. Vieles von dem, was ich wie in die Geschichte integriert habe, würde ich heutzutage unter keinen Umständen so umsetzen.
Demnach ist es ratsam, auf das Release der Light Novel zu warten.
Informationen zum Kauf der jeweiligen Volumes werden auf der Startseite dieser Geschichte vermerkt.
Dadurch wird hier aber nichts gelöscht, sondern auch weiterhin kostenlos aufrufbar sein.
Die angegebenen Genres haben sich mit der Zeit leicht verändert. Zwar begann es als "Romantik, Drama, Hetero", entwickelte sich mit meiner wachsenden Unzufriedenheit allerdings in eine Richtung, in der "Romantik, Drama, Hetero, Boys Love, Girls Love, Lime, Darkfic, Parodie" es wohl viel eher trifft.
Figuren und Handlungen sind frei erfunden. Komplett anzeigen

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Vol. 1 - "Tomodachi" Arc: Über das, was ich nie auszusprechen vermochte.

Akira:

Ich versuche, so leise wie möglich die letzten Tropfen Erdbeermilch durch den Strohhalm zu ziehen.

"Akira-chan, hey, Akira-chan!",

Ich frage mich, wie alt dieser wohl Tisch ist.

"Akira-chan, die radioaktiven Enten sind da. Wir müssen alle evakuiert werden!",

Alle Hunde sind Tiere, aber nicht alle Tiere sind Hunde.

"Akira-chan, zwing mich nicht, Dinge zu tun, die ich nicht tun will.",

Warum suchen wir nach dem Sinn des Lebens?

"Akira-chan, du wolltest es so.",

Shuichiro haut mir volle Kanne ein Buch auf den Kopf. Ich stöhne auf vor Schmerz und sehe nach oben.

 

"Alter, was soll die Scheiße?! Merkst du nicht, dass ich gerade eine Existenzkriese durchleide?!", schnauze ich und ruhe meinen Kopf wieder auf meinen Armen aus.

 

"Mann, Akira-chan, so mies wird deine Arbeit ja wohl nicht gewesen sein. Und selbst wenn, was ist dabei?", versucht er, irgendwie auf mich einzureden.

 

"Ich war sonst immer die glorreiche Neunundsechzig. Ich meine, es hat sonst immer funktioniert, aber guck dir das mal an! Zwanzig, Alter, zwanzig. Dabei habe ich doch versucht, in jeder Arbeit die gleiche Punktzahl zu erzielen. Das ganze Jahr über. Die glorreiche Neunundsechzig. Und jetzt so was. Das ist so... unbefriedigend!", beschwere ich mich und höre das große Elend in meiner Stimme.

 

"Würdest du nicht die Nacht davor erst anfangen zu lernen, hättest du dieses Problem jetzt nicht.", meint Kaishi und streift mit der Hand meine Schulter.

 

"Ach, lass mich doch. Das hat immer irgendwie gezogen.", seufze ich und schließe die Augen.

 

Wir sind fast allein, weil alle so langsam gehen. Die Katsuoka hat nicht einmal versucht, mich aufzumuntern. Scheint es ja fast schon eilig gehabt zu haben. Aber was soll's. Ich habe ja noch meine Freunde, die diesen Job übernehmen können.

 

"Kyokei-san, sag doch auch mal was.", ermutigt ihn Kaishi.

 

"Was soll ich jetzt machen? Ist das nicht seine eigene Schuld?", autsch.

 

"Aber das sagt man nicht. Und ich glaube, er weiß das.", entgegnet er.

 

"Okay. Dann helfe ich mal nach.", beschließt er leise.

 

Ich höre seine Schritte hinter meinem Rücken.

Was er jetzt wohl vorhat?

Ich erschrecke leicht, als ich spüre, wie seine Hand zärtlich durch meine Haare fährt.

Aufhören! So schön sich das auch anfühlt, das ist verfickt seltsam!

Und ich schreie erneut an diesem Nachmittag auf, als er sie plötzlich krallt und so meinen Kopf gewaltsam in die Höhe reißt. Aber das fühlt ganz und gar nicht schön an!

 

"Hast du den Arsch offen?! Das tut verfickt weh!", knirsche ich und drehe mich zu ihm um.

 

"Komisch, ich dachte, es könnte die Gehirnzellen anregen, wenn man nur fest genug an den Haaren zieht.",

 

"So funktioniert das nicht!"

 

"Ach, ihr beiden. Yin und Yang, die Netflix-Adaption.", lacht Kaishi.

