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Desaster

von

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Mit starrem Blick, sah Bruce die Aminosäurensequenz an. Ein Teil davon war hervorgehoben und direkt neben dem Bildschirm schwebte die holographische Tertiärstruktur des dazugehörigen Proteins. Die entsprechende Stelle war markiert.

Auch wenn ihm diese Struktur angezeigt wurde, so wusste er, dass sie unmöglich stimmen konnte. Die sterische Problematik, die sich durch die Primärsequenz ergab, würde niemals in einer Alpha-Helix im gefalteten Zustand enden!

„Mr. Odinson hat soeben von H6 nach E6 verschoben.“, informierte ihn Jarvis in die Stille hinein.

Bruce schreckte hoch und sah nach oben. H6 nach E6. Auf H6 hatte ein Turm gestanden. Er rief sich den Standort der gesamten Figuren ins Gedächtnis zurück. Das hieß sein Läufer stand mitten im Weg. Aber wenn er den wegbewegte, würde er ihm Platz machen vorzurücken. Er könnte ihn so in eine Falle locken, aber so wie er den Asgardier kannte, könnte das nichts als eine Ablenkung sein.

„E3 nach C5.“, wies er an, bevor er sich wieder seinem Protein zuwandte. Doch es dauerte nicht lang, bis Jarvis ihm Lokis nächsten Zug durchgab.

„Brucie!“, kam es durch die Tür zu ihm durchgedrungen. Kaum eine Sekunde später glitt sie auf und Tony schlenderte in das Labor hinein. Er warf einen Blick zum Bildschirm und auf das Hologramm. „Immer noch dein Prolin Problem?“, fragte er. Tony war Ingenieur. Zugegeben, er hatte reichlich Wissen auch außerhalb davon, aber Biologe oder Mediziner war er definitiv nicht. Dennoch hatte er das Problem verstanden, als Bruce ihm von seiner Aminosäurensequenz erzählt hatte.

„Jarvis, A3 nach C4.“, führte er seinen nächsten Zug aus, bevor er sich dem Milliardär komplett zuwandte.

„Oh, Loki spielt mir dir? Hat Steve ihn endlich wieder losgelassen?“, grinste Tony und sah selbst hoch. „Wie sieht es bei mir aus, Jarvis?“

„Mr. Odinson ist bei Ihnen von F4 nach F3 vorgerückt.“, antwortete die KI. Bruce wusste nicht, wie das Feld bei den beiden aussah, aber dass Loki sich so weit im gegnerischen Feld bewegte, zeigte wohl, dass sie ziemlich am Ende der Schachpartie waren. Er und Tony hatten ihre Partie erst gestern beendet. Ohne lange nachzudenken gab Tony seinen eigenen Zug durch und ging dabei zum Bildschirm an der Arbeitsstation.

„Hier! Schau mal was in der New York Times heute drin ist.“, sagte er gut gelaunt und trat einen Schritt zurück. Auf dem Bildschirm war ein Artikel zu sehen. Ein Bild von Steve, Hand in Hand mit einer wunderschönen Blondine am Eingang eines Kunstmuseums füllte die halbe Seite. Emma, wie Tony Loki in dieser Form getauft hatte, lächelte Steve an, während dieser nicht minder begeistert grinsend ihren Blick erwiderte. „Hat mehr als eine Woche gedauert, bis sie jemand geknipst hat. Ich bin erstaunt.“, kommentierte Tony noch. „Auf der Benefizgala heute Abend ist sicher die Hölle los.“

„Nun, Steve ist eine Person des öffentlichen Interesses.“, stimmte Bruce ihm zu und fuhr sich durch die Haare. Die letzten Tage hatte Steve öfters den Tower mit Loki verlassen, hatte ihm New York und Umgebung gezeigt. Sie hatten ihn deutlich seltener zu Gesicht bekommen. Es war nicht erstaunlich, aber der Wissenschaftler musste zugeben, dass er die Zeit zusammen mit ihm und Tony im Workshop doch immer sehr genossen hatte. Es war ohne Zweifel gut für den Asgardier. Er schien deutlich weniger am Rande des geistigen Abgrunds zu stehen. Steve tat ihm gut. Nicht zu vergessen, dass Steve sich auch wieder deutlich normaler benahm. Sicher, er reagierte immer wieder ziemlich eifersüchtig, wenn Tony ihn reizte, aber Tony legte es auch geradezu darauf an.

„Nicht, dass ich die Information nicht zu schätzen wüsste, aber gibt es noch einen weiteren Grund, weshalb du hier bist?“, fragte Bruce dann und überflog den Artikel auf seinem Bildschirm kurz. Im Grunde sagte er nichts weiter aus, als dass eine unbekannte Schönheit es offenbar geschafft hatte Captain Americas Herz für sich zu gewinnen und was für ein unglaublich süßes Paar sie doch abgaben.

„Mir ist langweilig.“ Tony ließ sich in den Schreibtischstuhl fallen, lehnte sich darin nach hinten und lege seine Füße nach oben auf den Schreibtisch. „Clint und Nat prügeln sich im Trainingsraum, Pepper ist wegen Stark Industries unterwegs, sie hat Happy dabei und Jarvis hat keinen Hehl daraus gemacht, dass weder Steve noch Loki gerade die Gesellschaft einer weiteren Person gutheißen würden.“

„Und er hat nicht erwähnt, dass ich ebenfalls gerade am Arbeiten bin?“, hakte der Wissenschaftler nach und schloss den Artikel wieder, als er fertig war. Seine Aminosäuren tauchten wieder auf dem Bildschirm auf.

