Red Silver von minowari (Vampire AU) ================================================================================ Kapitel 9: Recognition ---------------------- Die Pommes wollte heute nicht so recht schmecken. So sehr sich Shizuo auch anstrengte, er konnte es einfach nicht vergessen. Immer wieder driftete er ab, sah unwillkürlich Izayas Fuchsgesicht vor seinen Augen und selbst diese komische Frau in ihrem Käfig, die laut Muroko ein Frischblüter war. Shizuo verzog wütend das Gesicht. Während Shizuo gestern und heute durch ganz Ikebukuro von Schuldner zu Schuldner gelaufen war, hatte Shizuo Dinge gesehen. Seltsame Dinge. Es waren ihm Sachen aufgefallen, die ihm vorher nie aufgefallen waren. Einige Menschen – darunter sogar einige Schuldner hatten rötliche Augen. Nicht wirklich rot, aber einen rötlicher Glimmer. Meistens blickten diese Menschen dann fort oder wenn er geblinzelt hatte, war dieser rote Schimmer wieder verschwunden. Tom selbst sagte nichts dazu, er behandelte sie wie jeden anderen Schuldner auch. Und für Shizuo fühlte es sich dadurch so an, als ob er sich alles nur eingebildet hätte. Doch selbst auf etwas Bestimmtes hatte er geachtet. Eher unbewusst, aber er hatte es gesehen. Die Zähne. Und einige von ihnen hatten wirklich spitze Eckzähne… Shizuo zischte und schob selbst seinen süßen Milchshake von sich, der ihm nicht schmecken wollte. Muroko hatte ihn völlig verrückt gemacht. Es war inzwischen später Nachmittag und Tom hatte vorgeschlagen, dass sie zu ihrem üblichen Treffpunkt gingen: Lotteria. Ein bekanntes Lokal in Ikebukuro. Sie hatten es sich in einer abgelegenen Ecke verkrümelt, während Tom ihm gegenüber saß und ihn die ganze Zeit misstrauisch im Blick hatte. „Alles in Ordnung Shizuo?“, fragte er ihn irgendwann und Shizuos Augen zuckten zu ihm. Der blonde Mann antwortete ihm nicht, sondern schnaubte nur. Tom schien alles gar nicht so sehr zu interessieren. Er machte einfach weiter, als wäre alles wie immer. Doch für Shizuo war es nicht wie immer. Warum fielen ihm all diese Sachen auf? Hatte Muroko ihm tatsächlich eine Gehirnwäsche verpasst? „Tom-san…“, begann Shizuo und der Rest des Satzes, den er eigentlich sagen wollte, schien nicht aus seinem Mund hinaus zu kommen. Tom starrte ihn nur mit seinen dunkelbraunen Augen fragend an, während er sich eine Pommes schnappte und lustlos darauf herum kaute. „Kannst du mir das erklären?“ „Was denn?“, gab Tom zurück und schob sich eine weitere Pommes in den Mund. „Das!“, gab Shizuo zurück und deutete mit seinem Finger auf Toms Mund. Tom stockte in seinem Kauprozess. „Du willst, dass ich dir erkläre, warum ich Pommes esse?“, lachte Tom. Shizuo spürte, wie seine Wangen rot wurden. „Ich verstehe es nicht, okay? Erst sagt mir Muroko, dass…“, Shizuo pausierte und wurde leiser, „…Vampire nur Blut trinken und jetzt sehe ich dich Pommes essen!“ Tom starrte ihn an. Dann prustete er los und lachte lauthals. Es war so laut, dass ihn einige Leute irritiert anstarrten. „Darf ich etwa keine Pommes essen?“ Shizuos Wangen glühten immer noch vor Scham. „I-Ich dachte ihr…trinkt nur-“ „Blut?“, beendete Tom den Satz und schnappte sich eine weitere Pommes. „Oh nein, wenn dem so wäre, dann würde das ziemlich schnell auffallen, findest du nicht auch?“ Shizuo nickte, weil er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte. Da hatte er Recht. Wäre ziemlich seltsam wenn man mit einem Vampir in ein Bistro ging, der nie etwas essen würde. „Aber hat die Bruderschaft das nicht schon längst erzählt?“, fragte Tom mit gerunzelter Stirn. „Würde ich sonst fragen?