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Stray Cats

von

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The cat's out of the bag

- Tag 83 -

Waffenstillstand. Ungefähr so wollte Gavin den Zustand beschreiben, in dem sich der RK900 und er jetzt befanden. Natürlich bedeutete Waffenstillstand nicht, dass er keine dummen Kommentare abgab, Himmel, er wäre nicht Gavin Reed, wenn er seinen Androiden nicht ab und an mal beleidigen würde – aber er bemerkte selbst immer öfter, wie seine Worte an Schärfe vermissen ließen und das, genau das, war eigentlich nicht geplant gewesen.

Er wusste nicht, wann es passiert war und das warum kannte er erst recht nicht, aber Fakt war, dass dadurch nicht nur das Leben auf dem Revier ruhiger wurde, auch die sonst aufgestaute Wut in Gavins Bauch kehrte dadurch seltener zurück.

Fand er Androiden immer noch kacke? Ja. Check.

Wünschte er sich die gute alte Zeit zurück, in der man noch nicht jede verdammte Schneeflocke wie etwas ganz Besonderes hatte behandeln müssen? Auf jeden Fall.

Hasste er seinen verdammten Partner immer noch bis auf dessen blaues Blut? Fehlanzeige.

Und genau das machte ihm beschissen viel Angst.

Vielleicht musste er einfach mal wieder ausgehen, um auf andere Gedanken zu kommen. Weg vom Revier, von all den nervtötenden Kollegen, und vor allem weg von dem Androiden, der mittlerweile immer mehr seine Scheu zu verlieren schien. Keine Ahnung, wann er sich angewöhnt hatte, Sarkasmus mit selbigem zu beantworten, aber Gavin fand sich immer öfter in Situationen wieder, in denen er es regelrecht vermisste, sich mit dem Androiden zu kabbeln. Er wollte nicht behaupten, dass es Spaß machte, sich immer wieder mit dem RK900 anzulegen, aber es war auf jeden Fall besser, als tagelang mit angestauter Wut herumzulaufen, weil man alles hinterschlucken musste, was einem auf der Zunge brannte. Und es war auch anders, wenn sich das Gegenüber nicht beleidigt fühlte, sondern vielmehr herausgefordert.

Gottverdammte Androiden.

 

- Tag 84 -

„Sie geben 16 Dollar für einen Kaffee aus, auf dem Ihr Name falsch geschrieben ist?“

Die Augenbrauen des Androiden schossen so in die Höhe, dass Gavin einen Moment lang Angst hatte, dass sie sich von seinem Gesicht ablösen und gen Himmel schweben würden. Zufrieden nahm Gavin einen Schluck aus dem Becher, auf dem in gut lesbaren Buchstaben „Gaffin“ geschrieben stand und hob ihn dann in Nines‘ Richtung.

„Ich bin ein freier Mann, wenn ich mir einen Mocha Middle Light Frappucoffee – eingetragenes Wahrenzeichen – kaufen will, dann tue ich genau das. Wer will mich aufhalten?“

„Ihr nächster Durchfall aufgrund eines Koffeinüberschusses wahrscheinlich.“

„Weißt du, zuerst warst du nur ein millionenschweres Stück Plastikschrott, aber jetzt bist du ein sarkastisches millionenschweres Stück Plastikschrott, und ich weiß echt nicht, ob das besser ist.“

 

- Tag 94 -

„Da steht ein Katzenklo in deinem Apartment.“ Gavin hatte kaum seine Jacke ausgezogen und aufgehängt, als ihm neben dem sehr vertrauen (und verhassten) Geruch auch der Anblick des Katzenklos bekannt vorkam.

„Sie sind sehr aufmerksam, Detective.“ Der RK900 hatte seine Jacke ebenfalls abgelegt (und nach dem Vorfall damals war sich Gavin sicher, dass CyberLife ungefähr fünfhundert dieser Dinger gelagert hatte, weil der Android immer wieder mit einer neuen zurückkam) und sah den Mann aufmerksam an, der gerade das Ein-Zimmer-Apartment betreten hatte.