 

"Neflix-Adaption?", kommt es von Kyocchis Seite und er klingt leicht überfordert dabei.

 

Yin und Yang. Licht und Schatten. Hitze und Kälte. Alle möglichen Gegensätze, die es gibt. Das Gute im Schlechten, das Schlechte im Guten. Irgendwo wird er da wohl recht haben. Schlaumeier.

 

"Sag mal, Kyokei-chan, wo ist eigentlich Failman-chan?", will Shuichiro aus dem Nichts wissen. Stimmt, Failman gibt's ja auch noch.

 

"Chika wollte mit ein wollte mit ein paar Klassenkameradinnen irgendwie einen drauf machen. Auch... wenn sie mehr oder weniger dazu gezwungen wurde, glaub ich. Deshalb ist sie ohne mich los.",

 

"Tatsache? Das freut mich aber für sie.", lässt uns Kaishi wissen. "Ich hatte ehrlich gesagt etwas Angst, dass Kyokei-san vielleicht doch ihre einzig wahre Bezugsperson ist. Dass sie auch aus sich rauskommen kann, beruhigt mich schon ein wenig.", aber nicht viele Sekunden später bereut er seine Worte, als er Kyokei-san an den Schultern packt und aufgeregt ergänzt:

 

"A-aber das soll auf keinen Fall heißen, dass du dich schlecht um sie sorgst oder ihr zwei irgendwelche Probleme habt, auf keinen Fall! Dass sie so an dir hängt ist schließlich was Gutes! Also, ähm, ich hoffe, du verstehst, was ich gemeint habe... Oh Mann.",

 

"Ich verstehe viel weniger, warum du dich so aufregst. Passt doch alles.", daraufhin lässt Kaishi von ihm ab und lacht.

 

"Ach, dann ist ja alles klar. Und ich dachte schon, das käme irgendwie komisch rüber.", er fährt sich belustigt durch die Haare und sieht mich an.

 

"Was ist mit dir, Egaoshita-san? Geht's dir wieder besser?", fragt er mich.

 

"Ach, weißt du, ich glaub, ich will ins Arcade und ein paar Zivilisten abschießen. Ist das besser?", Kaishi hebt erst eine Augenbraue, versteht dann aber doch und formt ein stummes "Ach so."

 

"Ich würde liebend gerne dabei sein, wenn du unschuldigen Menschen zeigst, welche Religion im Bezug auf Leben danach recht hatte, aber... ich habe Hausarrest.", bitte was?!

 

"Warum ausgerechnet du?", versteht Kyocchi nicht ganz, wobei er nicht der Einzige ist.

 

"Sagen wir mal so, ich habe aus Versehen - wie sage ich das jetzt schön? - einen Geschäftspartner meines Vaters... - wie sage ich das jetzt schön? - vergiftet."

 

"Du hast was?!", entfährt es mir und meine Stimme überschlägt sich.

 

"Der Idiot hat gestern mit uns zu Abend gegessen. So ein richtig schmieriger Kerl war das. Alles an ihm war einfach... eklig. Mein Vater schien ihm blind vertraut zu haben, obwohl ich fast riechen konnte, dass der absolut nicht... vertrauenswürdig war. Weißt du, was er gesagt hat? 'Freut mich überaus, Kazukawa-san, mit meiner Hilfe wird schon bald nichts mehr wie vorher sein.' Wie klingt das denn bitte?! Ich war mir so sicher, dass der ihn ruiniert hätte. Also habe ich, als der anständige Erbe seines Labors, der ich bin, Kaffee angeboten, mir die Tasse von dem Kerl vorgenommen und... ein kleines bisschen verdorbenes... Eiweißpulver reingetan.",

 

"Das tötet Menschen!", erinnere ich ihn fassungslos. Warte mal, kann man Menschen denn wirklich mit vergammeltem Eiweißpulver töten?

 

"Ich wollte doch nur helfen!", verteidigt er sich. "Wie auch immer, der Kerl hat's geschluckt. Und... meine Mutter vollgekotzt. Am Ende hat sich rausgestellt, dass der schmierige Typ immer so redet! Woher hätte ich wissen sollen, dass es Leute gibt, die von Natur aus wie die letzten Psychopathen klingen? Das war so was von eine Falle! Aber egal, mein Vater war stinksauer deswegen. Und deshalb sollte ich eigentlich schon zu Hause sein.",

 

"Krass, Alter.", hauche ich. "Das sieht dir wirklich gar nicht ähnlich.",

 

"Vieles sah mir an diesem Abend nicht ähnlich, mein Guter. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich habe mich zu schämen.", sind seine letzten Worte, ehe er auf dem Absatz kehrt macht und dabei ist, den Raum zu verlassen.