„Doch. Aber du bist im Tower und die einzige Person, von der ich nicht erwarte verprügelt zu werden, wenn ich sie störe.“, grinste er.

Seufzend zog Bruce sich die Brille von der Nase und rieb sich die Augen.

„Kommst du voran?“, ergriff der Milliardär erneut das Wort und nickte zu dem Hologramm des Proteins.

„Nicht wirklich.“, gab er zu. Er befasste sich seit Jahren mit diesem Thema ohne auch nur eine Idee zu haben, was da los war. Tony gab ihm hier im Tower die Möglichkeiten zumindest so viele Experimente damit zu machen, wie ihm einfielen, um Theorien und Ideen zu überprüfen.

„Fantastisch.“, sagte Tony.

Etwas überrascht erwiderte der Wissenschaftler den Blick seines Freundes. Dann wandte Tony sich ab und fing an das Protein hin und her zu drehen.

„Willst du darüber reden, oder einfach nur passive Aggressivität loswerden?“, fragte Bruce dann und setzte seine Brille wieder auf. Sein Freund schien fast zu schmollen.

„Weißt du, ich könnte dir den besten Psychologen der Welt besorgen.“, ergriff er wieder das Wort ohne aufzusehen. Stattdessen spielte er einfach weiter mit dem Hologramm herum.

Darum ging es also. Tony hatte es bisher nicht wieder angesprochen, aber die forschenden Blicke, die er in letzter Zeit von seinem Freund aufgefangen hatte, waren ihm nicht entgangen. Auch die vermehrte Zeit, die Tony in seiner Gesellschaft verbrachte, wie er immer wieder ihn schon fast in den Workshop mit sich gezerrt hatte, war ihm aufgefallen.

Bruce selbst war ziemlich erstaunt gewesen, dass das eine derartige Neuigkeit für Tony war, dass er weiter nach einem Weg suchte den Anderen endgültig loszuwerden. Oder vielleicht war das etwas falsch ausgedrückt. Der Milliardär war eher schockiert darüber gewesen, dass die Existenz des Anderen ihm noch immer so zu schaffen machte, dass er seinen Gedanken an ein endgültiges Ende noch nicht vollends verworfen hatte.

„Ich bin mir ziemlich sicher bei meiner Art der Persönlichkeitsspaltung würde selbst Sigmund Freud nicht weiterkommen.“, antwortete der Wissenschaftler.

„Ich habe kein Problem mit deiner Persönlichkeitsspaltung. Ich bin sogar mit ihr befreundet, wenn ich ehrlich bin.“, entgegnete Tony und lehnte sich wieder im Stuhl zurück. „Die braucht auch keine psychologische Beratung, wenn du mich fragst.“

„Tony…“, sagte Bruce mit anfänglich genervtem Tonfall.

„Was?“, beschwerte sich dieser sofort. „Ist das so seltsam, dass ich ein Problem damit habe, dass einer meiner engsten Freunde gerne sein Gehirn über eine Wand verteilen würde?“, wollte er aufgebracht wissen und sah ihm nun direkt in die Augen. „Aber nein, ganz im Ernst. Was hast du eigentlich gedacht, was passieren würde, wenn du mir das sagst?“, fuhr er fort. Seine Hände umfassten die Armlehnen des Stuhls ziemlich fest. „Dachtest du, ich vergesse es einfach? Oder dass ich das einfach ignorieren würde?“

Seufzend nahm Bruce sich die Brille erneut ab und fuhr sich mit der anderen Hand über das Gesicht. Warum hatte er seine Bedenken Lokis Lebenswillen betreffend nicht anders formuliert? Oder zumindest danach gelogen? Warum war Tony überhaupt so sehr aus allen Wolken gefallen? Er hatte seinen Suizidversuch damals auf dem Helicarrier vor allen verkündet. Jeder hatte es gehört.

„Nun, ich bin doch etwas überrascht. Es ist nicht wirklich eine Neuigkeit.“, gab er also zu.

„Du hattest einen miesen Tag, wurdest gejagt, warst allein, konntest niemandem trauen. Das verstehe ich alles. Irgendwie. Aber bis auf hin und wieder einen miesen Tag, ist das verschwunden. Oder sind wir so unerträglich?“

Erstaunt sah Bruce den Milliardär an. Er hatte Schwierigkeiten damit zu verstehen, was den anderen Mann so aufregte. Es war schließlich nicht so, dass er überhaupt die Möglichkeit hatte es in die Tat umzusetzen.

„Nein. Natürlich nicht. Bitte, Tony, du bauscht die ganze Sache nur auf.“, versuchte Bruce das Thema wieder abzufangen.

„Ich bausche es auf?“, wiederholte der andere Mann ungläubig. „Ich meine, würdest du zu mir kommen und mir sagen, dass du jetzt etwas gefunden hast? Oder würde mir Jarvis lediglich irgendwann berichten, dass du tot am Boden liegst? Wie genau hast du dir das vorgesellt? Oh, ich hab´s! Vielleicht bin ich rechtzeitig genug da, um deine letzten Sekunden Live mitzuerleben. Das wäre sicher lustig!“, begeistert klatschte Tony in die Hände.

„Tony, das würde ich dir nie antun.“ Bruce erkannte seinen Fehler, während er noch sprach.

„Das heißt, du hast bereits was geplant?“, wollte der Milliardär wissen. „Lass hören.“

„Ich habe nichts geplant!“, platzte Bruce heraus. „Denkst du ich verbringe jeden Tag damit mir auszumalen wie ich mich umbringen könnte!?“ Der Wissenschaftler versuchte sich wieder zu beruhigen und atmete tief durch. Er sah zu Boden und schloss kurz die Augen. Tony war ganz still geworden. Als Bruce aufsah, saß sein Freund völlig versteinert auf dem Stuhl und starrte ihn an. Er hatte Angst erwartet. Aber Tony hatte keine Angst. Vielleicht hatte er wirklich unterschätzt, welche Sorgen sein Freund sich um ihn machte.