„Verarsch mich nicht. Warum steht da ein Katzenklo in deinem Apartment?“ Zur Verdeutlichung der Dringlichkeit seiner Frage zeigte Gavins Hand unnötigerweise noch auf den Gegenstand, was den Androiden offensichtlich sehr amüsierte.

„Detective Reed, es gab einen ziemlich bestimmten Grund, warum ich Sie um Hilfe gebeten habe und nicht Connor oder jemand anderen vom Revier“, sagte der RK900 in einem Tonfall, der für ihn wahrscheinlich die Antwort auf alle von Gavins Fragen war. Aber am Arsch, es war nicht die Antwort auf eine einzige davon!

„Weil ich klug bin? Und weil ich weiß, wann man draufhauen muss, weil Argumente manchmal versagen?“

Der Android machte bei dieser Aussage ein Gesicht, als würde er sich sicher sein, dass seine Antwort den Detective verletzen würde, und Gavin warf nur entnervt die Hände in die Luft.

„Rede mit mir, Nines.“

„Ich habe eine Katze.“ Die Antwort kam nicht wirklich unerwartet, aber überraschend. Der RK900 hatte eine Katze. Der verdammte Android hatte sich ein Haustier angeschafft. Jetzt hatte Gavin wirklich alles gesehen und gehört.

„Du?“, hakte er dennoch noch einmal nach. „Du hast eine Katze?“

„Wie sonst erklären Sie sich die Existenz einer Katzentoilette in meinem Eingangsbereich?“

Gavin atmete tief durch, ehe er noch dem Impuls nachgab, den Garderobenständer nach seinem Gegenüber zu werfen. Mittlerweile hatte er schon bemerkt, dass man auch nur Antworten bekam, wenn man die richtigen Fragen stellte. Aber dennoch sah der Ständer gerade wirklich verführerisch aus.

„Wie dem auch sei, ich befürchte, sie mag mich nicht sonderlich. Nicht, dass ich es an irgendwelchen Daten festmachen könnte, es ist eher so ein…“ Der Android hob etwas hilflos die Schultern.

„So ein Gefühl“, half Gavin nach und seufzte, als der RK900 nickte. Er folgte der Maschine nach in den einzig weiteren Raum neben der natürlich unbenutzten Küche und dem Klo, in dem man sich gerade um die eigene Achse drehen konnte. War eben alles für Menschen gebaut wurden, nicht für Maschinen. Der Android kniete sich neben das Bett und wies den Detective an, es ihm gleich zu tun. Gavin starrte unter das Bettgestell – und ein paar bernsteinfarbene Augen starrten zurück, ehe er schon angefaucht wurde.

„Das ist eine Katze, ja, ohne Zweifel.“ Er setzte sich wieder auf und sah den Androiden aufmerksam an. „Warum hast du eine Katze?“

„Weil sie vor dem Apartmentkomplex ausgesetzt wurde und ihre von mir errechneten Überlebenschancen nicht sehr gut standen.“ Wie immer sah der RK900 bei dieser Aussage furchtbar ernst aus, aber die kalten Augen bekamen irgendwie einen ganz anderen Ausdruck. „Außerdem mag ich Katzen.“

Gavin lehnte sich gegen den Bettrahmen und kicherte leise. Schöne Scheiße. Sein Android hatte einmal eine Katze gestreichelt und mochte die Viecher jetzt. Ob sie ihn auch mochten, war immer noch eine ganz andere Frage, denn nur, weil Marbles es tat, hieß es nicht, dass ihn jede Katze mögen würde. Das war bei Menschen ja absolut nicht anders.

„Sie kommt also nicht vor und du bist mit deiner Weisheit endgültig am Ende, weil weder Google noch Yahoo weiterhelfen können.“ Es war keine Frage, sondern vielmehr eine Feststellung. „Dann kümmern wir uns mal darum.“

 

Ein paar Minuten später, nachdem Gavin dem Androiden erklärt hatte, dass die Katze bestimmt wusste, wo sich Klo und Essen befanden und sich nur weigerte, hervorzukommen, weil keine Vertrauensbasis geschaffen war, saßen sie neben dem Bett, hatten eine Spur aus Snacks gelegt und warteten darauf, ob die Katze nicht doch irgendwann hervorkommen würde.