 

"W-warte, Kaishi-chan, du kannst mich doch nicht einfach so links liegen lassen! Hey, wir haben immer noch den gleichen Heimweg!", ruft ihn Shuichiro hinterher, während er die Verfolgung aufnimmt und uns beide genauso links liegen lässt wie Kaishi ihn.

 

"Und weg ist er.", kommentiert Kyocchi lustlos.

 

"So kennen wir unser Küken schließlich.", grinse ich.

 

Kaishi und Shuichiro sind beste Freunde, so wie Kyocchi und ich. Shuichiro hat den Hang dazu, sich von ihm etwas zu schnell vernachlässigt zu fühlen, weswegen er ihm auch dann noch folgt, wenn der Rest es nicht tut. Einmal habe ich im Scherz behauptet, dass die beiden ein Paar sind, aber dann hat Kaishi mich gehauen und Shuichiro ist fast an den Chips erstickt, seitdem mache ich solche Witze nicht. Mehr. In ihrer Anwesenheit. Ich schätze, Kindheitsfreunde sind immer anders als Leute, die erst an der Oberschule Freunde werden. Ich schätze, es ist dieser Unterschied, der die Auseinandersetzungen der Gang so spannend macht.

 

"Willst du immer noch auf Zivilisten schießen oder schlafen wir heute hier?", reißt mich Kyocchi aus den Gedanken und ich fahre rum. Er schaut mich an. Und wie er mich anschaut.

 

"A-aber klar. Lass uns gehen, Kyocchi.", Kyocchi nickt und ich gehe an ihm vorbei. So ist das immer, ich laufe, er folgt. So war es und so ist es auch jetzt. 

 

***

 

Als es anfängt, draußen dunkel zu werden, treten wir aus dem Arcade ins Freie. Es hat Spaß gemacht, mit ihm zu zocken. Es ist ein angenehmer Abend. Ein cooles Ende zu einem noch cooleren Nachmittag.

 

"Akira.", sagt er aus dem Nichts meinen Namen.

 

"Ähm, ja, was denn?", frage ich eine Spur zu sehr durch den Wind.

 

"Ich möchte noch zum Supermarkt. Musst du da vielleicht auch noch hin oder hast du alles?",

 

"Ich glaube nicht, nein. Also, ich meine, ich habe nicht alles. Können da ja noch hin, wenn du willst, Kyocchi.", er nickt. Es ist immer dieses Nicken, das mir das Gefühl gibt, nicht auf ganzer Linie zu versagen.

 

***
 

Egal, wie oft du mir sagst, dass ich ein Idiot bin, dein Leichtsinn verrät, dass du genauso idiotisch bist. , solche Gedanken sind es, die ich denke, wenn ich daran denke, in was für eine Situation ich da schon wieder reingeraten bin.

 

"Hey, vielleicht hat Kaishi ja recht und ich sollte mich mehr anstrengen.", habe ich einfach so laut gesagt.

 

"Wäre vielleicht besser.", meinte er daraufhin.

 

"Wie gut hast du eigentlich abgeschnitten?", wollte ich wissen.

 

"Vierundneunzig.", nannte er mir seine Punktzahl. Gut genug.

 

"Hey, Kyocchi, wir sind doch so gute Freunde-",

 

"Lass mich raten, du willst meine Hausaufgaben abschreiben.",

 

"Quatsch, im Gegenteil! Ich mache sie so was von selber! Ich will nur... dass du mir wieder zeigst... wie.", kam mir zögerlich über die Lippen und Kyocchi starrte mir tief in die Augen.

 

"Meinetwegen. Mein Bruder wird vermutlich noch auf irgendeiner Party rumlungern. Wir sind also ungestört.",

 

Manchmal kann ich mich selbst am wenigsten fassen. Ich meine, bin ich verrückt? Vermutlich bin ich das. Wie auch immer, die Hausaufgaben sind gemacht und ich fühle mich tatsächlich schlauer. Kyocchi macht keine Anstalten, mich nach Hause zu schicken. Er liest einfach sein beknacktes Buch und tut als gäbe es mich nicht. Vermutlich wartet er jetzt darauf, dass ich nach Hause gehe. Warum also tue ich das nicht? "Okay, man sieht sich dann morgen, nehme ich an.", hat er gesagt und das vor bald zehn Minuten. Was um alles in der Welt hält mich noch hier?

