Ippo ni Yoko von MAC01 (Seto x Jou) ================================================================================ Kapitel 167: Einen Schritt am Rand entlang ------------------------------------------ Wochenmitte. Noch zwei Tage Schule und dann eine Woche frei. Golden Week und wir fahren in eine Hütte 'in den Bergen'. Nur nicht so, wie ich es mir gedacht habe: Statt in trauter Zweisamkeit Hiroto in einer idyllischen Berghütte das Hirn raus zu vögeln fahren wir mit der ganzen Clique. Gruppenausflug. Yeah. Sarkasmus. Ich mag die anderen, aber deswegen müssen wir doch nicht immer alle aufeinander hocken. Dennoch freu ich mich auf die Woche. Einfach mal raus aus der Stadt. Klimawechsel. Der wird uns allen gut tun. Ein weiteres Mal wandert mein Blick zu Kaibas Platz, der dort sitzt und die Aufgaben von der Tafel löst. Es ist seit Anfang der Woche nicht das erste Mal, dass mein Blick auf ihn fällt und ich mich nicht von ihm lösen kann. Sonntagabend, als wir nach Hause gekommen sind, hat mir Hiroto von Seto erzählt. Von dessen Narben. Von dem, was er während Setos Erkrankung alles erfahren hat. Von einem Kaiba, der so anders war, als jener Mensch, den wir seit fast drei Jahren kennen. Dem ängstlichen Kind, dem schon das Vertrauen zu anderen so unglaublich schwer fällt. Nicht verwunderlich, nachdem was Hiroto mir erzählt hat: Er erzählte mir von Missbrauch. Durch den Adoptivvater. Von Vergewaltigungen. Durch Geschäftspartner des Adoptivvaters. In der Villa. In der Firma. Bei anderen Gelegenheiten. Und das alles im Alter von 10 bis 15 Jahren. Kaiba hatte niemals einen Ort, an dem er sich sicher fühlen konnte. Von dem er wusste, wenn er dort war, würde ihm nichts Schlimmes geschehen. Daneben hohe Erwartungen, die er erfüllen musste und wenn er das nicht konnte drakonische Bestrafungen. Ich spüre erneut, wie mich das alles eiskalt erwischt, genauso wie am Sonntagabend, als ich es das erste Mal hörte. Spüre diese Traurigkeit in mir für das Kind, das Kaiba einmal gewesen ist und welches man so gnadenlos zu Grunde gerichtet hat. Es gezwungen hat schneller erwachsen zu werden, als es für das kindliche Verständnis möglich gewesen ist. Kein Wunder, dass ihm Vertrauen immer so schwer fällt. Das er uns immer wieder von sich stieß und den Abstand wahrte. Dass Kaibas Kindheit alles andere als rosig gewesen war wussten wir ja schon länger. Mokuba hat uns in den vergangenen Monaten immer wieder ein bisschen was erzählt. Von Schlägen, Demütigungen, Trennung von seinem Bruder. Doch das was Hiroto mir erzählt hat, übersteigt einfach alles an Grausamkeit, was man sich vorstellen kann. Und immer wieder frage ich mich, wie man zu sowas im Stande sein kann. Warum es immer wieder Eltern gibt, die derartig ungeeignet sind. Das ganze hat mich natürlich auch an meinen Vater erinnert. Von seiner Rachsucht getrieben sah er mich seit meiner Geburt nur als Mittel zum Zweck. Seit ich denken konnte hat mein Vater von nichts anderem gesprochen. Einmal hab ich mich gegen ihn aufgelehnt und widersetzt. Dafür hat er mir eine bleibende 'Lektion' verpasst. Unbewusst berühre ich die Narbe, die ich so geschickt unter einem Kajal-Strich verberge. Scheinbar habe ich mehr mit Kaiba gemein, als ich gedacht habe. Doch Hiroto erzählte mir auch von den Bedingungen, unter denen er mich einweihen durfte. Dazu gehört auch, dass Kaiba nicht darauf angesprochen werden möchte. Warum erlaubt er Hiroto einerseits mir alles zu erzählen und distanziert sich andererseits von den Erlebnissen und will nicht darüber reden? Noch ehe ich weiter darüber nachdenken kann läuft es mir kalt den Rücken runter. Mir wird auf einmal bewusst, dass Kaiba zurück schaut. Sein Blick ist vernichtend. Ein wenig empört darüber, dass ich mich nicht an alle Bedingungen halte. Aber ich würde jetzt nicht sagen, dass mein Blick mitleidig war. Eher besorgt. Doch ich bin mir sicher, dass er es anders