„War das bei Marbles auch so?“, fragte der Android, der wie gebannt auf die Lücke zwischen Bett und Boden starrte.

„Marbles hat mir drei Mal in die Schuhe gepinkelt, nachdem wir sie bekommen haben. Nur in meine Schuhe! Nicht in die von Alex, oder von Besuchern. Nur in meine. Mittlerweile glaub ich, dass es irgendeine krude Art von Liebesbeweis war, aber was weiß ich schon.“

Irgendwann hörten sie Fressgeräusche von unter dem Bett, und nicht viel später schaute ein rotbrauner Katzenkopf unter dem Bett vor, der weitere Leckerlis erschnüffeln wollte.

„Und jetzt bleiben wir ganz ruhig sitzen und schauen mal, wie weit sie vorkommt“, sagte Gavin leise, und sie sahen beide zu, wie sich die Katze langsam den Weg an Leckerlis wegfraß, bis sie fast bei ihnen angekommen war. Neugierig schnüffelte sie umher, sogar an ihren Beinen, miaute kurz klagend, weil anscheinend nicht mehr genug zu Essen da war und zuckte etwas zurück, als der RK900 die Tüte öffnete, um ihr noch mehr hinzulegen. Sie fraß sie auf, beäugte kritisch Nines‘ Hand und rannte dann erst mal wieder zurück unter ihr Bett.

„Würden Sie das als Erfolg verbuchen, Detective?“

„Nun, sie ist unterm Bett vor, kam zu dir… Wenn du ihr jetzt noch einen Namen gibst, dann seid ihr auf dem besten Weg, Freunde zu werden.“

„Einen Namen?“, fragte der RK900 nach, während er aufstand und die Tüte mit den Snacks wieder verschloss. Gavin entging nicht, dass genau das dafür sorgte, dass die Katze noch mal unter dem Bett hervor sah.

„Ja, klar. Willst du sie ‚Katze‘ nennen? Sie braucht einen Namen. Aber vorsichtig: Wenn man jemandem einen Namen gibt, hängt man auch sein Herz mit dran.“

„Das erklärt, warum Sie sich so schwer damit tun, mir einen zu geben, oder, Detective?“ Gavin sah zu dem Androiden hinauf, der mit einem sanften Lächeln zu ihm hinuntersah. Was für ein…! Das war nicht dasselbe, das war ganz und gar nicht dasselbe, was bildete er sich denn ein?!

„Das ist in Ordnung“, meinte der Android irgendwann leise, bis Gavin klar wurde, dass er ihn die ganze Zeit über dümmlich angestarrt haben musste. „Ich komme mittlerweile auch mit schlechten Spitznamen gut zurecht.“

Das war nicht der Punkt. Und das wussten sie beide. Gavin stand auf, klopfte sich den nicht vorhandenen Schmutz von den Knien und rieb sich über den Nacken.

„Tja, dann noch viel Glück mit deiner Katze“, meinte er nur, während er sich auf den Weg zur Tür machte, ohne den Androiden noch einmal anzusehen. Er griff nach seiner Jacke und zog sie an, in dem Wissen, dass er sich gerade einmal mehr wie ein Arschloch verhielt.

„Vielen Dank für Ihre Hilfe, Detective Reed. Einen schönen Abend noch.“

„Ja, was auch immer, Robocop. Was auch immer.“

 

- Tag 96 -

„Ihr Name ist Abby.“

Gavin sah von seiner Zigarette auf, als er die Stimme neben sich hörte. Es hätte nur eine kurze Zigarettenpause sein sollen, ehe sie wieder zurück aufs Revier fuhren und er hatte eigentlich gedacht, dass der Android so lange im Auto sitzen bleiben würde, aber er hatte sich offensichtlich einmal mehr getäuscht. Er stieß den Rauch seines letzten Zuges durch die Nase aus und betrachtete den Androiden, der neben ihm stehen geblieben war.