“, polterte Shizuo genervt und hämmerte mit seinen Händen auf den Tisch, sodass der Milchshake beinahe vom Tisch gefallen wäre. Tom hatte den Becher rechtzeitig ergriffen und stellte ihn wieder gerade hin. „Schon gut, ich erkläre es dir.“, sagte Tom wieder mit normaler Stimme und zwang Shizuo mit seinem Blick, zur Ruhe zu kommen. Der blonde Mann nuschelte irgendwas Unverständliches, nahm den Milchshake und probierte ihn erneut. „Wir können so gut wie alles essen, was du als Mensch auch essen kannst.“, sagte sein Chef schließlich, und Shizuo gefiel nicht, wie Tom ihn und sich selbst strikt als Mensch und Vampir trennte. „Aber das Essen wird von unserem Körper nicht angenommen. Es erreicht höchstens den Magen und spätestens dort, wird es vernichtet.“ Shizuo runzelte fragend die Stirn. Wie war das überhaupt möglich? Tom sah Shizuos zweifelnden Ausdruck und fuhr fort. „Nur menschliches Blut erhält unseren materiellen Körper am Leben. Deshalb tun wir, was wir tun müssen, um am Leben zu bleiben.“, beendete Tom die Erklärung und war unbewusst in eine sehr leise Stimmlage gewechselt, wodurch Shizuo Mühe hatte, ihn zu verstehen. Tom schien daraufhin kurz durch die Gegend zu schauen, so als ob er vermutete, die Bruderschaft wäre da. Doch niemand schenkte ihnen Beachtung oder sah in Shizuos Augen verdächtig aus. „Dich beschäftigt es wirklich sehr dieses…Thema, oder?“, murmelte Tom dann und Shizuo spitzte die Ohren. Auf Shizuos verwirrten Blick hin, sprach er sofort weiter. „Ich habe bemerkt, wie du sie angesehen hast.“ „Wie ich wen angesehen habe?“, fragte Shizuo. Der Mann mit den Rasterlocken hob ungläubig seine linke Augenbraue, bevor er mit seinem Mund die Worte fast hauchte. „Die Vampire…“ Shizuos Augen weiteten sich. Also hatte er doch- Hatte er wirklich…Vampire gesehen? „Du hast es vielleicht nur unterbewusst getan, doch ich habe bemerkt, wie du sie heute angestarrt hast. Und ich glaube einige von ihnen haben es auch gemerkt. Sie wissen, dass du sie als das erkennst, was sie sind.“ „Es…es waren…Vampire unter den Schuldnern?“, fragte Shizuo nun und blickte misstrauisch um sich, so als glaubte er, jemand würde sie belauschen. „Natürlich!“, lachte Tom, „Du tust ja so, als wäre das etwas Neues. Ich bin doch auch einer, schon vergessen? Wir leben unter den Menschen, mit ihnen zusammen. Das ist wohl schon seit Jahrhunderten so. Daran musst du dich gewöhnen. Behandle uns einfach wie jeden anderen Menschen auch.“ So einfach wie es aus Toms Munde klang, war es aber nicht. Zumindest konnte Shizuo nicht vergessen, was Izaya mit ihm gemacht hatte. Wie die Pest ihn einfach gegen die Wand gedrückt und dann seine Zähne in seinen Nacken geschlagen hatte und anfing- Shizuo kniff die Augen zusammen, bevor er mit geballten Händen auf den Tisch hämmerte. Tom blinzelte erschrocken. „Du würdest die Menschen auch anders ansehen, wenn du von einem Vampir gebissen wurdest!“ Shizuos Stimme war plötzlich laut geworden und blitzartig hatte Tom die Hand auf seinen Mund geklatscht. Ein wütender Ausdruck huschte über Toms Gesicht und seine Augen funkeln wild. „Nicht hier.“, zischte er. Shizuo schluckte, doch bevor er sich entschuldigen konnte, erhob Tom sich stumm von seinem Platz nahm sein Tablet in die Hand. Shizuo tat es ihm gleich und als sie die Reste des Essens entsorgt hatte, gingen sie wortlos aus dem Lokal. Tom leitete Shizuo zu seiner Wohnung und als sie angekommen waren, schloss der blonde Mann seine Wohnungstür auf. Tom folgte ihm hinein und Shizuo wusste, sobald die Tür zuging, würde Tom seine Predigt beginnen. Es knackte und Tür war zu. Shizuo blickte zu seinem Chef, der ihn immer noch etwas wütend ansah. „Von wem wurdest du gebissen?