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Desaster

von

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Lachend lehnte Natascha sich gegen Clint, der hinter ihr auf einem Hocker saß. Er schlang einen Arm um ihren Bauch und legte sein Kinn auf ihrem Kopf ab. Für eine Sekunde schloss sie die Augen und genoss einfach die Nähe zu ihrem Partner. Sie hatte die Ereignisse der letzten Wochen noch nicht ganz verwunden. Erst gelang es Belova Clint zu entführen und tagelang gefangen zu halten und gleich darauf wurde er von einer außerirdischen Magierin fast umgebracht. Natascha war sich ziemlich sicher, dass sie auf dem direkten Weg war eine ernsthafte Neurose zu entwickeln. Nachdem Clint vor nun fast zwei Wochen zu Laura gefahren war, hatte sie ihn mehrmals täglich angerufen, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Als Tony schließlich verlangte, dass sie ihn zurückholte, war sie ihm schon fast dankbar dafür gewesen ihr einen Grund zu liefern die Trennung so deutlich zu verkürzen. Ursprünglich war es geplant gewesen, dass sie mit ihm zusammen fahren würde, doch wegen Loki hatte er sie gebeten im Tower zu bleiben und die Situation im Auge zu behalten. Es hatte sie fast wahnsinnig gemacht ihn nicht sehen zu können.

Sie hatten nicht darüber gesprochen. Doch sie zweifelte nicht daran, dass es dem Scharfschützen aufgefallen war. Er konnte sie inzwischen so gut lesen, dass sie sich wirklich anstrengen musste, um etwas längerfristig vor ihm geheim zu halten.

Zusammen mit Tony, Pepper und Bruce saßen sie am Küchentresen. Pepper war dabei von der Pressekonferenz am Nachmittag zu erzählen. Es hörte sich an, als hätte sie, wie immer, alle Anwesenden um den Finger gewickelt. Sie hatte ihre ganz eigene Form der Manipulation. Manchmal fragte Natascha sich, ob Pepper bewusst war, was sie tat, oder ob es eher intuitiv geschah, denn eine Ausbildung hatte sie in solchen Dingen nicht genossen.

Tony saß ebenfalls ganz nahe an seine Freundin herangerückt. Fast schon so dicht, dass sie auf seinem Schoß saß, was wahrscheinlich genau seine Absicht war. Peppers Abwesenheit hatte ihm sichtlich zugesetzt und nun trennte er sich keine Sekunde von ihr. Konnte Natascha ihm nicht wirklich verübeln. Sie verstand sehr gut, dass er zumindest ein wenig Verlustangst hatte. Bisher war Pepper nicht das Ziel irgendwelcher Anschläge gewesen. Nun schien der Milliardär zum ersten Mal so wirklich zu begreifen, dass seine Freundin ein lohnendes Ziel für seine Gegner sein könnte.

Auf Tonys anderer Seite saß Bruce und hörte Peppers Ausführungen mit einem Lächeln auf den Lippen zu, während er eine Tasse mit Tee in seinen Händen hin- und herdrehte. Natascha hatte versucht mit ihm Augenkontakt herzustellen, doch irgendwie schien er ihren Blick zu meiden. Er wollte sie nicht ansehen. Hatte er endgültig das Interesse an ihr verloren? Als sie zusammen aus gewesen waren, war es noch da gewesen. Sie hatte es in jeder seiner Bewegungen, in jedem Blick mit dem er sie angesehen hatte, gesehen. Jetzt schien er eher reserviert ihr gegenüber. Distanziert. Hatte ihr Abend zusammen ihn am Ende davon überzeugt, dass sie nicht das war, was er wollte? Dabei hatte es öfters an dem Abend ausgesehen, als würde er sie jeden Augenblick küssen. Als würde er sich doch einen Ruck geben.

Doch am Ende war es nicht so gewesen. Sie waren zurückgekommen und ihre Wege hatten sich getrennt. Clint hat einen halben Tobsuchtsanfall bekommen, als sie ihm von dem Abend erzählt hatte. Und in dem Moment war sie glücklich gewesen, dass er bei Laura gewesen ist und somit nicht die Möglichkeit hatte Bruce direkt zu Fragen, was eigentlich sein Problem war.

Wahrscheinlich war es Zeit endlich zu akzeptieren, dass er sie nicht wollte. Sie mochte vielleicht ansprechend auf ihn wirken, doch es reichte offenbar nicht aus, um darüber hinwegzusehen, was sie war. Ihr war klar, dass sie ihn ziemlich problemlos verführen und für sich beanspruchen könnte, doch das wollte sie nicht. Nicht bei ihm. Sie wollte, dass er sie wollte. Von sich aus. Nicht weil sie ihn in diese Richtung gestoßen hatte.

Es war kompliziert.

Sie alle hörten die Etagentür aufgehen. Nat musste nicht hinsehen, um zu wissen, um wen es sich handelte. Die schweren Schritte verrieten ihr sofort, wer es sein musste. Es irritierte sie jedoch, dass Steve alleine war. Sie hatte ihn nicht so eingeschätzt, dass er seinen Freund länger als unbedingt nötig alleine lassen würde. Oder nahm Steve die Situation nach Peppers Erklärung über das Geschehene nun etwas lockerer?

Als der Supersoldat schließlich um die Ecke bog, war klar, dass letzteres nicht der Fall war. Seine Haare waren völlig aus der Form gebracht, Schweißflecken unter den Achseln, barfuß und ein Gesichtsausdruck als wollte er jemanden umbringen. Spätestens letzteres alarmierte sie definitiv.

Sie spürte wie Clint sich anspannte, während der Rest verwundert in Steves Richtung sah und sein Verhalten genauso wenig einzusortieren vermochte wie sie.

Sein wütender Blick traf Pepper. Das war sogar noch irritierender.

„Ich will die Wahrheit wissen. Jetzt.“, verlangte er und stellte sich zu ihnen. Sein Blick fixierte Pepper. Es klang passend zu seinem Gesichtsausdruck. Wütend. Vielleicht etwas mordlüstern. Aber da war noch mehr. Es war schwer zu erkennen, doch Nat konnte sehen, dass Verzweiflung und Angst nicht weit waren. Wahrscheinlich waren sie der Boden, auf dem die Wut emporgesprossen war.

Natascha rümpfte die Nase. Konnte sie da Blut riechen?

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Was ist denn nur passiert? Ist was mit Loki?“, wollte Pepper besorgt wissen und streckte eine Hand aus, um Steve in einer mitfühlenden Geste an den Arm zu fassen. Es schien ihn lediglich wütender zu machen. Er holte aus und ließ seine Faust mit Wucht auf den Tresen zwischen Pepper und Natascha knallen. Das gesamte Geschirr darauf klapperte und die Delle im Holz war deutlich sichtbar. Pepper zucke zusammen, zog ihre Hand zurück und sah völlig verwirrt nach oben in Steves Gesicht. Dieser plötzliche Wutausbruch schien auch Tony und Bruce zu versteinern, die ihn beide anstarrten. Offensichtlich nicht fähig darauf zu reagieren. Dieser Mangel an Beherrschung gepaart mit der Muskelkraft würde jedem Angst machen. Ihnen nicht. Keiner der Anwesenden zeigte auch nur eine Spur davon. Es war beunruhigend, aber nur deshalb, weil ihr Freund offensichtlich gewaltige Probleme hatte.

„Habt ihr das zusammen ausgeheckt?“, zischte Steve Pepper entgegen. „Ich will sofort wissen, was sie ihm angetan haben.“, verlangte er. Dabei drehte er sich so direkt zu Pepper, dass Natascha seinen Rücken sehen konnte. Das weiße T-Shirt war mit Blut vollgesogen. Es war an einigen Stellen zerrissen. Ragten da Holzsplitter aus dem weißen Stoff heraus?

„Steve!“, rief Natascha aus und sprang von ihrem Stuhl, dicht gefolgt von Clint. „Du blutest!“, sagte sie und war schon halb dabei sein T-Shirt anzuheben, um sich die Verletzung ansehen zu können. Doch der Soldat drehte sich nur weg und trat wieder einen Schritt zurück, sodass er mit dem Rücken wieder nach außen stand und niemand das Blut sehen konnte. Es war offensichtlich, dass er um Fassung kämpfte.

Das schien die anderen auch aus ihrer Starre zu lösen. Bruce stand auf, sah Steve besorgt an, schien aber noch unentschlossen ihn einfach zu umrunden und sich seinen Rücken anzusehen.

