[Beta Ver.] CONDENSE von YukihoYT (An jenem schicksalhaften Regentag) ================================================================================ Kapitel 18: Vol. 1 - "Nadeshiko" Arc: Die verblassenden Gefühle der Vergangenheit (Teil 5) ------------------------------------------------------------------------------------------ Von nun an trafen Shun, sein kleiner Sohn und ich uns häufiger, nicht nur, weil ich für Taiyo und seinen Vater da sein wollte. Ich dachte dabei auch an meinen eigenen Sohn. Irgendwie hatte ich das Gefühl als würde es ihm in der Gegenwart von Shun und Taiyo besser ergehen, einfach, weil wir nicht alleine waren. Der Tag der Geburt rückte immer näher und meine wachsende Angst, uns nicht versorgen zu können, war unerträglich. Ich arbeitete weiterhin im Bücherladen, obwohl ich wusste, dass das auf Dauer nicht reichen würde. Aber auch in dieser Situation stand mir Shun stets bei. Er sagte, er könne nicht mitansehen, wie mein Leben als Witwe und alleinerziehende Mutter seinen Lauf nehmen würde. Dazu sagte ich nichts mehr. Ich verstand es nicht. Weshalb sorgte er sich um mich? Ist es wegen Keita? Oder doch wegen Elvis? Ich konnte mir keinen Reim daraus machen, selbst, wenn ich wollte. "Setsuna, warum bist du eigentlich so dick?", Taiyo riss mich aus den Tagträumen und sah mich unverwandt an. "Taiyo, das ist nicht die Art wie ich dich erzogen habe!", versuchte Shun seinen Sohn zurechtzuweisen. "Ist schon gut, Shun, woher soll er das denn wissen? Ich erklär es ihm.", beruhigte ich den Vater des Kleinen. "Taiyo, ich bin nicht dick. Ich bin schwanger. Da ist ein Kind drin, weißt du?", erklärte ich ihm und streichelte seinen Kopf. "Oooooohhhh...", Taiyo legte sein Ohr auf meinen Bauch und die Hand dazu. Er sagte eine Weile nichts und dann schreckte er kurz auf. "Papa, da hat sich was bewegt!", erschrocken fällt er auf den Po. "Sie hat doch gesagt, da ist ein Kind. Du gehst doch auch jeden Tag in den Kindergarten. Mit den Füßen.", Shun sah erst Taiyo, dann mich an. "Kann ich auch mal?", fragte er schüchtern. "Klar.", erlaubte ich ihm, bevor er ebenfalls meinen Bauch streichelte. "Welcher Monat?", "Achter Monat.", in dem Moment dachten wir beide wahrscheinlich dasselbe. "Es wäre möglich, aber bestimmt nicht schön. Mein Kumpel wird nicht da sein, um sein eigenes Kind beim Erwachsenwerden zusehen zu können. Jedes Mal, wenn ich dich so sehe, muss ich daran denken und fühle mich schlecht. Setsuna, ich muss doch irgendwas für dich tun können. Ich muss, denn sonst... auch weil Taiyo... ", ich verstand den Rest nicht, all die Worte wurden mit einem Tsunami aus Tränen davongespült. Shun weinte. So laut und stark und ich wollte nur noch wissen, wofür seine Tränen flossen und weshalb es ihm so wehtat, mich so zu sehen. Ob ich schuld sei, wie auch immer, ich fühlte mich so. Er sackte mit dem Gesicht auf meine Oberschenkel, hielt sich mit Fäusten an meinem Rock fest und heulte verkrampft weiter, wie an der Beerdigung und dem Grab. Taiyo sagte wieder nichts und ich fühlte mich nicht gut dabei, dass wir über so etwas in der Gegenwart eines Fünfjährigen sprachen. Er bewegte sich kein Stück, noch nicht einmal, um seinen Vater zu trösten. Wie angewurzelt stand er da und beobachtete diese Szene. Nachdem Shun sich ausgeweint hat, zumindest etwas, lag er immernoch auf meinen Oberschenkeln und sagte nichts. Dann aber, fand er wieder Worte: "Setsuna... ich will... für immer an deiner Seite sein. Ich will auch für immer an der Seite dieses kleinen Wesens bleiben. Wegen der Sache mit Kyokei fühle ich mich noch immer kein Deut besser und auch noch seine Frau und sein Kind im Stich zu lassen, halte ich nicht aus! Selbst Taiyo hat sich gefreut. Er hat mir gesagt, dass er dich mag und dich gern als Mutter