Red Silver von minowari (Vampire AU) ================================================================================ Kapitel 11: Explosion --------------------- Namie verengte misstrauisch die Augen. Eine seltsame Unruhe durchzog das gesamte Apartment, die seit Izayas Ankunft in der Luft haderte. Sie hatte ihn nicht hinterfragt, warum er nach mehreren Menschen roch und offensichtlich auch noch irgendwo Blutflecken in seinen Klamotten haben musste, um überhaupt so stark danach zu riechen. Inzwischen hatte er sich umgezogen, aber sie hatte immer noch das Gefühl, es roch nach Blut. Nun saß er dort mit einem angespannten Ausdruck an seinem Schreibtisch und hatte ein mörderisches Funkeln in seinen Augen, weshalb sie nicht anders konnte, als zu fragen. „Wen hast du ermordet?“ Izaya lachte auf. Er hob den Blick und sah in Namies Richtung. Er konnte nun wirklich keine weiteren Fragen gebrauchen. Nicht nachdem was passiert war. Nicht, nachdem er schon wieder von ihm getrunken hatte. Gegen seinen Willen. Er hatte sich selbst noch nie so in Rage erlebt. Dass er mehr Rekruten als nötig von ihrem Leben befreit hatte, war ja nicht mal so tragisch. Aber dass er…dass er… Izaya kniff die Augen zusammen und konnte immer noch nicht ganz verstehen, was da passiert war. Warum es passiert war. Wieso er diesen Muskelprotz einfach geküsst hatte. Allein beim Gedanken daran wurde ihm komisch warm zu, obwohl er keine Wärme spüren dürfte. Namie sah ihn immer noch fragend an. „Ich hatte nur eine kleine Auseinandersetzung. Nicht der Rede wert.“, antwortete Izaya schließlich mit einem Fake Lächeln, woraufhin Namie ungläubig die Augenbraue hob. Izaya wusste, dass er Namie nichts vormachen konnte, also lenkte er mit einer Frage ab. „Hast du Neuigkeiten von Shiki?“ Namie warf sich mit einer lässigen Bewegung das Haar hinter die Schulter, bevor sie sich aus dem Schreibtischstuhl erhob. „Nein. Er hat sich noch nicht gemeldet.“, sagte sie. „Aber Haruma-kun und Akagi-san sind dabei, das zu regeln.“ Izaya nickte. Er würde Shiki schon noch zeigen, dass sein Fall eindeutig wichtiger war, wie alles andere. „Und hat Ginjo-kun die Berichte gemailt?“ Sein eigener Posteingang war leer. Etwas, dass selten der Fall war. „Ja, gerade eben.“ Izaya horchte auf. Dann lachte er. „Warum schickt er sie immer an deine E-Mail Adresse, Namie-san?“ „Hmm, ich weiß nicht.“, gab sie ironisch von sich. „Vielleicht weil du ihm mehr als nur einmal gedroht hast, seine Schwester zu verwandeln?“ Izaya musste lachen. Recht hatte sie. „Das erklärt immer noch nicht, warum er sie zu dir schickt.“, neckte Izaya weiter, weil er sich eine interessante Reaktion erhoffte, doch Namie sagte nichts mehr dazu. Ein paar Sekunden später ploppte auf seinem eigenen Bildschirm die besagte Mail auf, die Namie ihm kommentarlos weitergeleitet hatte. Izaya klickte auf den Inhalt.   Statusmeldung Objekt 326/327   Objekt 326 geht seiner Berufung wie gewohnt nach. (Wie langweilig…) Objekt 327 verbringt mehr Zeit mit ihm, als vorher. Meistens zur abendlichen Stunde. (Da wird man ja schon fast eifersüchtig…) Objekt 327 verdächtigt Objekt 326, etwas zu verheimlichen. (Sie weiß es! Sie weiß es!) Objekt 326 hat nicht versucht mit Objekt 001, der Polizei oder sonstigen Behörden in Kontakt zu treten. (Schlaues Kerlchen…)   Izaya zog eine Grimasse. Ginjos Kommentare brauchte nun wirklich niemand. Er hielt sich