„War das Loki?“, wollte Tony wissen, der Pepper enger an sich gezogen hatte. „Was zur Hölle ist los? Jarvis, geht es Loki gut?“, verlangte er zu wissen und ließ seine Freundin ebenfalls aufstehen, weigerte sich aber weiterhin den Kontakt mit ihr aufzugeben.

„Ich will wissen, was ihr verheimlicht!“, antwortete der Soldat. Er zwang sich sichtlich dazu ruhig zu sprechen, als er das Wort erneut an Pepper richtete.

„Mr. Odinson ist in körperlich unbedenklichem Zustand.“, ließ die KI zwischendrin verlauten. Natascha entging nicht, dass Jarvis extra zwischen körperlichem und geistigem Zustand an dieser Stelle unterschied. Und zum geistigen Zustand nichts weiter sagte.

Schon fast genervt schüttelte Pepper ihren eigenen Freund von sich und trat dann auf Steve zu. „Wir verheimlichen nichts, Steve. Ich habe euch alles erzählt. Sie haben ihm nichts angetan.“, erklärte sie in einer sehr verständnisvollen Tonlage. Vorsichtig legte sie ihm eine Hand auf den Oberarm. Diesmal ließ er es zu und die Wut wich aus seinem Blick als er Pepper ansah und das, was darunter verborgen war, trat zum Vorschein. Verzweiflung. Angst. Wie Natascha bereits geahnt hatte.

„Ihr wart voneinander getrennt. Vielleicht…“, fing er an, doch sie unterbrach ihn sofort.

„Waren wir nicht. Das war nur eine Ausrede, damit ich nicht in der Position war etwas erklären zu müssen.“, führte sie weiter aus. „Wir waren keine Sekunde voneinander getrennt, Steve. Ich weiß, dass sie ihm nichts angetan haben.“, wiederholte sie schließlich. Der Soldat sah ihr einige Sekunden einfach nur in die Augen, versuchte offenbar zu entscheiden, ob er ihr glauben sollte oder nicht. Dann atmete er tief ein und aus und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.

Es war seltsam. Loki war mächtig genug um zu verhindern, dass ihm etwas angetan wurde. Steve wusste das. Die Annahme, dass die Söldner ihn tatsächlich misshandelt haben können, entbehrte jeglicher Logik. Doch offensichtlich ist etwas passiert. Etwas das Steve voller Wut auf Pepper hatte losgehen lassen.

„Steve, wieso bist du verletzt?“, ergriff dann Clint das Wort. Ohne zu zögern trat er auf den Soldaten zu. Er hatte keine Bedenken ihn zu umrunden und auf seinen Rücken zu schauen.

„Ich… Loki hat mich von sich geschleudert. Ich bin in der Kommode gegenüber dem Bett gelandet.“, antwortete Steve.

Bei den Worten ihres Freundes warf Nat Tony einen Blick zu. Sie erwartete einen dummen Kommentar an dieser Stelle. Etwas wie ´Wolltest sein Nein wohl nicht akzeptieren.` oder etwas ähnlich Unsensibles. Aber der Milliardär sah nur betroffen zu Boden und legte sich die Hand ans Kinn um dort deutlich nervös über seinen Bart zu streichen.

Nun umrundete auch Bruce den Soldaten und machte sich an seinem T-Shirt zu schaffen. Nat sah ihn die Mundwinkel verziehen bei dem Anblick.

„Er hat Angst vor mir.“, murmelte Steve dann wieder nach einigen Sekunden und sah Pepper an. Es erklärte, warum er direkt auf die Idee gekommen war, dass bei den Söldnern doch irgendetwas vorgefallen sein musste. Es schien zum ersten Mal vorgekommen zu sein, sonst hätte Steve es nicht so sicher in Zusammenhang mit der Entführung gebracht. Bei Emmas Anblick hatte Nat ebenfalls direkt den Eindruck einer Misshandlung erhalten. Aber das war alles nur eine Illusion gewesen. Nicht echt. Und wie bereits erwähnt ziemlich lächerlich.

Mit einem Ausdruck voller Mitleid und Sorge trat Pepper vor und ergriff Steves Hände. „Das muss eine andere Ursache haben. Er weiß, dass du ihm nie weh tun würdest.“, versicherte sie ihm.

Clint drehte den Kopf wieder in Richtung seiner Partnerin. Sie tauschten kurz ihre Gedanken aus und dann richtete die Attentäterin ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Milliardär. Anscheinend hielt der es definitiv nicht für wichtig sich hier in den Vordergrund zu spielen. Was an sich schon sehr verdächtig war. Es kamen keine Kommentare, keine ausladenden Gesten oder abfälligen Geräusche. Nichts. Und er sah immer wieder zu Boden, strich durch seinen Bart und selbst seine Körperhaltung war eher nach innen gerichtet. Er schien sich sehr unwohl in seiner Haut zu fühlen. Ein Anblick, von dem Natascha nie erwartet hatte, dass er ihr vergönnt würde.

„Warum so still, Tony?“, wollte sie also wissen. Fast ertappt zuckte sein Kopf hoch und ihre Augen trafen sich. In den braunen Augen spiegelte sich ein Stück Horror. Beinahe bereute sie es Tonys auffälliges Verhalten angesprochen zu haben. Sie war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie hören wollte, was ihn sich so unwohl fühlen ließ. Doch es war zu spät.

„Weißt du etwas?“, wollte Steve sofort wissen und wandte sich dem Milliardär zu. Bruce hatte inzwischen die Inspektion seines Rückens beendet und schien deutlich entspannter als vorher. Offenbar war es nichts Ernsthaftes. Abgesehen davon würde Steves Supersoldatenkörper ohnehin fast alles in Rekordzeit wegheilen.

„Ähm… nun ja, also wissen ist nicht wirklich das richtige Wort dafür. Es ist eher eine Ahnung und das muss nichts heißen, also…“, druckste Tony herum und machte sich mit jedem Wort nur verdächtiger. Er wollte wirklich nicht herausrücken mit was auch immer diese Ahnung war.

„Tony.“, unterbrach der Soldat ihn direkt mit einem angestrengt ruhigen Tonfall.

Angesprochener erwiderte seinen Blick und presste die Lippen aufeinander. Seine Augen huschten kurz zu Bruce, bevor er wieder zu Steve sah. Dann seufzte er und kratzte sich am Hinterkopf. Es war deutlich eine Übersprunghandlung, um noch etwas Zeit zum überlegen zu gewinnen. „Also…“, fing er an. „… ich weiß nichts. Ich habe bloß eine Ahnung… die keinem hier besonders gefallen wird.“ Er sah kurz Pepper an, offenbar noch einmal darüber nachdenkend, wie er es formulieren sollte, um ihr möglichst wenig Traumata zu verursachen. Er hatte Peppers Fähigkeit Sachen objektiv zu betrachten und ihren eigenen geistigen Zustand zu schützen immer unterschätzt. Selbst Nat musste zugeben, dass sie die zierliche Frau zu Beginn anders eingeschätzt hatte. Doch je länger sie miteinander zu tun gehabt hatten, desto mehr hat Natascha verstanden wir willensstark und gefestigt diese Frau war. Sie scheute sich nicht davor ihre Empfindungen zu zeigen, während die anderen sie öfters einfach vor dem Rest verbargen. Das erzeugte häufig einen falschen Eindruck.

„Hab eigentlich eh damit gerechnet, dass irgendetwas in der Art passieren könnte. Eigentlich eher direkt zu Beginn eures Techtelmechtels.“, murmelte Tony und sah zu Boden. Offenbar war etwas länger als eine Woche für den Milliardär nicht mehr der Beginn einer Beziehung. Allerdings war das wohl nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass vor Pepper sein Liebesleben aus One Night Stands bestanden hatte.

„Tony, hör auf Zeit zu schinden. Raus damit!“, verlangte Clint schon fast genervt.

„Eigentlich könnte jeder von euch selbst darauf kommen.“, sprach Tony weiter. Es war direkt seltsam, dass er auf Clints herrischen Tonfall nicht mit Sarkasmus reagierte. Stattdessen sah er noch einmal in die Runde. Als sein Blick Nat traf, formte sich ein gewisser Gedanke in ihrem Kopf. Das hier würde definitiv unschön werden.

„SHIELD war nicht zimperlich. Sie haben ihn komplett auseinandergenommen. Ich habe einige Berichte über sein Reproduktionssystem gelesen und die Videodokumentationen dazu waren nicht unbedingt netter anzusehen.“, berichtete der Milliardär und fixierte Steve dabei. Der schien einen Moment zu brauchen, bis er begriff, was Tony mit Reproduktionssystem meinte. Dann wurde er sichtlich einige Nuancen blasser.

