Red Silver von minowari (Vampire AU) ================================================================================ Kapitel 8: Oddity ----------------- Am nächsten Morgen wurde Shizuo unfreiwillig geweckt. Dumpfe Geräusche, die wie Schuhe auf Teppichboden klangen, kamen durch die Tür an seine Ohren. Schlagartig öffnete er seine Augen und binnen Sekunden saß er kerzengerade im Bett. Er hatte die Nacht kaum ein Auge zugetan. Andauernd hatte er an die gestrigen Ereignisse denken müssen… Izaya in der Gasse. Sein Hals hatte plötzlich gepocht wie verrückt und selbst der Floh, hatte ihn angestarrt, als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen. Und dann – Shizuo wusste nicht einmal mehr wie genau es dazu gekommen war – stand der Floh wieder vor ihm, wie in dieser einen Nacht. So etwas wie Angst hatte er empfunden, und dass vor diesem schleimigen Bastard. Das konnte unmöglich sein. Wieso? Hatten seine Instinkte gespürt, dass Izaya wahrhaftig ein Vampir war? Ein gefährlicher dazu? Shizuo konnte es nicht sagen. Er war nur heilfroh gewesen, dass der Floh anscheinend abgehauen war. Weg von ihm. Und Shizuo war erleichtert gewesen. Denn er wollte einfach nur in seine Wohnung zurückkehren, sich ins Bett legen und alles vergessen. Zum Glück hatte er seinen Ersatzschlüssel der Nachbarin gegeben, ansonsten wäre er gestern Abend nicht mal in seine eigene Wohnung gekommen, ohne einzubrechen. Die Geräusche vor seiner Tür wurden lauter und Shizuos Augenbraue zuckte genervt. Doch was auch immer es nun für Geräusche waren – es konnte nichts Gutes bedeuten. Shizuo verengte misstrauisch die Augen, rappelte sich auf und trat zur Schlafzimmertür. War es etwa der Floh, der in seine Wohnung eingebrochen war? Um zu beenden, was er gestern begonnen hatte? Nein, nein, er würde nicht- Oder war es vielleicht Tom? Hatte er etwa verschlafen? Nein, es war noch zu früh, wie sein Digitaler Wecker ihm verriet. Aber wer… Shizuos Blick verdunkelte sich, als er realisierte. Dieser Schnösel… Als er schließlich die Tür öffnete, blieb er dennoch verdutzt stehen. Muroko und einige seiner folgsamen Rekruten hatten es sich in seinem Wohnzimmer gemütlich gemacht, als wären sie hier Zuhause. Der alte Mann saß auf seiner einzigen Couch – ein 2-Sitzer – und hatte die Beine übereinander geschlagen. Heute trug er einen beigen Anzug mit passender Fedora und so langsam fragte sich Shizuo, wie viele Farben an Anzügen er insgesamt im Kleiderschrank hatte… „Guten Morgen, Heiwajima-san…“, begann Muroko sogleich, als er den Kopf hob und ihn anblickte. „Was machen Sie in meiner Wohnung? Verschwinden Sie!“, knurrte Shizuo und trat bereits ungeduldig zu dem erstbesten Rekruten, um ihn am Kragen zu packen. Der fremde Mann war darauf nicht vorbereitet und wurde ruckartig in die Luft gehoben. Mit geweiteten Augen begann der Rekrut an Shizuos Hand zu kratzen, doch Shizuo ignorierte seinen erbärmlichen Befreiungsversuch und drückte ihn wild gegen die Wand. „Verschwindet!“, knurrte Shizuo und ließ den zu Tode verängstigen Mann los, sodass sein Körper auf den Boden schlitterte und er keuchend liegen blieb. „Verschwindet verdammt nochmal aus meiner Wohnung!“ Wild wandte Shizuo den Kopf und wollte sich den nächsten packen, doch der wich ihm geschickt aus und Shizuo bekam nur das Bücherregal in die Finger. „Das war gestern nicht gerade ein erfolgreicher Einsatz, finden Sie nicht auch, Heiwajima-san?