zwar an die Grundregeln: Neutrale Beschreibungen. Um damit die Anonymität zu erhöhen (im Falle des Abfangens von E-Mails) – jedoch machte er das durch seine eigenen überflüssigen Kommentare wieder hinfällig. Izaya seufzte. Doch das Wichtigste an dieser belanglos erscheinenden E-Mail, war der letzte Teil. Kasuka war wirklich ein schlaues Kerlchen, so wenig er auch mit Ginjo einer Meinung sein wollte. Er hielt sich anscheinend an die Abmachung, die er als Watcher trug. Aber vor allem eines war sehr wichtig. Er stand nicht im Kontakt mit Objekt 001. „Warum nochmal arbeitet er immer noch für dich?“, fragte Namie und schien überaus genervt zu sein, was wohl eher daran lag, dass Ginjo Gefallen an ihr gefunden hatte und er sie grundsätzlich mit Liebes-Mails zudröhnte. „Er ist ein ausgezeichneter Spion, liebste Namie-san~ Einer der besten, wenn ich Oshiro nicht dazu zähle…“, erwiderte Izaya und als er den Namen seines Bekannten aussprach, erinnerte es ihn daran, dass er dringend mit ihm sprechen musste. Es kam ihm gefühlt wie Stunden vor, seitdem er nun hier in seinem Apartment auf ihn wartete, dabei waren es gerade mal zwanzig Minuten. Nami zischte. „Von mir aus, kann er verrecken.“ „Wie herzlos, Namie-san!“, gab Izaya gespielt von sich, doch noch während er sprach, fiel sein Grinsen in die Tiefe und er stand ruckartig von seinem Schreibtischstuhl auf. Namie tat es ihm gleich. Sie hatte die Neuankömmlinge wohl auch gehört. Die Frau warf ihm einen Seitenblick zu, bevor sie nach vorne zur Haustür ging, um die Gäste zu empfangen. Es war definitiv fremde Vampire, was Izaya dazu veranlasste, sein Schutzschild bereit zu halten. Namie raffte sich auf, bevor sie die Klinke ergriff und die Tür öffnete. „Ah! Hallo! Du bist bestimmt Namie Yagiri-san oder?“ Eine helle Stimme, die ihm mehr als bekannt vorkam, gelangte an seine Ohren. „Und du bist wer?“, gab Namie kalt von sich. „Rosi-chan~!“, flötete Izaya und kam mit belustigter Miene hinunter gehopst. Die Vampirin namens Rosi, hatte langes seidenes Haar, das sie sich seit Neustem hellblond gefärbt hatte. Ihre Haut war fast so hell wie Schnee, was wohl auch daran lag, dass es der neuste Modetrend war, keine gebräunte Haut zu haben. Sie war schlank, klein und auch der jüngste Vampir in Oshiros aktiven Clan. „Iza!“, rief sie glücklich und sprang ihm mit einem Satz in die Arme. Izaya musste lachen, als er das Mädchen umher wirbelte. „Ich hab dich mal wieder nicht erkannt. Du wirst immer besser, Rosi-chan!“, lobte Izaya. Sie grinste ihn frech an, als der Informant sie herunter ließ. „Natürlich! Was denkst du eigentlich, was ich sonst mache?“ Ihren frechen Charakter hatte sie vermutlich durch ihren Bruder entwickelt. Sie und Oshiro waren damals ein unzertrennbares Team gewesen. Bis Izaya mit seinem Vater und seinen Schwestern aufgekreuzt war. Dann wollte sie plötzlich ihren Bruder übertrumpfen. Was ihr natürlich nicht gelang. Obwohl sie mit ihrer Fähigkeit, ihre komplette Präsenz auszulöschen, im Verstecken immer die Gewinnerin war. „Was machst du hier?“, fragte Izaya, als er wieder ernst wurde. Rosis Gesichtsausdruck wurde dunkel. „Mein Bruder. Er schickt mich vor, um dich abzuholen.“ Ihr Ton war genervt und sie pustete sich eine Strähne aus ihrem Gesicht. Namies hochgezogene Augenbraue sagte alles aus, was auch Izaya dachte. Oshiro schien sich immer noch nicht an ein Stadtleben gewöhnt zu haben. Izaya passte es momentan gar nicht in die Stadt zu gehen. Zu viele fremde Gerüche… „Wo steckt er?