„Die Proben, die ich vernichtet habe, waren Großteils Spermaproben. Ihr wollt nicht wissen, was sie damit vorhatten.“, fügte der Milliardär noch hinzu.

Natürlich. Wie hatte Natascha nicht selbst sofort daran denken können? Immerhin war klar gewesen das SHIELD vor nichts Halt machen würde. Das hatte ja schon das Video gezeigt, dass sie alle bereits kannten. Er war nichts weiter als ein Objekt für sie gewesen. Ihr Eigentum. In dem Moment, als Steve erklärt hatte, was vorgefallen war, hätte es ihr klar sein müssen. Vielleicht war es tatsächlich etwas seltsam, dass es erst jetzt passierte. Andererseits hatte Steve ja auch immer ziemlich beruhigend auf ihren Asgardier gewirkt. Es wäre interessant zu wissen, ob seine Panikattacken ohne den Soldaten noch immer ein Problem wären. Dass diese Panik beim Schlafen anscheinend schon vorher vorhanden war, wie Clints Erinnerungen nun beweisen, war zwar ein Hinweis darauf, dass SHIELD dafür zumindest nicht der Auslöser war, aber dennoch hatte die Behandlung sicher Spuren hinterlassen, die sich allein durch Steves Anwesenheit anscheinend nicht kaschieren ließen.

„Also ist es ein altes Problem. Aber du hast jetzt erst etwas getan, das es zum Ausbrechen gebracht hat.“, folgerte Natascha. Sie konnte sehen, dass sie recht hatte. Steve wusste, wovon sie sprach. Er hatte etwas getan, was Loki hatte ausflippen lassen. Und er wusste ziemlich genau, was es war.

Natascha wurde wieder klar, wie zerbrochen Loki eigentlich sein musste. Sie hatten ihn aufgesammelt, als er in Trümmern gelegen hatte. Und laut Clint war das vorher bereits kaum besser gewesen. Das alles würde nicht einfach verschwinden, auch wenn er es so erscheinen ließ. Sie und Clint hatten dank Belova nur einen Bruchteil seiner Panik miterlebt. Bloß weil er es nicht mehr nach außen zeigte, hieß es nicht, dass es verschwunden war. Sie wusste das besser als jeder andere in diesem Raum.

Als Steve und Loki ihre Beziehung zueinander publik gemacht hatten, war sie sehr zweigeteilter Meinung darüber gewesen. Sicher würde diese Beziehung Loki guttun, aber anders als Pepper, Tony und offensichtlich auch Bruce, sah sie die Gefahr für Steve. Und sie redete nicht von der Gefahr, sollte sich das alles als eine Art von Trick herausstellen, denn irgendwie konnte sie keine Falschheit in seinen Handlungen entdecken. Sie war inzwischen eher dazu geneigt Loki die Zuneigung zu Steve abzunehmen.

Was sie sorgte war, dass Lokis zweifelhafter Zustand negative Auswirkungen auf ihren Teamleader haben könnte. Steve war schließlich sehr offensichtlich dem Asgardier komplett verfallen. Doch es war nicht gesund mit jemandem, der derartige Probleme hatte eine Beziehung zu führen. Es würde ihn mit runterziehen. Diese Situation hier zeigte ihr nur wie recht sie hatte.

„Okay.“, ergriff Clint das Wort, als alle nur betreten schwiegen. „Also was ist mit ihm? Hat er eine Panikattacke und sitzt wimmernd in einer Ecke?“

Tony warf ihrem Scharfschützen einen wütenden Blick zu, während Pepper nur näher an Steve herantrat und sich an ihn lehnte, sicherlich in der Hoffnung ihm Trost zu spenden.

„Nein. Er… hat panisch reagiert. Aber nur für ein paar Sekunden. Danach wollte er allein sein.“, antwortete Steve trotzdem. Der leicht amüsierte Unterton in Clints Stimme schien ihm entweder nicht aufzufallen, oder er ignorierte es.

Natascha verzog eine Miene. Diese Reaktion Lokis hatte sich für Steve sicher angefühlt wie ein Schlag ins Gesicht. Nicht nur, dass er mit ziemlicher Sicherheit der Urheber der Reaktion gewesen ist, wenn auch ungewollt, Loki hatte ihn danach rausgeschickt, obwohl er sich wieder einigermaßen im Griff gehabt hatte.

„Dann sollten wir ihm vielleicht etwas Ruhe geben.“, schlug Bruce vor. Seine Augen hatten eine tief grüne Farbe angenommen. Nat konnte sehen, wie er Tony einen fragenden Blick zuwarf, als wolle er sich absichern, dass sein Vorschlag nicht falsch war.

„Ja.“, stimmte der Milliardär zu. „Wieso lässt du deinen Rücken nicht versorgen. Ich bin mir ziemlich sicher, Loki wird sich dafür nicht gerade mehr mögen.“ Und da war wieder dieser Blickkontakt zwischen den beiden Genies. Wollten die jetzt etwa ihre und Clints wortlose Kommunikation kopieren? Aber da war irgendetwas. Irgendetwas, das offensichtlich nur sie wussten, denn keiner der beiden beachtete Pepper oder Steve in diesem Moment.

„Okay. Ich denke, das sollte er wirklich nicht sehen.“, gab Steve zu und ließ sich von Bruce am Arm in Richtung des Fahrstuhls dirigieren.

„Natascha, ich könnte deine Hilfe gebrauchen.“, sprach Bruce sie dann noch an. Sie lächelte und lief den beiden sofort hinterher, allerdings nicht ohne Clint mit einem Blick klarzumachen, dass er Tony bloß nicht aus den Augen lassen sollte. Eigentlich hatte sie das machen wollen, aber da sie sich seit sie hier zusammen wohnten immer mit um die Verletzungen gekümmert hatte, war es nur logisch, dass der Wissenschaftler sie um ihre Hilfe bat. Es war aus dem Wunsch mehr Zeit mit ihm zu verbringen entstanden und dass sie ohnehin einiges an Ausbildung in Wundversorgung genossen hatte, war es nicht verkehrt gewesen.

Also fuhren sie zusammen mit dem Soldaten zur Krankenstation runter, wo Bruce ihn sich hinlegen ließ, ehe er mit ihr anfing die Holzsplitter aus der Haut zu ziehen. Natascha wusste was für Möbel bei Steve im Schlafzimmer standen. Die Kommode in der er gelandet war, bestand aus Massivholz. Wenn jemand anderes mit dieser Wucht dagegen geschleudert worden wäre, wäre mindestens die Wirbelsäule gebrochen gewesen. Vielleicht hätte es ihn auch direkt in zwei Teile getrennt.

Als die meisten Splitter raus waren, zerschnitt Bruce den restlichen Stoff und entfernte ihn, bevor er noch einmal genau absuchte, ob nicht noch etwas Holz übriggeblieben war. Währenddessen tauchte Pepper mit einem frischen Shirt für Steve auf. Es sah nicht neu aus, was bedeuten musste, dass jemand in Steves Zimmer gewesen ist. Sie wirkte zerknirscht, aber nicht übermäßig besorgt. Also ging es Loki wohl einigermaßen gut.

Schließlich reinigten Natascha und Bruce die Wunde und legten einen Verband an. Aus Erfahrung wusste sie, dass in zwei bis drei Tagen kaum noch etwas davon zu sehen sein würde.

Doch würde das die einzige Wunde bleiben? Steve wusste, was er ab jetzt definitiv nicht wiederholen sollte, doch möglicherweise gab es noch weitere Punkte, an denen Loki austickte. Was wenn das nächste Mal etwas passierte, dass Steve wirklich Schaden zufügte. Die Art von Schaden, die nicht in wenigen Tagen verschwunden war?

„Loki ist mit Tony und Clint im Gemeinschaftsbereich.“, informierte Pepper Steve, als dieser sich wieder aufsetzte und das Shirt entgegennahm. Er stockte bei dieser Nachricht in seinen Bewegungen. Natascha sah die Zurückhaltung. War das Angst, die sie da kurz in seinen Gesichtszügen aufblitzen sah? Sicher war es keine Angst vor dem Asgardier selbst. Viel eher vor dem, was er befürchtete, was jetzt zwischen ihnen geschehen könnte. Für einen Moment schien er unentschlossen, bevor er aufstand, Bruce und Nat dankte und dann zusammen mit Pepper den Raum verließ. Doch Natascha folgte ihm sofort. Was auch immer da genau vorging, sie musste Lokis Reaktion sehen, um die Situation bewerten zu können.