“ Toms Blick warf scharf. Da fiel Shizuo plötzlich ein, dass er bislang noch gar nicht die Gelegenheit gehabt hatte, Tom davon zu erzählen. „Von…Izaya.“ „Was? Von Izaya Orihara? Wann?“ Toms braune Augen weiteten sich, während er näher an ihn heran trat. „Vor vier Tagen. Izaya war der Grund, dass Muroko mich angeblich gerettet und bei sich aufgenommen hat. Dieser verfluchte Bastard!“ „Bist du dir sicher? Oder hat dir das die Bruderschaft unter die Nase gejubelt? Die erzählen dir natürlich alles Mögliche, um dich zu überzeugen, bei ihnen-“ „Nein. Ich erinnere mich.“, unterbrach Shizuo und Tom verstummte. „Du…erinnerst dich?“, gab Tom ungläubig von sich und nahm verwirrt die Hand an sein Kinn und schien nachzudenken. „Das ist unmöglich.“ Shizuo schnaubte. „Muroko sagte auch, es wäre seltsam, dass ich mich erinnere. Wieso?“ Tom schnaubte kurz und trottete zu Shizuos Couch. Der blonde Mann folgte ihm und blickte ihn neugierig an. „Weil Vampire die Erinnerungen an das Mahl löschen müssen. Das ist eines der wichtigsten Gesetze unter uns.“ Ah. Das würde vieles erklären. In dem seltsamen Unterricht, den Muroko gab, war das nie ein Thema gewesen. Wahrscheinlich weil es fürs Töten von Vampiren irrelevant war. „Vampire können Erinnerungen löschen? Einfach so?“ „Nur die des Mahls.“ Verrückt, völlig verrückt. Aber es würde erklären, warum er sich anfangs nicht an Izaya und den Biss erinnern hatte können. Als Shizuo aufblickte, sah er, dass Tom ihn eindringlich anstarrte. „Vorhin warst du zu laut, Shizuo.“, warnte Tom, „Ich kann nur hoffen, dass uns keiner gehört hat. Es gibt besondere Spitzel, die alles Verdächtige weiter geben, was auch nur ansatzweise unsere Existenz gefährden kann.“ Darüber hatte er gar nicht nachgedacht. Dass Tom überhaupt mit ihm über Vampire sprach, war schon ein Risiko. „Tut mir Leid, Tom-san.“ Anscheinend schien ihn Shizuos aufrichtiger Ton auszureichen, denn der Vampir schüttelte den Kopf und nahm die Hand an seine Stirn. „Schon gut. Was geschehen ist, ist geschehen. Du hast es ja nicht absichtlich gemacht…“ Shizuo lachte etwas. Es war genau derselbe Satz, den Tom immer sagte, wenn er das Eigentum der Stadt beschädigt oder er auf der Jagd nach dem Floh Unfälle verursacht hatte. Er hatte es ja nicht absichtlich gemacht, sondern war mit einen guten Willen an die Sache ran gegangen. Den guten Willen, das Geld aus den Schuldnern zu quetschen oder den guten Willen, diese Pest aus Ikebukuro zu vertreiben. Die Stadt sollte es ihm danken. „Aber um nochmal Klarheit zu verschaffen…du bist dir sicher, dass dich Izaya Orihara gebissen hat?“ Shizuo starrte Tom an. Natürlich war er sich sicher! „Dieser Bastard hat es sogar selbst zugegeben, dass er mich gebissen hat, also ja verdammt!“, knurrte er und spürte wieder die Wut in ihm pochen, die er immer dann verspürte, sobald er an den Bastard dachte. Tom schien wieder nachzudenken, als er seine Brille hoch schob. „Ich weiß ja, dass ihr beide schon seit Jahren eine Fehde habt, aber das ist jetzt wirklich überraschend. Da du nun weißt, was er ist, wird er dich nicht mehr aus den Augen lassen.“ „Oh schön. Ich brauche neben Muroko sicherlich noch ein zweites Kindermädchen. Genau was ich mir gewünscht habe.“, knurrte Shizuo ironisch. „Ich meine es ernst, Shizuo. Sei vorsichtig. Du magst ihn nur als einen Menschen kennen, aber ich kenne ihn als einen Vampir. Unter uns ist er als einer der letzten reinblütigen Vampire bekannt. Er ist sehr mächtig.“ Toms Blick wurde eindringlich, als er Shizuo anstarrte. Mächtig? Dieser schleimige Bastard war alles andere als mächtig! Er war hinterlistig, falsch, ein Lügner und ließ andere für sich arbeiten. In seinen Augen war nur der Kaiser Japans mächtig. „Er manipuliert Vampire genauso wie Menschen. Er hat mich gefunden, als ich frisch verwandelt war, Shizuo.