Seufzend zog Bruce den zweiten Stuhl im Raum heran und ließ sich darauf nieder. „Es tut mir leid.“, entschuldigte er sich und sah den Milliardär an. „Ich weiß, der Psychologe ist nur gut gemeint, aber der wird mir nicht weiterhelfen können. Ihr tut das. Du und Steve, Pepper, Natascha und Clint. Ich habe mich vielleicht etwas ungeschickt ausgedrückt, als ich darüber gesprochen habe. Es stimmt, dass ich hin und wieder noch darüber nachdenke, und Amora hat gerade erst wieder gezeigt, wie gefährlich der Andere potentiell werden kann, aber ich habe nicht vor mich einfach aus dem Verkehr zu ziehen. Nicht mehr.“, erklärte er ruhig und sah Tony dabei an. Es war nötig, dass sein Freund verstand, dass diese Art von Sorge, die er offenbar seit ihrem Gespräch mit sich herumschleppte, völlig unnötig war. Sicher, er hatte Momente, in denen es verflixt attraktiv wirkte den leichtesten Weg raus zu nehmen, aber die wurden immer weniger. Seine Freunde gaben ihm Stabilität und Zuversicht und Hoffnung und all das, was er damals nicht hatte, als er zu der Pistole gegriffen hatte.

„Versprich es mir.“, verlangte Tony. „Versprich mir, dass wenn du jemals, egal zu welcher Uhrzeit, egal wo du bist oder wo ich bin, egal was passiert ist, wenn du wieder dieses Verlangen hast, dass du zu mir kommst. Mit mir redest. Dass du nichts tun wirst, bevor wir gesprochen haben. Niemals!“

Bruce sah seinem Freund in die Augen. Tony meinte das Todernst.

Und da war es wieder. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit, diese Wärme. Er spürte wie er ohne sein Zutun lächelte. Das hier war seine Familie. Die Menschen, für die er alles tun würde. Irgendwie war es ziemlich unangebracht gewesen ihnen das gleiche nicht zugestehen zu wollen. Es zu verharmlosen, was für eine Angst er Tony mit seinen Äußerungen eingejagt hatte. Er wusste andersherum, würde es ihm ähnlich gehen.

„Versprochen.“, sagte er schließlich ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Sie saßen sich noch einige Sekunden lang gegenüber ohne sich zu bewegen.

„Okay. Dann ist das geklärt.“, räusperte Tony sich dann und sah zu Boden. Er klopfte Bruce freundschaftlich auf die Schulter und erhob sich von seinem Stuhl. Etwas unschlüssig stand er kurz da, bevor er sich wieder hinsetzte. „Weißt du, eigentlich bin ich hergekommen, um über dein Paper zu sprechen, dass du mir zwecks Zweitmeinung gegeben hast.“

Bruce lachte. Er lehnte sich zurück und betrachtete den anderen Mann, der ihn etwas skeptisch ansah. Offenbar war die Gefühlsduselei seinem Freund so unangenehm, dass er wie üblich zunächst danach hatte flüchten wollen. Es war erfreulich, dass er es sich anders überlegt und sich dazu entschlossen hatte es dieses Mal nicht zu tun.

„Nun, vielleicht sollten wir das irgendwo tun, wo wir etwas trinken können. Lass uns zu mir gehen.“, schlug Bruce vor und erhob sich wieder aus seinem Stuhl. Im Labor sollten sie es sich definitiv nicht mit Essbarem gemütlich machen. Nicht nur, dass das bei den Chemikalien deutlich ungesund werden könnte, er wollte auch nichts plötzlich in seinen Proben wiederfinden, was dort nicht reingehörte. Und so wie er sich und Tony kannte, würden sie länger über das Paper sprechen.

Zustimmend stand auch der Milliardär nun auf und sie verließen das Labor um es sich bei Bruce auf der Couch mit Kaffee und Tee gemütlich zu machen und über Bruces neueste Arbeit zu sprechen, die er veröffentlichen wollte.
 

Lachend verließen Bruce und Tony den Fahrstuhl.

„Ich kann es kaum abwarten, bis Reed und Alyssa das durchhaben. Ich wette spätestens morgen kannst du dich vor Anrufen nicht mehr retten.“ Gut gelaunt bogen sie zur Küche ab, wo Clint sich, wie von Jarvis bereits angekündigt, in der Küche betätigte, während Natascha gerade so weit am Rand des Kochbereiches saß, dass er sie wahrscheinlich nicht rausschmeißen würde.

Als sie eintraten, sah Natascha auf und begrüßte sie. Ihr bezauberndes Lächeln verschlug ihm für einen Moment den Atem und Tonys Worte schienen für diese Zeit plötzlich keinen Sinn mehr zu ergeben. Er erwiderte ihren Gruß und sah dann beschämt zu Boden, bevor er sich daran erinnerte, dass er mit Tony irgendwie noch immer im Gespräch war und versuchte sich dann wieder darauf zu konzentrieren. Als er sich an den Tresen setzte, manövrierte er das so, dass er, wenn er mit Tony im Gespräch war, Natascha nicht im Blickfeld hatte. Sie neigte dazu ihn durcheinanderzubringen. Und er wusste nur zu genau woran das lag. Der bloße Gedanke war eine Dreistigkeit. Ob Clint sich bedroht fühlen würde, wenn er wüsste welches Interesse Bruce an seiner Freundin hatte? Oder würde es ihn lediglich amüsieren, dass ein abgewrackter Wissenschaftler wie er sich von Black Widow hatte einwickeln lassen, obwohl sie es noch nicht einmal darauf angelegt hatte?

