Die Farbe Grau von Cocos ================================================================================ Kapitel 34: Format C: --------------------- „Nicht wahr, Momi-chan, siehst du doch genauso?“ Schuldig musste schon sehr in die haltlose Wut des Hünen vor ihm grinsen, dessen Empfänger er seit seiner Ankunft hier in diesem Kritikergefängnis geworden war, in dem die fünf Verräter vorübergehend untergebracht worden waren. Als wenn es nicht schon schlimm genug wäre, dass sie sich hier in genau jener Einrichtung befanden, in die die rothaarige Hexe Schwarz ohne mit der Wimper zu zucken gesteckt hätte – zumindest bis zum Abtransport nach China oder Nordkorea, je nachdem, welches Gefängnis dort gerade Kapazitäten hatte um mit einem PSI fertig zu werden. Nein, sie waren nun auch noch freiwillig hier, damit er sich die abtrünnigen Agenten näher beschauen konnte, die auf ihre Hinrichtung warteten. Oder eben auch nicht, dank Siobhans Entdeckung, dass da etwas faul war im Staate Japan. Anscheinend hatte Fujimiyas Versichern, dass er nicht wüsste, was da in ihn gefahren war, doch seinen wahren Kern und der Anführer von Weiß hatte nicht plötzlich seine dunkle, verdorbene Seite entdeckt. Schade eigentlich. Dafür war etwas in ihn gefahren, was ihnen allen erhebliche Probleme bereiten konnte, eben weil es das gleiche Etwas war, das auch Nagi dazu gebracht hatte, sich gegen seinen Ziehvater und Anführer zu wenden, was den Jungen wo es nur ging mit Alpträumen plagte. Heute Nacht hatte Schuldig die Schnauze voll davon gehabt und sich zu dem Jungen gelegt um ihn zu beruhigen. Motzend und meckernd hatte Nagi das über sich ergehen lassen, war dann aber schließlich doch traumlos eingeschlafen. Schuldig konnte das von sich nicht wirklich behaupten, denn er hatte noch lange wachgelegen und sich über das Gefüge, das sie bildeten, Gedanken gemacht. Eigentlich, so kam er zu dem Schluss, war die Situation unerträglich. Thanatos war ihnen als Aufpasserin geschickt worden, die es sich nicht nehmen ließ, sie zu verhätscheln und ihnen mit gutem Essen und guten Getränken das Arbeiten zu erleichtern. Das sollten sie eigentlich nicht benötigen. Eigentlich. Und doch waren sie auf die Frau und ihren Riesenassistenten angewiesen, um an Stärke zu gewinnen. Als wären sie ein Team von Anfängern, die zwar vielversprechende Gaben hatten, aber nicht wussten, was sie taten. Und dann waren da ja auch noch Weiß. Hatte Schuldig geglaubt, dass er das Schlimmste hinter sich hatte, als sie endlich ihre Leute aus Lasgos Fängen hatten holen können, und Weiß nie wieder so nahe ertragen musste, wie er es in den Tagen zuvor in seinem kleinen Apartment musste, war da auch schon Siobhan mit ihrer ach so engen Bindung an Perser gekommen. War da Tsukiyono mit seiner Zustimmung zu etwas, das Schuldig sprachlos gemacht hatte. Eine Zusammenarbeit? Kritiker unterstellt? Schuldig könnte immer noch kotzen, wenn er auch nur daran dachte und das machte die Anwesenheit der Weiß in ihrem Safehouse nicht besser. Nein, einzig die Anwesenheit der Weiß als seine persönliche Spielwiese machte das ganze besser. Aber sowas von. Wunderschön, die Angst und der Mut in den Gedanken des Takatorisprösslings, für den jeder Tag wieder ein Kampf mit seiner eigenen Courage war. Hidaka mit seinen erfrischend ehrlichen und beleidigenden Gedanken, sobald diese auch nur das Thema Schwarz tangierten. Kudou… oh was für ein dankbares Opfer war der älteste Weiß. Der Langweiligste unter ihnen war natürlich Fujimiya mit seiner Scheißakzeptanz. Wer würde schon aus lauter Mitleid einen Pakt mit einer verfeindeten Gruppierung eingehen? Schuldig sicherlich nicht. Und wer würde erneut einem solchem Pakt zustimmen, nachdem besagter Anführer den eigenen Taktiker beinahe zu Tode geprügelt hätte? Niemand, der genug graue Hirnzellen dazu besaß, das zu tun. Fujimiya war da etwas Anderes. Und so hatte Schuldig selbst heute beim Frühstück beobachten müssen, wie die beiden Anführer, die ja über überhaupt keine Bindung verfügten, in keiner Art, nein, niemals, sich ohne hinzusehen, die jeweiligen Zeitungsteile reichten, bevor sie merkten, was sie taten. Ja glaubte denn jeder, den anwesenden Telepathen für dumm verkaufen zu können? Entsprechend froh war Schuldig nun über Momi-chan. Momi-chan hieß eigentlich nicht so, sondern Nakamura Momiji. Iceman, benannt nach Top Gun und nach seinem ruchlosen Auftreten im Dienst der Sicherheitsbehörden Japans. Er war Einsatzleiter des Sondereinsatzkommandos von Kritiker für die speziellen Fälle. Wenn Schuldig den Gedanken des Mannes Glauben schenken konnte, dann war dieser Ex-Militär, ebenfalls Sondereinheit und hatte sich nun dem wahrhaft Guten verschrieben. Seine Aufgabe erfüllte er ohne Zögern und Zweifel. Er hielt nichts von spielerischer Gewalt oder unnötiger Folter, was allerdings auch bedeutete, dass er beides bereit war anzuwenden, so es denn die Aufgabe gebot. Natürlich ohne Spiel und Spaß. Spröde war er und Schuldig kratzte gerade mit seinen telepatischen Fühlern an der Oberfläche der legendären Selbstbeherrschung. Die irgendwann brechen würde, das roch er. ~Es reicht, Schuldig~, meldete sich die andere Spaßbremse im Raum – Crawford – nun gedanklich zu Wort, würdigte ihn allerdings keines Blickes, als er sich die Testunterlagen zu den Agenten zeigen ließ. Schuldig war überrascht, wie zufrieden es ihn machte, seinen Anführer in einem seiner unendlich langweiligen Anzüge zu sehen. Zwar saß der nicht mehr so perfekt wie vorher, da Crawford über die letzten Wochen an Gewicht verloren hatte - was das eitle Orakel bereits seit dem Zeitpunkt fuchste, an dem sich angezogen hatte - aber Schuldig war schon froh, ihn darin zu sehen. War es doch unweigerlich vertraut. ~Sagt wer?~ ~Sagt derjenige, der dich gleich wie einen unartigen Jungen ins Auto zurückschicken wird, damit du von dort aus deine Aufgabe erfüllen kannst.~ ~Das wagst du nicht vor Kritiker.~ Nun sah Crawford doch hoch und ein minimales, aber deutlich gemeines Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Es erzählte Schuldig all das, was er über Crawfords Vorhaben wissen musste und grollend rümpfte er die Nase. „Also, wem darf ich zuerst das Gehirn kochen?