Joeys steiniger Weg! von Onlyknow3 (Geschunden, Verloren und Aufgefangen) ================================================================================ Kapitel 89: Ein Blick in den Spiegel ------------------------------------ Ein weiteres Bonuskapitel, für unsere viel treuen Leser und Kommi schreiber. Wünschen euch viel Spaß beim lesen. LG Onlyknow3 MAC01 Kapitel 89 – Der Blick in den Spiegel Joey war in der Bibliothek gewesen, als er dachte die Haustür gehört zu haben. Er war in einen Abenteuerroman vertieft gewesen und kurz glaubte er Lachen zu hören. Lachen… früher hatte er auch viel gelacht. Nicht weil er so fröhlich gewesen wäre, sondern weil er damit seine Freunde davon überzeugen wollte, dass alles in Ordnung war. Hatte auch immer gut funktioniert… vielleicht zu gut? Er fragte sich seit längerem, wie es wohl gewesen wäre, wenn seine Freunde ihn schon früher durchschaut hätten. Wenn… er schüttelte den Kopf und schalt sich einen Dummkopf. Diese 'was wäre wenn'-Gedanken führten zu gar nichts, raubten ihm Zeit und Kraft, genauso wie sie seine Stimmung nur drückten. Dann wandte er sich sein Buch wieder zu und lass weiter, wie eine kleine Gruppe Menschen im frühen 19. Jahrhundert versuchten über einen Vulkan auf Island zum Mittelpunkt der Erde vorzudringen und dabei eine fantastische Welt entdeckten. Er hätte nie gedacht, dass ER mit so einem Roman etwas anfangen konnte, doch es war tatsächlich eine willkommene Unterhaltung. Als er schließlich zum nächsten Kapitel vordrang legte er sich eines der Lesebändchen des Buches zwischen die Seite und klappte es zu. Er streckte sich und sein Nacken knackte laut. Dann stand er auf und verließ die Bibliothek. Seto schien nach wie vor in seinem Hausbüro beschäftigt zu sein. Vorhin hatte er eine Kurznachricht auf dem Handy bekommen und seitdem schien er ein Telefonat zu führen. Mokuba und Serenity schienen noch nicht zu Hause zu sein, also schlenderte Joey zum Aufenthaltsraum für die Angestellten. An dem runden Tisch saß Touji und las Zeitung. Als er ihn sah legte er die Zeitung fort und stand auf. Joey gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass das nicht notwendig war. "Möchtest du irgendwo hin?", fragte Touji pflichtergeben. "Nein… nein.", antwortete Joey hastig, während er sich zu Touji an den Tisch setzte. "Warum bist du hier?" "Wo sollte ich sonst sein?", wollte Touji verwirrt wissen. "Keine Ahnung… bei deiner Familie?", gab der Blonde zurück. "Ich hab keine Familie.", gestand Touji ohne Reue oder Bedauern in der Stimme. "Jeder hat Familie!", wandte Joey zweifelnd ein. "Nein… nicht jeder!", erwiderte der Personenschützer mit einem sanften Lächeln. "Keine Eltern, Geschwister, Tanten, Onkel, Großeltern oder einen besonderen Menschen in deinem Leben… oder Kinder?", hakte Joey ungläubig nach. "Ich bin ein Waisenkind und… mit Beziehungen hab ich es nicht so…", gestand Touji schließlich ein. "Ich glaube, ich könnte so weit gehen zu sagen, dass meine Beziehung zu dir die längste ist, die ich je gepflegt habe." Mit großen Augen blickte Joey zu ihm und wusste nicht, ob er sich geschmeichelt oder verschreckt fühlen sollte. "Sorry, ich wollte dich mit dem dummen Spruch nicht erschrecken.", ruderte Touji zurück. "Nein, schon gut…", begann Joey zu grinsen, als ihm bewusst wurde, dass er überzogen reagierte. "Aber jetzt mal ernsthaft, warum bist du hier? Ich meine, ich werde heute ganz sicher nirgends mehr hingehen und es sind reichlich Leute im Haus… wie wär's, wenn ich dir für den Rest des Tages freigebe und du dich mit Freunden ein wenig amüsieren gehst?" "Du kannst mir nicht frei geben.", wandte Touji mit einer erhobenen Braue ein. "Und selbst wenn, würde ich bleiben und auf dich Acht geben." "Bitte sag mir jetzt nicht, dass du keine Freunde hast.", kam es entsetzt von dem Jüngeren. Touji musste auflachen. "Doch… Freunde habe ich…", gestand Touji verschmitzt grinsend. "Aber die sind auch alle gerade bei der Arbeit." "Aber du sitzt wegen mir nur hier rum und langweilst dich..", kam es leidlich von Joey. "Ach was… mach dir darüber keine Gedanken, Joey. Ich langweile mich nicht. Aber lieb, dass du dir Gedanken über mich machst.", erwiderte