“, kam es von Muroko, den es anscheinend nicht scherte, was mit seinem Rekruten passiert war. Der alte Mann richtete sich auf und durchbohrte ihn mit verengten Augen. „Für mich war es ein Erfolg!“, rief Shizuo wütend aus. „Ich hätte wissen müssen, dass Sie noch nicht bereit sind…“, sagte Muroko mit enttäuschter Stimme und richtete sich auf. „Bereit? Sind Sie noch ganz bei Verstand, alter Mann? Ich bringe nicht meinen besten Freund um, kapiert?!“ Der blonde Mann knurrte wütend, als er sich Muroko zuwandte. Der alte Mann hingegen zuckte nicht einmal mit der Wimper, als sich Shizuo drohend vor ihm aufbaute. „Es war ein Test, den Sie nicht bestanden haben, Heiwajima-san.“, begann der alte Mann und schob sich seine Fedora tiefer ins Gesicht. „Morgen Abend werden wir Sie zur Ihrer nächsten Mission abholen. Seien Sie gegen 19 Uhr bereit. Sollten Sie diese erneut vermasseln, fühlen wir uns gezwungen gewisse Maßnahmen zu ergreifen.“ Shizuos Gesicht verdunkelte sich, als seine Wut wütend durch alle Adern pochte. Gewisse Maßnahmen? Dass er nicht lachte. Außerdem, wer war bitte in seiner Wohnung eingedrungen ohne seine Erlaubnis? Richtig. Der alte Schnösel! „Verschwinden Sie aus meiner Wohnung. Sofort.“ Zum ersten Mal sah Shizuo den alten Mann fies grinsen – zumindest hob sich sein linker Mundwinkel in einer seltsamen Weise nach oben. „Wissen Sie, Heiwajima-san…“, begann er unheilvoll, „Ich war ziemlich nachgiebig was Sie betrifft. Eigentlich wollte ich Ihnen heute sogar einen Teil Ihres Hab und Gut zurückgeben. Aber…“ Muroko ließ den Satz unbeendet und fischte aus seiner Jacketttasche Shizuos Schlüssel, Zigaretten und sein blaues Handy hervor. Murokos lasches Grinsen vertiefte sich. Shizuo knurrte. „Aber was? Bin ich nicht so, wie Sie es sich erhofft haben? Bin ich nicht zu ihrem perfekten Vampirjäger geworden, wie sie immer zu Saigo geflüstert haben? Ja, ich habe gemerkt, was sie ihm die letzten Tage immer gesagt haben! Sie glauben, ich hätte das Zeug dazu, aber das habe ich nicht! Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich niemanden töten werde! Auch keinen Vampir!“ Murokos Blick wurde dunkel, als er innerhalb einigen Sekunden vor ihm stand und sich anscheinend mit seiner eigenen Wut zügeln musste. Murokos Hand mit seinem Gehstock zitterte und Shizuo war sich sicher, dass er als einer der einzigen wirklich wusste, was in diesem Stock verborgen war… Shizuo erwiderte den scharfen Blick. „Sie werden es bald verstehen und glauben Sie mir: Sie werden Vampiren töten.“ Es war schon beinahe lachhaft, wie überzeugt Muroko war. „Wir werden Sie heute Abend abholen. Halten Sie sich bereit, Heiwajima-san.“ Das war sein letztes Wort, bevor der alte Mann seinen Gehstock schwungvoll unter den Arm nahm und Richtung Haustür trat. Dabei verstaute er Shizuos Hab und Gut zurück in sein Jackett und beinahe wollte Shizuo dem anderen hinterher rennen. Doch er zügelte sich und ballte stattdessen die Fäuste. Er hatte immerhin seinen Ersatzschlüssel, die Zigaretten konnte er nachkaufen, und sein Handy…nun ja, eigentlich hatte er es nur gebraucht um ab und zu mit seinem Bruder, Tom oder Celty zu kommunizieren. Dennoch entwickelte er einen extremen Hass gegenüber Muroko. Mit Skepsis in den Augen beobachtete der blonde Mann, wie der alte Mann und seine Rekruten hinausgingen. Erst als die Tür hinter ihnen zufiel und keiner mehr in seiner