hätte und wenn ich ehrlich bin, will ich auch, dass es so bleibt wie seit drei Monaten. Wir haben uns fast täglich gesehen und je mehr Zeit vergangen ist, desto mehr wollte ich dich und dein Kind beschützen. Ich will dir beistehen, mein Leben lang, das ist es, das ist das Mindeste, was ich für Kyokei tun kann...", stammelte er mir durch den Stoff und hauchte mir warme Luft an die Beine. Ich war sprachlos. Taiyo sagte immernoch nichts und zittere. Shun bewegte sich nicht. Es zogen Wolken und die unbeschwerte Atmosphäre war vergangen, auch wenn das Blau am Himmel teils immernoch zu sehen war. Ich legte die Hand auf seinen Kopf. "Shun. Du bist wirklich toll. Ich verstehe es nicht, ich verstehe deine Gefühle und was du mir sagen willst, aber ich weiß nicht, ob ich diese Gefühle teilen werde. Es klang fast als würdest du mich lieben, es war so schön und gleichzeitig macht es mir Angst. Kann ich mich den nach seinem Tod denn wirklich so schnell wieder auf einen anderen Menschen einlassen? Ich meine, ich weiß nicht, ob das hier Liebe ist, aber selbst, wenn es keine ist, so hab ich Angst. Angst, dass wieder das Blut einer anderen Person an mir klebt und ich mich schuldig fühle, auch wenn ich nicht muss. Dennoch habe ich mich so sicher bei dir und Taiyo gefühlt, dass ich nicht mehr weiß, wie es jetzt weiter geht. Ich will immer so bei euch bleiben, aber darf ich denn überhaupt, nach so kurzer Zeit? Habe ich wirklich das Recht dazu?", der Raum in meinem Hals verengte sich zu einer kleiner kleinen Öffnung, viel zu klein, um vernünftig nach Luft zu schnappen. Shun richtete sich wieder auf und wischte den Rest Tränen aus seinem Gesicht. Wir beide sagten nichts mehr und nickten nur einvernehmlich der unausgesprochenen Tatsache entgegen. Dass wir zusammenbleiben würden. Es so zu sagen klingt, als würde ich Keita hintergehen, doch was sollte ich tun? Er war nicht da und die anhaltende Einsamkeit, ihn nie wieder zusehen, war einfach zu grausam um wahr zu sein. Uns gegenseitig die Wunden zu lecken, das ist alles. Machten wir einen Fehler oder war das die universelle Lösung unserer aller Probleme? Wir wussten es nicht. Ein Teil von mir liebte Keita natürlich noch immer wie verrückt, doch der andere, wollte nichts lieber als mit diesen beiden Menschen hier diese brandneue These bestätigen: Dass ich nicht mehr allein war. Dass Elvis und ich in Sicherheit waren. Sollte ich Keita im nächsten Leben wiederbegegnen, werde ich ihm sagen, dass unser Baby in guten Händen war. Dass wir immer an ihn denken werden. Ich war nicht länger allein.     "Wir werden zusammenbleiben." Schließlich zogen Shun, Taiyo und ich in eine neue Stadt in eine kleine Wohnung eines großen Wohngebäudes. Die Fische nahm ich mit und die alte Wohnung wurde frei, auch wenn ich mir wünschte, dass dort nie wieder jemand einzog. Shun und Taiyo hatten ihre Familiennamen geändert, weil wir zwar nicht wirklich vorhatten zu heiraten, es so aber nicht lassen wollten. Nun saßen wir vor dem Fernseher und guckten uns zusammen eine Folge Monster Rancher an. Taiyos Lieblingsserie, auch wenn er für meinen Geschmack noch etwas zu jung für diese Sendung war. Die Folge war geradezu pünklich zu Ende, als ich aufstehen und mir ein Wasser holen wollte, mich aber ein dumpfer Schmerz in dieser Position einfrieren ließ, nur, um mich dann Sekunden später aufschreien zu lassen. Mein Wasser lief aus und die Wehen setzten ein.   "Aaaaaahhhh..., oh mein Gott! Aaaaaaaaahhhhh!!!!! Das Baby kommt, bitte bring mich ins Krankenhaus, Shun! Aaaaaaaahhhhh!!!", jaulte ich auf ich kämpfte mich zurück ins Wohnzimmer.   Die Schmerzen wurden immer schlimmer und ich konnte kaum atmen, es schien sich alles um mich herum zu drehen.   "Okay, ich starte den Wagen und fahr dich hin, ich glaube, es ist nicht weit von hier!", sagte er panisch und lotste mich in Richtung Haustür, Taiyo hinterher.   Nachdem ich mich qualvoll zum Auto bewegte und mich auf den Beifahrersitz schälte, fuhren wir, so schnell es eine 30er-Zone erlaubte, ins Krankenhaus. Der Weg in den Kreissaal schien in Zeitlupe zu laufen, denn die Geburt könnte jeden Moment losgehen, zumindest hatte es sich so angefühlt. Dort angekommen wurden die Wehen dann stetig stärker und ich glaubte schon fast, den Verstand zu verlieren, so sehr tat es weh.   "Du schaffst es, Setsuna, es ist sicher gleich geschafft!", feuerte mich Shun hektisch wie unbeholfen an.   "Kyokei-san, sehr gut machen Sie das, noch einmal kräftig pressen!", ordnete die Hebamme an. "Ich kann schon fast den Kopf sehen!",   "Aaaaaaaaahhhh, aaaaaaaahhhh, AAAAAAAAAAHHHHHHHH, ICH GLAUB, ICH STERBE GLEICH!!!!!", weinte ich und krallte mich am Bettrand fest.   "Es wird alles gut, Kyokei-san, atmen sie weiter, es ist gleich geschafft.", versuchte mich die Hebamme erfolglos zu beruhigen.   "Und nochmal pressen!", ich fühlte mich, als würde ich gerade entzweit, auseinandergerissen, ich hatte das Gefühl, gleich kein einzelner Mensch mehr zu sein, sondern zwei Hälften.   "Aaaaaaaaaahhhhh, AAAAAAAAAAAAHHHHHHHHH!!!!!!!! ICH GLAUB, ICH SCHAFF DAS NICHT!", klagte ich keuchend und versuchte mich auf etwas anderes als auf den Schmerz zu konzentrieren.   Das klappte nicht. Ihm widmete sich meine ganze Aufmerksamkeit und ich konnte nichts dagegen tun. Shun verschränkte seine Finger in meine, sodass unsere Handflächen ineinander lagen. Er sah mich an und meinte:   "Es wird alles gut." Ich versuchte zu nicken und biss weiter die Zähne zusammen.   "Noch ein letztes Mal pressen, Kyokei-san!", munterte mich die Hebamme auf und ich gab mein Bestes, ihrer Aufforderung Folge zu leisten.   "Nnnnaaaaaaaaahhhhh..... AAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHH!!!!!!!", stöhnte ich und in dem Moment war es wirklich geschafft.   "Mmmmäääähhhhh, ääääääähhhhhh, ääääääähhhhhh......!!!!", schrie da etwas am Fußende des Bettes unter dem Laken, das meine nackten Beine verbarg.   "Herzlichen Glückwunsch, es ist ein Junge!", gratulierte mir die Hebamme und Shun atmete erleichtert auf. Sie legte mir meinen Sohn in die Arme und ich drückte ihn an mich. So ein niedliches, zerbrechliches Wesen und ich hatte es in den Händen.   "Elvis...", flüsterte ich.   "Willkommen auf der Welt."   Taiyo hüpfte augenblicklich zu uns, um seine neue Art Bruder mit eigenen Augen anzusehen.   "Setsuna, wie heißt das?", will Taiyo wissen.   "Elvis heißt er.", sagte ich und lächelte, während Elvis noch weiter vor sich hin schrie.   Dies war der Beginn meiner Familie. Das Tagebuch endet vorerst hier. Vielleicht wird es mir irgendwann von Nutzen sein. Wie auch immer. Dafür, dass du meine Geschichte bis zum Ende gelesen hast, dafür, danke ich dir vom Herzen! In Liebe, Setsuna Kyokei. Meine Mutter, mein Vater und Taiyo. Und dann gab es da mich. Die einzige Person, die von all dem nichts wusste. Ich verstehe, warum sie mir das vielleicht nicht erzählen wollten, aber mit jedem Kapitel dieses Buches verliere ich mich mehr und mehr in diesen aufgedeckten Lügen. Ich als ganze Person fühle mich wie eine einzige Lüge. Es gibt vieles, dass ich nicht weiß, vieles, dass ich dir nicht erzählt habe, weil ich mir selbst nicht sicher bin. Die Vergangenheit wie ich sie kenne gerät ins Wanken und zerfällt. Mehr als sonst wird mir klar, dass ich selbst am wenigsten über meine eigene Geschichte weiß. Da sind unzählige Lücken und eine riesige Mauer, welche langsam zerbröckelt. Ich zerschlage sie zu Staub, das schwöre ich und blättere im Buch des Anbeginns meiner Existenz weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)