“, richtete er an den Einsatzleiter, dessen Hand sich zur Faust ballte. Er hasste Schwarz, wie viele Kritikeragenten ebenso. Er würde sie lieber tot als hier sehen und erfreute sich – natürlich – an den augenscheinlichen Blessuren, die sie alle, außer Jei, trugen. Der Mondjunge war natürlich unversehrt, was dem Einsatzleiter widerwilligen Respekt abverlangte. „Du und Kudou werdet euch zunächst um Katou Ayumi kümmern“, entgegnete Crawford und reichte Iceman – Schuldig untermalte das mit dem passenden Filmsoundtrack in Brads Gedanken - die Dokumente zurück. Dieser nahm sie und den Vorschlag mit einem Nicken an und drehte sich um. Ohne auf Schuldig und auf den blonden Weiß, der ja unbedingt mitkommen musste, zu warten, ging er zu der kahlen Zelle, in der sich die Agentin befand und wartete missbilligend, bis Schuldig sich zu ihm bequemte. Noch viel länger, bis Kudou sich ebenfalls bemühte, seine Gedanken misstrauisch und vorsichtig. Nicht, dass Schuldig es wirklich eilig gehabt hätte, tiefer in den steril weißen Trakt vorzudringen wie in den Bauch eines gierigen Ungeheuers, das einen schluckte, wenn man gerade mal nicht hinsah. Nein. Darauf konnte er wahrlich verzichten. Ebenso wie er auf den Blickkontakt verzichten konnte. Er brauchte ihr nicht in die hasserfüllten Augen zu sehen um in ihre Gedanken einzutauchen und dort genau das zu finden, was er zu finden gehofft hatte. Doch er musste warten, bis der unfähige Weiß seine Fragen gestellt hatte, die sie auf die richtige Spur lenken sollten. Auch wenn Kudou, aber das würde Schuldig niemals laut zugeben, gar nicht mal so unfähig war. Er stellte die eben jene Fragen, die sie ihm zwar nicht beantwortete, die aber unweigerlich Gedanken und Erinnerungen hervorzerrten, an denen sich Schuldig gleich eines Vampirs bediente und sie an Crawford und Nagi weiterleitete. Auch sie war beeinflusst worden, auch sie hasste Schwarz mit einer Leidenschaft, die Schuldig die Stirn runzeln ließ. Natürlich hatten sie Kritiker oft in die Suppe gespuckt, aber das Maß, mit dem die Frau vor ihm hasste, war beunruhigend und unnatürlich. Er folgte ihren Gedanken bis zu dem Moment, in dem sie begonnen hatte, den Verrat an Kritiker in Betracht zu ziehen und staunte nicht schlecht, welche Informationen sie bereitwillig an Birman gegeben hatte, die diese sicherlich an den Menschenhändler weitergereicht hatte. Was für eine Freude es ihm doch sein würde, genau diese Informationen der Frau herauszupressen wie aus einer überreifen Frucht, wenn er sie endlich zu fassen bekam. Wenn Crawford Birman nicht vorher eine Kugel durch den Kopf jagte. ~Ich habe genug von ihren Gedanken. Nächster~, schickte er an beide Männer und verließ unwirsch die Zelle, die in ihm Beklemmungen auslöste. Nicht, dass es bei den übrigen vier Agenten anders laufen würde, das wusste er jetzt schon. Dafür brauchte er das Frage- und Nichtantwort-Spiel mit Kudou und Momi-chan nicht wieder und wieder und wieder spielen. Da war es vollkommen egal, ob derjenige Hayashi Hiro, Satou Ken, Tanaka Haruto oder Katou Riku hieß. Sie alle begegneten ihm mit non-verbalem und verbalem Hass, sie alle nannten Kudou einen Verräter – oder verräterisches Bückstück, wenn sie kreativ waren, sie alle hatten Zeitpunkte, ab denen sie es für notwendig gehalten hatten, die Ideale ihrer Organisation zu verraten. Allesamt kurz hintereinander. Katou war derjenige, der es für eine gute Idee gehalten hatte, dafür zu sorgen, dass Schwarz und Weiß in dem Krankenhaus in die Luft gesprengt würden. Für einen Augenblick vergaß Schuldig seine Zusammenarbeit mit Weiß und erlaubte sich, schmerzhafter als notwendig in die Gedanken des abtrünnigen Agenten einzugreifen, während er ihm jedwede Reaktion auf den Schmerz verbot. Dafür, dass dieser Bastard es wagte, sein Team und ihn selbst in die Luft sprengen zu wollen, hatte er weitaus mehr verdient. Schuldig löste sich schneller als es ihm lieb war aus den Gedanken des anderen Mannes und starrte auf die Hand auf seinem Arm, die ihn in die Gegenwart zurückgezogen hatte. Kudou hing an dieser Hand, lästig wie eine Klette. ~Lass ihn in Ruhe.~ Schuldig schnaubte. Beeindruckend, wie leicht es dem Weiß fiel, auf das Offensichtliche zu kommen. ~Er hat es verdient.~ ~Wurde er beeinflusst?~ ~Klar. Wie die anderen vor ihm auch.~ ~Dann hat er es genauso oder ebensowenig verdient wie euer Jüngster auch.~ Was war das denn für eine Scheißlogik?, schnaubte Schuldig innerlich, wehrte die Hand aber nicht ab, die ihn immer noch umfasst hielt. Pointiert ließ er seinen Blick darauf ruhen und begnügte sich damit, sich über das deutlich riechbare Aftershave des Weiß aufzuregen, das die Luft vor ihm verpestete. ~Vergleiche uns nicht mit euch Stümpern~, erwiderte er reichlich lahm und wandte sich an Iceman. „Los, komm, Momi-chan“, grinste er in die verlässliche Wut des Kritikeragenten hinein und machte sich von Kudou und dessen vorwitziger Hand los. „Missionsnachbesprechung ist angesagt. Ich habe da gute Neuigkeiten für euch.“ Widerwillig folgten ihm die beiden Männer und Schuldig streunte mit Kopfschmerzen direkt aus der Hölle den Rückweg in hellere und wärmere Gefilde an, die nichts mehr von den Gefängniszellen erahnen ließen. Dort warteten die restlichen Weiß, sein Team in all seiner gelangweilten Überlegenheit und Manx, die noch viel weniger erfreut war als Momiji. „Sie alle haben zu verschiedenen Zeitpunkten damit begonnen, Kritiker zu verachten und einen Verrat an eurer Organisation für eine gute Lösung zu halten. Bei allen aber das gleiche Schema und die gleichen Spuren eines Empathen. Wie bei Abyssinian und Prodigy auch.“ „Es gibt also ein System“, warf Siberian nachdenklich ein und Schuldig nickte. „Wenn man so will, gibt es das. Auch jetzt noch sind sie sich keiner Schuld bewusst, was bedeutet, dass es einer Langzeitprogrammierung entspricht.“ „Was nicht jeder Empath beherrscht“, warf die rothaarige Kritikeragentin ein und Schuldig hob spöttisch die Augenbraue. „Da ist aber jemand gut informiert.“ „Ich mache meine Hausaufgaben.“ „Streberin.“ „Ist die Programmierung zu löschen?“, hakte Crawford nach, bevor Manx auch nur die Gelegenheit zu einer Erwiderung hatte und Schuldig runzelte nachdenklich die Stirn. „Grundsätzlich ja, wenn ich ihnen ihre Erinnerungen an die Zeit nach der Beeinflussung nehme. Und kurz davor.“ Dass das nicht auf Gegenliebe seitens Kritiker stieß, hatte sich Schuldig von Anfang an denken können. Der japanische Hüne schnaubte und verschränkte die Arme. „Ich lasse doch nicht zu, dass ein Telepath mit den Gedanken unserer Leute macht, was er will.