Wohnung war, atmete er tief aus. Was zur Hölle wollten Sie in seiner Wohnung? Und warum hatte er die ganzen Rekruten mitgenommen? Shizuo sah sich in seinem Wohnzimmer um. Es fiel ihm nichts Ungewöhnliches auf. Auch nicht, als er fast jeden Gegenstand angestarrt hatte. Alles stand an seinem ordnungsgemäßen Platz. Kopfschüttelnd wandte er sich ab und ging Richtung Kühlschrank. Während Shizuo grummelnd sein Frühstück vorbereitete, flogen seine Gedanken zurück an gestern Abend. Viel zu viel war passiert und hätte er Tom nicht gewarnt, wüsste er nicht, ob er heute überhaupt noch leben sollte. Aber um den ganzen Abend dann noch zu toppen musste er auf diese Pest treffen! Als Shizuo erneut an ihn dachte, verkrampfte sich seine Hand um den Löffel und beinahe hätte er Uri Geller Konkurrenz gemacht. Was war das bloß gewesen, verdammt? Als er Izaya gesehen hatte, fing sein Hals ganz plötzlich an zu schmerzen. So, als ob selbst sein Körper sich an die unangenehmen Dinge erinnerte. Der Floh hatte es nun sogar selbst zugegeben, dass er ihn unfreiwillig gebissen hatte. Und… Und was war mit diesem…diesem elektrischen Schock? Shizuo wusste nicht, wie er es in Gedanken anders formulieren sollte. Als er Izaya an seinem Mantel gepackt hatte, kam dieses seltsame Gefühl und so wie Izaya ihn angesehen hatte, musste er es auch gespürt haben. Der Floh war beinahe weg gesprungen, so als ob ihm der Schock Schmerzen bereitet hatte… Gerade als Shizuo frisch geduscht und sein eher hageres Frühstück verputzt hatte, klingelte es an der Tür. Noch misstrauisch, dass Muroko zurück sein könnte, ging Shizuo grummelnd zur Tür, doch als er öffnete begegnete er Toms Gesicht. „Guten Morgen, Shizu- oh, du bist ja noch in deiner Unterwäsche.“, sagte Tom sichtlich überrascht und blickte daraufhin auf seine Armbanduhr. „Es ist doch schon gleich zehn Uhr.“ Etwas peinlich berührt kratzte sich Shizuo am Kopf, bevor er ihm in kurzen Worten erklärte, was passiert war. „Ich hab dir doch gesagt, sie werden dich finden, Shizuo.“ „Ja, aber ich hatte nicht gedacht, dass sie einfach so in meine Wohnung platzen und irgendwas anstellen, während ich schlafe!“ Tom lachte bitter. „Du gehörst nun zu ihnen. Für die Bruderschaft bist du nicht mehr als ihr Eigentum. So wie du es mir erzählt hast, scheint Muroko Akaguchi ein besonderes Auge auf dich geworfen zu haben. Vermutlich hat er von den Gerüchten über dich gehört.“ Pah, Eigentum. Die spinnen wohl! Shizuo gab ein Knurren von sich, während er sich umwandte und zurück in seine Wohnung ging. Tom folgte ihm, schloss die Haustür und lehnte sich gegen die Küchenzeile. „Sie werden mich nicht auf ewig zwingen können, für sie zu arbeiten!“, rief Shizuo aus seinem Schlafzimmer und zog sich eines seiner Bartender Outfits an, das er von seinem Bruder geschenkt bekommen hatte. Endlich wieder seine eigenen Klamotten. Herrlich! „So wie ich dich kenne, wirst du schon deinen Weg hinaus finden, alter Freund.“, antwortete Tom gedämpft durch die Wände und Shizuo grinste. Dann schmiss er ohne groß darauf zu achten die dunklen „Tarn-Klamotten“ der Bruderschaft in die Ecke, bevor er sich seinen Ersatzschlüssel schnappte und etwas Geld aus seiner Schublade nahm. „Tom-san, hast du ein altes Handy, welches du mir vorrübergehend leihen kannst?“, fragte Shizuo. Der Mann mit den Rasterlocken runzelte die Stirn, doch verstand. „Kann gut sein. Ich schau heute Abend mal nach.