Pepper schien überrascht als Natascha sich zu ihr und Steve in den Fahrstuhl stellte. Natascha selbst war eher überrascht, dass Steve den Fahrstuhl überhaupt benutzte. Vielleicht tat ihm der Rücken mehr weh als er bislang gezeigt hatte. Denn er hatte nicht ein einziges Mal bei der Behandlung auch nur gezuckt.

Ohne zu zögern trat er aus dem Fahrstuhl sobald die Türen sich öffneten und lief weiter hinein. Natascha folgte ihm, zog gleichauf, denn der erste Augenblick war entscheidend. Schließlich entdeckte sie Loki mit den beiden anderen im Fernsehbereich. Er stand an der Couch und sah in ihre Richtung. Sein Blick verfing sich mit Steves. Der Soldat blieb stehen, während Natascha sich noch etwas weiter näherte.

Ein Wust aus Emotionen machte sich für wenige Sekunden auf Lokis Gesicht breit. Es war zu viel, als dass selbst sie alles hätte erkennen können. Doch sie sah Angst, Trauer, Verzweiflung und jede Menge Scham. Es wirkte echt. Sie glaubte ihm.

Dann ließ er den Blick zu Boden fallen und wirkte auf einmal in diesem Raum völlig verloren. Ohne ein Wort zu sagen, näherte Steve sich seinem Freund langsam aber bestimmt. Anscheinend wollte er ihm die Möglichkeit bieten darauf zu reagieren, sollte er den Wunsch verspüren. Natascha schloss ebenfalls zu den anderen auf, gefolgt von Pepper. Clint saß auf einem der Sessel und rührte sich nicht, beobachtete das Geschehen aber genauso wie Natascha. Sie wusste, dass er immer noch nach irgendetwas Ausschau hielt, das den Asgardier verraten würde. Genau wie sie. Nur dass Clint deutlich mehr zwischen den Möglichkeiten gefangen war. Er konnte nicht vergessen, was Loki ihm angetan hatte und genauso wenig konnte er seine Erinnerungen ignorieren. Sie wiederum hatte beschlossen Loki eine Chance zu geben, bis sie etwas entdeckte, das sie an seiner Aufrichtigkeit zweifeln lassen würde.

„Wir müssen unbedingt reden.“, sagte Steve, als er direkt vor dem Asgardier zum Stehen kam. Vorsichtig hob er seine Hände an und legte sie ihm jeweils seitlich halb in den Nacken und an die Wangen, bevor er den gesenkten Kopf nach oben dirigierte und ihn so zwang ihn anzusehen.

Loki wehrte sich nicht dagegen. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Stattdessen legte sich ein gequälter Ausdruck auf sein Gesicht als ihre Blicke sich trafen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten als er: „Ich weiß.“, antwortete.

Einen Moment betrachtete der Soldat den Asgardier. Fast als suche er etwas in dem Gesicht des anderen Mannes. Natascha konnte sich denken was das wohl sein würde. Irgendein Zeichen von Ablehnung oder Angst. Doch da war nichts Derartiges. Letztendlich zog Steve ihn in eine Umarmung und murmelte ihm etwas zu, das sie nicht verstehen konnte. Noch nicht einmal Lokis gesamte Reaktion darauf konnte sie erkenne, weil sein Gesicht von ihr weggedreht war. Allerdings entspannten sich seine Fäuste und er legte seine Arme um Steves Taille. Sie standen eine Weile so da. Pepper ging um die Couch herum und wurde von Tony auf seinen Schoß gezogen. Natascha nahm auf einer Armlehne des Sessels Platz, in dem ihr Partner saß. Niemand tat oder sagte etwas, als wolle keiner stören, was auch immer genau da zwischen ihrem Teamleader und dem Alien ablief. Selbst Tony nicht.

„Wow.“, kommentierte Clint plötzlich. „Je länger ich das beobachte, desto skurriler ist der Anblick dieser dichten Mischung aus Helfer- und Stockholm-Syndrom.“

Es durchriss die seltsam ruhige Atmosphäre sofort. Loki und Steve trennten sich voneinander zumindest soweit, dass beide den Scharfschützen mit einem fragenden Blick ansehen konnten.

„Clint.“, sagte Pepper etwas genervt.

„Was?“, wollte er wissen. „Jetzt sagt nicht, ich bin der Einzige, der das sieht.“

„Was bedeutet das?“, wollte Loki dann wissen und wurde von Steve, der sich auf die Couch setzte mit hinuntergezogen. Er hatte sich ziemlich gut wieder gefasst, ebenso wie Steve. Natascha konnte nicht einschätzen, was bei Loki im Kopf vor sich ging, aber sie wusste, dass Steve sich wieder beruhigt hatte, weil der Asgardier in anscheinend nicht ablehnte.

„Jarvis?“, wandte Clint sich an ihre KI.

„Das Stockholm-Syndrom beschreibt einen psychologischen Effekt, in dessen Rahmen Opfer von z.B. Geiselnahmen positive emotionale Gefühle zu ihren Entführern aufbauen. Das Spektrum kann von einfacher Sympathie bis hin zur Kooperation und im Extremfall zur Empfindung von Liebe für den Täter reichen.“ [1], zitierte die KI irgendeine Definition aus dem Internet. Sie machte eine kurze Pause, bevor sie weitersprach. „Personen mit dem Helfersyndrom entwickeln aufgrund mangelnden Selbstwertgefühls das Bedürfnis anderen Leuten zu helfen. Dieser Drang kann so stark werden, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse ignorieren und so Gefahr laufen an einer Depression oder einem Burnout-Syndrom zu erkranken. Solche Personen wählen gezielt einen Beruf in dem sie in der Rolle des Stärkeren sind und einen Partner, der von ihnen abhängig ist.“

„Oh Mann…“, murmelte Tony im Hintergrund und rieb sich mit der Hand über die Augen. Steve sah Clint an, als hätte dieser nicht mehr alle Tassen im Schrank, während Loki lediglich skeptisch eine Augenbraue anhob.

Natascha musste zugeben, dass diese Einschätzung der Beziehung nicht komplett abwegig war, obwohl das Helfersyndrom bei Steve zum Glück nicht dermaßen stark ausgeprägt zu sein schien, dass sie sich Sorgen machen würde. Zumindest meistens nicht. Doch sie hatte auch gesehen, wie er ohne Pause sich komplett aufopferte, wenn es eine Situation gab, die sich dafür anbot. Seine ehrenamtlichen Tätigkeiten hatte er seit Lokis Befreiung immer wieder pausiert. Doch davor war er ziemlich eingespannt mit ihnen gewesen.

Was Loki anging, so bot er in seinem Zustand natürlich einen perfekten Interessenspunkt für so eine Person. Und wie Lokis Zuneigung zu Steve entstanden war, war ihr ohnehin schleierhaft. Alles in Allem war die Entstehung dieser Beziehung für sie völlig unverständlich gewesen. Doch immerhin war Steve dafür zuständig, dass Loki schlafen konnte ohne völlig auszurasten. Würde das reichen um das Stockholm-Syndrom greifen zu lassen? Und hätten diese positiven Gefühle gegenüber Steve nicht zuerst da sein müssen, damit er diesen beruhigenden Effekt hätte? Es war in jedem Fall eine interessante Hypothese.

„Ich bin nicht von dir abhängig.“, wandte Loki sich nun an Steve und stupste ihn mit dem Zeigefinger vor die Brust. Er klang ziemlich neutral dabei. Als wolle er nur etwas verbalisieren, was ohnehin klar war und eigentlich keiner weiteren Diskussion bedurfte. „Allerdings ist es interessant, dass eure menschliche Psyche sich zu Derartigem hinreißen lässt.“, wandte er sich dann wieder an den Scharfschützen.

„Hm.“, machte Clint. „Du kannst ohne ihn nicht schlafen. Ich würde sagen, du bist ziemlich abhängig.“

Loki sah ihn einen Moment an. Es wirkte, als wolle er das nun doch ausdiskutieren. Allerdings gab er dann letztlich nur ein abfälliges Geräusch von sich und lehnte sich zurück gegen Steves Arm, der um seine Schultern geschlungen war.

Natascha konnte das triumphierende Lächeln auf Clints Lippen schon fast spüren. Doch so wie Loki kurz das Gesicht verzogen hatte, steckte da etwas anderes dahinter. Er hatte sich dazu entschieden ihn nicht zu belehren, nicht weil er keine Argumente hatte, sondern weil er das in diesem Moment zumindest nicht tun wollte.