 

"Also, Kyocchi, ich-", als ich mich zu ihm umdrehe, um mich zu verabschieden, bleibt mir der Rest vom Satz im Hals stecken.

 

Der Typ pennt einfach. Nein, wirklich, der... der schläft! Das Buch liegt neben seinem Kopf und ich höre ihn ganz leise atmen. Es ist ein gleichmäßiges Atmen. Niemand atmet so, wenn er mit beiden Augen wach ist.

 

"Hey, du... du kannst nicht einfach einschlafen, Mann.", flüstere ich und ziehe vorsichtig das Buch aus seinen Fingern, ohne dabei die Seite zu verlieren, an der er gerade aufgehört hat. Die schlafenden Schönen von Yasunari Kawabata. 

 

"Was du so alles liest.", lache ich leise, lege ein Lesezeichen, das ich auf seinem Tisch finde, zwischen die Seiten und das Buch auf den kleinen Nachttisch neben den Tabletten, die da stehen.

 

Die schlafenden Schönen also. Fast so, als hätte Kyocchi diese Situation vorausgesehen. Jetzt liegt er da, schläft einfach so. Und dann gibt es mich, ich beobachte ihn dabei. Er ist der Schönste aller Schlafenden., denkt sich ein Teil von mir und ich könnte mich dafür ohrfeigen. Was soll die Scheiße schon wieder? Bin ich krank?
 

Auch wenn ich es nicht wirklich will, denke ich in Momenten wie diesen zurück und frage mich, wie ich nach all dem überhaupt noch schlafen kann. Da gibt es viel, das ich nicht weiß und mindestens genauso viel von dem, das ich die Leute glauben lasse, es nicht zu wissen. Damit konnte ich mich mein Leben lang durchschlagen. Ich bin tatsächlich sehr einfach gestrickt, nicht besonders schlau oder tiefgründig, aber nicht blöd. Nein, blöd bin ich nicht. Na ja, zumindest nicht durch und durch. Ich weiß alles über diesen Jungen. Ich kenne ihn. Wie er fühlt, was er denkt, wer er ist, niemand kennt ihn besser als ich. Außer vielleicht... sie. Das Mädchen, das immer bei ihm ist. Die Verrückte, mit der ich ihn zusammensehen wollte. Failman. Failman kennt ihn vielleicht noch besser als ich. Beim Gedanken an die Vergangenheit knirsche ich mit den Zähnen.

Kyocchi, wenn du nur wüsstest, wie froh ich bin, hier zu sein und zu sehen, dass es dir gut geht. Wenn du nur wüsstest, wie erleichtert ich war zu wissen, dass du dich an nichts, aber auch an nichts dergleichen erinnern kannst.

 

"Ich sollte wirklich nach Hause gehen. Bald kommt bestimmt dein Bruder nach Hause und es wäre komisch, ihm über den Weg zu laufen, wenn man bedenkt, dass ich nicht hier sein sollte.", hauche ich ganz leise und setze mich trotzdem zu ihm ans Bett.

 

Er sieht so sorglos aus. Ich seufze. Es ist schwer, nicht hinzusehen und es ist noch schwerer, nach Hause zu gehen, ohne sich auch nur ein einziges Mal nach ihm umzudrehen.

 

Wissend, dass ich nicht sollte, fahre ich ihm durch die Haare und seufze. Wenn er aufwacht, schlage ich ihn. 

Selbst ein Pazifist wie er kann verrückt werden, selbst so jemand Cooles lässt mal seine Deckung fallen und wird rot. 

Ich habe alles gesehen, genug gesehen, um zu sagen, dass er nicht immer so kalt war. Es gab tatsächlich eine Zeitspanne, in der Elvis Kyokei nicht der war, den wir alle kennen.

Bin ich allein der, der weiß, wer er wirklich ist? Ich möchte es so gerne glauben. 

Da liegt etwas Unausgesprochenes in der Luft, die wir beide atmen.

Auch wenn er das nicht weiß.

Trotz allem, dass ich mich wirklich zusammengerissen habe, merke ich doch, wie mit meinem bisherigen Vorgehen ebenfalls niemandem geholfen ist. Dabei bin ich doch der Einzige, der ihm wirklich helfen kann.