“, fragte Izaya, als er sich seine Plüschjacke überzog. „Wir bringen dich hin.“ Eine andere Stimme mischte sich ein. Und erst jetzt nahm er den zweiten Besucher wahr. „Subaru-kun! Was für eine nette Überraschung!“, rief der Informant, doch in Wahrheit freute er sich gar nicht über seinen Besuch. Subaru schien dies zu spüren und die beiden Vampire blickten sich für einige Sekunden scharf in die Augen. „Nun komm schon, Iza! Yukio ist doch nicht gerne in der Stadt. Wenn du dich nicht beeilst, verschwindet er wieder!“, unterbrach Rosi das Augengefecht. Da hatte sie Recht. Es war überhaupt ein Wunder, dass er sich nach Tokyo getraut hatte. Also seufzte Izaya, während er sich mit einem bedeutenden Blick von Namie verabschiedete, bevor er den anderen Vampiren hinaus folgte.   „Hier sind wir!“, trällerte Rosi vergnügt und hakte sich bei Izaya unter. Der Informant blickte empor und erkannte eine der vornehmsten Bars in Shinjuku. Er grinste. Typisch… Subaru trat vor und übernahm die Führung. Izaya und Rosi folgten ihm. „Zwei der Suiten im VIP Bereich. Auf den Namen Oshiro Yukio.“, sagte Subaru, während Izaya mit verengten Augen die Umgebung betrachtete. Es war noch leer, da es früher Abend war. Doch eines fiel ihm auf. Die Gerüche von fremden Vampiren. Kein Mensch war in dieser Bar anwesend und das war mehr als nur verdächtig. Izaya blieb wachsam, als er Rosi näher an sich drückte und Subaru zu den Fahrstühlen folgte. In den oberen Stockwerken stiegen sie aus, während Rosi munter an seinem Arm hoch und runter hüpfte. Sie war von Natur aus ziemlich verspielt. „Hier ist es.“, sagte Subaru und deutete auf eine eindrucksvolle Tür, die mit rotem Samt überzogen war. Izaya hob die Augenbraue, doch klopfte schließlich, bevor er eintrat. Luxus war etwas, dass Izaya nicht interessierte, doch hier war es so präsent, dass es schon fast gar nicht mehr zu ignorieren war. Überall waren weinrote Möbelstücke, hergestellt aus dem feinsten Kiefernholz mit schwarz glänzenden Lack. Alles glitzerte in goldenen und roten Farben, während warmes Dämmerlicht durch den Raum waberte. In der Mitte waren gemütlich aussehende Relax-Stühle mit einem ovalen Glastisch. In einem dieser Stühle saß Oshiro Yukio. Er blickte auf und ein Grinsen überzog sein Gesicht, als er den Informanten sah. „Ori-chan! Endlich! Ich warte mir hier schon ein Loch in den Bauch!“ Izaya gab ein Schnauben von sich. „Sagt Bescheid, wenn es zurück geht.“, sagte Subaru, als er die hüpfende Rosi an die Schultern packte. „Braucht nicht so lange! Mir ist jetzt schon todlangweilig!“ Izaya gab ein Lachen von sich. „Keine Sorge, Rosi-chan! Wir beeilen uns.“ Sie grinste ihn an, während Subaru mit einer Verneigung die Tür hinter sich schloss und Izaya mit Oshiro alleine ließ. Eine Weile blickte Izaya den anderen mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Kannst du mir erklären, warum du diesen Ort meinem Appartement bevorzugst?“ Oshiros Grinsen vertiefte sich. „Nimm es nicht persönlich, Izaya. Ich vertraue meinem Instinkt-“ „Deinem Instinkt?“, unterbrach Izaya schnaubend. „Diese Bar ist voll von Vampiren. Und sie tragen nicht dein Mal. Sie haben gesehen, dass ich hier hinein spaziert bin.