“, erzählte Tom und Shizuo verstummte. Was? „Es war fast so, als wüsste er, dass ich nun zu einem Vampir geworden bin. Er hat seine Augen überall. Ich glaube, er sucht sich so neue Verbündete. Er braucht Leute, die in seiner Schuld stehen, indem er sie aus ihrer Notlage befreit.“ „Was? Er hat dich gefunden? Was hat er dir angetan?“, fuhr Shizuo aus seiner Haut und spürte seine Wut in seinen Adern pochen. Das passte zu diesem schleimigen Bastard. Leuten aufzulauern, die Hilfe nötig hatten, um sie dann für immer in seinen Klauen zu haben. „Er…“ Tom wich seinem Blick aus und es dauerte etwas, bis er weiter sprach. „…Er hat mir neue Opfer gebracht, um meinen Blutdurst zu stillen…“ Shizuo verstummte. Er spürte, dass das Thema Tom sehr unangenehm war. Shizuo schluckte. Er wollte sich es gar nicht erst vorstellen, wie es sein musste, nach Blut zu dürsten. Shizuos innere Wut auf diesen Bastard wurde nur noch stärker und schwor sich, beim nächsten Mal keine Gnade walten zu lassen. „Halte dich von ihm fern.“, warnte Tom und riss Shizuo aus einen Gedanken. „Tom-san…selbst du wirst mich nicht davon abhalten können, ihm die Fresse zu polieren, sollte er mir in die Quere kommen. Ob er nun ein Mensch ist oder ein Vampir!“ „Du wirst dich wohl nie ändern, alter Kumpel.“, lachte Tom kurz, bevor er das Lachen aus seinem Gesicht verschwand. Shizuo wusste, dass Tom ihm nur helfen wollte. Shizuo ballte die Fäuste. Wenn er Izaya das nächste Mal sah… Oh ja, er konnte sich auf was gefasst machen! „Ich wette sogar, der Floh ist schuld daran, dass du ein Vampir bist! Er hat diese Frau bestimmt dazu angestiftet, dich zu verwandeln!“ Tom blickte ihn überrascht an, dann gab er einen langen Seufzer von sich. „Ehrlich gesagt, habe ich auch schon daran gedacht…aber ich kann es nun mal nicht beweisen. Und ich werde mein restliches Leben sicherlich nicht damit verschwenden Izaya Orihara zu verdächtigen.“ Shizuo sah Tom bitter lächeln. „Am besten ist es, wenn du dein Leben einfach so weiterlebst, wie bisher, Shizuo.“, sagte der Mann mit dem Rasterlocken und schien damit einen Schlussstrich zu ziehen, als er sich von der Couch erhob und zur Haustür ging. Doch irgendwie hatte Shizuo das Gefühl, dass diese Sache mit Izaya und der Bruderschaft noch längst nicht vorbei war. Immerhin sagte Muroko, dass er vermutlich der Einzige wäre, der Izaya umbringen könnte. Etwas, dass ihn beunruhigte. Schließlich wollte er zu keinem Mörder werden. „Bleibt nur noch das Problem mit Muroko und seiner kleinen Armee.“, grummelte Shizuo. „Dieser alte Schnösel lässt mich nicht einfach so gehen. Er behauptet, ich wäre der einzige, der Izaya Orihara umbringen kann.“ Tom stoppte an der Türklinke und blickte über seine Schulter zurück. „Wie bitte?“, sagte er, als hätte er nicht richtig gehört. „Genauso habe ich auch aus der Wäsche geguckt.“, entgegnete Shizuo, als er Toms verdutzten Blick sah. „Aber ich verstehe einfach nicht, wieso er das glaubt.“ Tom verengte für einen Moment die Augen. „Ich vermute mal, weil du sehr starke Körperkräfte hast, obwohl du kein Vampir bist. Vielleicht denkt er, dass du dadurch einem Vampir ebenbürtig bist?“ Shizuo schnaubte. „Wenn du mich fragst, hat Muroko eine Schraube locker!“ Tom seufzte. „Muroko Akaguchi hatte bestimmt seine Gründe. Du solltest auf der Hut sein.“ Shizuo nickte lediglich stumm, als er überlegte. Schließlich wusste er immer noch nicht wirklich, warum Muroko glaubte, er könnte Izaya umbringen. Nur weil sie sich abgrundtief hassten, seit sie sich kannten? Und weil er nebenbei auch noch körperlich stark war? War das wirklich alles…? „Tut mir leid, dass ich dir bei der Bruderschaft nicht wirklich helfen kann, Shizuo.