„…und dann wird es Frösche regnen und Elvis wird über die Galaxis herrschen.“

„Was?“, wandte er sich an Tony und sah ihn deutlich verdattert an. Frösche? Elvis?

„Ha!“, machte Tony. „Da ist ja deine Aufmerksamkeit. Wo warst du mit deinen Gedanken?“, wollte er wissen. „Als ich von der sigma-Bindung gesprochen habe, war sie noch bei mir. Irgendwo zwischen Tetraeder-Konformation und cis-trans-Variabilität habe ich sie verloren.“

„Ja…“ Was sollte er denn jetzt sagen? „Ich habe mich mit meinen Gedanken in der Theorie der Doppelbindungen bei den verschiedenen sp-Orbitalen verfangen. Tut mir leid.“, log er und hoffte, dass es nicht übermäßig offensichtlich war.

„Du meinst das Ethan, Ethen, Ethin Beispiel?“

„Ja.“, stimmte Bruce sofort zu. Er konnte Nataschas Blick in seinem Nacken spüren. Seine Lüge war zumindest für sie mit Sicherheit sehr offensichtlich gewesen. Doch Tony schien sie nicht zu bemerken und wenn er es doch tat, dann sprach er es nicht an. Zum Glück.

Bevor Tony geistig jedoch wieder in der wissenschaftlichen Materie verschwinden konnte, kündigte ein Lachen die Ankunft der letzten beiden Anwesenden im Tower an. Gleich darauf traten Steve und Loki gemeinsam um die Ecke. Der Supersoldat hatte ein breites Grinsen im Gesicht, seine Haare waren etwas zerwuschelt und er wirkte so unglaublich glücklich, wie er von Loki an der Hand gehalten durch den Raum zu zwei freien Hockern gezogen wurde. Der Asgardier selbst schien nicht minder gut gelaunt. Auch seine Haare waren nur halbwegs in Form.

Bruce konnte gar nicht in Worte fassen, wie erleichtert er gewesen war, als sich Steves Situation endlich aufgeklärt hatte. Die Auflösung seines Problems hatte den Wissenschaftler mehr als einfach nur gewundert, aber beide schienen mit ihrer Beziehung deutlich zufrieden zu sein. Ihr Teamleader hatte praktisch ein Dauergrinsen im Gesicht und Loki machte einen sehr stabilen, nicht lebensmüden Eindruck.

„Vorsicht. Tieffliegende Hormone.“, warnte Clint ohne sich umzudrehen. Loki begrüßte wie üblich Natascha mit einer tiefen Verbeugung, worauf er ein Lächeln und einen freundlichen Gruß ihrerseits erhielt. Bruce musste zugeben, dass der Asgardier sehr viel Charme besaß, wenn er das wollte. Das hatte er immer wieder beobachtet, wenn er mit Natascha oder Pepper zu tun hatte. Nicht nur die zuvorkommende und höfliche Behandlung, nein, auch seine Wortwahl, seine Stimme, seine Körpersprache, alles war darauf ausgelegt den beiden Frauen ein Gefühl der Wertschätzung zu vermitteln. Und es funktionierte hervorragend und ohne jegliche Mühe wie es schien.

Seufzend drehte der Wissenschaftler sich nach vorne. Ihm bekannte Asgardier konnte er an seinen beiden Händen abzählen, sodass seine Statistik deutlich zu wenig Stichproben hätte um eine aussagekräftige Beurteilung zu formulieren, aber er schätzte, dass Loki auf Asgard einen Schwarm an Bewunderern haben musste. Wahrscheinlich aus beiden Geschlechtern bestehend. Jedenfalls bevor das alles mit Thor und New York passiert war.

Clint stellte ihnen ihr Essen hin, Natascha verteilte Getränke und das Besteck ohne ihm dabei in die Quere zu kommen. Wie eine gut geölte Maschine arbeiteten die beiden um einander herum. Manchmal schien es ihm als seinen sie ein und dieselbe Person. Oder als hätten sie tatsächlich die Fähigkeit Gedanken untereinander zu übertragen. Zugegeben, letzteres stellten sie beide täglich zur Schau. Es zeigte nur zu deutlich wie nahe die beiden sich standen.

Ihn mitleidig belächeln. Das war es wohl, was Clint tun würde, wenn er je von seinen Gefühlen für Natascha erfahren würde. Es war ziemlich offensichtlich, dass er keinerlei Sorgen haben musste sie an jemand anderes zu verlieren. Jemals.

„Hier sind übrigens die Tickets.“, ergriff ihr Scharfschütze das Wort und schob ihm ein Blatt Papier mit einem QR-Code zu. „Die Adresse des Restaurants danach und die Uhrzeit der Reservierung habe ich dir daruntergeschrieben.“, informierte Clint ihn und tippte auf eine handschriftliche Notiz die unter das Quadrat hingekritzelt worden war.

„Wann bist du wieder zurück?“, wollte Tony wissen und schob sich eine Gabel mit Essbarem in den Mund. Diesmal erst nachdem er gesprochen hatte.

„Mal sehen. Ich denke, ich bin zwei Wochen weg. Nat weiß ja, wie sie mich erreichen kann. Also wenn in der Zeit erneut Aliens versuchen die Welt zu erobern, sagt Bescheid.“, antwortete Clint. Nachdem er sich den Mund vorgeschaufelt hatte.