„Abby, hm? Klingt doch gut.“

„Mittlerweile schläft sie gerne am Fußende, während ich im Standby-Modus bin. Ich wusste nicht, ob es Sie interessiert, aber ich hatte dennoch einen gewissen Mitteilungsbedarf.“ In letzter Zeit schlich sich immer wieder dieses wissende Lächeln auf die Züge des RK900, und obwohl es wirklich nervtötend war, war der Drang, es ihm aus dem Gesicht zu wischen, fast nicht mehr existent.

„Siehst du, Nines, ich sag ja, in Nullkommanix seid ihr beste Freunde. Bitte ladet mich nicht zu euren Filmabenden ein. Oder zu euren Tupperpartys.“

„Zu schade.“ Der Android verschränkte die Hände hinter dem Rücken und sah dem Sonnenuntergang über Detroit zu. „Ich hatte darüber nachgedacht.“

 

- Tag 100 -

„Nines.“

Keine Reaktion.

„Nines!“

Nichts.

NINES!“

Der Android öffnete die Augen, die LED blinkte gelb auf, ehe er zu Gavin hinübersah, als könnte er nicht verstehen, wieso der Mann gerade aufgebracht war, weil der RK900 reglos in seinem Auto saß.

„Ihr Puls ist erhöht, Detective“, stellte der Android ruhig fest, und Gavins Griff um das Lenkrad wurde für einen Moment so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. „Haben Sie sich etwa Sorgen um mich gemacht?“

„Ich hab‘ mir Sorgen darum gemacht, wie ich Fowler erklären soll, dass das beschissene State-of-the-Art-Modell in meinem Auto ausgefallen ist!“

„Also haben Sie sich Sorgen gemacht.“

„Nicht um dich, du beknacktes Stück Plastik!“ Gott. Er brauchte eine Zigarette. Und einen Kaffee. Am besten noch beides! Und konnte der Android aufhören, ihn so dämlich anzusehen? So selbstzufrieden?

„Ich habe lediglich einen Systemcheck durchgeführt. Hätte ich gewusst, dass Sie so schnell zurück sind, hätte ich damit noch etwas gewartet.“

„Fick dich, du hast das extra gemacht. Du wusstest genau, dass ich nur Kippen holen war.“

Er zuckte mit den Schultern. Der verdammte Android zuckte mit den verdammten Schultern. Er würde ihn umbringen. Umbringen und auf irgendeiner Müllhalde ausliefern und es dann ein wenig bereuen, weil er niemanden mehr hätte, mit dem er sich anlegen konnte, aber er würde es tun, er würde genau das tun!

„Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Sie mich nur Nines nennen, wenn Sie entweder besorgt oder aber ziemlich zufrieden sind?“

„Halt die Klappe.“

„Wirklich, Gavin, achten Sie nur einmal darauf. Es ist fast schon so, als würden Sie ein klein wenig an mir hängen.“

„Oh Gott. Zwing mich nicht, dir mit meiner Dienstwaffe den Schädel einzuschlagen.“

„Weil Sie mich dann vermissen würden?“

Er hasste diesen gottverdammten Androiden nicht. Er hasste es, dass er sich nicht vorstellen wollte, wie langweilig die Arbeit mittlerweile ohne ihn wäre. Und das war noch so viel schlimmer.

Das hatte er nun davon, dass er sich einen Namen für dieses gottvermaledeite Stück Plastikschrott ausgesucht hatte. Als hätte er einen verdammten Streuner angefüttert und jetzt hatte er das Viech am Hals. Nur, dass das Viech ein eins neunzig großer Android war, der ihm wahrscheinlich das Genick brechen könnte, wenn er es denn nur wollte.

 

Das hatte man davon, wenn man einen Namen vergab. Da hing immer noch ein bisschen Herz mit dran.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Moira-chan
2020-07-27T22:43:12+00:00 28.07.2020 00:43
ich finde die ff super geschrieben, musste oft lachen. :D


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