Natascha betrachtete wie die beiden Männer zusammen auf der Couch saßen. Steve hatte einen Arm um seinen Freund gelegt und mit der anderen Hand eine von Lokis ergriffen. Er schien ziemlich erleichtert darüber, dass es keine Probleme nach Clints Theorieäußerung zu geben schien. Loki schien sich tatsächlich nicht davon verunsichern zu lassen. Auch die ganzen Sticheleien denen sie ausgesetzt gewesen waren bisher, hatten ihn kaum tangiert. Eher schien er die Art von Person zu sein, die dabei mitspielte und ungeniert zurückstichelte. So verbohrt und verstockt wie Steve war er bei dem Thema Sexualität definitiv nicht.

„Gut, da wir das jetzt geklärt haben, ist zwischen euch alles wieder in Ordnung?“, ergriff Tony das Wort. „Ich meine, wenn der große, böse Mann dir Angst macht, kannst du ja bei uns schlafen. Blinzle drei Mal, wenn ich dich aus seiner Umklammerung befreien soll.“, bot er Loki mit einem Grinsen auf den Lippen an. Er versuchte die Situation mit dem Sarkasmus ins Lächerliche zu ziehen und ihr so die Ernsthaftigkeit zu nehmen. Das war recht häufig seine Strategie mit unangenehmen Dingen umzugehen.

Steves Gesicht verhärtete sich sofort. Er zog den Asgardier näher an sich heran, festigte seinen Griff um seine Hand und warf Tony einen Blick zu, der ihm ohne Zweifel sagte, dass er sich bloß fernhalten sollte. Offenbar fand er das weniger lustig. Andererseits fand er bisher Tonys geflirte mit seinem Freund noch gar nicht komisch. Auf Natascha wirkte es fast so, als würde er in dem Milliardär tatsächlich einen Konkurrenten sehen. Vielleicht wäre er das, wenn es Pepper nicht gäbe, denn Lokis Charme war äußerst wirksam. Das Flirten zwischen ihnen ließ Tony definitiv nicht kalt. Sie fragte sich, ob ihm selbst das bereits aufgefallen war.

Loki selbst hingegen sah ihn nur skeptisch an und ließ sich von dem Soldaten an sich ziehen. Er hatte bisher mit der besitzergreifenden Art keine Probleme gehabt und das schien so zu bleiben. Tonys Angebot würdigte er nicht einmal mit einer Antwort.

„Steve, wir haben es verstanden. Sein Hintern gehört dir. Du könntest es nur noch offensichtlicher machen, wenn du ihn anpinkelst.“, mischte Clint sich wieder ein, verzog dann etwas angeekelt das Gesicht. „Tu´s nicht.“, fügte er gleich darauf noch hinzu und schüttelte den Kopf etwas als wolle er so den Gedanken wieder herausbekommen.

Natascha hörte den Fahrstuhl. Anscheinend war Bruce fertig mit dem Aufräumen. Sie hatte ein etwas schlechtes Gewissen ihn damit alleine gelassen zu haben. Aber sie hatte das hier nicht verpassen dürfen.

Der Wissenschaftler lächelte, als er Steve und Loki zusammen sah, sagte aber kein Wort und nahm im Sessel auf der anderen Seite der Couch Platz.

„So, jetzt wo alle wieder hier sind, können wir die ernsten Dinge ansprechen.“, ergriff Tony erneut das Wort. „Zum Beispiel die Tatsache, dass du schon vor SHIELD Schlafstörungen hattest, die Flüche die auf dir liegen…“ Natascha sah wie Loki Bruce einen unerfreuten Blick zuwarf, woraufhin dieser nach unten sah und sich ganz offensichtlich wünschte doch nicht hier zu sein. „…was auch immer du da getan hast als du mit Pepper dieses Projektions-Dings gemacht hast und eigentlich überhaupt mal, was du so draufhast. Und dann hätten wir dringend mal eine Information nötig, was zur Hölle wir eigentlich tun können, wenn du dich mal wieder ausknockst? Wenn ich noch einmal tagelang warten muss ohne zu wissen ob du uns unter Hand wegstirbst und noch nicht einmal was dagegen unternehmen kann, raste ich womöglich aus. Und vor allem: Findest du, dass wir dich mit Samthandschuhen anfassen? Außerdem: Der Intelligenzfilter auf Sleipnir? Cooler Partytrick. Den sollte ich als Einstellungstest verwenden.“, betete der Milliardär in einem Plauderton herunter.

„Ich denke nicht, dass dein Unternehmen derart groß wäre, wenn Sleipnirs Akzeptanz eine Einstellungsvoraussetzung wäre.“, gab Loki zu bedenken und löste seinen Blick von dem Wissenschaftler um sich Tony zuzuwenden.

„Nein. Aber wir wären wohl trotzdem produktiver.“, grinste dieser und sah Bruce begeistert an, der als Antwort darauf lächelte. Auch wenn es nicht wirklich echt war. Schuldbewusst sah er erneut zu Loki. Er hatte ja gesagt, dass er über die Flüche eigentlich nicht hatte reden dürfen.

„Okay, bevor ihr euch weiter zu eurer überragenden Genialität gegenseitig gratuliert und Steves Kopf vor Eifersucht platzt, sollten wir vielleicht die anderen Punkte besprechen, die du angesprochen hast.“ meldete sich Clint. Er hatte nicht unrecht. Ihr Teamleader schien sich sehr bewusst über seinen mangelnden Intellekt zu sein. Zumindest wenn man ihn mit Leuten wie Tony oder Bruce verglich, denn eigentlich war er eine sehr schlaue Person. Niemand sollte sich auf diesem Gebiet mit Tony oder Bruce vergleichen. „Deine Schlafprobleme? Die hast du nicht SHIELD zu verdanken.“, sprach der Scharfschütze weiter.

„Ich erinnere mich nicht das jemals behauptet zu haben.“, entgegnete Loki und hob nur eine Augenbraue an als er Clint ansah. Damit hatte er recht. Sie waren nur direkt davon ausgegangen, dass die Probleme sich durch SHIELDs Misshandlungen entwickelt hatten. Er hatte lediglich nie widersprochen.

„Was ist mit ihm?“ Clint zeigte auf Steve. „Ist die Reaktion von SHIELD? Oder hat sich auch schon vorher jemand über dich hergemacht?“, wollte er wissen. Seine Stimmlage zeigte deutlich, dass Lokis vorangegangene, hochnäsig klingende Antwort ihn aufgeregt hatte. Normalerweise würde Natascha ihn für eine solch Frage an dieser Stelle irgendwo hin kneifen, wo es wehtat, doch sie war viel zu beschäftigt damit die die Reaktion ihres Asgardiers zu beobachten.

Es gab nämlich keine. Er zuckte nicht mal mit der Wimper. Seine Augen waren weiterhin ruhig auf den Scharfschützen gerichtet.

„Clint.“, warnte Pepper ihn von Tonys Schoß aus mit deutlicher Unzufriedenheit in ihrer Stimme. Steve schien seine Umarmung um seinen Freund nur noch zu intensivieren und der Schmerz an die Erinnerung des Geschehens war in seinem Gesicht so gut zu lesen, dass ein Affe verstanden hätte, was in ihm vorging. Noch ein Punkt, warum sie Clint irgendwo hin kneifen wollte, wo es wehtat. Ihr Partner hatte Loki aufrühren wollen, doch dieser verzog nicht einmal eine Miene. Er hatte es lediglich geschafft ihrem Teamleader wehzutun.

„Wollt Ihr eine Liste, welche meiner Verhaltensstörungen auf SHIELDs Behandlung zurückzuführen sind, Agent Barton?“, fragte Loki ihn dann, als würde er über das Wetter reden. Ohne jegliche Emotion. Ohne auch nur ein Zucken in seinem Gesicht.

„Das reicht!“, schnitt Steve schließlich jegliche Antwort ab, als Natascha hörte, wie Clint zur Antwort Luft holte. Dachte sie zumindest.

„Eigentlich würde es mir zunächst reichen, wenn du ausnahmsweise eine verdammte Frage zu deiner Vergangenheit beantworten würdest.“, zischte Clint und ignorierte Steves Einwand komplett.

Okay. Das reichte wirklich. Natascha drehte sich um, doch Clint hatte das lange kommen sehen und fing ihre Hände direkt ab, als sie versuchte ihn zu erreichen.

„Okay, können wir diesen Idioten rausschmeißen?“, regte Tony sich auf. Doch seine Entrüstung verhallte sehr schnell und Natascha drehte etwas überrascht ihren Kopf wieder zurück, während sie völlig verdreht noch immer auf der Lehne saß und mit Ihrem Partner um die Freiheit ihrer Hände rangelte.

