Lokis Strafe von uk ================================================================================ Kapitel 67: Des einen Leid - des anderen Freud ---------------------------------------------- «Jetzt mal ganz ehrlich, Thor: hast du ernsthaft geglaubt, ich wäre so blöd, Thanos mit einem Küchenmesser anzugreifen?» «Das war kein Küchenmesser...» «Hätte aber genauso gut eines sein können. Echt jetzt, ich werde ja manchmal als verrückt bezeichnet. Aber so verrückt, Thanos nur mit einem Dolch angreifen zu wollen, bin ich denn doch nicht. Bruder, ich könnte fast beleidigt sein, dass du das geglaubt hast!» Die beiden sassen im SHIELD-Hauptquartier und waren endlich – nachdem sie die ganzen Begeisterungsstürme und Umarmungen der anderen hinter sich gebracht hatten – allein. Als ob die anderen gespürt hätten, dass die zwei Halbgötter dringend einen Moment für sich benötigten, hatte sich einer nach dem anderen unter irgendeinem Vorwand verabschiedet. Nun schaute Thor ein wenig betreten, fast schon etwas schuldig, drein. Da neigte sich Loki zu ihm hinüber und meinte schmunzelnd: «Naja, ich könnte mich beleidigt fühlen... Wenn ich nicht gleichzeitig ziemlich gerührt wäre.» Er wurde wieder ernst. «Dass mein Tod dich so mitnehmen würde, hätte ich nie gedacht. Und dass es das war, was dich endlich richtig stark gemacht hat...» Er zuckte die Schultern als könne er es immer noch nicht ganz glauben. «Dabei war ich mir so sicher, dass du eine richtige Portion Wut brauchst, um in Fahrt zu kommen. Aber Trauer... Und dann noch meinetwegen..?» «Spinnst du, Bruder?» Thors Mund klaffte auf. «Hast du etwa gemeint, es wäre mir egal, wenn du stirbst?» Er schüttelte fassungslos den Kopf. «Also, jetzt könnte ich mich beleidigt fühlen!» Loki hob in gespieltem Entsetzen die Hände. «Bitte nicht! Sonst lässt du am Ende nochmal so ein Gewitter vom Stapel.» Thor blieb ernst. «Als ich dich da liegen sah, da war mir, als würde mein Herz zerspringen. Ich wollte durchdrehen, so weh tat es. Doch ich wusste, dass ich damit warten musste, bis Thanos erledigt wäre. Aber ehrlich, Bruder: am liebsten hätte ich mich neben dir auf den Boden geworfen und nur noch geheult.» «Jetzt werd' nicht pathetisch.» Loki konnte sich ein leicht spöttisches Grinsen nicht verkneifen. Doch andererseits genoss er das Gefühl, dass Thor seinetwegen so sehr getrauert hatte. Oder hätte... Wenn er denn wirklich gestorben wäre. «Noch so eine blöde Bemerkung von dir und du kannst dich wirklich auf das nächste Gewitter gefasst machen!» schnappte der Blonde. Doch dann musste auch er lachen, ganz kurz zumindest, ehe er beinahe nachdenklich fortfuhr: «Und dann überkam es mich plötzlich. Dieser irre Schmerz, der mich fast um den Verstand gebracht hat, hat mich von einer Sekunde auf die andere stark gemacht. Richtig stark. Ich wollte nur noch töten...» «Tja, ich würde sagen, das hast du dann auch getan.» Loki klopfte ihm auf die Schultern und ging zum Kaffeeautomaten. «Ich schätze, damit hast du dir einen Extra-Cappuccino verdient.» Thor nahm das heisse Getränk entgegen, nippte aber bloss daran. «Echt, Bruder,» sagte er nach ein paar Minuten. «Tu sowas nie wieder.» «Was denn?» Loki hob unschuldig eine Braue. «Du weisst schon, dass ich dir jetzt am liebsten eine reinhauen würde, oder?» «Oh Thor, du klingst gerade fast wie Tony! Habt ihr zwei die Körper getauscht oder was..?» Als der Blonde mit gespieltem Ärger aufstand, beeilte sich Loki, hinzuzufügen: «Hey, benimm dich oder du bekommst nie wieder Kaffee von mir.» Thor konnte sich ein flüchtiges Lachen nicht verkneifen. Aber er war andererseits viel zu aufgewühlt, um es bei diesem leichten Geplänkel zu belassen. Zudem kannte er seinen Bruder gut genug um zu wissen, dass der nur wieder abzulenken versuchte. Davon, dass Thor ihm sagte, wie viel er ihm bedeutete. Aber es war ihm egal. Loki würde das jetzt zu hören bekommen – ob es ihm nun passte oder nicht. Darum stellte er