Ich weiß, dass es nur logisch wäre, ihm zu helfen. Es zu versuchen, auch wenn die Chancen klein sind. Unwahrscheinlich klein.

Ich glaube, ich will ihm gar nicht helfen. Viel mehr bin doch ich es, der Hilfe braucht.

Würde ich ihm helfen und es würde tatsächlich was bei rauskommen, würde ich vermutlich unsere Freundschaft aufs Spiel setzen.

Würde ich weiter nichts tun, drehten sich meine Gedanken bis in alle Ewigkeit im Kreis. Am liebsten wäre es mir, einen Weg einzuschlagen, der weder das eine noch das andere auslöst. Ein Weg, bei dem ich am Ende nicht völlig verloren zurückbleibe. Ich mag es nicht, verloren zurückzubleiben.
 

Ich mustere Kyocchi. Es ist so vieles anders, so viele Veränderungen folgen auf eine andere. Ich kann nicht anders, als sein sich veränderndes Ich mit seinem Ich aus der Mittelschule zu vergleichen, selbst wenn ich es versuche, es nicht zu tun. Er ist ein paar Zentimeter gewachsen und hat sich hinten die Haare geschnitten. Die Veränderung ist von den Haaren her aber recht gering. Er ist immer noch fast genauso schlaksig wie ich und ein bisschen kleiner als ich. Er hat immer noch den gleichen Modegeschmack. Ist immer noch so schmerzhaft ehrlich.

 

"Ich hab das nicht gewollt...", murmelt er im Schlaf, klammert leicht die Arme um sich und erschreckt mich zu Tode. Als wenn es etwas gibt, das keiner sehen soll. Als würde er sich schützen. Ich weiß auch, das er Probleme damit hat, seine Oberkörper zu zeigen. Alle Beteiligten wissen das seit jenem Tag.

 

"Nein.", war seine trockene Antwort, als jemand ihn gefragt hat, ob er das Shirt nicht doch lieber ausziehen will.

 

Und als Asahina ihn im Streit das Ding runterreißen wollte, hat drei Sekunden später seine Nase geblutet.

 

"Hast du was an den Ohren? Ich habe gesagt, dass es dabei bleibt. Dem Anschein nach bist du mir sehr abgeneigt, ist es nicht so? Ob es nur daran lag, weil ich dich unabsichtlich vor der ganzen Klasse gedemütigt habe oder du dir auf den verbalen Schlagabtausch, den wir beide immer mal wieder zu haben scheinen, insgeheim einen runterholst, kann ich nicht beurteilen. Doch lass dir gesagt sein, dass es mich nicht weniger kümmern könnte, wie du mir gegenüber empfindest. Alles, was ich will, ist dass man das kleine bisschen Privatsphäre, nach dem ich verlange, doch bitte respektiert. Wenn du das nicht kannst, habe ich keine andere Wahl, als dich deinen Platz kennen zu lassen und handgreiflich zu werden. Das ist meine letzte Warnung. Ist das irgendwo in deinem bodenlosen Loch von Gehirn angekommen? Ja? Dann verstehen wir uns.", waren seine Worte an jenem Tag in jener Umkleide.

 

Das sagte er, nachdem er Asahina beinahe die Nase gebrochen hatte, seine Sachen packte und den Raum verließ. Egal, wie monoton seine Stimme immer klingt, da klang es fast so, als wäre er... sauer. Asahina zu schlagen war der erste und letzte annähernd emotionale Akt, den wir je von ihm gesehen haben. Damals habe ich so getan, als wäre mir der Grund dafür egal und als läge die Stelle, die er verdeckt, nicht in meinem Interesse. Es gab keinen Grund, irgendwas zu sagen. Da alles wie von Zauberhand wieder so war, als wäre alles ungeschehen gemacht worden, war auch Kyocchi auf seine Weise wieder mein Freund. Und machte mich damit überglücklich. Alles war friedlich und nett. Ich fühlte mich begnadigt. Ich fühlte mich gut. Aber so richtig. So kann es immer bleiben, dachte ich. Ich wollte beschützen, was mir geschenkt wurde. Ich dachte, es ist gut so, wie es ist. Ich wollte das wirklich glauben. Aber, verfickt noch mal, ich lag ja so was von falsch.

 

Nur ein kurzer Blick, denke ich.

Was auch immer es ist, es schreckt mich nicht ab. Was auch immer er versteckt, nichts ist so versteckt, wie die alte Sache zwischen uns, über die wir seit zwei Jahren nicht mehr reden, weil sie für ihn nicht mehr existiert.