Lokis Gesichtsausdruck hatte sich nicht geändert. Emotionslos. Steve dagegen schien Clint nur deshalb nicht zu ermorden, weil er keinen Zentimeter von Lokis Seite weichen wollte. Was Tony den Mund halten ließ, war, dass eben dieser ihm eine Hand entgegenstreckte. Eine deutliche Geste, dass er still sein sollte. Erstaunlich, dass das nicht ignoriert wurde.

„Es gab einige Personen in der Vergangenheit, die… sich über mich `hergemacht´ haben. SHIELD waren bloß die ersten, die damit tatsächlich ohne mein Einverständnis erwähnenswert weit gekommen sind.“, antwortete Loki ohne den Augenkontakt zu ihrem Scharfschützen zu unterbrechen. Als nächstes schob er mit einer sehr bestimmten Geste Steve von sich, der etwas irritiert und verletzt sich nicht dagegen wehrte. Dabei rutschte der Asgardier auf der Couch etwas von ihm weg. „Braucht Ihr noch weitere Informationen, Agent Barton?“, fragte er dann. Natascha rutschte von der Lehne hinunter in Clint Schoß. Er ließ ihre Hände los, doch sie dachte nicht einmal daran diese Chance zu nutzen. Ein kalter Schauer lief ihren Rücken entlang bei den Worten des Asgardiers. Oder viel weniger bei den Worten. Eher bei dem Tonfall. Seinem Verhalten. „Tony sagte, er hätte die Aufnahmen für jeden unzugänglich gemacht, aber wenn es Euch so interessiert, könnte ich Euch das Vorgehen beschreiben. Mein Erinnerungsvermögen ist äußerst erstaunlich, wie mir bereits öfters zugetragen worden ist. Sicher kann ich Eure Neugier befriedigen.“, sprach Loki einfach weiter. Hätte er Steve nicht von sich geschoben, hätte Natascha nicht einen Hinweis darauf gesehen, dass dieses Thema irgendeine Art von Relevanz für ihn hatte. Es war beunruhigend, dass Loki sich selbst so darstellen konnte, bei etwas von dem sie wusste, dass es ihn in eine Panikattacke schleudern konnte, nachdem das gerade erst passiert war und sein Freund neben ihm saß, dem seine eigene Verzweiflung dieses Thema betreffend ins Gesicht geschrieben stand. Und nun sah Loki Clint an, als erwarte er tatsächlich eine Antwort.

Natascha riss ihren Blick von dem Asgardier los. Steve sah aus, als würde er jeden Moment den Verstand verlieren. Er ertrug die Situation nur schlecht. Auf der anderen Seite der Couch hatte Tony Pepper sehr eng an sich gezogen und seine Arme um sie gelegt in einer eindeutig schützenden Art und Weise, während er wütend vor sich hinstarrte. Pepper selbst betrachtete Loki während Tränen ihre Wangen herabliefen. Bruce Fokus lag auf Clint. Seine Augen waren wieder grün. Aber er verlor die Kontrolle nicht. Sie kannte sich damit inzwischen aus. Sie sah, wann es nötig war ihn zu beruhigen und wann er das noch selbst fertigbrachte. Sie könnte es dennoch als Entschuldigung benutzen, um sich bei ihm auf den Schoß zu setzen.

„Nicht?“, erklang Lokis Stimme erneut, nachdem Clint nicht antwortete und brachte Natascha wieder dazu ihm ihre Aufmerksamkeit zu schenken. „Ich nahm an meine Bereitwilligkeit meine Erfahrungen mit Euch zu teilen würde Euch erfreuen.“, sprach er weiter, diesmal mit einer deutlichen Spur von Sarkasmus. „Aber ich sehe, das Interesse reicht nur soweit, bis es für Euch selbst unangenehm wird.“

Lokis Augen waren noch ein paar Sekunden auf den Scharfschützen gerichtet, der inzwischen den Blick abgewandt hatte. „Nun denn, vielleicht schneiden wir dann einfach das nächste Thema an.“, schlug er in die Runde vor, bevor er sich wieder auf Clint fokussierte. „Beschäftigt Euch noch etwas so brennend, Agent Barton?“

Clint schwieg. Hätte er das nicht getan, hätte der Rest der Anwesenden ihn höchstwahrscheinlich auch sofort gelyncht. Oder in Hulks Fall eher zermatscht.

„Eine Sache.“, meldete Bruce sich nach einigen Sekunden zu Wort. Seine Augen waren noch immer grün. Aber es schien, als wären sie bereits wieder dunkler und auf dem Weg zurück in ihr warmes Braun. Natascha hatte ihre Chance vertan sich ihm zu nähern. „Du… wir wissen immer noch nicht, wie wir dir helfen können, wenn du verletzt bist.“

„Mein Seydr wird sich von alleine darum kümmern.“. antwortete Loki lediglich.

„So wie es sich um deinen Rücken gekümmert hat?“, wollte Tony dann missgelaunt wissen.

Natascha rutschte richtig in den Sessel rein und machte es sich quer auf Clints Schoß bequem. Als sie ihn kurz ansah, mied er ihren Blick. Er wollte jetzt nicht mit ihr kommunizieren. Loki hatte es effektiv geschafft ihn sich schlecht fühlen zu lassen.

„Loki, wir wissen, dass dir hier auf der Erde nichts so einfach gefährlich werden kann. Aber was, wenn wieder jemand von Außerhalb hier auftaucht?“, intervenierte Pepper sofort.

„Ja, was wenn der nächste Verrückte auftaucht, dem du oder Thor auf den Schlips getreten sind? Du hast ja gezeigt, dass du nicht einfach zusehen kannst, wenn wir plattgemacht werden.“ Tony warf Clint einen missgelaunten Blick dabei zu. „Und ich bin nicht der einzige, den es wahnsinnig macht dich zu beobachten, ohne etwas tun zu können. Oder überhaupt zu wissen, ob du uns einfach wegstirbst.“

Der Asgardier gab ein fast genervtes Geräusch von sich. „Ihr habt nicht die nötige Ausrüstung, die benötigten Fähigkeiten oder die nötigen Materialien, um irgendetwas auszurichten.“, sagte er. Dann sah Natascha ihn einen Moment innehalten, als wäre ihm etwas eingefallen. Doch er sagte nichts. Und niemand schien es bemerkt zu haben.

„Aber?“, meldete Natascha sich also zu Wort. „Komm schon. Das habe ich gesehen.“, fügte sie noch hinzu, als Loki sie ansah.

„Ich könnte einen Heilzauber auf Sleipnir hinterlegen.“, sagte er schließlich.

„Das heißt?“, wollte Bruce wissen.

„Ihr müsstet ihn mir in die Hand legen, damit er auf mich wieder überspringt und bei der Heilung hilft.“, erklärte Loki und lehnte sich wieder nach hinten. Steve hatte sich noch immer nicht getraut seinen Arm wieder um ihn zu legen. Er sah aus, als würde es ihm äußerst schwer fallen seine Finger von ihm zu lassen. Aber Loki beachtete ihn nicht. Natascha war sich ziemlich sicher, dass ihm sein Verhalten jedoch auffiel. Steve war nicht wirklich subtil. Auch wenn er es anscheinend versuchte. Sie musste ihn wirklich mal dazu bringen sich etwas von ihr beibringen zu lassen.

„Das heißt, du bist bewusstlos oder sonst wie verletzt, ich oder Bruce -wahrscheinlich eher ich, weil in so einer Situation eher der Hulk damit beschäftigt sein wird irgendwem die Gliedmaßen auszureißen- legen dir den Dolch in die Hand, es passiert irgendetwas das keiner von uns versteht und du wachst auf oder deine Wunden schließen sich?“, fasste Tony zusammen.

„Nein.“, widersprach der Asgardier. „Der Zauber von dem ich spreche wird nur aktiv, wenn ich mich auf der Schwelle des Todes befinde. Und er wird mir gerade genug Kraft geben, um mein Ableben zu verhindern. Ich werde mein Bewusstsein dadurch nicht wiedererlangen.“

Etwas irritiert sahen alle sich gegenseitig an. „Erzähl mir nicht, dass das alles ist, was du kannst.“, sprach Tony dann aus, was alle dachten.

„Das habe ich nicht behauptet.“, erwiderte Loki und zog eine Augenbraue hoch.

„Dann mach da einen richtigen Heilzauber drauf!“, verlangte der Milliardär direkt.

„Nein. Und das steht nicht zur Debatte.“, antwortete der Außerirdische in einem sehr finalen und dennoch ruhigen Tonfall.