den Kaffee auf den Tisch, trat vor seinen Bruder, legte ihm beide Hände auf die Schultern und fixierte ihn so eindringlich, dass Loki kurz zusammenzuckte. «Ich liebe dich, Bruder. Das habe ich immer getan und das werde ich auch immer tun. Und es wird Zeit, dass du anfängst, mir das zu glauben.» Loki wollte die Augen verdrehen, brachte es dann aber doch nicht übers Herz. Thor sah so... knuddelig aus, irgendwie. Beinahe hätte er gelacht. Aber nur beinahe. Denn da wurde plötzlich eine Saite in seinem Herzen angestossen von der er gar nicht gewusst hatte, dass sie überhaupt da war. Er überlegte, was er darauf antworten sollte. Doch Thor kam ihm zuvor. «Es tut mir so leid, dass ich dir nicht früher geholfen habe. In Asgard, meine ich, als du...» Er brach ab und biss sich auf die Lippen, aber Loki wusste auch so, worauf er anspielte. «Die anderen haben mir deswegen übrigens auch ganz schön den Kopf gewaschen. Vor allem Tony!» Jetzt musste Loki doch lächeln. «Ja, für einen Sterblichen kann Tony ganz schön angsteinflössend sein..!» Thor erwiderte das Grinsen kurz. Aber dann atmete er tief durch und wiederholte: «Also, Loki, ich sags nochmal: tu so etwas nie wieder! Wenn du das nächste Mal 'toter Mann' spielen willst, gib vorher Bescheid! Und ja, ich weiss schon, dass das gar nicht möglich war in diesem Fall, aber das lassen wir jetzt mal beiseite. Und hör gefälligst auf zu grinsen: ich meins absolut ernst!» «Ja grosser Bruder!» erwiderte Loki gespielt demütig und warf nun seinerseits Thor einen Hundeblick zu. Dieser boxte ihm in die Seite und musste dann doch auch losprusten: «Du bist und bleibst unmöglich!» «Wer ist unmöglich?» erklang da eine Stimme hinter ihnen. Die beiden Asgardianer wandten sich um und konnten einen Moment lang nicht ganz glauben, wer da im Türrahmen stand. Fandral grinste übers ganze Gesicht und sagte: «Der Allvater hat mir erlaubt, rechtzeitig zu eurer Siegesfeier wieder auf der Erde zu sein. Ich konnte ihn davon überzeugen, dass ich da unbedingt mit dazu gehöre – von wegen gemeinsam mit Coulson und Daisy bestandenen Abenteuern und so.» Weiter kam er nicht, denn Thor zog ihn eine kräftige Umarmung, während der Fandral Loki einen hilfesuchenden Blick zuwarf. «Könntest du ihm das nicht mal abgewöhnen?» Loki trat hinzu und klopfte dem Krieger auf die Schultern. «Ich hab's jahrhundertelang versucht.» erwiderte er seufzend. «Und aufgegeben!» ______________________________________________________ Fandrals Ankunft war natürlich nicht unbemerkt von statten gegangen und innert kürzester Zeit füllte sich der Aufenthaltsraum wieder. Die SHIELD-Agenten verteilten die traditionsgemäss zu jeder bestandenen Mission gehörigen Bierflaschen. Tony hielt sich lieber an seinen guten alten schottischen Whisky – unterstützt von Loki, der dem Bier wenig bis gar nichts abgewinnen konnte und auch eher auf edle Tropfen stand. Tony konstatierte es mit einem «Wenigstens einer hier, der guten Geschmack beweist!» woraufhin sich die beiden Männer zuprosteten. Wie gute alte Freunde – und zwar so, als ob sie das nicht erst seit wenigen Monaten wären, sondern schon seit ewigen Zeiten. Steve und Bruce hielten sich hingegen wie immer mit Alkohol zurück und stiessen mit Cola und Mineralwasser auf den Sieg an. Die Gespräche bewegten sich einige Zeit in oberflächlichen Bahnen – und natürlich in ausführlichen Berichten über die bestandene Schlacht, die Fandral ja schliesslich verpasst hatte, weshalb er auch alle Details hören wollte. Doch irgendwann fiel Leopold Fitz wieder ein, dass es da noch eine offene Akte gab. Die Dunkle Dimension und die Suche nach demjenigen, der für die Öffnung des Portals in ihre Welt verantwortlich gewesen war. Als er fragte, wann sie mit den diesbezüglichen Nachforschungen beginnen wollten, waren Thor und Fandral sofort Feuer und Flamme. «Gleich morgen, Freunde.» sagte der Blonde eifrig, der schon den Duft des nächsten Abenteuers