„Hast du eigentlich vor uns je zu erzählen, wohin du immer wieder verschwindest?“, hakte Tony nach. Diesmal antwortete der Scharfschütze nicht direkt. Bruce hatte sich das auch schon gefragt. Manchmal verabschiedete er sich einfach für einige Tage und war nicht auffindbar. Häufig zusammen mit Natascha. Am Anfang hatte Tony versucht aus ihm herauszukitzeln, wohin er ging, aber es war ihm nie gelungen und er hatte das Thema einfach fallen lassen und stichelte nur noch ab und zu. Hin und wieder was es sehr plötzlich, dass Clint weg war, meistens aber geplant. Das einzige, das sie wussten, war dass es nichts mit SHIELD zu tun hatte. Der Rest war ein Rätsel.

„Eines Tages.“, versprach Clint grinsend.

Bruce zog den ausgedruckten Zettel zu sich heran und sah auf die Handschrift. Er kannte das Restaurant. Es war eines dieser überteuerten schicken Läden, in die Tony und Pepper von ihren Geschäftspartnern geschleppt wurden, um ihnen zu zeigen, wie exklusiv sie doch waren.

Innerlich seufzte er. Als Clint heute früh auf ihn zugekommen war und ihn gebeten hatte seine Verabredung heute Abend mit Natascha zu übernehmen, weil er dringend spätestens nach dem Mittagessen verschwinden müssen würde, hatte Bruce zunächst verneinen wollen. Doch der Scharfschütze hatte nicht lockergelassen, bis er schließlich zugesagt hatte. Es war sogar schon alles bezahlt. Er sollte Natascha bloß Gesellschaft leisten.

Und er hatte ja recht. Es gab nicht viele Möglichkeiten. Tony, Pepper, Loki und Steve würden heute Abend auf der Benefizgala sein. Er war wirklich der einzige, der übrig war. Die gesamte Situation war eher skurril. Und Bruce wurde jetzt doch etwas nervös. Hoffentlich verplapperte er sich nicht oder tat etwas, das Natascha auf die Idee brachte, was er wirklich für sie empfand. In jedem Fall hatte seine Abendplanung zumindest das Potential für ein heilloses Desaster.

Als der Fahrstuhl erneut auf sich Aufmerksam machte, riss es ihn aus seinen angespannten Gedanken. Fröhlich lächelnd betrat Pepper den Gemeinschaftsraum und warf einen allgemeinen Gruß in die Runde. Automatisch bewegte sie sich auf Loki zu, der ohne zu zögern aufstand, ihre Hand ergriff und sich vor ihr verbeugte. „Mylady.“, begrüßte er sie.

„Wir haben nicht mehr so viel Zeit.“, gab sie zu bedenken. „Loki, was wirst du heute Abend tragen. Wir müssen zusehen, dass Steve passend dazu gekleidet ist.“

„Wirklich?“, wollte der Soldat irritiert wissen. „Ich war mit dir nie passend gekleidet.“ Die Art wie er das sagte, machte deutlich klar, dass er noch nicht einmal wusste, was das genau heißen sollte.

„Wir waren auch nie als Paar unterwegs. Aber du wirst heute Abend zum ersten Mal offiziell mit Emma Jenkins an deiner Seite in der Öffentlichkeit auftreten. Ihr werdet sehr viel Aufmerksamkeit bekommen. Die Presse wird euch nicht in Ruhe lassen. Und die Gäste wohl ebenso wenig. Schließlich hattest du in unserer Zeit noch nie eine feste Beziehung.“, erklärte sie und zog Loki etwas vom Tresen weg. Der Asgardier seinerseits schien ebenfalls nur mitzuspielen, um Pepper nicht wiedersprechen zu müssen. Und so stand plötzlich wieder die wunderschöne Blondine vor ihnen, die sie in letzter Zeit deutlich öfters zu Gesicht bekommen hatten und von der erst heute früh ein Bild in der Zeitung abgedruckt gewesen war.

Auf Peppers Aufforderung hin lies Loki ein Abendkleid an seiner weiblichen Gestalt erscheinen. Sofort fing Pepper an ihm Anweisungen zu Veränderungen zu geben. Immer wieder drehte sie sich zu Steve und fragte ihn nach seiner Meinung. Doch der Soldat war kaum eine Hilfe. Entweder es verschlug ihm die Sprache, oder er hatte einfach keine Meinung dazu. Nach allem was Bruce sah, sah Emma in allen Varianten unglaublich schön aus. Schließlich dirigierte sie Loki mit kleineren Veränderungen voran. Etwa mit Aufforderungen er soll Chiffon statt Seide, oder einen V-Ausschnitt nehmen. Loki schien nach einer Weile ziemlich genervt, sagte aber nichts und folgte den Anweisungen kommentarlos. Hin und wieder musste er nachfragen und sich erklären lassen, wovon Pepper redete. Schließlich schien sie jedoch zufrieden.

„Ich denke, damit ist es machbar.“ Sie zuppelte etwas am langen Rock herum und musterte Emma erneut. „Mach es blau.“, forderte sie dann und Loki folgte der Anweisung.

Clint prustete los. „Du hättest ihn Elsa nennen sollen.“, lachte er ausgelassen. Tony stimmte mit ein und schlug vor den Film bei ihrer nächsten Movie Night anzusehen.