„Loki…“, fing Pepper an.

„Was zur Hölle, Loki!“, fand an der Stelle aber Clint seine Sprache doch wieder. Natascha spürte, dass er aufgesprungen wäre, würde sie ihn nicht blockieren. „Du musst dir die Trauermienen ja nicht jedes Mal ansehen, wenn was mit dir ist! Und was ist mit Steve? Soll der dasitzen und hilflos vor sich hin heulen? Ist es das was du willst!?“, regte er sich auf. Als Natascha sich zu ihm umdrehte, konnte sie die Wut sehen, die in ihm brodelte. Es war merkwürdig diese dauernden Gemütswandlungen zu beobachten, wenn es um den Asgardier ging. Clint hatte sich noch immer nicht angefreundet, mit dem was passiert war, er war noch immer sauer auf Loki, doch gleichzeitig wusste er, dass der mit ziemlicher Sicherheit nichts dafürkonnte. Oder zumindest deutlich weniger als sie gedacht hatten. Manchmal war es schwierig für ihn sich darauf zu einigen, ob er Loki ablehnte oder nicht. Ob er ihn mochte oder hasste. Sein Verstand und seine Gefühlswelt konnten sich einfach nicht einigen.

Doch hier und jetzt war er wütend, dass der Außerirdische es ihnen nicht möglich machte ihm richtig zu helfen, wenn ihm etwas passieren sollte. Obwohl er das offenbar könnte.

Loki schien die Ungereimtheit ebenfalls aufzufallen. Er wandte sich dem Scharfschützen zu. Überrascht hob er die Augenbrauen an.

Natascha sah, wie Pepper sich nach vorne lehnen wollte, sicherlich um Loki zu berühren, doch gegen Tonys Klammergriff nicht ankam. Steves Blick war mörderisch, wie er seinen Freund ansah. Doch bevor jemand etwas Weiteres sagen oder tun konnte, ergriff Loki erneut das Wort.

„Das ist nicht meine Intention.“, sprach er. „Meine Vorgehensweise ist zu eurem Schutz nötig.“

„Was?“, wollte Tony direkt wissen.

„Loki, das macht keinen Sinn.“, stimmte Bruce zu.

„Ist das dein Ernst?“, fragte Steve ohne die Wut in seiner Stimme zu verbergen. Sie konnte verstehen, dass ihn das aufregte. Mehr als jeden anderen.

Doch Loki beachtete keinen von ihnen. Seine Überraschung wich erneut der Neutralität und sofort war für Natascha nichts mehr zu sehen. Er bot ihr keine Möglichkeit ihn zu lesen. Sie wusste nicht, was genau seine Absicht dahinter war. Wollte er einfach seine Emotionen nicht zeigen? Wollte er nicht, dass sie mehr sah, als er bereit war preiszugeben? Immerhin war es kein Geheimnis, dass sie ziemlich gut darin war. Oder war das reiner Selbstschutz?

„Ich verstehe.“, sagte Clint plötzlich und hatte sofort die Aufmerksamkeit jedes Anwesenden. „Trotzdem eine ziemlich dumme Vorgehensweise.“, fügte der Scharfschütze hinzu und lehnte sich im Sessel wieder zurück. Als sei für ihn dieser Punkt auf einmal geklärt.

Als Natascha ihren Partner ansah, dämmerte ihr, was in ihm vorging.

„Es ist für mich von Nöten sich in dieser Angelegenheit euch anzupassen.“, ergriff Loki erneut das Wort. Hatte er sie da gerade beleidigt? „Tony würde den Zauber auch dann anwenden, wenn ich gerade euer Gegner bin. In dem Fall sollte ich nicht sofort wieder genug Kraft haben, um weitere Probleme zu verursachen.“, erklärte der Asgardier.

Ungläubig wurde er von allen, außer Clint, angestarrt.

„Ich fasse es nicht! Als ob du jeden Moment durchdrehen könntest. Ich habe jetzt echt die Schnauze voll davon! Jarvis!“, regte ihr Milliardär sich sofort wieder auf, bevor er sich nach oben an die Decke wandte. „Avenger-Status für Loki freischalten!“, befahl er. Nat sah, wie er weitersprechen wollte. Doch Loki ließ ihm keine Gelegenheit dazu.

„Nein!“, rief ihm Loki dazwischen und sprang auf. Der Schrecken war ihm ins Gesicht geschrieben.

„Avenger Status für Loki Odinson freigeschaltet, Sir.“, meldete Jarvis sich ungeachtet dessen.

„Was soll das, Stark!“, beschwerte sich der Außerirdische und sah zwischendurch mit einem besorgten Blick ebenfalls nach oben.

„Hm. Stark. Bin ich in Schwierigkeiten?“, fragte Tony mit deutlich amüsiertem Unterton.

Als hätte Loki jetzt erst gemerkt, wie wenig Platz zwischen ihnen war, machte er einen Schritt nach hinten, bevor er nach oben sah.

„Jarvis, meine Statusänderung rückgängig machen.“, verlangte er mit deutlicher Autorität in der Stimme.

„Es tut mir leid. Dieser Befehl ist per Spracheingabe nicht durchführbar. Und nicht von Ihnen.“, antwortete ihm die KI. Loki trat noch einen Schritt nach hinten, was ihn gegen Steve stoßen ließ. Doch das schien unwichtig zu sein. Loki fixierte wieder den Milliardär, der ihn lässig und völlig unbesorgt angrinste. Der neutrale Gesichtsausdruck war längst verschwunden. Wut hatte sich in seinem blassen Gesicht wieder breitgemacht. Vielleicht auch etwas Unglauben. Und war das der Ansatz von Verzweiflung, den Natascha da sah?

„Das ist deine Reaktion darauf? Du hast gerade erst einen kleinen Teil von dem gesehen, was ich imstande bin zu tun. Und du gibst mir noch mehr Freiheiten? Wie leicht willst du es mir noch machen, euch umzubringen!?“, spie Loki ihm entgegen.

Steves Gesicht verzog sich wieder wütend. „Hör auf damit!“, verlangte er, stand auf und ergriff seinen Freund an den Oberarmen. Er drehte ihn so, dass sie einander gegenüberstanden. Währenddessen standen auch Pepper und Tony auf. Bruce beobachtete alles von seinem Sessel aus. Clint schien kein Bedürfnis zu haben sich an der Diskussion zu beteiligen. Natascha konnte sehen, dass es von hier aus nur noch in einer Spirale abwärts gehen würde.

„Du wirst niemanden umbringen.“, sagte Steve. Für ihn war das eine Tatsache. Er zweifelte nicht eine Sekunde daran.

„Ihr könnt mir nicht vertrauen!“, zischte Loki ihm entgegen und entwand sich dem Griff des Soldaten.

Das war es also, was ihn so wütend werden ließ. Er wollte nicht, dass sie ihm vertrauten. Vielleicht hatte er es bisher nicht gemerkt, oder es ignoriert. Jemanden zu mögen, ja sogar zu lieben und ihm zu vertrauen, waren verschiedene Dinge. Er akzeptierte es gemocht zu werden, aber offenbar wollte er das Vertrauen nicht. Natascha wusste von mindestens drei Personen in diesem Raum für die es dieses Thema betreffend längst zu spät war. Bei Bruce war sie sich nicht sicher.

Bestimmt stieß Loki Steve zurück, sodass er hinter sich wieder zurück auf die Couch fiel. Das war nicht gerade ihre Beziehung förderlich. Natascha sah sofort wie diese Ablehnung dem Soldaten zusetzte. Zumal er ohnehin noch unsicher sein musste, wo diese Reaktion herkam. War es die Wut, die Loki dazu bracht seine Nähe abzulehnen oder war es noch das vorangegangene Thema?

„Du hast Clint das Leben gerettet. Und dabei dein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt. Ohne dich wäre Pepper jetzt nicht hier. Ich habe von dir eine Waffe bekommen, die ich gegen dich einsetzen könnte. Wieso sollte ich annehmen, dass du dich plötzlich dazu entschließt uns alle abzumurksen?“, mischte Tony sich ein und verschränkte die Arme vor der Brust, während er dem Blick seines Gegenübers trotzig standhielt.

Luftholend fixierte Loki den Milliardär. Es sah aus, als würde er gleich anfangen ihn anzubrüllen. Doch dann stockte er. Als versuchte er ihnen etwas mitzuteilen doch irgendetwas schien ihn davon abzuhalten. Als wären die Worte in seiner Luftröhre steckengeblieben. Die Wut in seinem Gesicht wich Verzweiflung. Dann fasste er sich mit einer Hand seitlich an den Kopf, krallte seine Finger in die Haare und starrte mit aufgerissenen Augen zu Boden, während er in die Knie ging. Schmerz war in seinem Gesicht zu lesen.