spürte. Fandral, der hoffte, so noch etwas länger auf Midgard verweilen zu dürfen – er fand die hiesigen Speisen einfach grandios – fügte hinzu, dass er sie nach besten Kräften unterstützen würde. Die SHIELD-Agenten und die Avengers reagierten zwar mit etwas weniger Begeisterung, denn ihrer Meinung nach hätte jetzt gut und gerne mal etwas Ruhe herrschen dürfen. Aber auch sie waren natürlich bereit, diese offene Frage rasch möglichst zu klären. Loki hörte dem Hin und Her schweigend und mit einem feinen, amüsierten Lächeln zu. Tony, der als erster realisierte, dass der Schwarzhaarige erstaunlich ruhig blieb, stiess ihn leicht an. «Hey, du bist wohl auch eher für Urlaub, stimmts?» «Urlaub?» Lokis Gesicht war ein einziges Fragezeichen, ehe er sich wieder daran erinnerte, mal davon gehört zu haben, dass die Menschen sich einige Wochen pro Jahr eine Auszeit von der Arbeit gönnten. Er grinste und flüsterte Tony zu: «Ja, das wäre echt mal nett. Aber das ist nicht der Grund, warum ich denen jetzt den Spass verderben muss.» «Ach nein?» Nun stellte Tonys Gesicht ein Fragezeichen dar, aber Loki liess ihn nicht mehr zu Wort kommen sondern sagte, an alle gewandt: «Leute, so sehr ich euch den nächsten Einsatz ja gönnen würde... Es wäre gemein von mir, euch ins Leere laufen zu lassen. Obwohl...» Er hielt inne und dachte scheinbar einen Moment lang angestrengt nach. «Vielleicht sollte ich es doch tun. Sonst verliere ich noch meinen Ruf als Gott des Unfugs.» «Schabernack!» warf Tony ein und grinste ihm zu. «Gott des Schabernacks.» «Wie auch immer.» Loki erwiderte das Grinsen und fuhr dann fort: «Das Rätsel um die Dunkle Dimension ist gelöst. Wenn ihr in der Hinsicht also nach einem 'Feind' zu suchen beginnt, werdet ihr lange suchen müssen.» Er hielt einen Moment inne und amüsierte sich köstlich über die verwirrten Gesichter vor sich. «Weil ihr den eigentlichen Bösewicht nämlich schon in Gewahrsam habt.» «Ach ja?» Fitz fand als erster die Sprache wieder. Er zog die Brauen hoch. «Aber Sie sagten doch selbst, dass Thanos nicht dafür verantwortlich war. Dass er den Riss nur... aufrecht erhalten hat.» «War auch so. Trotzdem muss ich euch das Vergnügen, sofort hinter dem nächsten Bösewicht herjagen zu können, leider nehmen.» «Was meinst du damit, Loki?» fragte Fandral verdattert. «Ich kann mich nicht erinnern, dass wir den Betreffenden schon dingfest gemacht hätten.» «Nein, du sicher nicht.» gab Loki liebenswürdig zurück. «Du warst damals ja noch nicht hier. Aber ich schon – und die Leute von SHIELD auch, wenn ich mich nicht sehr irre.» Er genoss es sichtlich, die immer noch konfusen Gesichter vor sich zu sehen, beschloss dann aber, den Bogen nicht zu überspannen. So gross die Versuchung auch war, sie alle noch ein wenig zappeln zu lassen: sie hatten sich wirklich eine Auszeit verdient. «Ihr erinnert euch doch sicher noch an den netten Herrn, der kurz davor stand, die Welt in Stücke zu reissen, weil er es nicht lassen konnte, mit Gravitonium herum zu spielen? Nun, mir ist klar geworden, dass dieser enorme Einschnitt in die Stabilität der Erdkruste diesen Riss verursacht haben muss, der dann zwar langsam, aber eben auch unaufhaltsam das Portal zur dunklen Dimension wachsen liess – bis es schliesslich gross genug war, um Schaden anrichten zu können.» Er blickte sie reihum an und fügte hinzu: «Ian Quinns Versuch, an das Gravitonium im Erdinnern heran zu kommen, hat diesen Riss verursacht und die Anomalien ausgelöst. Wie gesagt: es brauchte eine Weile, bis es sich entwickeln konnte. Aber wie wir alle wissen, war das Loch irgendwann gross genug, dass es nicht mehr zu übersehen war.» Er liess die Worte kurz wirken, verschränkte dann die Arme über der Brust und schloss mit feiner Ironie: «Aber Ian Quinn habt ihr ja schon geschnappt. Er wird in irgendeiner netten SHIELD-Einrichtung sicher verwahrt und damit ist der Fall leider bereits gelöst.» Eine Weile blieb es still – bei zwei der