“ Innerlich seufzte Shizuo. Tom war seine Rettung. „Danke, Tom-san.“ Sein Chef seufzte nur und blickte ihn an. Shizuo bemerkte, dass seine Augen nicht mehr dunkelrot leuchteten oder sonst irgendwie seltsam aussahen. Er sah so aus wie immer. „Kannst du mir einige Fragen beantworten?“, kam es völlig unüberlegt aus Shizuos Mund und Tom blinzelte überrascht. „Kommt drauf an, welche Fragen.“, antwortete Tom. „Wie machst du das mit…ich meine…ist das nicht gefährlich, wenn…“ Shizuo konnte seinem besten Freund nicht in die Augen sehen, als er vor sich hin stotterte. Also wirklich, was war mit ihm los? Hatte er tatsächlich etwa Angst, weil er wusste, dass der andere ein Vampir war? „Raus damit, Shizuo.“ Der blonde Mann räusperte sich. „Verlieren…Vampire…nicht ab und zu die Beherrschung, wenn sie um Menschen sind?“ „Nein. Entweder sie können ihren Durst in der Öffentlichkeit kontrollieren oder sie werden eliminiert.“ Shizuo stockte der Atem bei dieser knappen Antwort. Eliminiert? Von wem? Wieso? „Wer…wer eliminiert denn-“ „Und da muss ich schon die Grenze ziehen, Shizuo.“, sagte Tom grinsend und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Komm, wir haben eine Menge Arbeit vor uns.“ Shizuo blinzelte verdutzt, doch folgte schließlich seinem Chef nach draußen. Während sie ihrer täglichen Arbeit nachgingen und mehrere Schuldner ausquetschten, beobachtete er seinen Chef. Doch Tom war wie immer. Er benahm sich wie immer. Hatte dasselbe Lächeln, dieselbe Gestik, denselben Tabakgeruch und dieselbe Art, die einfach Tom Tanaka ausmachte. Shizuo konnte nicht glauben, dass er ein Vampir war. Tom erlaubte ihm sogar zu zwei Wohnungen alleine zu gehen, weil er ein paar Gespräche führen musste. Und das bestärkte nur noch mehr, dass Tom ihm mehr als zuvor vertraute. Und was machte er? Achtete auf Anzeichen seines Vampir-sein! Shizuo verzog das Gesicht, als er gerade einem unverschämten Schuldner gegen das Schienbein trat. Er sollte besser einfach sein Leben weiterleben, wie bislang. Genau! Es wäre das Beste, wenn er einfach so tat, als würde er die Bruderschaft nicht kennen. Als wüsste er nicht, dass es Vampire gab. Als wäre er nie vier Tage lang eingesperrt gewesen. Als wäre er nie von Izaya Orihara gebissen worden.   ☥   Der beliebte TV-Star lächelte sanft, wenn auch nur Undercover und nicht zu seinen kreischenden Fans. Kasuka Heiwajima – oder auch unter seinem Decknamen bekannt als Hanejima – blickte zu seiner Freundin Ruri Hijiribe, die sich schmeichelnd bei ihm untergehakt hatte. Beide hatten sich verkleidet und sahen nicht mehr nach den beliebten Stars aus, die sie eigentlich waren. Aber Izaya konnte sie erkennen - hauptsächlich an ihrem Geruch. Sie zu finden war ebenfalls kein Akt gewesen. Das Pärchen war gerade aus einem exklusiveren Restaurant getreten, wo sie öfters zu Abend aßen. Kasuka hatte – ähnlich wie Ruri Hijiribe auch - einen strikten Zeitplan, doch sie fanden immer Zeit füreinander. Izaya musste sich ein Lachen verkneifen. Frisch verliebt. Aber heute Abend musste er die beiden Turteltäubchen trennen, was am Einfachsten funktionierte, wenn man die richtigen Kontakte hatte. Izayas Grinsen vertiefte sich. Der Vampir befand sich auf dem Vordach des Restaurants und beobachtete, wie das Pärchen ein paar Schritte ging und plötzlich anhielt. Der Geruch war durch den Wind und durch andere Gerüche übertönt, doch Kasukas Eigengeruch