Joeys steiniger Weg! von Onlyknow3 (Geschunden, Verloren und Aufgefangen) ================================================================================ Kapitel 88: Die Verzweiflung der jüngeren Geschwister ----------------------------------------------------- Kapitel 88 – Die Verzweiflung der jüngeren Geschwister Die Tür der Villa schwang auf, bevor Mokuba und Serenity lachend das Haus betraten. Mokuba hatte zahlreiche Tüten in der Hand, die er an der Garderobe kurz abstellte, um aus seinen Schuhen zu schlüpfen und Serenity tat es ihm gleich. Er hatte die Brünette zu einem Bummel durch die Stadt eingeladen und anschließend zu einem ausgedehnten Mittagessen ausgeführt. Serenity hatte die Einladung gerne angenommen, nichts ahnend, dass Mokuba sie damit vor allem von ihrem Bruder ab- und weglenken wollte. Es hatte Mokuba nicht gewundert, dass Joey am Morgen total blass, mit leicht geröteten Augen und ein paar Ringen unter den Augen zum Frühstückstisch gekommen war. Denn er hatte in der Nacht mitbekommen, wie Joey aus einem heftigen Albtraum geschreckt war und laut geschrien hatte. Mokuba war gerade auf dem Weg von der Küche zurück in sein Zimmer gewesen, als Joey Schrei ihn vor dessen Zimmer Tür zum Stehen gebracht hatte. Nur zu gerne wäre Mokuba in diesem Moment in das Zimmer gestürmt und hätte geholfen den Blonden wieder zu beruhigen. Doch er hatte es nicht getan. Denn er wusste, dass Joey das nicht wollte. Joey hatte noch nie gewollt, dass er ihn in Panik sah. Der Blonde hatte diese irrwitzige Vorstellung, dass er ihn dann für schwach halten könnte oder die Achtung vor ihm verlieren würde. Unsinn… Joey gehörte doch mittlerweile genauso zu seiner Familie wie Seto und Roland. Dennoch hatte er dem Wunsch des Blonden entsprochen und war nicht in das Zimmer gestürmt. Er hatte einfach nur im Flur gestanden und hörte, wie Seto versuchte seinen Geliebten zu beruhigen. Es kam Mokuba wie eine Ewigkeit vor, bevor Setos Versuche von Erfolg gekrönt gewesen waren und Joey nicht mehr panisch klang. Ein leises Schluchzen nahm stattdessen den Raum der vorrangegangenen Panik ein. Daher hatte Mokuba am Morgen beschlossen Serenity in die Stadt einzuladen, damit Joey sich noch etwas ausruhen und entgangenen Schlaf nachholen konnte. Vor allem wollte er aber auch Serenity von ihrem Bruder ablenken. Sie machte sich – seit sie voll im Bilde war – unglaublich große Sorgen um den Blonden, was mehr als nur verständlich für Mokuba gewesen war. Doch es musste für sie schwieriger sein, als für sie, war das alles für die jüngere Schwester des Blonden neu und ungewohnt. Sie konnte nicht wissen, dass Joey nach wie vor einen Zyklus mit Höhen und Tiefen durchmachte, auch wenn dieser Zyklus – im Gegensatz zu kurz nach seiner Rückkehr aus seiner Gefangenschaft – mittlerweile Tage umfasste und nicht mehr nur Stunden. Also hatte er das Mädchen, welches in seinem Magen für ein ordentliches Kribbeln sorgte, zu einer Shoppingtour eingeladen. Nachdem sie sich anfänglich noch arg geziert hatte, sich von Mokuba einladen zu lassen, hatte sie schließlich doch ganz gut zugeschlagen und Mokuba musste schmunzeln. Er hatte noch nie jemanden so um Klamotten feilschen sehen, wie Serenity. Und sie war gut darin. Danach hatten sie in einem herrlichen Bistro mit schöner Dachterrasse Halt gemacht und hatten sich ein wundervolles Mittagessen gegönnt. Dabei hatten sie sich darüber ausgetauscht, wie schwer das Leben mit älteren Brüdern sein konnte und was sie sich für ihre Zukunft vorstellten. Dabei stellte Mokuba fest, dass die Brünette ein klares Ziel vor Augen hatte: Sie wollte mal Medizin studieren und dann Unfallchirurgin werden. Dass hatte den Dunkelhaarigen tief beeindruckt und er hatte sich auf einmal wie ein unreifes, kleines Kind gefühlt, da er sich nicht festlegen konnte. Er hatte eine Auswahl, aber diese Auswahl reichte vom Betriebswirt, um seinen Bruder in der Firma zu unterstützen, über Designer für Kinderspielplätze und Freizeitparks bis hin zum Anwaltsberuf, um später einmal Staatsanwalt zu werden. Serenity hatte ihn zwar für alles gelobt und zeigte sich beeindruckt von der Vielzahl seiner Interessen, aber bislang hatte er nie gezielt auf einen Beruf hin gearbeitet. Im Gegensatz zu Serenity. Als sie zu Serenitys Zimmer gingen blieb die Brünette unvermittelt stehen. Als Mokuba aufschaute sah er, dass sie auf der Höhe von Joeys Zimmer waren. Serenity nahm ihrem Gönner und Begleiter eine Tüte ab, deren