Nichts von dem, was er vor mir versteckt, könnte je ändern, was ich über ihn denke. Über meinen geliebten besten Freund Elvis Kyokei.

Mit einem Ruck und geschlossenen Augen schiebe ich den blauen Pullover, zusammen mit dem Hemd, das darunter liegt, nach oben. Dann öffne ich die Augen und schnappe völlig verstört nach Luft.

Fuck.

Da ist eine riesige und verdammt tiefe Narbe an seinem Bauch. Da sind so viele Narben. Das ist ein... Schlachtfeld. Das ist so... brutal. Das sieht so... tödlich aus. Ich halte mir die Hand vor den Mund, so geschockt bin ich. War Chika damals deshalb so wütend auf mich? Ist es das? Weil ich nicht nur an seinem Verschwinden schuldig bin, sondern ihn auch noch wehgetan habe? Ihn dazu gebracht habe, sich selbst so schrecklich zu verletzen?

 

"Ich hab das nicht gewollt...", spielt sich die Wiederholung von Kyocchis Worten in meinem Kopf ab. Ich auch nicht, Kumpel. Ich verfickt nochmal auch nicht. 

 

Auch an Failmans Worte an jenem Tag muss ich daraufhin unweigerlich denken. Jener Tag war ja mal so was von beschissen gewesen.

 

Ich ging an diesem bewölktem Tag ganz normal zur Schule. Gestern hatte ich geschwänzt. Ich war ein Feigling, das wusste ich. Kyocchi war ich auf meinem Weg nicht begegnet wie sonst auch. Dort angekommen, schien etwas anders. Meine Mitschüler entfernten sich von mir, als sie mich nur sahen. Ich dachte mir nicht viel dabei und tauschte unschuldig die Straßen- gegen Hausschuhe. Ich ging weiter. Dann stapfte sie auf mich zu. Den Blick gen Boden gewandt, wütend über den Boden schlürfend. Und dann ohrfeigte sie mich. Einfach aus dem nichts und mit einer solchen Wucht, dass ich fiel. "Au! Was stimmt nicht mit dir?", fauchte ich, auch wenn ich wusste, dass ich es verdient hatte. Der ziehende Schmerz auf meiner Wange war vermutlich ein Witz im Vergleich zu dem, was sie fühlte.

 

"Das Gleiche könnte ich dich fragen!", keifte sie und griff nach meinem Kragen.

 

"Wie kann man nur so egoistisch sein?! Hast du eine Ahnung, wie sehr Ellie deinetwegen gelitten hat?! Was für Qualen er ertragen musste, nur weil du gestern nicht für ihn da warst?! Wie es richtige Freunde tun würden? Dir ging es doch nur um dich! Es spielt keine Rolle, ob Ellie dich liebt oder hasst, du bist und bleibst ein feiges Arschloch, das ihn verlassen hat, als er dich am meisten brauchte! Als ich ihn am meisten brauchte! Du hast mir meinen Ellie genommen, Akira! Wieso hast du das getan?! Was habe ich dir je angetan, dass du ihn mir so wegnehmen musst? Ich hasse dich! Ich hasse, hasse, hasse dich so abgrundtief! Du bist das Letzte, Akira! Das Letzte!", weinte sie, vergrub die Finger noch tiefer im Stoff und weint.

 

Sie winselte noch ein paar Sekunden, dann sprach sie wieder.

 

"Hast du denn absolut nichts dazu zu sagen? Gar nichts zu dem Mädchen, dessen Leben du ruiniert hast?", fragte sie mich mit aufgelöster Stimme und hob wieder den Kopf. Sie hatte nicht einmal mehr die Kraft, mich weiter festzuhalten, als ich aufstand und die Wahrheit sagte.

 

"Hab ich nicht.", flüsterte ich, wissend, dass ich dieses allseits fröhliche, nervige Mädchen gerade innerlich sterben ließ.

 

Ich hatte ihr den Menschen genommen, den sie über alles geliebt hatte. Am gleichen Tag wechselte ich die Schule.
 

Das ist also der Grund, weshalb. Deshalb das Shirt im Schwimmunterricht. Kyocchi ist wirklich zu bemitleiden. Weil er das wahrscheinlich weiß, versteckt er es. Er ist unglaublich gut darin, so zu tun als wäre nichts, das habe ich schon lange verstanden. Oder vielleicht er glaubt wirklich daran...