“ „Umso besser. Dann wissen sie, dass sie sich lieber von uns fern halten sollten. Keiner will sich mit dir anlegen, Ori-chan~“ Izaya schüttelte den Kopf. Dass in Wahrheit mehr als nur „keiner“ hinter ihm her war, schien Oshiro entweder zu ignorieren oder nicht zu wissen. Natürlich hatte Izaya ausgezeichnete Kontakte in ganz Tokyo und sogar über ganz Japan verteilt. Dennoch war er nicht unantastbar. Es gab mal einige Vampire, die es geschafft hatten, ihn und seine Karriere als Informationshändler zu schädigen. Doch das kam nicht noch einmal vor. Izaya hatte dadurch gelernt, niemanden leicht zu vertrauen. „Du vergisst immer noch, dass es in Tokyo nicht nur einen Clan gibt, so wie bei dir in Yūbari.“ Oshiro stand schließlich von seinem Sessel auf und ging auf Izaya zu. Kurz vor ihm blieb er stehen und sah ihn mit verengten Augen an. „Du bist misstrauisch.“, sagte er. „Was hast du für Bedenken, Izaya? Wir werden hier ungestört sein.“ Izaya ignorierte seine Frage und lief an ihm vorbei auf den nächstgelegenen Sessel zu. Natürlich musste er ausgerechnet jetzt seine verdammte Fähigkeit einsetzen und seine wahren Gefühle erfahren. Dieser-! „Tokyo ist meine Stadt, Yukio. Es gibt genug Gründe auf der Hut zu sein. Es gibt Gefahren von denen du nicht einmal etwas ahnst. Wenn du klug bist rückst du mit der Sprache raus. Was kannst du mir berichten?“ Izaya hatte ein ganz schlechtes Gefühl in dieser Bar. Etwas stimmte hier nicht. Oshiro verfolgte ihn seufzend, bis er vor Izaya zum Stehen kam. „Ist dein Schutzschild wirklich nötig?“, warf er dann ein, als er bemerkte, wie Izaya seine Fähigkeit über sich und Oshiro ausbreitete. „Akzeptiere es und beginn zu erzählen, bevor ich es mir aus deinem Gehirn saugen muss. Und das wollen wir beide doch nicht, oder, Yukio~?“, säuselte Izaya mit einem gefakten Lächeln. Es war besser, wenn sein Schutzschild aktiv war. Er wollte kein drittes Paar Ohren als Gesellschaft… „Wow, jetzt mal ganz langsam, Ori-chan. Eigentlich habe ich es eilig hier weg zu kommen! Ich mag Tokyo nicht. Viel zu riesig und voller fremder Vampire…“  „Letzte Chance Yukio.“, drohte der Informant mit dunkler Stimme, als er sich aus seinem Sessel erhob. „Schon gut, schon gut. Ich sag es dir ja schon…“, grummelte Oshiro mit erhobenen Händen. „Ich habe ein wenig nachgeforscht und was ich entdeckt habe, ist wirklich…beunruhigend.“ Oshiro legte eine dramatische Pause ein, die Izaya gar nicht gefiel. Dann lehnte sich der Vampir in seine Richtung und sprach mit leiser Stimme. „Das Opfer, das du gebissen hast, wird deine einzige Nahrungsquelle bleiben.“ Izayas Augen weiteten sich. Es nun aus Oshiros Munde bestätigt zu bekommen, war schlimmer, als er sich vorgestellt hatte. Doch der Schock war nicht das Schlimmste. Es war eher der Umstand, dass er es die ganze Zeit geahnt hatte. Dennoch… Shizuo Heiwajima sollte seine einzige Nahrungsquelle sein? Für immer? „Wie…wie soll das…“, gab Izaya ungläubig von sich und verengte die Augen, als er in Gedanken versank. Was wäre denn wenn Shizuo sterben würde? Hieße das, er würde auch sterben? Weil seine einzige Nahrungsquelle versiegt war? Das wäre fatal. Fatal für sich und sein ganzes Leben. Seine Karriere! „Das ist nicht wahr.“, sagte Izaya, einfach aus Protest um diese wirr klingenden Worte nicht zuzulassen. Oshiro nahm ihn auf den Arm. Es konnte nicht anders sein. Es musste ein Scherz sein! „Ich weiß, dass klingt verrückt…aber Hana-chan hat es mir persönlich erzählt…“ Hana-chan? Shuus Schwester? „Was hat Hana-chan damit zu tun?