“, sagte der Mann mit den Rasterlocken aufrichtig und Shizuo blickte auf. „Kein Vampir geht freiwillig in ihre Nähe oder gar ihre Geheimbasis. Es erfordert Mut, Stärke und einen guten Plan, wenn man dort wieder hinaus möchte. Ich kenne einige Vampire, die versucht haben dort einzubrechen und die Organisation von innen zu schwächen. Aber sie sind dort nie wieder heraus gekommen…“ Natürlich waren sie das nicht. So wie die Basis aufgebaut war, konnte kein Vampir je wieder entkommen. Das hatte Muroko ihm selbst erklärt. Die Basis war- Es klingelte plötzlich. Shizuo starrte mit geweiteten Augen zu Tom. Dieser erwiderte seinen fiebernden Blick. Nein. Das durfte nicht sein, wenn es jetzt schon- Shizuo schnappte aus seinen Gedanken, als Tom die Tür öffnen wollte, und Shizuo raste nach vorne und packte ihn an der Schulter. „Warte!“, zischte er, „Was wenn das Muroko ist?“ „Ist es nicht.“, sagte dieser mit einer Selbstverständlichkeit in seiner Stimme, dass Shizuo verblüfft blinzelte. Dann öffnete Tom die Tür. Vor ihnen stand Akira, ein Vampir, der zu Toms Clan gehörte. Shizuo ließ seine Luft in einem Schwall raus. Wenn Muroko es tatsächlich gewesen wäre…er wollte sich nicht vorstellen, was dann passiert wäre. Er wollte nicht, dass Tom wegen ihm getötet wurde… Akira blickte ihnen skeptisch entgegen und schien prüfen zu wollen, ob mit Tom alles in Ordnung war. Denn sein Blick glitt misstrauisch über Shizuos Gestalt, bevor er unterwürfig zu Tom blickte. „Ich rieche sie bereits. Sie sind unterwegs.“, sagte der Neuankömmling während Tom ein paar Schritte nach draußen ging und in der Luft unauffällig schnüffelte. „Du hast Recht. Wir gehen besser.“, erwiderte Tom bestätigend. „Muroko…?“, fragte Shizuo und hatte keine Lust darauf diesen alten Schnösel so schnell wieder zu sehen. „Rekruten. Muroko bewegt sich selten in der Öffentlichkeit.“, antwortete ihm Akira und schien eine ungeduldige Andeutung mit seinem Kopf zu machen, von hier zu verschwinden. Tom hob die Hand. „Einen Moment noch, Akira-kun.“ Sein Chef wandte sich um und fischte in seiner Hosentasche herum, bis er ein kleines, graues Objekt hervor holte. „Hier, hätte es fast vergessen.“ Tom reichte ihm ein altes Handy, das aussah, als ob es einen kleinen Krieg überlebt hatte. „Einige Tasten funktionieren zwar nur widerwillig, aber es sollte seinen Job erfüllen.“ Shizuos Gesicht hellte sich auf. „Ich habe dir eine neue Nummer besorgt, die SIM ist bereits aktiviert. Als ein kleines Dankeschön, dass du mich rechtzeitig gewarnt hast. Auch wenn ich dir viel mehr schuldig bin, als dieses kleine Ding.“ Shizuo blickte glücklich zu ihm auf. „Danke Tom-san! Das ist mehr als genug!“, sagte er und tippte probeweise auf den Tasten herum. Das Modell schien wirklich alt zu sein, jedoch eines der Unzerstörbaren. Tom lachte. „Behandle es gut. Es ist mein Baby.“, zwinkerte sein Chef. „Ich werde es immer bei mir tragen.“, gab Shizuo schnaubend von sich, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. Tom lachte erneut und Akira räusperte sich laut. „Beeilen wir uns.