“ „Entweder das oder ihr jagt ihnen gleich eine Kugel durch den Kopf. Ohne Löschung der Programmierung werden sie nämlich immer so weitermachen und euch als minderwertige, schwachsinnige Organisation ansehen, die es zu vernichten gilt. Nicht, dass ich…“ „Mastermind.“ Die Kälte in Crawfords Stimme brachte Schuldig abrupt zum Schweigen und mit einem hochmütigen Grinsen wandte er sich ab, ließ sich in einen der Stühle in dem Raum fallen. Seine Schulter dankte es ihm. Nicht. „Einen anderen Weg gibt es nicht“, übernahm Crawford und lieferte sich mit Momi-chan ein Blickduell, das Seinesgleichen suchte. Schuldig suchte in den Gedanken des Japaners nach einem früheren Zusammentreffen der beiden und siehe da, tatsächlich hatten sie schon einmal Bekanntschaft mit der Sondereinheit des Mannes gemacht, aus der sie natürlich siegreich hervorgegangen waren. Alte Animositäten, so ganz ohne Beeinflussung. „Die emotionale Programmierung verschwindet nicht oder wird schwächer. Sie bleibt, wie sie installiert wurde. Setzt man den Geist auf den Zustand davor, erlischt auch die Programmierung.“ „Ich habe kein Bedürfnis, gute Agenten an telepathischen Schwachsinn zu verlieren“, wiederholte der Kritikeragent stur wie eine Eisenbahnschiene. „Und doch werden Sie das, denn Sie können sie so nicht mehr einsetzen. Nicht mit der Saat des Verratgedankens in ihnen.“ „Ich werde zu gegebener Zeit eine Entscheidung darüber treffen“, beendete Manx die Diskussion um die Gedächtnislöschung und wandte sich an Schuldig. „Gibt es darüber hinaus Hinweise, die uns nutzen werden?“ „Nur dass alle Informationen bei Birman zusammengelaufen sind und dass Katou es für eine gute Idee gehalten hat, die Bombe im Krankenhaus zu platzieren um uns alle umzubringen.“ Langsam nickte sie und widmete ihre Aufmerksamkeit Crawford. So wie der Hellseher es auch wusste, sah Schuldig anhand ihrer Gedanken, warum sie sich ausgerechnet an das Orakel wandte. „Birman befindet sich in der Nähe. Wenn die Fäden bei ihr zusammenlaufen, ist es nur logisch, ihr einen Besuch abzustatten.“ Schuldig hasste die Stille, die ihren Worten folgte. Er hasste die Gedanken der Weiß, die allesamt wussten, was die Agentin Crawford angetan hatte. Doch ganz besonders hasste er Fujimiyas Gedanken an den Moment der größten Verzweiflung seines Anführers, die in diesem Moment allzu präsent waren. Crawford, der ewig sture, untötbare Bock, war nur zu bereit gewesen, seinem Leben ein Ende setzen zu lassen nur um einer erneuten Vergewaltigung zu entgehen. Beeindruckend, wie ruhig Crawford blieb, während seine eigenen Gedanken überschwemmt wurden von Erinnerungen, die er nicht wollte und die ihn an eben jene Zeit erinnerten. „Dann werden wir genau das tun“, erwiderte er und seine Stimme verriet nichts, aber auch gar nichts über den inneren Aufruhr und Tumult. ~~**~~ Kritiker waren wenig abwechslungsreich, was ihre medizinischen Einrichtungen anging, stellte Crawford fest, als sie den Flur betraten, der beinahe genauso aussah wie der in dem Gebäude, in das sie ihn und Nagi gebracht hatten. Schlicht, schmucklos, trist. Pragmatisch bis zur äußersten Schmerzgrenze des guten Geschmacks, von Luxus keine Spur. Augenscheinlich war es der Forschungstrakt eines normalen Krankenhauses, gesponsert von einer der unzähligen Privatuniversitäten aus dem Großraum Tokyo. In der Realität befand sich momentan nur eine einzige Patientin hier und wurde versorgt. Das auch nicht mehr lange, wenn es nach ihm ginge, denn er hatte nicht übel Lust, ihr eine Kugel durch den Kopf zu jagen, wenn sie mit ihr fertig waren. ~Als wenn die weißen Ritter das zulassen würden, jetzt, nachdem sie erfahren haben, dass ihre ach so liebe Agentin doch noch zu retten ist.~ Crawford seufzte innerlich. Natürlich hatte Schuldig Recht. Die Anspannung der Weiß war beinahe schon körperlich greifbar. Insbesondere der Jüngste des Teams konnte seine Finger nicht von den Darts lassen, die er unauffällig auffällig bei sich trug. Immer wieder huschte der Blick des Taktikers zu ihm, bis es Crawford genug war. Wütend über das, was er in den blauen Augen des Weiß sah, erwiderte er den Blick und bohrte seinen Zorn in die Angst Tsukiyonos. Auch wenn es wieder einmal eigentlich nicht der Weiß war, der seine Aufmerksamkeit verdient hatte, sondern die Hure, die hinter der Tür lag, immer noch am Leben, nachdem, was sie getan hatte. Die unverdienterweise immer noch Empfängerin der Sorge des anderen Teams war. Eher unbewusst glitt Crawfords Hand zu seiner Seite. Eben jener, die immer noch ihre Kratzspuren trug und die er jeden Morgen spürte, als würde sie sie ihm gerade jetzt erst zufügen. Wenn er nicht schon mit dem Rücken zur Wand gestanden hätte, wie immer, wenn er sich in der Gegenwart feindlicher Agenten befand, dann hätte er sich einen sicheren Ort gesucht, zu dem ihm der Schatten Lasgos nicht folgen konnte, der sich an ihn presste und in ihn stieß, während sich die kalten Finger der Kritikeragentin vergeblich an ihm zu schaffen gemacht hatten um so etwas wie Erregung aus ihm heraus zu kitzeln. „Crawford.“ Natürlich war es Fujimiyas Stimme, die ihn aus seinen Gedanken zurückholte. Für einen Moment lang glaubte er, dass er wieder an dem Pfahl kniete und Fujimiya vor ihm stand, tot und doch nicht tot, bereit dazu, ihn trotz seines Mordversuches mitzunehmen. Und doch fühlte er in dem Moment keine Angst, sondern Zuversicht und Erleichterung. Was falsch war, denn Fujimiya… ~Blödsinn. Daran ist nichts falsch~, fuhr Schuldig dazwischen, bevor er den Gedanken beenden konnte. Abrupt ließ Crawford Tsukiyono aus den Fängen seiner Aufmerksamkeit und richtete eben jene auf seinen Telepathen, dessen Lippen sich zu einem provozierenden Lächeln verzogen. ~Das sind gute Gedanken und Gefühle. Rede dir nichts Anderes ein.~ ~Was bist du? Mein Motivationstrainer?~ „Wenn es sein muss“, erwiderte Schuldig laut und grinste. Crawford schnaubte und Schuldig wandte sich an den jungen Weiß. „Keine Sorge, Tsukiyono, der große, böse Wolf hier hatte nicht vor, dich zu fressen.“ Mit Mühe hielt sich das Orakel davon ab, mit den Augen zu rollen. Diesen Part übernahm Fujimiya für ihn. Mit einem Schnauben holte Manx seine Aufmerksamkeit zu sich. „Birman ist soweit vernehmungsfähig. Uns gegenüber hat sie wenig gesagt, doch ich hege keinen Zweifel daran, dass sie Schuldig nichts verheimlichen kann. Ich möchte dezidiert wissen, welche Informationen sie wann an Lasgo gegeben hat, wann sie sich wo mit ihm getroffen hat und wer noch alles darin involviert ist.