“ „Ich habe sie nach Shuu ausgefragt und…“ Oshiros Stimme brach ab und Izaya erkannte, dass es ihn große Mühe kostete überhaupt darüber zu sprechen. Hana und Shuu Omori waren Cousine und Cousin von Yukio Oshiro. Der Vampir war eng mit ihnen befreundet gewesen. Izaya selbst hatte sie kaum kennen gelernt, als bereits die Tragödie über den gesamten Clan nieder wälzte. Shuu Omori war von einen auf den anderen Tag auf mysteriöse Art und Weise verstorben. Die Familie Omori behielt die Todesumstände für sich und nur die engsten Familienmitglieder waren eingeweiht. Izaya hatte damals versucht hinter die mysteriösen Umstände zu blicken, doch er war mehr damit beschäftigt gewesen seinen Kindheitsfreund wieder aufzubauen. Und bevor Izaya es herausfinden konnte, war das Geheimnis innerhalb der Familie Omori sicher verwahrt, sodass niemand es je herausfinden sollte. Zumindest hatte es Oshiro immer so formuliert. Bis heute. Bis gerade eben. Izaya konnte nicht glauben, dass Yukio das Geheimnis herausgefunden hatte. Und dass er es sogar mit ihm teilen würde. Izaya hang an Oshiros Lippen, als würde sein Leben davon abhängen. „Hana-chan war nicht einfach umzustimmen. Es hat Tage gedauert und Geduld gefordert, bis sie einwilligte, mich endlich in das Geheimnis einzuweihen. Also hör gut zu!“, erzählte Oshiro und Izaya musste sich ein Augendrehen verkneifen, was angesichts seiner Neugierde nicht einmal schwer war. „Mein Cousin Shuu…hatte eine besondere Beziehung zu einem Menschen.“ Für einen Moment herrschte Stille, als Oshiro Izaya Zeit ließ, die Worte auf sich wirken zu lassen. Izaya blinzelte lediglich und Oshiro fuhr langsam fort. „Hana-chan erzählte mir, dass es ihr erst gar nicht so aufgefallen sei. Shuu hatte öfters Opfer, von denen er mehrmals trank und mit denen er mehr Zeit verbrachte. Erst als Shuu ihr das Opfer als seine Freundin vorstellte, wusste Hana-chan, dass irgendetwas nicht stimmte. Erst dachte sie, er sei verrückt. Zum einen Teil war es gefährlich, zu oft von demselben Opfer zu trinken. Die Gefahr, dass das Mal nicht verschwand, würde größer werden. Zum zweiten Teil haben Vampire keine Menschen als Partner. Und schon gar nicht in einem altertümlichen Clan wie wir es sind. Zumindest lauten ja so die verdammten Regeln.“ Oshiro stoppte plötzlich und blickte wütend zu Boden. Izayas Gedanken ratterten. Er wusste, wie die alten Vampire so etwas regelten. Vampire verkehrten nicht mit Menschen. Sie waren Nahrung. Keine Partner. Es waren alte Gesetze, die seit Jahren in den Clans verankert waren und niemand hatte sie je in Frage gestellt. Niemand durfte sie auch nur anzweifeln. „Shuu stellte sich gegen seinen Vater, kämpfte gegen den Rat des gesamten Clans. Der Clan unterstellte ihm, ihre gesamte Existenz in Gefahr zu bringen, als er das Mal seines Opfers nicht mehr entfernen konnte. Hana-chan erzählte mir, Shuu hatte es von Anfang an nicht entfernen können.“ Oshiro blickte auf. Izaya bekam ein ganz schlechtes Gefühl in seiner Magengrube. „All seine Bemühungen und Erklärungen, dass er ohne diesen Menschen, ohne diese Frau, nicht mehr leben konnte, stießen auf taube Ohren. Sein Vater konnte sich die Quälerei schließlich nicht länger mit ansehen und wurde mitleidig. Er gewehrte Shuu eine Frist. Eine gewisse Zeit, die er mit der Menschensfrau noch verbringen durfte, bevor…sein Vater...