sieht. Für ihn wird mein Blick voller Mitleid und vielleicht Geringschätzung sein. Er wird mich sicherlich anblaffen und versuchen stark zu wirken. Mich von sich stoßen und das vielleicht auch als Gelegenheit nutzen vor Hiroto zurück zu weichen. Also geb ich klein bei und lass meinen Blick zurück an die Tafel schweifen. Aber so wirklich kann ich mich auf die Aufgaben nicht konzentrieren. Ich merke nur, wie mein Blick langsam wieder zu Kaiba gleitet und dann... zuck ich schmerzhaft zusammen und blicke in die andere Richtung. Neben mich. Zu meinem Freund. Der mich böse anfunkelt. Mit den Lippen formt er zwei Worte: 'Lass es!'. Hm, scheinbar ist mein Blick nicht nur Kaiba aufgefallen. Schuldbewusst senk ich den Kopf. Endlich klingelt es und wir haben eine zehn Minuten-Pause. Also steh ich auf und möchte in den Waschraum. Mir das Gesicht ein wenig waschen und versuchen den Kopf frei zu kriegen. Ich hab mir gerade ein paar Spritzer ins Gesicht geworfen und richte mich wieder auf, als ich im Spiegel Kaiba sehe und mich im ersten Moment halb zu Tode erschrecke. Hastig wende ich mich zu ihm um und greif mir gleichzeitig an die Brust. Dann lach ich ihn erleichtert an und sag ihm, dass er mich erschrocken hat. Nicht das das nicht offensichtlich war. Kaiba steht mit verschränkten Armen vor der Brust vor mir und funkelt mich eisern an. Okay... ich schätze, er ist hier, um mir klar zu machen, dass ich aufhören soll ihn anzuschauen. Aber ich kann das einfach nicht. Immer wieder spür ich in mir diese Traurigkeit. Die Traurigkeit darüber, dass ich in der Zeit nicht zurück gehen und Kaiba trösten kann. Aus den Fängen seines Adoptivvaters befreien kann. Es zerreißt mich innerlich, dass er versucht all den Schmerz, den er mit sich trägt, zu verbergen oder zu verleugnen. Doch er sagt nichts. Er wendet sich plötzlich ab und will den Waschraum wieder verlassen. Eilig stürz ich an ihm vorbei und lehn mich gegen die Tür. Frag ihn, was er wollte. Aber er schaut mich nur weiter eiskalt an. Knirscht... mit den Zähnen? Dann meint Kaiba nur, dass er einfach nur hier raus möchte. Wenn er hier raus möchte, warum ist er dann erst rein gekommen? Er war nicht auf Toilette und nicht an einem der Waschbecken. Also... wo ist da die Logik? Mir fällt auf, wie er sich auf einmal anfängt anzuspannen. Jede Sekunde die verstreicht scheint ihn mehr anzuspannen. Dann rutscht mir etwas heraus, was ich für mich behalten wollte: Ich sag ihm, dass wir uns gar nicht so unähnlich sind. Er nicht allein mit der Erfahrung ist, dass jemand, der ihn eigentlich lieben und beschützen sollte, dass versäumt und noch schlimmer, sein größter Albtraum geworden ist. Kaibas Blick wird vernichtend, während er näher zu mir aufschließt und sich vor mir regelrecht aufbaut. Ich solle gefälligst den Mund halten und mich an die Abmachung halten. Dann schiebt er mich unsanft von der Tür, reißt sie auf und verlässt den Waschraum mit eiligen Schritten. Toll gemacht, Ryuji, sag ich mir selbst gedanklich. Ich hätte auch einfach einen Holzhammer nehmen und damit die Tür einschlagen können. Das hätte nicht weniger verschreckend auf Kaiba wirken können. Ich weiß, wie er sich fühlt. Na ja, zumindest ansatzweise. Aber er will... Ich halte plötzlich inne und klatsch mir die Hand an die Stirn. Ja... ich weiß, wie Kaiba sich fühlt und mich würde es wahnsinnig machen, wenn man mich immer wieder dumm von der Seite anstarren würde. Ich würde mich entblößt und peinlich berührt fühlen. Wie konnte ich das nur vergessen? Also nehm ich mir vor die letzten beiden Stunden nicht zu ihm zu schauen. Ihn nicht noch mehr das Gefühl zu geben, dass er ein Außenseiter mit seinen Erfahrungen ist. Er weiß, wie es mir mit meinem Vater ergangen ist. Wenn er reden will... nein... das wird er nicht wollen. Jedenfalls nicht mit mir. Und ich kann es ihm nicht verdenken. . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)