„Dunkler… Ja. Ich denke, das ist es.“, ignorierte Pepper den Kommentar, während Emma ihnen einen fragenden Blick zuwarf, aber nichts sagte. „Das ist perfekt.“ Zufrieden klatschte Pepper in die Hände. Am Ende stand Emma in einem mittelblauen, fast türkis wirkenden Kleid da. Es war bodenlang, hatte einen Unterrock über den eine Stoffschicht Chiffon, wie Pepper es genannt hatte, fiel. Es war ärmellos, hatte einen V-Ausschnitt und einen Taillenbund. An den Schultern und über den Rücken hinweg waren silbern glitzernde Applikationen verteilt.

Doch offenbar hatte es gerade erst angefangen. Denn nun fing sie an über Schuhe, Handtasche, Frisur, Schmuck und Make-up zu reden.

Loki tat ihm direkt leid. So hatte er sich das sicherlich nicht vorgestellt als er zugesagt hatte als Frau in Erscheinung zu treten. Nun, wenn Bruce ehrlich war, er sich auch nicht. Machten Frauen sich wirklich solch einen Kopf um ihr Aussehen? Und dann auch noch solche, die ohne den ganzen Quatsch schon umwerfend aussahen? Oder war das nur Pepper, weil ihr der erste offizielle Auftritt von Steve und Emma so wichtig war?

Froh nichts damit zu tun zu haben, drehte Bruce sich wieder seinem Essen zu. Sein Blick fiel auf das ausgedruckte Ticket. Oh Mann. Plötzlich hatte er keinen Appetit mehr.

„Also, wenn du mit so einer Frau dort auftauchst, solltest du wirklich aufpassen, dass niemand sie dir wegnimmt.“, sagte Tony schließlich mit einem Grinsen auf den Lippen. Bruce wusste, dass er Steves Eifersucht mit Absicht schürte. Der Soldat reagierte nicht, aber dem Wissenschaftler tat jetzt schon jeder leid, der nachher auf der Gala Loki auch nur ansehen würde. Völlig unerwartet besaß ihr Teamleader nämlich einen wirklich gefährlich aussehenden Todesblick, wie sie alle in letzter Zeit hatten bewundern können. Meistens wenn Tony absichtlich Loki auf die Pelle rückte.

Letztendlich war Pepper zufrieden und Loki durfte sich wieder setzen. Doch damit war es nicht vorbei, denn nun nahm sie Tony bei der Hand und zog ihn mit sich zum Fahrstuhl mit der Ankündigung an Steve, dass sie in einer Stunde bei ihm sein würde, um sich um ihn zu kümmern.

Für Bruce klang das fast wie eine Drohung.

„Sieh mich nicht so an. Du hast mir auch nicht geholfen.“, hörte er Loki sagen, bevor er sich wieder an seinem Essen zu schaffen machte. Er hatte wieder seine normale Gestalt angenommen.

Als sie ihr Essen beendeten, verabschiedete Clint sich von ihnen. Sie verstreuten sich in alle Richtungen und Bruce kehrte schließlich zurück in sein Labor, wo er sich wieder in seiner Arbeit vergrub. Zwischendurch wechselte er mit Loki ein paar Spielzüge über Jarvis aus.

Später glitt die Tür zu seinem Labor erneut auf und der Asgardier trat ein. Er war nicht mehr hier gewesen, seit er und Steve beschlossen hatten ihre Beziehung zu intensivieren.

„Ich hoffe, ich störe nicht.“, wurde Bruce begrüßt. Er winkte Loki herein.

„Nein, nein. Natürlich nicht.“, versicherte er ihm. „Hat Pepper dich rausgeschmissen?“, fragte er, als die Uhrzeit ihm verriet, dass es fast so spät war, wie sie beschlossen hatten zu der Benefizveranstaltung aufzubrechen.

„Sie ist dabei Steve vorzubereiten. Ich wollte nicht weiter dabei stören.“, antwortete der Außerirdische und nahm auf einem Stuhl Platz. Sein Blick wanderte auf den Computerbildschirm, auf dem erneut eine Aminosäurensequenz abgebildet war.

„Du hast einen günstigen Moment ergriffen und bist geflüchtet.“, riet Bruce. Er lehnte sich gegen den Schreibtisch hinter sich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„So könnte man es auch bezeichnen.“, gestand Loki.

Bruce lachte. Es dauerte nur einen Augenblick bis der Asgardier mit einstimmte. Es klang ausgelassen und amüsiert. Echt. Der Wissenschaftler betrachtete den anderen Mann. Er wirkte sicher und gefasst. Stabil. Nicht mehr, als könnte er jeden Moment einfach wie ein überfordertes Nervenbündel zusammenbrechen und sich in eine Zimmerecke kauern ohne seine Umwelt noch wahrnehmen zu können. Als würde er sein Leben nicht mehr einfach nur ertragen, sondern es auch wertschätzen. Hier und jetzt sprang die Veränderung ihm geradezu ins Gesicht. Das Thema war auf einmal wieder aktuell. Es war schwer nicht darüber nachzudenken, wenn er Loki ansah, zumal Tony ihn seit heute Morgen erst wieder darüber nachdenken ließ.

„Ich gebe zu, ich bin über deine Entwicklung seit Steve ziemlich erleichtert.“, sagte er dann lächelnd. Ein fragender Blick traf ihn. „Dein Lebenswille. Das meine ich. Es scheint nicht mehr als würdest du es einfach beenden wollen.“, erklärte Bruce. Es sollte nur ein kurzer Kommentar sein. Doch Lokis Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Mit deutlicher Überraschung im Gesicht starrte er den Wissenschaftler an. Irgendwie hatte er ja gehofft, dass Loki ihn eher unverständlich ansehen würde. Dass er sich einfach nur getäuscht hatte, doch die Reaktion bestätigte es eigentlich nur.