“ Er und Tom nickten sich zu. Shizuo war ihm mehr als dankbar und umso besser war es, wenn er nicht von Muroko erwischt wurde. Dann wandte sich Tom um und verschwand in die nächste Seitenstraße. Der blonde Mann blickte ihnen hinterher, bis er nichts mehr von ihnen sah. Shizuo nahm sich vor, seine wichtigsten Nummern in seinem neuen Handy einzuspeichern. Es dauerte eine Weile, bis er in seinem Nachtschrank einen vergilbten Zettel fand, wo handschriftlich einige Nummern geschrieben waren. Celty. Kasuka. Shinra… Einige andere Nummern waren auch noch aufgelistet, darunter der Festnetzanschluss seiner Eltern. Er begann die Nummern einzuspeichern und fluchte etwas, da seine Finger zu groß für die kleinen Tasten waren. Als er gerade Shinras Nummer eingespeichert hatte (und froh war, wenigstens etwas geschafft zu haben) wurde er plötzlich angerufen. Das alte Handy vibrierte so stark, als ob es ein Erdbeben auslösen wollte. Irritiert darüber, wer ihn denn bitte anrufen konnte wo er das Handy doch gerade eben erst bekommen hatte, starrte Shizuo misstrauisch auf das Display. Anonym. Er ließ es klingeln und legte es auf den Tisch. Statt abzunehmen sah er auf die Uhr in seinem Schlafzimmer. 1 8 : 3 6 Er hatte noch etwas Zeit, sich frisch zu machen, bevor die Bruderschaft bei ihm aufkreuzen würde. Shizuos inzwischen genervter Blick fuhr zischend zurück zu dem Handy, das munter weiter auf dem Holztisch vibrierte. Der Klingelton schien zwar abgeschaltet zu sein, doch die Vibration hingegen nicht. Oder waren alle alten Handy Modelle etwa so laut? Ein Scheppern riss ihn zurück und Shizuo stellte fluchend fest, dass das Handy inzwischen auf dem Boden gelandet war. Der Anrufer war hartnäckig. Sehr hartnäckig. Und Shizuos Geduldsfaden riss bereits zehn Sekunden später. Er fluchte, bevor er sich das alte Mobiltelefon schnappte und auf den roten Hörer drückte. Als es endlich verstummte, seufzte Shizuo. Wer zum Teufel konnte das bloß gewesen sein? Shizuo legte das Handy zurück auf den Tisch, doch genau dann ging das ganze Theater von vorne los. Dieses Mal langte er wütend nach dem Telefon und musste sich zusammenreißen, es nicht in seiner Hand zu zerquetschen. „Ja?“, knurrte er. „Ah, Shizu-chan! Du lebst ja doch noch! Ich hatte gedacht, Muroko hat dich irgendwo eingesperrt.“ „Izaya…!“ Shizuo spuckte den Namen beinahe aus. „Woher zum Teufel hast du diese Nummer?“ Shizuo fühlte sich so wütend, er wollte am liebsten seinen Tisch kleinschlagen. Er hatte das Handy doch gerade erst von Tom bekommen! Außerdem war das Handy ein sehr altes Modell. Shizuo war sich sicher dass man es nicht hacken konnte. Also wie…? „Tom war so frei, mir deine neue Nummer zu verraten.“, säuselte Izaya in seiner neckischen Stimme und beinahe zerdrückte Shizuo das Handy in seiner Hand. „Tom…?!“ Das konnte doch nicht wirklich wahr sein. Aber es war die einzige Verbindung… „Aber das ist nun unwichtig, Shizu-chan. Wir müssen uns unterhalten.“, sagte Izaya am anderen Ende der Leitung und in seinem Ton lag eine gewisse Dominanz, die Shizuo aufhorchen ließ. „Ja, allerdings, du Bastard!“ „Schön. Ich werde gleich vorbei kommen.“ Für einen Moment völlig verdutzt, wusste Shizuo nicht, was er sagen sollte und rang mit seinen Worten. „Du…du kannst nicht…Sie-“ Shizuo stoppte. Die Bruderschaft würde bald auftauchen und wenn sie Izaya sähen dann…Moment. Das wäre ja eigentlich nur zu seinem Vorteil. Sie würden sich ihn schnappen! Schließlich hat doch Muroko immer davon gesprochen, ihn umbringen zu wollen. Das konnten sie nun schön selbst erledigen. Ein amüsiertes Lachen riss ihn aus seinen Gedanken. „Wieso denn nicht, Shizu-chan? Angst, dass ich…beiße?“ Izayas Stimme war schmeichelhaft geworden. Ein Knurren antwortete ihm. Shizuo hörte wohl nicht recht. Für schlechte Witze hatte er kein Ohr offen und erst Recht nicht von dem Floh. „Halt deine verdammte Klappe! Dann komm her, wenn du dich traust. Ich bin bereit, dein Gesicht in die Wand zu schlagen, du Bastard!“, rief Shizuo wütend, bevor er einfach auflegte. Dann fiel ihm ein, dass er nicht wusste, wann genau der Parasit bei ihm vorbei kommen würde.   ☥   Izaya gab ein Lachen von sich als er hinunter auf sein schwarzes Smartphone starrte. Das würde interessant werden. Er packte das Handy in seine Tasche zurück, bevor er sich eilig die Schlüssel schnappte und sich beim Hinausgehen mit ein paar kurzen Worten von Nami verabschiedete. „Gehst du jagen?“ Izaya stoppte. Er hatte die Klinke in der Hand, als er sich halb zu seiner Sekretärin umdrehte. „Nicht so ganz, Nami-san. Ich muss Vorkehrungen treffen, damit unsere Existenz nicht gefährdet ist.“ „Vorkehrungen…?“, gab sie schnaubend von sich. Doch Izaya hatte keine Lust und auch keine Zeit sich weiter mit Nami zu unterhalten, weswegen er sich umwandte und die Tür hinter sich schloss. Die unruhige Welt auf den Straßen Tokyos begrüßte ihn, indem hektische Menschen und Vampire ihm entgegen kamen. Er ging ein paar Schritte um die Ecke und aus der Ferne sah er den schwarzen, unauffälligen Lexus bereit stehen. Izaya setzte ein Grinsen auf, schlenderte gut gelaunt auf den Wagen zu und öffnete die hintere Tür. „Guten Abend, Shiki-san~ Wir haben uns eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen, nicht wahr?“, zwitscherte Izaya mit seiner gefakten Stimme los, als er die Tür hinter sich zuknallte. Er befand sich in einer ziemlich geräumigen Limousine, die eindeutig zu viel Platz für zwei Personen bot. „Guten Abend, Informant-san.“, kam es höflich, aber bestimmend kalt von seinem Gegenüber und Izaya grinste ihn an. Shiki Haruya war ein schon etwas älterer Herr, der genau wusste, was er wollte. Seine kurzen schwarzen Haare und seine glatte, blasse Haut ließen ihn jünger aussehen, als er eigentlich war. Man konnte nur ein paar kleinere Falten in seinem Gesicht entdecken – die ihn wohl für Außenstehende auf knapp vierzig Jahre aussehen ließen – aber Izaya wusste sein wahres Alter. Er war sein längster Kontakt, als Vampir. Selbst sein Vater hatte bereits mit Shiki zusammen gearbeitet. Und heute sah der alte Vampir noch verspannter aus als sonst, als er Izaya mit seinen dunklen Augen herausfordernd anstierte. Von Shiki ging eine unangenehme Aura aus, die jeden anderen Menschen vorsichtig hätte lassen werden, doch Izaya zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Wozu wolltest du mich treffen? Ich bin mitten in einem wichtigen Auftrag.“, kam es kühl von Shiki und Izaya musste lachen. So wichtig seine anderen Klienten auch sein mochten, Izayas Auftrag war wichtiger. „Ach tatsächlich? Und doch sitzen wir hier. Du hast mich also vermisst~“, säuselte der Informant und wedelte mit seinen Händen in der Luft. Izaya blinzelte vergnügt zu Shiki herüber und konnte beobachten, wie der andere seine Augen bedrohlich verengte. Izayas Grinsen vertiefte sich. Shiki hatte eine sehr praktische Fähigkeit, die ihm in so manchen Situationen bereits das Leben gerettet hatte: Er konnte mit seinen scharfen Augen jede Lüge erkennen, sobald er denjenigen nur ansah. Natürlich wusste Izaya, dass der alte Vampir ihn nicht vermisst hatte, im Gegenteil. Ihre Meinungen hatten sich schon viel zu oft gespalten. Zu oft, als dass sie sich wirklich mögen würden. Als berüchtigter Mafia-Boss im Untergrund musste Shiki vorsichtig agieren und Izaya wusste das ganz genau. Aber er ließ den anderen zu gerne seine Haut riskieren, auch wenn Shiki viel zu oft seine eigenen Leute losschickte, als selbst zu handeln. „Du weißt genau, warum ich nun hier sitze, Informant-san. Nun informiere mich.“ „So stressig kann es doch nun wirklich nicht sein, Shiki-san. Ich bitte dich!