war fast schon penetrant. Schon seit Stunden brannte in seiner Kehle stetig der Durst, der von Minute zu Minute schlimmer wurde. Selbst Namie hatte ihn schief angesehen, als er nach seinem Treffen mit Oshiro wieder zurück war. Sie hatte das Blut der Kellnerin an ihm riechen können, doch genauso spürte sie, dass er immer noch durstig war. Und das konnte man ihm vermutlich sogar ansehen. Izaya verzog das Gesicht, bevor er sich wieder auf das Geschehen unter ihm konzentrierte. Punkt 22 Uhr klingelte plötzlich Kasukas Handy und verwundert starrte Shizuos Bruder auf sein Mobiltelefon. Dank seinem guten Hörsinn konnte Izaya das Gespräch in Ruhe mitverfolgen. Kasuka ließ es extra ein paar Mal klingeln, tauschte ein paar misstrauische Blicke mit seiner Freundin, bevor er abnahm. „Ja?“, sagte er. Die andere Stimme im Telefon war leise und schnell am Sprechen. Doch Izaya erkannte den Herrn an seiner Tonlage. Das Gespräch dauerte etwa eine Minute, ehe Kasuka auflegte. „Was ist los?“, fragte Ruri. „Es gibt wohl einen Fehler in dem Script. Sie sind sehr aufgeregt und wollen, dass ich unverzüglich ins Studio gehe, da die Deadline näher rückt.“ „Und das kann nicht bis morgen früh warten?“, fragte Ruri und ihre Stimme wirkte unzufrieden. „Anscheinend nicht. Sie wollen mich gleich treffen und einige Szenen nachholen.“ „So ein Unsinn…“, murrte Ruri unzufrieden. „Du kennst sie ja, Ruri-chan. Wenn ich nicht gleich aufkreuze, werfen sie uns nachts aus dem Bett. Du brauchst deinen Schlaf. Du hast morgen einen Auftritt.“, antwortete er. Kasukas sonst so monotone Stimme wirkte genervt. Ruris grimmiger Ausdruck wich, und dann seufzte sie. „Okay. Macht nicht zu lange.“ Kasuka antwortete nicht, sondern beugte sich zu ihr herunter, um ihr einen Kuss zu geben. Dann, als wären das Abschiedsworte genug, trennten sich ihre Wege. Sie liefen in entgegengesetzte Richtungen davon, wobei Ruri in das nächstgelegene Taxi stieg. Kasuka wandte sich um, blieb stehen und beobachtete, wie das Taxi davon fuhr. Erst, als der Wagen an einer Ampel abbog, wandte der Schauspieler sich ab. Izaya richtete sich auf, zog die Kapuze über den Kopf und machte sich auf dem Weg. Immerhin musste er vor Kasuka an seinem Ziel ankommen. Der Plan war perfekt aufgesetzt. Izaya hatte überall seine Leute, deshalb war es ein Leichtes seinen Mann in Kasukas Team einzuschleusen. Es war selten, dass er mit Kasuka in Kontakt trat, aber nun musste es sein. Er brauchte dringend Klärung. Klärung ob Kasukas Blut ebenfalls so…lecker schmeckte, wie Shizuos. Selbst als Izaya nur daran dachte, verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse. Wie konnte er auch nur daran denken, dass Shizuos Blut lecker war? Es war ihm ein Graus, und vor Wut auf sich selbst, legte er einen Zahn zu. Binnen fünfzehn Minuten war er am besagten Ort angekommen. Das Studio in Ikebukuro, das Kasuka zurzeit wegen seinem neusten Filmprojekt besuchte. Izaya legte ein vergnügtes Grinsen auf, als er Ginjo am Eingang erkannte. „Ginjo-kun! Wunderbar, dich zu sehen. Ist alles vorbereitet?