 

"Ist schon okay, Kyocchi...", flüstert ich ihm zu.

 

Ich komme ihm mit dem Gesicht so nah wie lange nicht mehr. Sieht man ganz genau hin, dann hat auch sein Gesicht den einen oder anderen kleinen Kratzer davongetragen. Kleine, farblose Schützengruben und Schlaglöcher, fast unmöglich zu erkennen.

 

Du bist wirklich... mein allerbester Freund, Kyocchi. Ich mag dich sehr. Und ich weiß, dass du mich auch magst. Wir sind schließlich beste Freunde. Aber was mache ich hier eigentlich? Es ist alles so gekommen, wie ich es wollte. Es lief alles nach meinem Plan. Ich meine, Kyocchi genießt gerade vermutlich die Blütezeit seines Lebens. Er hat Freunde, Kaishi, Shuichiro und mich und eine ziemlich heiße Freundin. Besser geht es gerade eigentlich gar nicht.

Warum also bin ich hier? Warum bin ich dann nicht zufrieden?

Nach allem, was passiert ist, haben Kyocchi und Failman verdient, miteinander glücklich zu sein. Sich zu lieben, sich zu küssen, Sex miteinander zu haben, einfach alles. Kyocchi verdient alles Glück der Welt. Gefunden in niemand Geringerem als dem Mädchen, das für ihn bestimmt ist.

Ich habe selbst entschieden, dass es so, wie es gerade ist, für ihn und eigentlich für mich besser ist.

Warum bin ich dann nicht glücklich?

Ich fühle mich, als ob ich kurz davor bin, alles zu verlieren. Mir liegt etwas an ihm. Ich will nicht, dass er leidet. Und gleichzeitig denke ich nur an mich.

Warum fühle ich mich wieder so wie damals im Schuppen?

Da war ich mindestens genauso egoistisch. Meine egoistischen Handlungen haben dazu geführt, dass Kyocchi verletzt wurde und ich verschwinden musste. So endete unsere gemeinsame Mittelschulzeit. Ich habe wirklich nicht schlecht gestaunt, als ich ihn an jenem Tag in der Highschool einfach vor mir sah. Da war kein Funken Missgunst oder Hass in seinem Blick. Nichts als Leere. Und je mehr ich mit ihm zu tun hatte, desto mehr fühlte es sich an, als würde Kyocchi mich gar nicht kennen. Als ich mir dessen bewusst wurde, schwor ich etwas. Ich schwor, noch einmal von vorne anzufangen und ein besserer bester Freund zu sein als damals. Ich wollte alles richtig machen. Ich wollte mich amüsieren, jetzt wo ich wusste, dass es nichts gibt, was das Band zwischen uns zerreißen konnte. Und eine lange Zeit ging das auch gut. Kyocchi behandelte mich einfach wie einen guten Freund, ein Mitglied dieser Gang. Er war kühl, abgebrüht und hielt kein Blatt vor dem Mund, aber trotzdem konnte ich sehen, dass er sogar anfing, mich ebenfalls ein bisschen gernzuhaben.

 

"Vielleicht, weil ich dich einfach mag, Akira.", sagte er mal.

 

Die Zeit mit ihm und den anderen war wunderschön und ich fühlte mich toll. Aber tief im Innern konnte ich mich nicht verarschen. So gern ich es auch hatte, die zurückgesetzte Version meines Kumpels um mich herum zu haben, ich sah beim genaueren Hinsehen, dass er unter seinem augenscheinlichen Gedächtnisverlust litt. Und zwar stark. Es stand ihm die ganze Zeit ins Gesicht geschrieben, dass er in Wahrheit gar nicht mal so genau wusste, ob er gerade er selbst war oder der Schatten davon. Ohne die Erinnerungen wird sich Kyocchi eventuell nie wieder wie ein normaler Mensch fühlen. Und die Tatsache, dass ich zumindest versuchen könnte, dieses Leiden zu vermeiden, bringt mich in Versuchung, die Deckung fallenzulassen. Was selbstlos erscheint, weil ich ihm damit "helfe", ist eigentlich absolut selbstsüchtig. Ich gehe nur meinen Gelüsten nach. Aber für diesen Moment ist es okay.

 

"Es ist genug, du brauchst mir nichts zu sagen...", wispere ich.