„Tut mir leid. Ich wollte dich damit nicht überrumpeln.“, entschuldigte er sich und fuhr sich etwas nervös durch die Haare. „Es ist nur, dass das Thema heute früh aufgekommen ist. Ich habe es noch immer im Kopf.“

„Mir war nicht klar, dass ich es so offensichtlich gezeigt habe.“, ergriff Loki dann das Wort und senkte den Blick. Es war ihm deutlich unangenehm. Bruce wusste nicht ob er glücklich darüber sein sollte, dass er es nicht leugnete. Es hätte ihm zumindest die Möglichkeit gegeben sich einzureden, dass er sich das lediglich einbildete.

„Hast du nicht. Ich habe einfach einiges von mir selbst wiedererkannt und befürchtet, dass du dich mit dem gleichen Problem quälst, wie ich damals.“, klärte Bruce die Situation auf. Er hoffte es würde Loki das Thema leichter machen, wenn er wusste, dass er mit jemandem sprach, der sich mit dem Gefühlschaos ebenfalls auskannte.

Erneut traf ihn ein überraschter Blick. Loki musterte ihn misstrauisch. „Ich verstehe.“, antwortete er dann zögerlich. „Steve weiß also davon?“, hakte er dann nach.

„Nein. Ich habe nur Tony von meinen Bedenken erzählt.“ Er wusste nicht, ob Tony Pepper davon erzählt hatte, aber er war sich ziemlich sicher, dass sonst niemand davon wusste. Vielleicht war Natascha selbst auf die Idee gekommen, aber sie hatte es nie angesprochen.

„Das erklärt die seltsamen Blicke in letzter Zeit.“, kommentierte Loki dann und legte eine Hand an seine Stirn. „Ich würde dich bitten es ansonsten für dich zu behalten. Ich denke Steve würde… überreagieren.“

Das konnte der Wissenschaftler sich gut vorstellen. Ihr Teamleader würde sich vor lauter Sorge überschlagen. Zustimmend nickte er also. Es schien Loki zu erleichtern.

„Wie geht es dir jetzt?“, wollte er dennoch wissen.

„Es ist unnötig sich darüber Gedanken zu machen.“ Loki lehnte sich im Stuhl wieder zurück und schien sich etwas zu entspannen. „Es wäre mir ohnehin nicht möglich mir selbst Schaden zuzufügen.“ Er winkte es ab, als sei es auf einmal keine große Sache mehr. Und plötzlich konnte Bruce verstehen, warum Tony sich heute Morgen so aufgeregt hatte als es um ihn gegangen war. Bloß weil man wusste, dass ein Freund sich nicht das Leben nehmen konnte -aus welchen Gründen auch immer- ließ es einen sich nicht besser fühlen, wenn man davon ausging, dass er das vielleicht wollte.

Doch was sollte das überhaupt heißen, es wäre ihm nicht möglich sich selbst zu schaden?

„Wie meinst du das?“, wollte er also wissen. Der Asgardier musterte ihn erneut. Es war offensichtlich, dass er darüber nachdachte, was er ihm verraten sollte. Schließlich seufzte er.

„Es lasten einige Flüche auf mir. Ich bin dabei sie nacheinander zu brechen, aber ich benötige wohl noch Zeit dafür.“, antwortete er dann. „Einer der noch aktiven verhindert schädliche Handlungen gegen mich selbst.“

Bruce spürte, wie ihm jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. Sollte das heißen sein mangelnder Lebenswille war nicht erst bei SHIELD entstanden? In einer Situation von der Bruce verstehen konnte, dass er lieber sterben wollte, als weiter als lebendes Experiment existieren zu müssen? Und das immer wieder aufkam, wenn er in einer seiner Panikattacken verschwand, oder sonst irgendwie daran dachte?

Hatte Loki schon vorher damit zu tun gehabt und jemand hatte einen Grund dafür gesehen ihn permanent daran hindern zu müssen? Wäre er bereits nicht mehr hier, wenn dieser Fluch nicht wäre? Irgendwo in seinem Hinterkopf fiel ihm auch wieder ein, dass die Narben auf Lokis Torso irgendwo herkommen mussten. War es da entstanden? Bevor er das erste Mal zur Erde kam, aber nachdem er Asgard verlassen hatte? In diesem einem Jahr, von dem niemand wusste, was ihm in der Zeit widerfahren war?

Lokis Augenbrauen zogen sich zusammen. Er schien seinen Fehler bemerkt zu haben. „Ich sehe, es ist mir gelungen dich zu beunruhigen, obwohl ich das genaue Gegenteil beabsichtigt hatte. Ich versichere dir, keiner der Flüche hat Einfluss auf eure Sicherheit.“

„Jemand hat einen Fluch auf dich gesprochen, um dich davon abzuhalten dir selbst weh zu tun?“, hakte Bruce nach. An die Möglichkeit, dass die Flüche eine Gefahr für jemand anderes sein könnten, hatte er erst im zweiten Moment gedacht.

„Sollte das Wissen über meine Unfähigkeit einem solchen Bedürfnis nachzugehen nicht eher beruhigend sein?“, wollte Loki dann wissen und legte den Kopf schief.