“, fragte Izaya, als er an dem anderen vorbei und in das offene Studio hinein ging. Die Lichter waren an und hier und da hörte man Gemurmel. Vermutlich verursacht von CD-Rekordern, denn Izaya konnte niemand anderen in der Halle riechen, als Ginjo. „Warum noch so spät, verdammt? Du weißt genau, dass ich meinen Schlaf brauche…“, grummelte der Mann genervt und Izaya blickte ihn grinsend an. Mal abgesehen davon, dass Ginjo schon seit Jahren ein Vampir war, schien er sich nicht daran gewöhnt zu haben, weniger Schlaf zu brauchen, als Menschen. Er fuhr sich gerade unwirsch durch seine schokoladenbraunen Haare, die wild zu allen Seiten abstanden. Die Bartstoppeln im Gesicht verrieten, dass er sich nicht die Mühe gemacht hatte, sich zu rasieren. Er trug zwar einen braunen Anzug, jedoch schien dieser auch mal bessere Tage gesehen zu haben. Für einen Obdachlosen sah er doch ziemlich anständig aus. „Ach, nun stell dich nicht so an, Ginjo-kun!“, säuselte Izaya und schob den Mann in das nächste Bürogebäude hinein, wo Kasuka mit Sicherheit in ein paar Minuten aufkreuzen würde. „Du musst ihn nur empfangen und ziemlich theatralisch spielen. Ich weiß, du kannst das.“, erklärte Izaya beschwichtigend und überlegte sich bereits, wie er am besten mit Kasuka umgehen sollte. Ginjo gab nur ein Grummeln von sich. Izaya brauchte seine Fähigkeit, um einen gewissen Moment zu erzeugen. Ginjo konnte nämlich kurzzeitig das Aussehen anderer Personen anzunehmen. Auch wenn sein Schauspiel-Talent noch ein wenig gefeilt werden musste. Doch um sich noch großartig vorzubereiten, reichte die Zeit leider nicht aus. Izaya spitzte die Ohren, als er draußen Kasukas Stimme hören konnte. Izaya warf Ginjo lediglich einen Blick zu, und der andere Vampir setzte sich in Bewegung. Es dauerte nicht lange, da hörte Izaya, wie Ginjo die Tür öffnete und Kasuka mit derselben quiekeligen Stimme hinein bat, wie vorhin beim Telefonat. Izayas Nasenflügel begannen zu beben, als er riechen konnte, dass ein Mensch das Studio betrat. Innerlich musste er sich sammeln und kurz einatmen, bevor er ein gefaktes Lächeln aufsetzte. Der Durst war nun so schlimm, dass er sich kaum noch am Riemen reißen konnte. Kasukas Geruch war betäubend und erfüllte langsam den gesamten Raum, als der Filmstar schlussendlich die kleine Halle betrat, in der Izaya es sich auf dem Regisseur-Stuhl bequem gemacht hatte. Es war Izaya in seinen paar Treffen mit Kasuka bislang nie aufgefallen, doch nun wo er vor Hunger beinahe umkippte, waren seine Sinne viel schärfer. Kasukas Geruch war wie ein Festmahl. Izaya hielt den Atem an. Als Kasuka den Blick von Ginjo abwenden konnte – der irgendwas von einem Script erzählte – landete sein Pokerface-Blick bei ihm. Kasuka blieb ruckartig stehen. „Ich hätte es wissen müssen.“, sagte er. „Kasu-chan!“, begrüßte Izaya mit herzhafter Stimme, „Ich hoffe es macht dir nichts aus, mir ein wenig deiner Zeit zu schenken.“ Es war keine Frage, was Kasuka durch Ginjos Griff an seinen Armen merkte und Kasukas Blick wurde dunkel. „Er soll mich loslassen.“ Izaya liebte Kasukas furchtlose Seite. Er sagte klipp und klar, was er wollte. Der Informant lachte. „Du hast ihn gehört, Ginjo-kun. Lass ihn los.“, befahl Izaya und der andere Vampir blickte ihn mit gehobener Augenbraue an. „Vertrauste’ dem Kerl?“ „Ich kenne ihn sehr gut. Ginjo-kun, du kannst gehen.“ Der andere Vampir schien zu zögern, als er Kasuka misstrauisch betrachtete. Zumindest dachte Izaya, dass es Misstrauen war, bis er erkannte, wie Ginjos Augen begannen heller zu leuchten. Izayas Blick verdunkelte sich und eine eisige Aura breitete sich im Raum aus. „Verschwinde Ginjo-kun.