sein Personenschützer sanft. "Aber vielleicht gehst du mal den Kleinen retten…" "Den Kleinen?", fragte Joey nicht wissend, wen Touji meinen könnte. "Ja… Mokuba… er kam vorhin mit deiner Schwester hier vorbei und sie sind hoch… er war schwer beladen mit allerlei Tüten.", erklärte Touji. Da wurde Joey bewusst, dass er sich vorhin nicht verhört hatte. Er hob seine Augenbrauen und nickte. "Dann geh ich ihn mal retten.", lachte Joey, während er wieder aufstand und den Raum verließ. Als er oben ankam entschloss Joey sich noch einmal kurz in sein Zimmer zu gehen und sich etwas frisch zu machen. Nachdem er die Tür geöffnet hatte fiel sein Blick auf das in buntem Papier eingeschlagene Geschenk, welches irgendwer dort platziert hatte. Er nahm es in die Hand und war überrascht, wie leicht es war. Dann riss er das Papier auf und musste schmunzeln. In dem Papier war ein T-Shirt gewesen und er war sich sicher, dass es von Serenity kam. Immer wenn sie ihn in der Vergangenheit besucht hatte, hatte sie ihm ein Shirt geschenkt. Eines seiner absoluten Lieblingsshirts, ein weißes mit blauem Quadrat auf der Brust und blauen Ärmeln, war auch von ihr gewesen. Und dieses Neue gefiel ihm auch ganz gut. Also zog er sein aktuelles Shirt aus, warf es auf den nahen Stuhl und schlüpfte in das neue Shirt. Doch er musste feststellen, dass es ihm bei weitem zu groß war und er es kaum ausfüllte. Egal… er wollte es jetzt tragen. Joey wollte sich schon wieder der Tür zu wenden, als sein Blick auf sein Traumtagebuch fiel… der Skizzenblock, den er von Seto geschenkt bekommen hatte, um seine Schreckbilder aus seinen Albträumen darin zu bannen. Wieso lag es auf dem Boden? Er hob es auf und schlug zufällig die letzte Seite auf… sein… Selbstbildnis, wie er mit knirschenden Zähnen feststellte. Er wollte den Block schon wieder zuschlagen, als ihm etwas auffiel: Auf dem Bild seiner selbst waren hier und da kleine runde Flecken zu sehen. Dort hatte offensichtlich irgendeine Feuchtigkeit den Grafit verwischt. Sein Blick fiel auf das T-Shirt, dass er trug. Serenity musste in seinem Zimmer gewesen sein, nachdem sie mit Mokuba nach Hause gekommen war. Sicherlich hatte sie den Block gesehen und dann ihrer Neugierde nach gegeben. Er presste die Lippen fest aufeinander und spürte dann, wie Wut in ihm aufstieg. Er schlug den Block zu und eilte – ihn immer noch in der Hand haltend – aus seinem Zimmer in Richtung des Zimmers seiner Schwester. Ihre Tür stand ein wenig auf und als er herein kam erwischte er Serenity und Mokuba dabei, wie sie sich küssten. "Was…", kam es schockiert von Joey, wobei er nicht genau wusste, worüber er genau schockiert war. Erschrocken stoben Serenity und Mokuba auseinander und blickten ihn überrascht an. Mokuba stand auf und wollte sich erklären, doch Joey hob nur abwehrend die Hand. "Nicht jetzt Mokuba… ich muss da was mit meiner Schwester klären, also sei so gut und gönn uns ein wenig Privatsphäre.", schnauzte Joey, immer noch wütend. Geknickt wollte Mokuba schon das Zimmer verlassen, als auch Serenity aufsprang, ihn am Handgelenk festhielt und ihrerseits wütend zu Joey blickte. "Wie kannst du wagen, Mokuba aus meinem Zimmer zu werfen?", fauchte sie trotzig, da sie dachte, dass Joey mit ihr über den Kuss reden wollte. "Wie kannst du es wagen einfach in mein Zimmer zu gehen und dir Dinge anzuschauen, die nicht für dich bestimmt sind.", zischte Joey als Konter, während er sein Skizzenblock schwenkend hochhielt. Serenity erkannte ihren Irrtum und wurde etwas blass um die Nasenspitze. "Das… ich… ähm… ich wollte dir nur ein Geschenk auf das Bett legen.", versuchte sie sich zu erklären. "Ich hatte dir aber gesagt, dass du nicht in mein Zimmer gehen sollst, egal ob ich da bin oder nicht!", kam es energisch von Joey. "Jaha… das hast du und seit ich einen Blick da rein geworfen habe, ist mir auch klar geworden, warum ich das nicht soll.", keifte nun Serenity ihrerseits zurück, während sie ihm den Block aus der Hand riss und ihn kurz mit dem Daumen durchblätterte. "Du wolltest aufhören, mich außen vor zu lassen und mit mir reden.", warf sie ihm schließlich vor. "Da gibt es nichts zu reden… das ist nur mein