„Loki?“, fragte Tony nun doch besorgt und überwand sofort die Distanz. Dicht gefolgt von Steve, der sich genauso wenig davon abhalten ließ sich zu Loki zu hocken. Pepper blieb stehen und sah nur verzweifelt zu. Anscheinend nicht fähig einen hilfreichen Gedanken zu fassen.

„Fasst mich nicht an!“, brüllte der Asgardier als Steve und Tony nach ihm griffen. Natascha fragte sich, ob das so eine Panikattacke war, die er früher gehabt hatte. Tony hatte das etwas anders beschrieben, aber er dramatisierte ja ziemlich gerne.

Dann fing der Asgardier an leise vor sich hinzumurmeln. Es dauerte nicht lange, bis seine Augen anfingen grün zu leuchten. Blut trat aus ihnen hervor und floss wie Tränen seine Wangen nach unten entlang.

„Loki!“, stieß Steve erneut aus. Er war sofort bei ihm und packte ihn an den Armen. „Hör auf!“, verlangte er. Natascha konnte ihn nur noch von hinten sehen, doch die Stimme reichte aus, um zu wissen, was für eine Panik ihn erfasst hatte. Diesmal gab es keine Gegenwehr. Der Asgardier beachtete ihn gar nicht. Als wäre er gar nicht da. Es schien, als sei Loki gar nicht mehr anwesend. Natascha konnte spüren, wie Sorge sich in ihr regte. Es fiel ihr erst danach auf, dass sie sich nicht bedroht fühlte, dass sie nicht davon ausging, dass Gefahr für jemanden bestand. Zumindest niemanden außer Loki selbst.

Währenddessen rührte Tony sich nicht. Er starrte Loki lediglich an. In seinem Kopf arbeitete es. Fast konnte Natascha sehen, wie die Zahnräder in seinem Kopf ineinander fassten und die gesamte Denkmaschinerie in Gang hielten.

Prüfend warf sie einen Blick auf Bruce. Der hatte sich nicht gerührt. Mit deutlicher Sorge im Gesicht betrachtete er das Geschehen. Seine Hände waren in die Armlehnen des Sessels gekrallt, aber seine Augen hatten wieder ihre ursprüngliche Farbe angenommen. Schokoladenbraun.

Also wandte sie sich wieder dem Spektakel zu. Steve hatte inzwischen Loki in eine Umarmung gezogen, während dieser mit weiterhin grün leuchtenden Augen Blut zu weinen schien. Nur, dass jetzt auch rote Flüssigkeit aus seinen Ohren und seiner Nase tropfte. Das sah wirklich nicht gut aus.

Besorgt warf sie wieder einen Blick auf Tony. Doch der beobachtete das alles nur. Pepper stand direkt hinter ihm, die Hände an ihren Mund gelegt.

Keiner wusste, was er tun sollte.

„Verdammt!“, brüllte Loki auf einmal. Der abwesende Blick war verschwunden. Wütend stieß der Asgardier seinen Freund erneut von sich und sah ihn mit einem fast genervten Blick kurz an. Steve hielt nicht dagegen, sondern löste sich sofort beim ersten Anzeichen von Gegenwehr. Es war deutlich, dass er das ziemlich ungern tat. Es war ihm deutlich anzusehen, dass ihm die Reaktion wehtat. Erneut.

Loki griff sich mit einer Hand ins Gesicht und schaute dann auf seine Handfläche, wo sich nun Blut befinden musste. Er rümpfte die Nase kurz. Eher verächtlich, nahm er dieses Ergebnis wahr.

„Du kannst nicht darüber reden. Oder? Ist das einer der Flüche, die auf dir lasten?“, ergriff dann Tony das Wort. „Du hättest uns längst erklärt was los ist, wenn du es könntest.“, es war keine Frage. Tony schien eine Erklärung für sich gefunden zu haben.

Loki sah ihn an. Die Wut ebbte etwas ab. Er schien nur noch missgelaunt, als er antwortete „Wenn das so sein sollte, würdest du erwarten, dass ich etwas Derartiges bestätigen könnte?“

„Und du wirst uns auch nicht erklären können, was das da gerade war, oder?“, wollte Tony wissen und gestikulierte in seine Richtung. Einen Moment schien der Asgardier zu überlegen.

„Ich schätze nicht.“, antwortete er dann.

„Ich mache deine Statusänderung trotzdem nicht rückgängig.“, fügte Tony mit trotzigem Tonfall hinzu.

„Das ist ein Fehler.“, beharrt Loki und stand wieder auf, während Tony nur genervt vor sich hin brummte. Steve erhob sich ebenfalls, hielt aber respektvollen Abstand. „Es tut mir leid. Meine Reaktion war unangemessen.“, fügte Loki hinzu, obwohl seine Laune nicht besser wurde. Er war wütend. Allerdings war Natascha sich nicht ganz sicher auf wen oder was.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, wollte Steve wissen.

„Eine äußerst stupide Frage.“, zischte der Asgardier ihm als Antwort entgegen. Natascha fragte sich, wie viele Zurückweisungen der Soldat noch verkraften würde, bevor er es aufgab.

„Loki…“, sprach er ihn an. Es hatte einen sanften Unterton. Als wolle er ihn beruhigen. Dann hob er eine Hand und wollte seinem Freund offensichtlich ins Gesicht greifen, doch der zuckte zurück, als erwarte er einen Schlag. Einen Schritt zurücktretend, machte er dabei eine knappe Geste mit der rechten Hand und plötzlich war das Blut aus seinem Gesicht verschwunden.

„Okay… das ist praktisch.“, kommentierte Clint.

Kurz wanderten Lokis Augen zu dem Scharfschützen, doch dann fixierten sie wieder Steve, der etwas hilflos dastand und offensichtlich nicht ganz wusste, was er tun sollte oder was er falsch gemacht hatte. Seine Hand sank wieder nach unten. Denn natürlich gab er sich selbst die Schuld daran, dass alles falsch lief, anstatt einzusehen, dass Loki sich gerade benahm wie ein Riesenarschloch. Auch wenn Natascha dem Asgardier zugestand, dass er möglicherweise gerade mit seinen eigenen Problemen derart beschäftigt war, dass er nach allen Seiten um sich schlug. Für sie sah es so aus, als würde er mit sich selbst gerade nicht klarkommen.

„Ich werde mich vorerst zurückziehen.“, sagte er dann und richtete seinen Blick, noch immer wütend, auf den Boden. Ohne auf eine Reaktion zu warten, machte er einen Bogen um alle Anwesenden und lief in Richtung des Fahrstuhls davon.

Steve blieb unsicher stehen und sah ihm nach. Es war offensichtlich, dass er hinterherrennen wollte, sich aber nicht sicher war, ob das eine gute Idee war.

„Worauf wartest du?“, wollte Pepper dann wissen und trat neben ihn. „Lass ihn jetzt bloß nicht alleine vor sich hin grübeln!“, fügte sie hinzu und nickte in die Richtung, in der der Außerirdische gerade um die Ecke verschwunden war.

Mehr brauchte es nicht und Steve rannte direkt los.

„Okay.“, lenkte Tony die Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Ich werde mich bei Hawthorne einhacken und seine Lieblingspornoseiten öffentlich posten. Vielleicht hat er ja noch ein paar private Bilder, die ich dazu tun kann.“

Seufzend griff Natascha sich an den Kopf. Jeder würde damit auf seine eigene Art fertig werden. Offenbar würde Tony anfangen jemanden, den er für die Situation verantwortlich machte, zu terrorisieren. Nun ja, die Alternative wäre, dass er sich betrinkt. Und Natascha würde lügen, wenn sie leugnete Hawthorne das nicht zu gönnen.

Mit einem Blick auf Bruce wusste sie, dass er sich zumindest die nächsten Stunden in der Nähe seiner Freunde aufhalten würde. Das war seine Strategie mit unangenehmen Sachen umzugehen. Er brauchte Leute um sich, denen er vertraute.

Pepper würde versuchen ihren Freund davon abzubringen die Welt ins Chaos zu stürzen und mit einem Blick auf Clint konnte Nat erkennen, dass dieser sich am liebsten im nächsten Lüftungsschacht verkriechen würde bis alles wieder einigermaßen Sinn machte und erträglich war.
 

[1] https://flexikon.doccheck.com/de/Stockholm-Syndrom



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