 

Ich schwebe über ihm, mein Gesicht über seinem. Im nächsten Moment küsse ich ihn. So lange habe ich mich zurückgehalten, so lange, so lange habe ich versucht, vor der Wahrheit zu fliehen. So lange tat ich so, als gäbe es diese Vergangenheit nur in einer abgelegenen Parallelwelt. Ich will alles wissen, ich will, dass er mir alles sagt. Erzähle es mir! Den ganzen Rest! Es ist egozentrisch und selbstsüchtig von mir, aber ich kann einfach nicht aufhören. Ich will ihn berühren und dazu bringen, mir dir Wahrheit zu erzählen. Die über seinen Schmerz, über die Zeit zwischen der Mittel- und Oberschule. Was er sieht, wenn er mich sieht. Ich liege auf ihm und fahre mit meiner Hand über seine Haare. Es fühlt sich gut an, wieder so eins mit ihm zu sein. Etwas, das wir schon lange aufgegeben haben. Ich küsse ihn weiter. Wach auf, du Arsch. Sieh mich an, Blödmann! Es nimmt wieder seinen Lauf, das mit uns. Als würden wir in die Zeit reisen, als würden wir zwischen den Zeiten festhängen und wären gezwungen, alte Handlungen dem Raum-Zeit-Kontinuum zuliebe zu wiederholen. Ich rede mir ein, dass ich es für ihn tue. Ich rede mir ein, dass ich einen Plan habe. Unsere Freundschaft hat mir alles bedeutet. Jetzt habe ich alles kaputtgemacht.

 

"Ah...", höre ich Kyocchi unter mir murmeln.

 

Ich erstarre, als ich seine Hand auf meiner Brust spüre und er mich schlagartig wegschiebt. Er starrt mich verwirrt und errötet an. Da liegt Schock in seinem Blick und etwas anderes, was ich nicht deuten kann. Ich liege auf ihm, seine Narbe ist entblößt und ich habe ihn geküsst. es gibt nichts, was ich ich sagen könnte, um mich zu retten. Es gibt keine Worte, die ihn zu verstehen geben könnten, dass das alles ein Traum war. Da gibt es kein "Leute, ihr könnt rauskommen. Es war alles nur ein Prank.". Es gibt einfach keine heterosexuelle Erklärung dafür. Verdammt.

 

"Akira. Aber wieso?", fragt er und sieht erst die entblößte Narbe und dann mich an.

 

Wieso, das fragt er und es ist so leicht zu beantworten. Ich habe irgendwann gesehen, dass du dich absolut nicht an mich erinnern kannst, der für deinen angeblichen Fast-Tod verantwortlich war, also habe ich dasselbe wie damals gemacht, damit du dich erinnerst und weniger aussiehst, als würdest du innerlich komplett tot sein. Die Instinkte waren schuld. Die Instinkte, die mir sagen, dass ich dir noch immer absolut verfallen bin.

 

"Kyocchi. Wer bist du wirklich? Was weißt du überhaupt noch?", beantwortet das die Frage eigentlich so überhaupt nicht. "Akira. Wovon um alles in der Welt redest du schon wieder?", versteht er nicht.

 

"Ich kenne dich doch. Von damals. Von der Mittelschule! Stell dich nicht dumm, Mann! Ich... Ich habe nie aufgehört, zu fühlen, wie ich fühle, deshalb... Hör endlich mit der Show auf und rede mit mir!", brülle ich fast.

 

Seine Augen weiten sich, er sieht noch schockierter aus. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, ob ich ihn je geliebt habe, ich weiß nicht, ob das je was Ernstes war. Dennoch hatte ich dieses Bedürfnis, ihn zu küssen, dass jede andere Antwort nichts weiter als abstoßend wäre. Kyocchi sieht mich immernoch völlig fassungslos an und sagt anschließend:

 

"Akira, du... Du bist ein Idiot, Akira.", wie recht du hast. Ich bin ein kompletter Vollidiot.

 

Und deshalb, belehre mich eines Besseren. Sag mir, dass ich falsch liege, egal was, erzähl es mir. "Weiß ich.", sage ich. Deshalb werde ich alles aus ihm rausbekommen und ein weniger großer Vollidiot werden. Wir sind beide Idioten. Und du weißt das. Lass mich dir deshalb jedes Detail aus der Nase ziehen. Und stehe zu dem, was du einst angefangen hast, Elvis Kyokei.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Trivia (kann Spuren von Spoilern enthalten);
Ehemaliger Titel aus Version 1.0 - Über das, was ich nie auszusprechen vermochte.
Grund:
-

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