“, sagte Izaya nun deutlicher und seine Stimme schien den Vampir aus seinem Durstrausch zu holen. Ein paar Sekunden vergingen, doch schließlich ließ er Kasuka los und huschte etwas ungehalten durch das Gebäude Richtung Ausgang. Als sie die Tür knallen hören konnten, wandte Kasuka die Augen zurück auf seinen Entführer. „Was ist so wichtig, dass du meine Zeit mit Ruri stören musst?“, fragte Kasuka schließlich. Izayas Grinsen vertiefte sich. „Es ist einfach und wird ziemlich schnell vorbei sein, Kasu-chan…“, sagte Izaya als einziges, denn er spürte den Durst in seiner Kehle explodieren und es war inzwischen so stark, dass seine Hand in seiner Plüschjacke zu zittern begann. „Es hat mit meinem Bruder zu tun, oder?“ Izayas Grinsen fiel. „Shizu-chan ist nebensächlich.“ „Nii-san ist für dich noch nie nebensächlich gewesen.“, konterte Kasuka, als er ihn an die Kämpfe in der High School erinnerte. „Nun, ich bin nicht hier, um mit dir über deinen Bruder zu diskutieren. Eigentlich bist du auch nicht hier, um überhaupt zu reden.“ Kasukas Ausdruck wurde unruhig, wenn man das bei seinem Pokerface so sagen konnte. „Und wozu bin ich dann hier?“ Auf Izayas Gesicht breitete sich wieder ein Grinsen aus, während er näher auf den anderen zuging. Es war nun beinahe schmerzhaft, wie sehr er sich zurückhalten musste. Vermutlich waren selbst seine Augen dabei, rot zu leuchten. Doch das interessierte ihn nicht. Izayas Instinkt nahm plötzlich Überhand, als Kasuka einen Schritt zurückging. Der Informant konnte es fühlen, spüren wie sein Opfer auf ihn reagierte. Binnen eines Augenblickes stand der Vampir vor Kasuka und hielt ihn an seinen Armen fest. Dessen Augen waren vor Überraschung geweitet. „Liebster Kasu-chan…sei mir nicht böse drum, ja?“, hauchte Izaya leise und spürte, wie sich sein Opfer anspannte. Es war das einzige, was er sagte, bevor ihn der Rausch völlig übernahm. Izayas Augen leuchteten, er näherte sich Kasukas Hals, drückte schließlich den Kopf zur Seite und vergrub seine Zähne in seinen Nacken. Izaya konnte nur noch ein überraschtes Keuchen hören, bevor er nichts mehr wahrnahm. Das Blut…es… Es schmeckte. Aber… Es… Wieso schmeckte es... So…fad? Das Mahl reichte bei Weitem nicht, um Izayas kompletten Durst zu stillen, doch er riss sich von seinem Opfer los. Kasukas erschöpfter Körper fiel ihm an seine Brust. Izaya fing ihn auf und hielt ihn fest. Er konnte nicht zulassen, dass Kasuka noch mehr Wunden an seinem Körper fand, an die er sich nicht erinnern konnte… Irritiert, dass das Blut nicht seine gewünschte Wirkung erzielte, wusste Izaya im ersten Moment nicht, wozu er sich überhaupt die Mühe gemacht hatte. Wenn selbst Kasukas Blut ihm nicht schmeckte, obwohl sein Geruch so betörend war… Dann schien etwas gewaltig verkehrt zu sein. „Es…es stimmt also…“ Izaya blinzelte erschrocken, als er eine leise Stimme wahrnahm. Kasuka war noch bei Bewusstsein? „Respekt, Kasu-chan. Du bist wirklich ein harter Brocken.“, kommentierte Izaya und musste zugeben, dass selten ein Opfer bei Bewusstsein blieb, wenn er von ihm trank. Kasuka versuchte sich von Izaya zu entfernen, doch Izayas fester Griff blieb. „Tut mir Leid, Kasu-chan, aber du musst noch ein Weilchen hier bleiben.“, säuselte der Informant, nahm den Filmstar unter die Arme und drapierte ihn auf den Regisseur Stuhl. Kasuka blickte ihn erschöpft an, etwas Blut klebte noch an seinem Hals und seiner Schulter, während er von Izaya gezwungen wurde, sich nicht zu bewegen. Izaya war in die Hocke gegangen, um mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein. „Ich…ich habe es seit Jahren vermutet…“, gab Kasuka keuchend von sich, als seine Augenlider schwerer wurden. „Was hast du vermutet, Kasu-chan…?