“ Crawford nickte schweigend, auch wenn er jetzt schon sah, dass der Weg dorthin ihm alles abverlangen würde. Wo er gerade beim Thema war. „Ich komme mit rein.“ Tsukiyono, natürlich. Der Weiß misstraute ihm, vermutlich zurecht, denn Crawford traute sich selbst nicht wirklich, was er tun würde, wenn er der Frau gegenüberstand. Dass nicht nur Bombay mit hineinkommen würde, sondern auch sein Anführer, verwunderte Crawford ebensowenig. Schweigend drehte er sich weg und öffnete die Tür, betrat den Raum, den er eigentlich um nichts in der Welt freiwillig betreten würde, wenn er die Wahl hatte. Die abtrünnige Kritikeragentin lag in dem einsamen Bett, angeschlossen an Maschinen und Schläuchen. Ihre Hände waren mit Handschellen am Bett fixiert. Als wenn das noch notwendig gewesen wäre mit der Bauchschusswunde. Da hatte Jei ganze Arbeit geleistet. Als sie sich gewahr wurde, dass sie Besuch hatte, wandte sich ihr Blick von der Wand des fensterlosen Raumes zum Eingang. Die dumpfen, drogenbeeinflussten Augen weiteten sich, als sie sich seiner gewahr wurden. Als sie Tsukiyono und Abyssinian hinter ihm erkannte, lachte sie trocken auf. Es war ein hässliches Lachen, das selbst Farfarellos Amüsement in den Schatten stellte. Spöttisch benetzte sie sich die Lippen. „Weiß und Schwarz vereint in schöner Eintracht…dass ich das auf meine letzten Minuten noch erleben darf“, flüsterte sie und ließ ihren Blick über die anwesenden Männer gleiten. ~Oh, sie rechnet damit, dass du sie umbringen wirst, wie schön~, soufflierte Schuldig hilfreich und Crawford schluckte trocken. Wie gebannt war sein Blick auf ihre Hände gerichtet, so harmlos und doch so zerstörerisch. ~Sie kann dir nichts tun.~ Als wenn das das Problem wäre. Er wusste das. Er wusste, dass sie hier keine Gefahr mehr für ihn darstellte. „Die beiden Teams werden dich zu deinen Verbindungen zu Lasgo befragen“, erläuterte Manx unterkühlt und wies auf die anwesenden Männer. Birman hob die Augenbraue. „Und dafür sind alle hier? Ich bin beeindruckt über soviel Aufmerksamkeit.“ Sie hustete, doch niemand hielt es für nötig, ihr Wasser zu geben. „Warum hast du uns verraten, Birman?“, fragte Tsukiyono und sein Gesicht war verzogen vor Trauer. „Warum? Was hat er dir geboten, was Kritiker dir nicht geben konnten?“ So augenscheinlich dumm die Frage auch war, so zielsicher und treffend war sie für Schuldig, wie dieser mit einem zufriedenen Nicken zur Kenntnis nahm. Birman ließ währenddessen den Kopf in das Kissen sinken und sah an die Decke. Sie schmunzelte. „Ach Omi, du und deine Naivität. Kritiker konnte mir nie das geben, was ich wollte. Zu weich, zu gut, zu wenig konsequent. Was haben wir Schwarz nicht alles durchgehen lassen, wie wenig haben wir wirklich getan um sie aufzuhalten. Oh ja, die kleinen Fische, die nicht an Takatori herankamen, um die haben wir uns gekümmert. Aber bei Schwarz und Takatori haben wir eine Ausnahme gemacht. Und warum? Wegen Perser und seiner unheiligen Verbindung zu der verfluchten Exekutorin. Das Böse muss vernichtet werden um jeden Preis. Und diesen Preis hat mir Lasgo angeboten. Er konnte das, was Kritiker nie gelungen ist. Und schau ihn dir an, was er mir Schwarz angestellt hat. Schau es dir an, das ach so mächtige Orakel.“ Ihre Aufmerksamkeit wandte sich ihm zu und Crawford konnte die Genugtuung und den Spott beinahe schon körperlich fühlen. Wut übernahm langsam aber sicher sein Denken. „Sieh ihn dir doch an, Omi.“ Ihr Grinsen konkurrierte problemlos mit Schuldigs und sie musterte ihn von oben bis unten. „Wieder im Anzug. Was für ein ungewohnter Anblick. Dabei steht ihm nackte Haut doch so viel besser. Sie macht ihn so viel menschlicher und besser zu ficken.“ Mit Mühe hielt Crawford sich ruhig und das lag nicht daran, dass Fujimiya neben ihm gezuckt hatte um ihn zurück zu halten. Nein. Den Gefallen würde er der Agentin nicht tun. Ihre lächerlichen Provokationen konnten ihm nichts anhaben. Es waren nur Worte, leere Hülsen, die durch die Programmierung hervorgerufen worden waren. Wieder und wieder sagte er sich das. „Wir haben Fragen zu Lasgo und den abtrünnigen Kritikeragenten, die dir gefolgt sind. Du hast die Wahl: entweder, du beantwortest sie freiwillig oder Schuldig holt die Informationen aus dir heraus. Also?“ Mit eiskalter Wut starrte er ihr in ihr Gesicht, gab nicht zu erkennen, dass ihre Worte ihn auch nur im Ansatz demütigten. Heiser lachend ließ Birman den Kopf zurückfallen. Ihr Finger spielten mit den kurzen Ketten der Handschellen. „Ich weiß gar nichts“, erwiderte sie schließlich mit amüsiertem Zug um die Mundwinkel und machte es sich so gut es ging auf dem Bett bequem. Ihre Augen streiften von Crawford zu Tsukiyono und sie lächelte. „Sag mir, kleiner Omi, wie kommt es, dass du mit ihm hier bist? Schwarz hat dich doch entführt, nicht wahr? Sie haben dich gefoltert, insbesondere die Männer, an deren Seite du gerade stehst. Bei Aya verstehe ich das, er hat schließlich schon bei Lasgo gemeinsame Sache mit unser aller Bückstück gemacht. Aber du? Sie haben dir nie etwas Gutes getan und jetzt begibst du dich an ihre Seite und wirst mit Fujimiya auch zum Verräter für die Männer, die sich an deinem Leid gelabt haben.“ Eines musste Crawford dem Jungen lassen. Auch dessen Beherrschung war angesichts der Worte der verwundeten Frau legendär, auch wenn er kalkweiß und fahrig war und seine Finger die Darts starr umkrampft hielten. Kurz huschte der Blick des Weiß zu ihm und dann zu Schuldig, bevor Fujimiya seinen Arm um die Schultern des Jungen legte. „Du weißt, warum und deine Entscheidung war richtig“, murmelte dieser Tsukiyono ins Ohr, doch es sah noch lange nicht so aus, als ob dieser ihm überhaupt Glauben schenken würde. Birman schnaubte verächtlich. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und ließen die Ketten der Handschellen leise klirren. „Nein, war sie nicht. Schwarz ist verachtenswert und gehört vernichtet. Keiner von ihnen hat es verdient zu überleben, insbesondere das Orakel nicht. Im Gegenteil. Er muss vernichtet werden, bevor es zu spät ist und er mit seiner verfluchten Kraft all das zerstört, wofür wir stehen!