“ Oshiro wurde leiser und brach ab. Dass er seinen Onkel nicht einmal mehr als Onkel bezeichnete sagte alles aus, was Izaya wissen musste. Der Informant saß mit geweiteten Augen in seinem Sessel und wagte es nicht, sich zu bewegen. Er wollte Fragen stellen, aber er riss sich zusammen. Oshiro brauchte fast eine Minute bevor er weiter sprach. „Er hatte sie uns nie vorgestellt, aber Hana-chan sagte, sie hieß Yuki. Wie der Schnee. Und so blass war ihre Haut, erzählte Hana-chan…“ Der Vampir seufzte kurz und knetete unruhig seine Hände. „Shuu versuchte mit Yuki zu fliehen. Er versteckte sich an verschiedenen Orten. Reiste mit seiner Menschenfrau quer durch Japan.“ Oshiro schüttelte den Kopf. „Und ich hatte immer gedacht Shuu wäre auf einer Weltreise gewesen…“ Der traurige Unterton in Oshiros Stimme brachte Izaya zurück in die Zeit, als sie noch klein waren und Oshiro in seinen Armen geweint hatte. „Shuu’s Vater hat ihn schlussendlich gekriegt. Der gesamte Clan war auf der Suche nach ihm gewesen. Sie nannten ihn einen Verräter. Aber er war kein Verräter!“ Den letzten Satz rief Oshiro plötzlich laut aus und sprang dabei von seinen Sessel. Izayas Arme waren an Oshiros Schultern. „Ruhig, Yukio.“, sagte Izaya. Oshiro atmete ein paar Mal tief ein und aus. Izaya wusste, wie emotional er bei seinem Cousin wurde. Oshiros dunkle Augen zuckten zu Izaya, während er sich wieder hinsetzte und weiter sprach, als sei nichts gewesen. „Sein…Sein Vater hatte ihn schließlich eingeholt und konnte sich Yuki schnappen. Shuu soll sich wie ein wildes Tier gewehrt haben, um zu ihr zu gelangen. Doch er schaffte es nicht, sich gegen den ganzen Clan aufzubäumen. Mein Onkel", Oshiro spuckte das letzte Wort, "Er…er brach Yuki das Genick.“ Oshiro biss sich mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck auf die Unterlippe. „Shuu war danach nicht mehr derselbe. Er war nur noch eine leere Hülle. Sein Vater dachte, er habe ihm geholfen von der Menschenfrau loszukommen, doch in Wahrheit hatte er ihn zum Tode verurteilt. Shuu wurde immer schwächer. Er weigerte sich erst zu trinken. Tat es dann aber doch, weil ihn der Blutrausch übernahm. Aber er konnte noch so viele Menschen beißen und noch so viel Blut trinken…es sättigte ihn nicht. Er wurde immer schwächer. Shuu war dabei…zu sterben.“ Izaya erschrak, als ihm der letzte Teil der Geschichte wie ein Déjà-vu vorkam. Das… Das war nicht- „Hana-chan sagte, Shuu sei gestorben, weil sein Vater ihm seine einzige Nahrungsquelle weggenommen hatte. Er hatte Yuki nicht nur als Freundin bei sich behalten. Sie war wahrhaftig seine einzige Nahrungsquelle und nichts anderes würde ihm am Leben erhalten. Shuu hat versucht das zu erklären, aber der Rat hat ihm nicht zugehört, diese verdammten, alten, widerlichen, schrumpeligen Bastarde von Vampiren!“ Oshiro fluchte den letzten Teil und Izaya musste eine Hand und die Knie des anderen legen, damit Oshiro sich wieder beruhigte. „Shuu ist nach zwei Wochen versuchter Pflege…“ Oshiro spie auch dieses Wort wie Gift, „…gestorben. Niemand konnte ihn retten. Niemand konnte etwas dagegen tun. Sein Körper ist einfach mit seiner Seele zusammen verrottet. Obwohl ich daran glaube, dass seine Seele schon lange seinen Körper verlassen hatte…“ Izaya knirschte unruhig mit den Zähnen, als das mulmige Gefühl in seiner Magengrube zu wachsen schien. „Verstehst du Izaya…? Ich glaube, dass dein Fall genauso ist, wie der von Shuu. Alle Zeichen deuten darauf hin. Mein Cousin konnte bei Yuki nie das Mal entfernen.