“, grinste Izaya ihn an und der Filmstar versuchte vergeblich, nicht in die Ohnmacht zu fallen. „…Seit Jahren schon…vermutete ich, dass du ein…Vampir bist…“ Izaya verengte die Augen. Das hieße, Kasuka wusste von ihnen. Kasuka wusste von den Vampiren und ihrer Art. Das konnte nur eines heißen. „Du bist ein Watcher.“ Kasuka nickte. Dann brach Izaya in Gelächter aus. „Haha, Kasuka Heiwajima, du bist der Wahnsinn! Sieh dich an! Gebissen von einem Vampir, noch voller Blut und dein Gesicht erst…!“ Izaya sprang auf und warf die Arme in die Luft. „Ein perfektes Bühnenbild, findest du nicht? Jetzt könnt ihr in Ruhe eure neuen Szenen drehen!“ Izaya lachte weiter, bis ihm einfiel, dass man sie draußen hören könnte. „Seit wann, Kasu-chan? Seit wann bist du ein Watcher?“ Erneute Neugier flatterte in ihm auf, als er Shizuos Bruder mit neuem Interesse betrachtete. Na, das war ja mal eine Wendung. Nie hatte er gedacht, dass aufgerechnet der berühmte Kasuka Hanejima ein Watcher werden würde. Izaya grinste hämisch, als er sein Handy zückte und ein Foto von seinem Opfer schoss. „Seit…se…“ Mehr kam nicht von dem erschöpften Mann, als sein Kopf nach vorne rollte und ihm das Bewusstsein genommen wurde. Izayas Grinsen fiel. „Kasu-chan!“, rief Izaya empört, „du kannst doch nicht einfach einschlafen!“ Wohl wissend, dass der andere ihn nicht mehr hören konnte, sprach er weiter. „Du bist ziemlich eigenartig, Kasu-chan. Du hast meinen Respekt verdient.“ Gerade hob Izaya Zeige- und Mittelfinger, als er mitten in der Bewegung stoppte. Eigentlich brauchte er gar nicht seine Erinnerung löschen. Er war immerhin ein Watcher. Er wusste Bescheid. Izaya grinste nun wieder. „Zumindest für deine nächsten Shootings musst du ja gut aussehen.“, sagte Izaya, als er seine Finger über das Mal gleiten ließ und die zwei blutigen Punkte ins Nichts verschwanden. „Die Erinnerung lass ich dir, aber in einer abgespeckten Version.“ Als Izaya sich aufrichtete und stumm auf den bewusstlosen Kasuka hinab sah, wurde es ihm erst richtig bewusst: Kasukas Blut war nicht wie Shizuos. Es war nicht mal annähernd so gut. Das war schlecht. Und es lief ganz und gar nicht nach Izayas Vorstellungen. Warum hatte es nicht einmal geschmeckt? Es war einfach fad, so als ob die Gewürze fehlten. Izayas Durst war zwar verschwunden, doch sollte es so weiter gehen, konnte er in zwei Stunden das nächste Opfer suchen. Unzufrieden verzog der Informant das Gesicht, bevor er auf sein Handy starrte und eine bestimmte Nummer wählte. „Fuku-san? Ich habe Arbeit für dich. Sei in zehn Minuten anwesend. Ich schicke dir die Adresse.“ Er legte auf und sandte Fuku-san seinen Standort. Während er auf seinen Mann wartete, überlegte Izaya, was er als Nächstes tun sollte. Oshiro würde eventuell Neuigkeiten haben. Er wäre seine beste Quelle. Izaya zischte unzufrieden. Vielleicht sollte er sich erstmal um ein weiteres, wachsendes Problem kümmern. Und dieses Problem sollte jemand ganz Bestimmtes in Angriff nehmen. Izayas Finger huschten über die Tasten seines Handys, als er eine Nummer wählte und das Gerät an sein Ohr nahm. „Shiki-san? Ja. Ich habe einen Auftrag für dich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)