“ Crawford hob überrascht die Augenbrauen. Den Sermon, dass Schwarz vernichtet werden müssten, hatte er erwartet. Tatsächlich hatte er nichts Anderes erwartet. Dass daran aber ein konkretes Ereignis geknüpft war, das auch noch mit ihm zusammenhing, war ihm neu. „Du stehst nicht für das, was Kritiker ausmacht“, merkte Fujimiya ruhig an und trat neben ihn. „Du hast uns an Lasgo verraten. Für was? Deine persönliche Rache an Schwarz, im Speziellen an Crawford? War es das wert?“ „Oh ja, das war es. Und ich würde es immer wieder tun, denn er hat es nicht verdient, aufrecht hier zu stehen. Er hat es verdient, auf seinen Knien solange Schwänze zu l…“ Eher er sich versah, hatte Crawford seine eiserne Kontrolle zum Teufel geschickt und nun einen Satz nach vorne gemacht. Seine Hände hatten sich schon um seine Waffe gelegt um der Frau eine Kugel durch den Kopf zu jagen, komme was wolle. Sie hatte es nicht verdient, gerettet zu werden. Sie hatte keine Gnade, keinen Funken Milde verdient. Im Leben nicht. Noch bevor Schuldig in seine Gedanken eingreifen konnte, hatte Tsukiyono sich zwischen ihm und der Frau gestellt, die ihn großgezogen hatte. Der Junge hatte Angst, das sah Crawford und für einen Augenblick lang hatte er das Bedürfnis, einfach beide zu töten. Niemand hier würde ihn aufhalten können und mit dem Rest würde Schwarz fertig werden. Er hatte sich eines Problems zu entledigen, ein für alle Male. „Bitte tu das nicht. Sie weiß nicht, was sie sagt. Sie ist beeinflusst, das hat Mastermind doch selbst gesagt“, trug sich die dünne Stimme des Weiß zu ihm und er starrte auf den ängstlichen Jungen hinunter. Geh mir aus dem Weg, gellte es in Crawford, doch nichts verließ seine Lippen. Verschwinde, oder ich töte dich. Aber er schwieg. Eisern schwieg er und Crawford ahnte, dass es das Werk des Telepathen war, der nun stumm den Kopf schüttelte. ~Sie provoziert dich, damit du sie tötest. Das ist nicht sie, sondern ihre Programmierung, Brad. Du bist klüger als das. Ich habe ihre Gedanken mitgeschnitten und sie an den Privatschnüffler und die Rothaarige weitergeleitet. Und ich werde ihre Erinnerungen gleich noch auseinandernehmen.~ Endlose Sekunden vergingen, bis Crawford einen Schritt zurücktrat und Tsukiyono schweigend zunickte. ~Erfülle deine Aufgabe~, richtete er an Schuldig und drehte sich um. Er musste raus hier, raus aus dem Raum, bevor er die Frau wirklich noch umbrachte und jeden, der sich ihm in den Weg stellte. Zu früh, flüsterte eine Stimme in ihm. Deine Erinnerungen sind noch zu frisch. Das ist normal. Du versagst nicht, das ist normal. Diese Frau hat dir Gewalt angetan, als du nicht in der Lage warst, dich dagegen zu wehren. Es ist normal, dass du deine Beherrschung verlierst. Als Crawford die Tür des Krankenzimmers hinter sich zuwarf, war es Jei, der es als Einziger wagte, sich ihm in den Weg zu stellen. „Komm“, sagte er schlicht und Crawford gehorchte nach unendlichen angespannten Sekunden. Schweigend ließ er sich von ihm in einen leeren Raum führen, in dem weder die Präsenz von Weiß noch von Kritiker spürbar war und der ihm suggerierte, dass er mit Jei alleine war, dessen ruhige Präsenz ihm langsam aber sicher die Disziplin einflößte, die Crawford benötigte, um den Auftrag zu erfüllen. Er wusste, was Schuldig gerade tat, mit Wissen und Zustimmung von Manx, Fujimiya und Tsukiyono. Er wusste, dass es produktiv sein würde und dass am Ende des Ganzen Kritiker zustimmen würden, der Agentin das Gedächtnis zu löschen. Weitreichend zu löschen, denn anscheinend hatte Lasgo sie schon vor mehr als einem Jahr angesprochen. Er wusste all dies, weil seine Gabe es ihm einflüsterte. Was diese ihm nicht einflüsterte, war, wie er damit umgehen sollte, dass Kritiker zum jetzigen Stand nach dem Strohhalm greifen und die Agentin, wie die anderen Manipulierten auch, leben lassen würde. Wenn er Rache wollte, dann konnte er sie nicht jetzt nehmen. Schlimmer noch, er musste zusehen, wie die Agentin auf der Erde wandelte und er würde ihr früher oder später noch einmal begegnen. Ohne dass sie sich an das erinnerte, was geschehen war. Das oblag nur ihm. Alleine der Gedanke daran war unerträglich. Das tiefe Summen, mit dem Jei die Stille zwischen ihnen beiden durchschnitt, holte Crawford aus seinen dunklen Gedanken. Wortlos hob er die Augenbraue und fragte sich allen Ernstes, warum ausgerechnet Hakuna Matata das war, was Jei in dieser Situation für ein geeignetes Lied hielt, das er auch nur deshalb erkannte, weil der vor ihm stehende Ire ihm damals ein Versprechen abgenommen hatte, ihn zu dem dazugehörigen Film ins Kino zu begleiten, als Crawford diesem noch nicht genug vertraut hatte um ihn alleine gehen zu lassen. Ein Trugschluss, wie Crawford mittlerweile wusste, da Jeis Interesse diesbezüglich niemals darin gelegen hatte, ein sinnloses Blutbad anzurichten, sondern Crawfords Gabe so auszutricksen, dass dieser ihn ins Kino begleitete. Wie damals auch seufzte Crawford nun tief. ~~**~~ Mit Mühe schloss Omi leise die Kellertür hinter sich. Um Geduld suchend bohrte er seinen Blick in die gegenüberliegende Wand, wohl wissend, dass die weißen Wände der Wut in seinen Augen keinen Millimeter nachgeben würden. Nein, dazu war er zu normal. Seit drei Stunden waren sie wieder hier und er hatte sich nach dem Abschlussbriefing zurück in den Keller begeben, um sich mit der Arbeit, die noch ausstand, von dem abzulenken, was er heute gesehen und gehört hatte. Viel zu viel hatte er gesehen, viel zu sehr hatte er sich von der Frage Birmans, warum er auf der Seite der Schwarz stand, die ihn gefoltert hatten, aus der mühsam erkämpften Ruhe bringen lassen, mit der er ihre Zusammenarbeit ertrug. Viel zu sehr hatte ihn der hasserfüllte und zornige Blick des Orakels in seine Angst zurückgeworfen, die er vor ihm und Schuldig hatte. So hatte er Abstand von den Männern gesucht, die für all diese Emotionen verantwortlich waren. Abstand, sowohl von seinem Team als auch von Schwarz und wo hätte er den besser bekommen können als in dem Keller, der von niemandem frequentiert wurde außer von Naoe und ihm? Richtig. Und Naoe kam so spät abends so gut wie gar nicht hierhin, also war er davon ausgegangen, die Stunden bis zum Morgengrauen für sich zu haben. Doch weit gefehlt. Naoe war ihm mit geringen, zeitlichen Abstand gefolgt, hatte sich ebenfalls wieder an die Arbeit gesetzt und