“ Oshiros Stimme war so ernst, wie er sie seit Jahren nicht gehört hatte. Wenn es um seinen Cousin ging, wurde er zu einem ganz anderen Vampir. Er war kühl. Kein Grinsen, keine Neckerei. Izaya sammelte sich innerlich. Wenn das wirklich wahr sein konnte, wollte er nicht wissen, wie seine Zukunft aussah. Ein ständiges Leben mit Heiwajima Shizuo? Das Gefühl auf dieses…Monster angewiesen zu sein widerte ihn bereits jetzt schon an. Nein, das Ganze konnte unmöglich wahr sein. „Das mit Shuu tut mir Leid, Yukio. Das ist nicht die Art, wie er hätte sterben sollen.“ Oshiro blickte ihn unentwegt an und schien nun beunruhigt. Izaya wusste, dass er sich nun auch um ihn Sorgen machte. Er sah es in seinem Blick. „Was ist in den letzten Tagen passiert? Hast du von anderen Personen trinken können?“, fragte Oshiro, der Izayas Unwohlsein durch seine Fähigkeit sofort bemerkte. Der Informant saß immer noch wie angewurzelt in dem Sessel und starrte mit einem zerknirschten Ausdruck auf den Boden. „Nein…“ „Was?“ Izaya hob ruckartig den Kopf. „Ich habe es versucht, Yukio. Es war…demütigend.“ Izaya zischte das letzte Wort und Oshiro hob fragend die Augenbraue. Der Informant sah in der Mimik die unausgesprochene Frage und erklärte weiter. „Dieses…Gefühl aus voller Verzweiflung irgendein Opfer anzufallen, um zu trinken. Zufällig, schnell und gierig. Hauptsache der Hunger würde verschwinden. Es war unter meiner Würde…!“ Izaya gestikulierte wild mit den Händen, während er erzählte. „Du weißt, das ist nicht meine Art. Ich suche mir meine Opfer gezielt aus. Ich studiere ihr Verhalten, analysiere ihren Körper, ihr Wesen. Und wenn es sein muss verbringe ich den ganzen Abend mit ihnen, um den perfekten Moment zu kreieren.“ Oshiro konnte nicht mehr als nicken – unfähig Izayas Wortfluss zu unterbrechen. „Aber dann…an diesen verdammten Abend in der Bar. Ich hätte einfach gehen sollen. Ich hätte mir einfach ein anderes Jagdrevier aussuchen sollen, als ich ihn gesehen hatte. Aber wie immer macht er das Unmögliche möglich.“ Izaya grinste bitter und Oshiro blickte ihn überrascht an. „Soll das heißen-“, begann der Vampir, doch Izaya sprach einfach weiter. „Und dann! Dann begann die Jagd. Die Hetzjagd. Aber sie bereitete mir überhaupt kein Vergnügen wie sonst immer. Und dann war es nur ein kleiner Moment, in der meine Nerven überreagiert hatten – ein klitzekleiner Moment in dem ich mich entschieden hatte, ihm meine Kräfte zu zeigen. Mein Körper reagierte ab dem Zeitpunkt an von alleine. Alles was danach kam, war…demütigend.“ Izaya verzog sein Gesicht und Oshiro konnte sehen, wie er die Hände in seine Hose krallte. „Ich…ich rieche dieses…dieses Monster und…und es ist, als ob man einen Schalter in mir umgelegt hätte.“ Izaya blickte auf und starrte Oshiro an. Er konnte in dessen Augen sehen, dass Oshiro wusste, von wem er sprach. „Izaya…“, murmelte er und schien zu überlegen, was er sagen sollte. Izaya, der den mitleidigen Ton des anderen nicht leiden konnte, sprang unruhig von dem Sessel auf und tigerte im Raum auf und ab. Nach ein paar Sekunden begann er wieder zu sprechen. „Dann war da dieser andere Abend…und ich hätte ihn beinahe wieder gebissen! Nur durch meinen eisernen Willen konnte ich fliehen. Ein Hotel war mein nächstes