Inhalt sie alleine bezahlt hatte, und wandte sich der Tür zum Zimmer ihres Bruders zu. Sie lauschte kurz, konnte aber nichts hören, also klopfte sie zaghaft. Als auch danach kein Geräusch von drinnen zu hören war, öffnete sie die Tür. "Nitty… was tust du da?", wollte Mokuba nervös von ihr wissen. Er hatte sich irgendwann im Laufe des Tages angewöhnt Serenity nur noch Nitty zu nennen, weil sie ihm erzählt hatte, dass sie Zuhause von ihren kleinen Geschwistern und ihren Freunden auch so genannt wurde. "Ich möchte nur Joey schnell ein Geschenk hinlegen.", antwortete sie mit einem sanften Lächeln und schob die Tür auf. "Aber dein Bruder hasst es, wenn jemand in sein Zimmer geht.", versuchte Mokuba sie davon abzuhalten, während er vorsichtig nach ihrer Hand angelte. "Mokuba… er scheint nicht da zu sein, ich hüpf nur kurz rein, leg ihm das Geschenk auf das Bett und komme sofort wieder raus.", erklärte die junge Frau fröhlich, bevor sie auch schon das Zimmer betrat. Sie ging zum Bett ihres Bruders und zog aus der Tüte ein kleines, flaches Geschenk. Dieses legte sie an ein Kissen gelehnt ab und wandte sich schon zur Tür, um das Zimmer wieder zu verlassen, als ihr Blick auf einen Skizzenblock auf dem Nachttisch fiel. Neugierde flammte in der kleinen Schwester auf und zögerlich griff sie nach dem Block. "W… Was tust du denn da?", rief Mokuba ihr verzweifelt von der Tür aus zu. Doch diesen Anflug von Panik ignorierend ließ sie sich auf die Tagesdecke nieder und schlug den Block auf. Die Zeichnungen waren alles andere, als das, was sie von ihrem geliebten Bruder gewohnt war. Anfangs waren zahlreiche Zeichnungen übermalt worden. Teils so stark, dass das Papier kaputt gegangen war. Doch je weiter sie nach hinten blätterte, desto weniger Unbeherrschtheit bemerkte sie. Stattdessen entsetzten die Skizzen und Zeichnungen sie. Es waren Zeichnungen von ihrem Vater, dämonisiert, grausam grinsend, böse funkelnd, sich gierig über die Lippen leckend, wie er nach dem Betrachter des Bildes griff. Sie sah Männer, die sie nicht kannte, wie sie halbe Monster waren, die sich etwas einverleibte. Manchmal sah sie auch Zeichnungen von einem schmutzigen Raum, eine Matratze am Boden auf dem ein Körper lag. Ein anderer Körper mit offenem Bauch daneben auf dem Boden. Bilder von grotesken Stühlen und Ketten an Wänden oder von der Decke hängend. Tränen begannen ihre Sicht zu trüben. Sie begann zu verstehen, was sie sich da anschauten. Es waren Erinnerungen… Schreckbilder, die ihren Bruder bis heute verfolgten. Eine Träne tropfte auf die letzte Zeichnung: Es war deutlich zu erkennen, dass Joey sich selbst gemalt hatte, aber nicht wie er wirklich aussah, sondern wie er sich fühlte. Grotesk, entstellt, monströs, verdorben, verkümmert, schmutzig. Eine weitere Träne traf das Papier der Zeichnung und verwischte dort, wo sie aufkam, das Grafit des Bleistiftes, so dass ein kreisförmiger Fleck zurück blieb. Serenity schlug den Block zu und warf ihn eilig zurück auf den Nachttisch, wo er aber nicht liegen blieb und runter fiel. Doch sie war bereits aus dem Zimmer gelaufen und flüchtete sich den Gang entlang in ihr eigenes Zimmer. Mokuba seufzte, schloss die Zimmertür wieder und folgte dann der Brünetten. Als er sie einholte lag sie auf ihrem Bett und weinte bitterlich. Er stellte die Einkaufstüten auf die Chaiselongue bevor er zögerlich zu ihr ging. Er setzte sich auf die Kante des Bettes und legte seine Hand tröstend in ihren Rücken. Sie schluchzte lauter auf. Da zog Mokuba sie vorsichtig in seinen Arm. Tröstend strich er der jungen Frau über den Rücken. Ihre Verzweiflung schwappte langsam auch auf ihn über, doch er wollte sich ihr nicht ergeben. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass sich auch bei ihm ein, zwei Tränen lösten und stumm über die Wange liefen. So hielt er Serenity eine ganze Weile, bis sie sich soweit wieder beruhigt hatte. Mit geröteten Augen blickte sie zu ihm auf und wollte ihm danken, als Mokuba sich auf einmal zu ihr beugte und seine Lippen sanft auf die von Serenity legte. Die Brünette wusste nicht, wie ihr geschah. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch schienen auf einmal auf Hochtouren mit den Flügeln zu schlagen. Sie schloss die Augen und trotz der Verzweiflung, die sie bis vor ein paar Augenblicken noch in sich verspürt hatte, begann sie den Kuss – ihren ersten Kuss überhaupt – zu genießen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)