Omi dazu gezwungen, ihn mit aller Macht und Gewalt auszublenden. Nicht nur, dass ihn die Erinnerungen an die Zeit in diesem verfluchten Keller plagten, nein, seine irrationale Angst, dass Naoe sie alle unter sich begrub, war ebenfalls wieder da. Auch wenn der Telekinet keinen Anlass zu dieser Vermutung gab, so wurde Omi das warnende Prickeln in seinem Nacken nicht los, insbesondere, weil der Schwarz zusätzlich zu seiner Anwesenheit auch noch eisern schwieg als hätte er seine Sprache verloren. Also schwieg Omi ebenfalls und anscheinend machte eben das den anderen nervös, was letzten Endes in einem Teufelskreis endete, da Omi die subtile Unruhe des Schwarz neben ihm ebenso schlecht vertrug. Und so war er schließlich aufgestanden, von der Arbeit, die ihn eigentlich ablenken sollte und hatte fluchtartig den Raum verlassen. Er hatte es satt, mit dem Jungen eingesperrt in einen fensterlosen Raum zu sein, mit nichts ihrem Schweigen und ihrer Unruhe, während sie Datenstrang um Datenstrang durchforsteten. Gerade jetzt, in dem Moment, konnte er nicht mehr und er stellte alles in Frage, was sie hier taten. Omi stieß sich von der Wand ab und ging langsam nach oben. Er wusste nicht wirklich, wonach ihm der Sinn stand. Vielleicht nach der abgekühlten, nächtlichen, frischen Seeluft, und wenn er ehrlich zu sich selbst war, sogar nach kreischenden Kundinnen im Koneko. Ganz sicher konnte er sagen, dass er diese Stille nicht mehr ertrug, die ihm klar sagte, dass hier nichts normal war. Vorsichtig schlich er sich in den mit Pflanzen ausufernd bestückten Wintergarten, in der Hoffnung, dass dieser gerade nicht von einer der anderen Schwarz oder aber von Crawfords Mutter frequentiert wurde. Angesichts des klimatisierten und abgeschiedenen Bereiches war die Wahrscheinlichkeit dessen durchaus gegeben. Er hatte Glück und war alleine, so atmete Omi tief durch und schloss die Augen. Langsam fuhr er sich durch die Haare, strich mit den Fingern durch die viel zu langen Strähnen. Kurz krallten sich seine Hände in die Haare, zerrten an ihnen. Unruhig ging er zum Fenster und ließ sich davor auf dem Boden nieder, umschlang seine Knie mit seinen Armen. Wie konnte er sich hier so gefangen fühlen, obwohl er frei war…so frei, dass er diese Tortur jederzeit abbrechen konnte, wenn er nur einen Ton sagte? Warum erdrückte ihn die Last ihrer Zusammenarbeit, als wäre er immer noch unter Tonnen von Schutt begraben? Omi verstand sich selbst nicht mehr und das machte ihn unsicher und wütend. Die Beine ausstreckend, starrte er hinaus in die ruhige Bucht, deren Wasser einladend im Mondlicht glitzerte. Es war genauso fern wie alles andere auch, wie seine Freiheit, die er hatte aber nicht wahrnahm. Omi knirschte mit den Zähnen. Es bedurftes eines einzigen Satzes und sie würden von hier verschwinden. Er musste nur sagen, dass es ihm zuviel war und die Zusammenarbeit mit Schwarz würde auf der Stelle sterben und mit ihr das gegnerische Team selbst. Ein verlockender Gedanke, wenngleich auch keiner, den er weiterzuspinnen wagte, in der Angst, dass er zu verlockend werden würde. „Tsukiyono…?“ Omi blinzelte, als er die leise, unsichere Stimme hinter sich vernahm, die er natürlich kannte, die aber für einen wahnwitzigen Moment nicht hierhingehörte. Er hätte es für unwahrscheinlich gehalten, sie genau hier zu hören, wenn man ihn gefragt hätte. Doch anscheinend irrte er sich anscheinend – gewaltig. Zunächst blieb er stumm, reagierte nicht, auch weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Weil er nicht wusste, was der Andere von ihm wollte, nachdem er doch gerade vor ihm und seinem stundenlangen Schweigen geflohen war. Omi schloss die Augen, blendete für einige selbstbetrügerische Sekunden die Anwesenheit des Telekineten aus. Wie gerne würde er den anderen gerade anschreien, dass dieser ihn in Ruhe lassen sollte, dass er gehen sollte, doch seine Lippen pressten sich eisern aufeinander. Das war unangebracht und führte zu nichts. Spätestens, als die Kraft des Schwarz aufwallte und seine Nackenhaare stehen ließ, entwich seinen Lippen nun aber doch ein Laut des Entsetzens und unfreiwillig zuckte Omi zusammen. Noch viel unfreiwilliger versuchte er seinen Körper zu schützen und verfluchte sich für seine instinktive Reaktion. Denn nichts traf ihn. Nagi schleuderte ihn weder durch das Glas, noch presste er ihn dagegen, noch tat er irgendetwas, um ihm zu schaden. Lediglich sein Handy torkelte durch die Luft zu ihm und die LED-Anzeige deutete ihm an, dass er mindestens eine neue Nachricht oder einen Anruf hatte, so verzweifelt, wie sie blinkte. Omi griff es vorsichtig aus der Luft und verharrte stumm, den Kopf leicht zur Seite gewandt. Eigentlich wollte er fragen, ob das alles war und ob er nun wieder alleine sein konnte, doch seine Lippen verboten ihm die Worte, wo Naoe ihm eigens nachgestellt war, um ihm sein Handy zu bringen und ihn anzusprechen. Das war unerwartet. „Danke.“ Der Frosch in seinem Hals ließ das einzelne Wort krächzend hervorbrechen. Omi lauschte darauf, dass die Schritte sich entfernten und wurde enttäuscht, als der Schwarz immer noch hinter ihm stand, auch als er nichts mehr sagte. „Tsukiyono?“, kam es schließlich erneut. Omi runzelte die Stirn. War Naoe auf ein Gespräch aus? Gerade jetzt? Beschissenes Timing, würde Youji sagen. Auch wenn Omi nicht ganz so vulgäre Worte wählen würde, so würde er der Grundaussage beipflichten. „Was ist?“, fragte er mit sichererer Stimme als vorher und für einen Augenblick lang blieb Naoe hinter ihm stehen, dann hörte Omi, wie er zögerlich näherkam. Ganz so, als wäre er hier derjenige, vor dem man Angst haben müsste. Unwillig wandte er dem Schwarz seinen Kopf zu und maß den unweit von ihm stehenden Telekineten. „Es ist wichtig“, erläuterte dieser eine Tatsache, die Omi sich nicht ganz erklären konnte und bei der er sich genötigt fühlte, nachzufragen. „Was ist wichtig?“ „Dass wir fertig werden.“ „Ach?“ Spott tränkte Omis Stimme ohne dass er es wirklich wollte. Natürlich war ihm die Dringlichkeit für Schwarz in dieser Angelegenheit bewusst, ebenso, wie er um das Interesse Persers an einer Zusammenarbeit wusste. Schweigen antwortete seinem Spott und Omi seufzte. „Ich kenne den Zeitraum“, fügte er versöhnlicher an und zog seine Knie erneut an, bettete sein Kinn darauf. „Ich habe es in dem Keller nur nicht mehr ausgehalten.