“, säuselte Izaya theatralisch, doch bekam als Antwort nur einen kühlen Blick. Daraufhin verschwand das Grinsen schlagartig aus Izayas Gesicht. Dann beugte er sich zu dem anderen herüber und brach in seine persönliche Distanz-Zone ein. Shiki unterdrückte den Drang, zurückzuweichen. „Shiki-san…“ Sein Name kam leise und bedrohlich von dem Informanten, während ihre Gesichter kaum einen Zentimeter voneinander entfernt waren. „Ich bin extra persönlich hergekommen, um dadurch die Wichtigkeit meines Auftrages zu unterstreichen…“ Shiki sah zwar äußerlich nicht wirklich beeindruckt aus, aber Izaya spürte, wie der andere nervös wurde. Und der alte Mann wusste, dass es keine Lüge war. „Ich erwarte, dass mein Auftrag vorgeht. Egal, welche anderen „wichtigen“ Aufträge du gerade angenommen hast.“ Shikis Gesichtsausdruck blieb unverändert. „Du verlangst eine Menge, Orihara-san.“ Der Informant wich zurück und ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Doch die unheimliche Aura war nicht von ihm gewichen. Stattdessen schien selbst der Fahrer vorne zu spüren, dass etwas nicht in Ordnung war. Alle paar Sekunden glitt dessen Blick in den Rückblickspiegel. „Ich verlange es, weil es nötig ist.“ Shiki verengte darauf nur seine Augen und schien in dem Gesicht des anderen nach Informationen zu suchen. Für einen Moment starrten sie sich nur gegenseitig an, bis der Informant sich plötzlich an seine Kehle packte und schwer atmete. Izayas Augen weiteten sich. Mist! Der Durst brannte plötzlich wie verrückt in seiner Kehle; kletterte seinen Rachen hinauf, so als ob es nun satt hatte, auf das richtige Blut zu warten. Izaya zischte. Nicht jetzt! „Durst?“ Dem alten Vampir konnte er natürlich nichts vormachen. Izaya beeilte sich ein Grinsen aufzusetzen. „Nein. Es…“ Izaya endete und musste feststellen, dass der Brand in seiner Kehle von Sekunde zu Sekunde immer schlimmer wurde und dass ihm selbst das Reden schwer fiel. „Das ist eine Lüge, Informant-san.“, kam es aalglatt von Shiki und er blickte kurz zu seinem Fahrer nach vorne. „Soll Fujima-kun dir jemanden-“ „Nein!“ Izaya würgte das Wort fast hervor. Shiki entschied daraufhin still zu bleiben und ihn zu beobachten. Izaya zwang währenddessen sich selbst zur Vernunft, auch wenn ihm das heute schwerer fiel, als je zuvor. Er richtet seinen Körper wieder empor und nahm die Hand von seiner Kehle. Es vergingen einige sich langziehende Sekunden, bevor der Mafia-Boss sich wieder zu Wort meldete. „Es ist also wirklich ernst…“ Izaya quetschte ein Lachen hervor. „Kümmere dich um meinen Auftrag. So schnell du deine Männer bereit hast. Verstanden?“ Shikis Aura wurde wieder stärker. „Ich lasse mich nicht von dir herum kommandieren, Orihara-san. Meine Männer werden ihren jetzigen Auftrag zu Ende führen. Dann kommt dein Auftrag.“ „Ach ja…?“, fragte der Informant zuckersüß, „dann muss ich wohl erst wieder meine Nase in deine Geschäfte stecken, damit mein Auftrag plötzlich Vorrang hat?“ Izaya blickte den anderen eindringlich an und er konnte sein Grinsen aufgrund des Brandes in seiner Kehle kaum aufrechterhalten. Shiki stammte ebenfalls von einer reinblütigen Familie ab, jedoch über weite Ecken der Verwandtschaft. Das Blut reichte gerade mal für eine kleine Fähigkeit, Lügen zu erkennen, doch manchmal, so wie gerade jetzt, konnte Izaya diese Macht in dem alten Vampir brodeln spüren. Sein Zorn auf ihn war enorm, doch Izaya konnte sich momentan nicht daran vergnügen. „Verschwinde aus meinem Wagen, Orihara.“ Izaya wusste, dass er seinen Auftrag erledigen würde. Und momentan wollte er nichts weiter, als aus dieser Enge hinaus, weshalb er die Tür öffnete und sie hinter sich zuknallte. Daraufhin fuhr die schwarze Limousine ohne weitere Umstände aus der Parklücke und hinterließ dabei einen dürstenden Informanten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)