Traumtagebuch!", fand sich Joey plötzlich selbst in der Defensive wieder und wusste nicht, wie er dahin gekommen war. "Es gibt da NICHTS zu reden?", fauchte Serenity zurück, während sie Joeys Selbstbildnis aufschlug und ihm entgegen hielt. "DAS hier sieht aber nicht so aus, als ob es nichts gäbe, worüber du reden solltest." Joey wollte ihr den Block wieder abnehmen, doch sie zog ihn ihm weg. "Gib mir den Scheißblock.", forderte Joey wütend. Da packte sie ihn plötzlich an seiner Hand und zog ihn in das angrenzende Badezimmer, in dem ein großer Standspiegel platziert war. Sie zog ihren großen Bruder vor den Spiegel. "Was… was soll der Scheiß… Lass mich los und gib mir den Block.", versuchte Joey sich zu wehren, doch Serenity stellte sich hinter ihn und deutete an ihm vorbei auf den Spiegel. "SCHAU!", schrie sie ihn förmlich an. Doch der Blonde versuchte sich direkt wieder vom Spiegel abzuwenden, was sie nicht zuließ, denn wie sie mittlerweile rausgefunden hatte, war sie ihm körperlich überlegen. "DU SOLLST SCHAUEN!", schrie sie ihn erneut an und er erstarrte in seiner Bewegung. Nur zögerlich folgte er ihrem Finger und blickte in den Spiegel. "DAS DA… DAS IM SPIEGEL… DAS IST MEIN BRUDER, DEN ICH ÜBER ALLES LIEBE!" Dann hielt sie mit der anderen Hand den immer noch aufgeschlagenen Block an ihm vorbei, so dass er sein Spiegelbild und sein Selbstportrait gleichzeitig sehen konnte. "Siehst du…", setzte sie dieses Mal sanfter erneut an. "Da im Spiegel ist nichts grotesk, entstellt, monströs, verdorben, verkümmert oder schmutzig." Ihre Stimme hatte einen Hauch von Verzweiflung. Es fiel Joey unglaublich schwer sein Spiegelbild zu betrachten. Ein brennender Schmerz entwickelte sich in seinem Inneren, während er seine Lippen wieder fest aufeinander presste. "Da ist mein starker, mutiger Bruder… der sich von nichts… NICHTS unterkriegen lässt.", versuchte sie ihm weiter Mut zu machen. Eine Träne löste sich aus Joeys Auge, die ihre Bahn über seine Wange zog. "B… Bitte… Schwesterchen…", begann er kaum hörbar zu flehen. "Lass mich…" Sie ließ den Block fallen und schlang ihre Arme von hinten um Joey und presste sich verzweifelt an ihn. Ihr Kopf auf seiner Schulter. "Niemals…", flüsterte sie ihm behutsam zu und auch aus ihren Augen drängten sich erneut Tränen. "Mag sein, dass du das Gefühl hast, so zu sein, wie du dich gezeichnet hast… aber diese Stimme, die dir das einredet, lügt dich an… Brüderchen." Beschämt ließ Joey seinen Kopf hängen und er legte eine Hand über sein Gesicht. Da spürte er auf einmal, dass noch jemand nah an ihn heran trat und ihn langsam umarmte. Schwarze Haare drängten sich gegen sein Gesicht. Er legte einen Arm um Mokuba. "Die Staatsanwältin hat alles getan, dir zu deinem Recht zu verhelfen und der Richter hat dir mit seinem Schuldspruch und sein Strafmaß doch bewiesen, dass du einen Wert hast… du bist nicht wertlos… bist nicht schmutzig… bist nicht alleine. Wir sind bei dir, stehen hinter dir, neben dir, vor dir… wir lieben dich… also bitte, Brüderchen… höre auf dich selbst zu hassen. Bitte!", flüsterte sie weiter. Joey zog seine Schwester vor sich und umarmte sie mit seinem zweiten Arm. Hatte sie Recht? Hasste er sich selbst? Irgendwo schon, oder? Ekel und Hass waren schon seit langem die vorherrschenden Gefühle, die er sich selbst gegenüber hatte. "Hör auf dich selbst zu hassen und hör auf, dich selbst zu bestrafen.", kam es nach einem langen Augenblick und Serenity blickte zu ihm hoch. Eine Träne tropfte von Joeys Gesicht auf ihres. Sie legte sanft eine Hand an seine Wange. "I… ich bestraf mich nicht selbst.", kam es mit brüchiger Stimme von dem Blonden. "Doch… das tust du… deshalb hast du solche Probleme mit dem Essen… ich weiß nicht, warum du dich auf diese Art und Weise bestrafst, aber du tust es.", erwiderte sie sanft. Forschend blickte er seine Schwester an und fragte sich, ob sie auch damit Recht hatte. Und wenn sie Recht hatte, wie sollte er sich aus seiner Selbstbestraffung befreien? Dann spürte er eine weitere Hand in seinem Rücken und als er über seine Schulter blickte sah er Seto, der seine Stirn an seine lehnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)