Jagdgebiet. Ich musste meinen Durst stillen, weil…dieses Monster ihn entfacht hatte…“ Für einen Moment glaubte Oshiro, Izaya würde fauchen. Es dauerte ein paar angespannte Sekunden, bevor sich der Informant wieder sammelte und weiter sprach. „Die Tat war schnell getan. So schnell, wie ich es sonst nie mache. Die Frau roch angenehm, sogar sehr köstlich. Aber ihr Blut…es schmeckte nicht. Es sättigte mich nicht. Es war…“ Izaya stoppte plötzlich, so als ob er erst jetzt realisierte, dass er Oshiro seine halbe Geschichte erzählt hatte. „Das klingt nach einer ziemlich fiesen Zwickmühle, mein Freund…“, erwiderte Oshiro und versuchte sich vorsichtig Izaya anzunähern, ohne falsche Worte zu wählen. Izaya gab ein Zischen von sich, bevor er innerhalb einer Sekunde vor Oshiro stand und ihm den Finger ins Gesicht hielt. „Ein Wort davon nach außen Yukio, und ich werde dich höchstpersönlich in die Hölle schicken.“ Oshiro hob abwehrend die Hände. „Woah, jetzt mal langsam!“ Izaya war so dicht vor ihn getreten, dass er seine Kräfte spüren konnte. „Dein Schutzschild ist immer noch aktiv, schon vergessen? Außerdem…für wen hältst du mich?“ Oshiro grinste ihn an. Die grinsende Miene des anderen, schien Izaya aus seinem ernsten Modus zu holen. „Du hast Recht, Oshiro-san, wer durch mein Schutzschild will, sollte sich lieber warm anziehen.” Dann trat Izaya von ihm zurück und wandte sich pfeifend ab, als wäre nichts gewesen. „Ich werde mal nach Rosi-chan sehen. Du weißt ja, sie wartet nicht gerne.“, säuselte Izaya und wollte die Tür ergreifen, doch eine Hand auf seiner Schulter, hielt ihn auf. Izaya blickte hoch in Oshiros ernstes Gesicht. „Ist es wahr?“ Izayas sonst so helle Stimme rutschte schlagartig in den Minusbereich. „Was ist wahr?“ „Ist dein Opfer Shizuo Heiwajima?“ Izayas dunkler Blick der darauf folgte, ließ Oshiro beinahe seine Frage bereuen. Doch eine Sekunde später grinste Izaya ihn an, als sei nichts gewesen. „Ich werde Shizu-chan nun öfters besuchen gehen. Da wird er sich bestimmt freuen~!“ „Denk daran, Izaya, er ist deine einzige Nahrungsquelle. Lass ihn nicht sterben, bevor ich eine Möglichkeit gefunden habe, dich aus dieser Scheiße rauszuholen!“ Für einen Moment wusste Izaya nicht wie er reagieren sollte. Ob er wütend auf sich sein sollte. Ob er lachen sollte. Ob er dankbar sein sollte. Denn Oshiro erwies sich als ein wahrer Freund. Izaya entschied sich fürs Lachen. „Das ist wirklich erstaunlich, Oshiro-san. Ich bin gespannt wie du das anstellen willst. Wir werden uns für eine Weile nicht sehen können. Denn ich werde für ein paar Tage untertauchen.“ „Untertauchen?“, fragte der andere Vampir, „Wozu? Vor wem? Warum?“ „Ah, ah, ah!“, sagte Izaya tadelnd und winkte mit dem Finger. „Ich werde mich selbst darum kümmern. Das ist meine Angelegenheit. Sie betrifft nur mich und meinen Clan.“ „Tch. Deinen Clan…“, murmelte Oshiro unter seinem Atem. Oshiro hielt nicht viel von kleinen Clans und vor allem nicht von den Mitgliedern, die in Izayas Clan hausten. Er konnte nicht verstehen, wieso er sogar einen Schüler aufgenommen hatte. „Soll ich dich noch zum Bahnhof begleiten? Oder schaffst du es auch ohne Mama?“, fragte Izaya halb neckisch halb ernst, doch Oshiro hatte keine Zeit darauf zu antworten. Ein ohrenbetäubender Knall erschütterte in der nächsten Sekunde das gesamte Gebäude. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)