„Würdest du diesem… Bedürfnis denn nachgehen, wenn du die Möglichkeit hättest?“

„Nein.“, antwortete Loki direkt. „Ich sehe in meiner jetzigen Situation keine Notwendigkeit. Es scheint mir eher, als würde ich etwas verpassen, wenn ich jetzt ginge.“, erklärte er dann, atmete tief durch und sah dem Wissenschaftler dann in die Augen. „Ich habe hier, bei euch, keinen Grund etwas Derartiges zu tun. Eher das Gegenteil. Ich versichere dir, deine Bedenken sind unnötig.“

Okay. Das war doch schon einmal etwas. Bruce spürte wie seine Rückenmuskulatur sich wieder etwas entspannte. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass seine Beziehung zu Steve ihm Halt gab oder dass die Tüftelei im Workshop mit ihm und Tony dem Asgardier ebenso Freude bereitete, wie die kulturellen Unterhaltungen, die er mit Pepper führte. Er wusste ja selbst von der heilenden Wirkung, die diese Leute auf ihn hatten.

„Weißt du Loki, als wir dich hier aufgenommen haben, hätte ich nie gedacht, dass du uns so wichtig werden könntest.“, fing er schließlich an zu erzählen. „Du bist nicht, was ich erwartet habe. Was irgendwer von uns erwartet hat. Ich weiß, du willst nicht darüber reden, was mit dir los war, als du die Erde angegriffen hast. Aber ich hoffe, du weißt, dass du das kannst. Jederzeit. Wann immer du bereit dafür bist.“

Er musste leise lachen, als er den erstaunten Blick des anderen Mannes erwiderte. Verlegen räusperte Loki sich und unterbrach den Blickkontakt. Seine Augen schienen nach etwas zu suchen, das er ansehen konnte und blieben schließlich wieder am PC-Bildschirm hängen.

„Woran arbeitest du?“, lenkte er die Aufmerksamkeit sehr offensichtlich auf ein anderes Thema und stand auf, um näher heranzutreten.

Mit einem Lächeln auf den Lippen stellte Bruce sich neben seinen Freund -denn so sehr er sich am Anfang gewehrt hatte die vergangenen Ereignisse zu ignorieren, so musste er zugeben, dass Loki genau das war, ein Freund- und fing an ihm von seinen Untersuchungen zu erzählen, bis dieser schließlich anfing eigene Ideen einzuwerfen oder an bestimmten Punkten nachzuhaken.

Doch nicht viel später erschienen Pepper, Tony und Steve in ihrer Abendgarderobe um sich zu verabschieden und Loki abzuholen. Pepper drückte Bruce lächelnd an sich und wünschte ihm viel Spaß mit Natascha nachher. Es machte ihn sofort wieder nervös.

Als er sich schließlich in sein Appartement zurückzog um sich selbst zurechtzumachen, konnte er kaum noch geradeaus denken. Warum hatte er sich nur von Clint dazu überreden lassen? Hätte er nicht einfach behaupten können, er wäre heute Abend bereits anderweitig beschäftigt? Aber er hatte ihn so damit überfallen, dass Bruce nicht mal auf die Idee gekommen war zu lügen.

Er duschte und zog sich entsprechend ihres Vorhabens an. Als er schließlich fertig war und sich im Spiegel ansah, sah er nur einen alten Mann, der nichts zu bieten hatte, der so töricht war sich in eine Frau zu verlieben, die nicht nur deutlich jünger war, oder zumindest so aussah, als er, sondern auch in sehr festen Händen. Eine Frau, die jeden Mann auf dieser Welt haben könnte und ohne Zweifel den hatte, den sie wollte. Eine Frau mit scharfem Verstand und spitzer Zunge, die einem das Wort im Munde umdrehen konnte, ohne dass man es überhaupt merkte. Seine Position war aussichtslos. Abgesehen davon, dass es ohnehin eine dumme Idee wäre einen Streit im Team zu provozieren, weil man an der gleichen Person interessiert war.

Er wandte den Blick vom Spiegel ab. Am besten er versuchte den Abend einfach hinter sich zu bringen.

Wie verabredet fuhr er pünktlich zur Gemeinschaftsetage herauf, wo er sich mit Natascha treffen wollte. Als die Fahrstuhltüren sich öffneten und den Blick auf seine Verabredung freigaben, erstarrte er in seiner Bewegung.

Natascha trug ein dunkelgrünes, enganliegendes Kleid, das bis zum Boden fiel und nach unten hin weiter wurde. Sie hatte sich die Haare an einer Seite nach hinten gesteckt, sodass an dieser ihr Hals frei lag, während ihr auf der anderen Seite ein paar ihrer roten Strähnen ins Gesicht fielen. Die großen grünen Augen waren dunkel geschminkt und ihre Lippen hatten die Farbe von verführerischem Rot. Sie lächelte ihn an.

Bruce holte Luft. Doch er vergaß weshalb. Hatte er etwas sagen wollen? Hatte er einfach Sauerstoff gebraucht? Keine Ahnung!

„Du siehst gut aus.“, ergriff sie schließlich das Wort und kam auf ihn zu. Direkt vor ihm blieb sie stehen, hob ihre Arme an und richtete seine Fliege. „Ein Anzug steht dir.“ Als sie mit seiner Fliege fertig war, senkte sie ihre Hände und legte sie ihm flach an die Brust, an der sie sie heruntergleiten ließ. Sie flirtete mit ihm. Ziemlich offensichtlich. Das tat sie öfter. Aber sie flirtete generell gerne.

Bevor er etwas Unbedachtes tat, wandte der Wissenschaftler sich ab. Auch wenn er definitiv nicht dachte, Clint könnte sich ernsthaft je bedroht fühlen, sicher wäre er nicht angetan davon, wenn Bruce seiner Freundin einen Kuss stahl. Mal abgesehen davon, was das vielleicht für die Atmosphäre im Team bedeuten könnte. „W-Wir sollten gehen.“, stotterte er. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Das hier würde ein langer und quälender Abend für ihn werden.



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