“ Warum er sich in Anwesenheit des Telekineten erklärte, konnte Omi im Nachhinein auch nicht so genau sagen. Es ging den Schwarz nichts an und es interessierte Naoe aller Wahrscheinlichkeit nach auch gar nicht. Warum also erläutern, was ihn dazu bewogen hatte? „Ich auch nicht“, drang die leise Bestätigung zu ihm und ließ ihn überrascht aufsehen. „Aber wir haben keine Wahl.“ „Ihr, nicht wir“, stellte Omi richtig. Stille folgte diesem Wort, dem Vorwurf, der Schadenfreude, was es auch immer war und schlussendlich drehte sich Omi um. Die Augen, auf die er traf, spiegelten nichts von der sonstigen Kälte und Emotionslosigkeit, sondern waren perfekte Beispiele an Verzweiflung und Wut auf den einen, bedeutungsschwangeren Satz, der ihren Konflikt so perfekt zusammenfasste. „Was erwartest du von mir?“, fragte Omi, als er begriffen hatte, welchen Vorwurf ihm der Schwarz stumm machte. „Ausgerechnet von mir. Erwartest du wirklich, dass es mir am Herzen liegt, euch zu retten?“ Naoe runzelte die Stirn, sturmgeweiht ballten sich seine Hände zu Fäusten. Unverständnis stand auf seinem Gesicht. „Aber du hast einer Kooperation zugestimmt.“ „Genau das ist der Punkt. Ich bin mir nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung war. Ich bin mir nicht sicher, ob es Erfolg haben wird oder fruchtbar ist. Ich bin mir momentan mit nichts sicher.“ Naoe schwieg auf Omis frustrierte, ehrliche Worte und er nahm sich Zeit, die Mimik des Telekineten zu betrachten, weil er sich über seine eigenen Emotionen keine Gedanken machen wollte. Ein Wechselspiel aus Ablehnung, Verzweiflung und Ratlosigkeit bot sich ihm hier und er konnte alles davon nur zu gut nachvollziehen. Schwarz war Naoe wichtig, sie waren sein Team und das wollte er mit allem schützen, was ihm zur Verfügung stand. Soweit waren sie sich beide einig. Sie würden ihre beiden Teams schützen. Doch darüber hinaus… Naoe hatte keine Angst, wenn er Aya und Youji sah. Omi schon, wenn er die beiden Ältesten Schwarz in seiner Nähe wusste. Auch wenn sowohl das Orakel als auch Mastermind zu erkennen gegeben hatten, dass sie ihr Tun nicht noch einmal wiederholen würden, so blieben ihm dennoch die Erinnerungen an das, was bereits geschehen war. Mal mehr, mal weniger und heute umso präsenter. „Warum bist du dann noch hier, wenn dir das alles zuwider ist?“ Das war eine sehr gute Frage. Weil er stur war? Omi schmunzelte unwillkürlich, doch es war eher ein bitteres Verziehen seiner Lippen als eine Geste, die wirklich für Humor sprach. Wieder biss er sich in den grauen, blutunterlaufenen Augen fest und erhob sich von seiner Position auf dem Boden, was den Telekineten im ersten Moment unbewusst zurückweichen ließ. „Weil ich der Meinung bin, dass Lasgos Ring gesprengt gehört, insbesondere nachdem er ein Gebäude mit unschuldigen Menschen in die Luft gejagt hätte, wenn dein Anführer nicht eingegriffen hätte.“ „Und das kannst du erreichen, indem du dich unserer Arbeit verweigerst?“ Wäre die Verzweiflung in der tonlosen Stimme nicht gewesen, hätte es Omi als Provokation aufgefasst. Doch so war es vielmehr ein Testament an die Angst des jungen Schwarz, sein Leben für nichts und wieder nichts auszuhauchen, nur weil Weiß nicht richtig mitgearbeitet hatten. „Nein. Genaugenommen verweigere ich mich gerade dem Keller, deinem Schweigen und den Erinnerungen, die ich dank euch nicht mehr loswerde“, gab Omi entsprechend brutal ehrlich zurück und die eindeutig an Naoe gerichteten Vorwürfe ließen diesen wie unter Peitschenhieben zusammenzucken. Gepeinigt wandte der Telekinet seinen Blick ab und verschränkte die Arme vor seiner Brust, erzeugte in diesem Moment eher das Bildnis des hilflosen schmächtigen Jungen als das des mörderischen Telekineten, der Menschen wie Puppen hin und her fliegen ließ. „Du willst also, dass ich mit dir rede?“ Erstaunen schwang in der Stimme des Schwarz mit und auch die grauen Augen richteten sich voller Fragen auf ihn und seine gerade geäußerte Kritik. Frustriert stöhnte Omi innerlich auf. So hatte er das nicht gemeint. „Normalerweise bin ich in der Uni. Der Blumenladen ist voller kreischender Mädchen und Kunden, die uns alle fordern. Fünf Tage Stille bei Lasgo reichen mir. Nun die Aussicht auf sechs Wochen Stille in einem Keller…“ Omi brach ab und Naoe nickte tatsächlich. „Ich kann…versuchen…zu sprechen.“ Die so ungelenk ausgesprochenen Worte besänftigten Omis Wut, denn das, was er hier hörte und sah, war die Mühe, die Naoe sich damit gab, ihn bei Laune zu halten…ihn, ein Mitglied des gegnerischen Teams. Vor ihm stand derjenige, der ihm ohne Regung Tabletten zwischen die Lippen gezwungen hatte. Vor ihm stand aber auch der Telekinet, der wiederholt dazu gezwungen worden war, seinen eigenen Teamführer zu foltern. Vor ihm stand derjenige, der sich von ihm vor nicht ganz zwei Tagen vor die Spielekonsole hatte zwingen lassen, nur um danach kein einziges Wort mit ihm zu wechseln. Ebenfalls stand derjenige vor ihm, der sechs Wochen Zeit hatte, sein eigenes Leben und das seines Teams zu retten. „Mir fehlt die Lebhaftigkeit und die Unbeschwertheit eines Lebens, das nichts mit Mord und Gerechtigkeit zu tun hat. So nervtötend die Mädchen auch sind im Blumenladen, so sind sie doch eine Erinnerung an das, wofür wir stehen. Sie sind ein Anker in eine Welt, die weitab von den Nächten liegt, in denen wir Menschen umbringen, die schädlich für diese Welt sind“, gestand Omi schließlich ein und etwas ratlos maß Naoe ihn. Omi sah in den grauen Augen, dass dieser nicht wirklich verstand, was er meinte. Wie auch? Vermutlich war genau das für Naoe normal. „Ich bin keines dieser Schulmädchen“, erwiderte Naoe schließlich vorsichtig und barg seine zitternden Hände in den Hosentaschen, eine Geste, die Omi an Crawford erinnerte. Er musste unwillkürlich schmunzeln bei der Vorstellung, dass der ernste, stets ausdruckslose Junge jemals so sein könnte wie die Schulmädchen, die sie belagerten. Und tatsächlich schaffte diese Vorstellung das, was ihm heute Abend versagt geblieben war. Sie hob seine Stimmung und verschaffte ihm die Art von Leichtigkeit, nach der er sich so verzweifelt sehnte. Omi seufzte und ging an Naoe vorbei in Richtung Küche. Er steuerte den Kühlschrank an und nahm sich die frisch gemachte Limonade heraus, stellte mit einem Blick auf den ihm zögerlich folgenden Telekineten zwei Gläser auf die Anrichte und schenkte ihnen ein. Wortlos deutete er auf das Glas, das er stehen ließ, und ließ sich am Küchentisch nieder, immer mit dem Blick zur Tür hin. Es brauchte seine Sekunden, dann folgte Naoe dem Fingerzeigt und ging zu dem Glas, fasste es umsichtig mit beiden Händen. Die schmalen Schultern spannten sich an, während er Omi abgewandt trank und das Glas dann auf die Anrichte zurückstellte. „Was hat Lasgo mit dir gemacht?“, fragte Omi und ein Zittern durchlief den Körper. Naoe antwortete nicht, sondern verharrte stumm, so als würde er der Antwort entgehen, wenn er stillstand. Doch Omi hatte Zeit und wartete, während er Schluck um Schluck seine Limonade trank. „Warum willst du das wissen, Weiß?“ Da war er wieder, Prodigy, der ohne mit der Wimper zu zucken, Menschen tötete und Gebäude einstürzen ließ. „Weil es mich interessiert und ich verstehen möchte, warum du so reagierst, wie du reagierst. Und warum es dir so schlecht geht.“ Ein Grollen antwortete ihm, als Naoe herumfuhr, die Augen mit hilflosem Zorn getränkt. „Was interessiert dich das? Du…wir…ich…wir haben dich gefoltert“, platzte es schließlich unverständig und verzweifelt aus ihm heraus. „Warum interessierst du dich dann dafür, wie es mir geht? Warum interessierst du dich dafür, wenn du eigentlich gar nicht hier sein möchtest? Und warum hast du Crawford versprochen, mich zu retten? Das ist unlogisch. Ich…ich verstehe das nicht. Ich verstehe dich nicht.“ Da hatte er seine Unterhaltung, die er sich so sehnlich gar nicht gewünscht hatte, rollte Omi innerlich mit den Augen. Zumindest jetzt nicht, aber grundsätzlich, also sollte er sich nicht beschweren, wenn er sie jetzt bekam. Schweigend sah er auf das runde Glas, drehte es in seinen Händen. Die Frage hatte es in sich und berührte das, was er nun auch schon seit beinahe zwei Wochen hin und her schob. So lavierte sich Omi um eine Antwort herum, indem er die nicht vorhandene Struktur nachfühlte und seine Finger über das kühle Glas gleiten ließ, an dessen Außenseite sich feine Kondenströpfchen gebildet hatten. „Ich verstehe mich auch nicht mehr“, erwiderte er schließlich und sah hoch. „Ich hasse euch. Ich sollte euch so sehr hassen, dass ich das Ende der sechs Wochen herbeisehne und euren Tod schließlich feiere. Ich sollte alles tun um zu verhindern, dass ihr erfolgreich seid und dennoch tue ich es nicht. Wie Crawford schon so passend gesagt hat…ich folge dem Beispiel meines Anführers. Er ist zu gutmütig um aus der Situation einen Vorteil zu ziehen. Und auch ich schaffe es nicht im Angesicht eurer offensichtlichen Schwäche aus dieser Kapital zu schlagen, so sehr ein Teil von mir es sich auch wünscht in den dunklen Stunden, in denen sich jeder einzelne Schlag deines Orakels und jede einzelne Sekunde in den Gedanken deines Telepathen wiederholt und sich anfühlt wie eine Ewigkeit. Eine verdammte Ewigkeit.“ Omi hatte seine Hände zu Fäusten geballt und fixierte den Telekineten dunkel vor Wut. „Und dann sehe ich eure Menschlichkeit, ich sehe das Leid und die Gefühle, die zu all dem hier geführt haben und ich sehe, dass der Tod von Lasgo die Welt ein Stückchen besser machen wird. In guten Stunden sage ich mir, dass es alles ist, was zählt. Die Welt besser zu machen, meine ich. Dafür müssen Opfer gebracht werden.“ Naoe hatte ihm blass zugehört und schluckte nun gut sichtbar. „Wir…wir sind nicht menschlich“, erwiderte er schließlich mit dem Unterton der Empörung und Omi hob die Augenbrauen, starrte dem Telekineten ungläubig in die Augen. „Das ist es, was du zu all dem zu sagen hast?“, fragte er nach, weil er nicht glauben konnte, was der Andere gerade gesagt hatte, doch die Entschlossenheit in den Zügen des Schwarz teilte ihm genau das mit. „Wir haben Gaben. Wir sind keine normalen Menschen. Wir sind… wir….“ Omi schnaubte und wischte die gestammelte Erklärung mit einer Geste vom Tisch. „Mach dir doch nichts vor. Ihr seid menschlich. Ihr seid schwach. Man hat euch hintergangen und euch gezeigt, dass eure Gaben, so viele Vorteile sie euch auch verschaffen mögen, euch nicht bei allem helfen. Man hat euch gezeigt, dass auch ihr bezwungen werden könnt.“ „Das ist nicht wahr!“, begehrte Naoe auf und Omi fühlte mehr als dass er sah, dass die Kraft des Telekineten mit den aufgebrachten Worten aufwallte. Er hörte, wie das Geschirr in den Schränken erzitterte und das Besteck klapperte. Omi grollte mehr wütend als ängstlich. „Bist du jetzt gerade nicht schwach? Du hast deine Kraft nicht unter Kontrolle, so wenig, wie sie sich an deine Wut koppelt.“ Erschrocken verstummte die Telekinese, als wäre sich der Schwarz der Tatsache gerade erst bewusst geworden. Das Klappern und Klirren hörte auf und machte der gespenstischen Stille Platz, die nur durch die hektische Atmung des Jungen unterbrochen wurde. „Aber weißt du was, Nagi?“, setzte Omi nach und betonte ruhig den Vornamen des Schwarz, den er, so fiel es ihm auf, bis dato noch nicht einmal in den Mund genommen hatte. „Das ist okay. Es ist vollkommen okay. Das Mensch sein, meine ich. Es lebt sich gut, auch ohne Gaben. Es ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Nichts, worauf man wütend sein müsste.“ Schweigend starrte Nagi ihn an, ebenso schweigend verschränkte er die Arme vor seiner Brust. Beinahe schon bockig verstummte er und Omi kam sich nach zwei Minuten wirklich dumm vor. Drei Minuten vergingen, bevor es ihm zu dumm wurde und er sich abrupt erhob. Schweigend strebte er den Durchgang in den Wohnraum an, der zumindest ihn zur Playstation führen würde, denn nun war es Omi, der genau diese Ablenkung brauchte. Eine unsichtbare Hand schubste ihn, leicht nur, aber deutlich zu spüren. Natürlich war er nicht darauf vorbereitet gewesen und so strauchelte Omi und warf einen dunklen Blick über seine Schulter, als Naoe in sein Sichtfeld trat. „Aber Spaß machen die Kräfte schon, Omi“, statuierte Naoe bierernst, bevor ein unmerkliches Lächeln um seine Mundwinkel zuckte und Omi ein Grollen entlockte. Besagter Weiß würdigte das keinerlei Antwort, sondern machte sich an der Konsole zu schaffen. Wortlos warf er Naoe einen der Kontroller zu und ließ sich auf die Couch fallen. „Los, wir haben noch eine Revanche offen“, knurrte er und startete das Spiel, als sich unweit von ihm die Polster der Couch senkten. ~~~~~~~~~~~~ Wird fortgesetzt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)