Anwesenden aus Enttäuschung, bei den übrigen aus Erleichterung. Schliesslich sagte Fitz nur: «Oh...» Und Bruce Banner, der sich intensiv mit dem Fall Ian Quinn beschäftigt hatte, als Loki und Tony ihren kleinen Ausflug zum Mond Titan unternommen hatten (das untätige Herumsitzen hatte an seinen Nerven gezehrt), nickte schliesslich langsam. «Ja, das macht Sinn.» «Sicher, Bruder?» fragte Thor. Die Enttäuschung war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören. «Es tut mir soooo leid.» gab Loki zurück. «Aber ja... sicher!» Die Avengers und das Team von SHIELD hingegen atmeten sichtlich auf. Es würde also doch eine Pause geben. Was des einen Leid war, war eindeutig des anderen Freud! «Seufz.» Fandral hob in einer theatralischen Geste die Hände. «Dann wird es wohl doch nur ein kurzer Besuch auf Midgard.» «Umso rauschender gestalten wir das Fest.» versprach ihm Coulson mit einem freundlichen Lächeln. «Ich zähle drauf!» ____________________________________________________ Am nächsten Abend stieg das Fest - ein rauschendes Fest, zu dem man alles aufgeboten hatte, was es in der kurzen Zeit aufzubieten gegeben hatte. Doch Coulson hatte Fandral versprochen, seine ganzen Lieblingsspeisen aufzutischen - und der Agent hatte Wort gehalten. Es war bereits weit nach Mitternacht, als Loki endlich dazu kam, alleine nach draussen zu gehen. Er brauchte einen Moment Abstand von den anderen – und zudem frische Luft. Der Sternenhimmel über ihm wirkte so friedlich und beruhigend, als ob es in diesem Universum niemanden gäbe, der irgend etwas Böses im Schilde führen könnte. Wie sehr der Schein doch trügen konnte! Loki wusste besser als jeder andere, wie viele gefährliche Welten es da draussen gab. Und wie viele gefährliche Wesen, die sie bevölkerten. Er genoss die Stille ausgiebig. Es war das erste Mal seit langem, dass er Ruhe hatte – jedenfalls länger als nur ein paar Minuten. Doch gerade, als er sich wieder ins Innere der Basis zurückziehen wollte, nahm er einen Schatten rechts von sich wahr. «Du bist auch lieber allein, stimmts?» sagte eine bekannte Stimme neben ihm. Sie rasselte wie immer etwas. «Ja, so wie andere auch.» erwiderte Loki vielsagend, drehte den Kopf und blickte dem Ghost Rider entgegen. «Was willst du: mitfeiern oder mich um die Ecke bringen?» «Dich um die Ecke bringen?» Der Totenschädel lachte kurz auf. «Nein, das lasse ich lieber. Erstens würde ich es nicht schaffen und zweitens...» Er kam einen Schritt näher, plötzlich wieder ernst geworden. «Zweitens braucht die Erde dich.» «Ach ja?» Loki hob spöttisch eine Braue. «Und wer sagt dir, dass ich hier bleibe?» «Du bleibst hier.» erwiderte der Ghost Rider, als wäre es die grösste Selbstverständlichkeit. Loki wollte ihm zuerst eine scharfe Antwort geben, doch dann zuckte er die Schultern und meinte: «Ja, hast wohl Recht.» Eine Weile blieben sie stumm nebeneinander stehen, ehe Loki nochmals fragte: «Also mitfeiern?» «Hä?» «Du. Feiern. Mit uns.» Loki grinste. Der Totenschädel schüttelte den Kopf. «Ich habs nicht mehr so mit Feiern. Ich bin bloss gekommen, um auf Wiedersehen zu sagen.» «Na dann...» Loki machte eine einladende Geste Richtung Tür, aber der Ghost Rider winkte ab. «Es reicht, wenn du das den anderen von mir ausrichtest. Nicht nötig, dass ich sie alle wieder mit meinem Anblick erschrecke. Sag ihnen, dass es mir eine Ehre war, an ihrer Seite gekämpft zu haben – und dass ich zur Stelle sein werde, wenn sie mich mal wieder brauchen sollten.» Er warf Loki einen langen Blick zu, ehe er hinzufügte: «Obwohl das kaum der Fall sein wird, solange sie dich haben.» «Moment mal: hast du mir etwa gerade ein Kompliment gemacht?» «Gewöhn dich besser nicht dran.» Erneut stiess der Totenschädel sein rasselndes Lachen aus, ehe er sich umdrehte und wieder im Schutz der Nacht verschwand. Loki starrte ihm einen Augenblick lang hinterher, ehe er sich mit einem weiteren Schulterzucken wieder ins Innere des Hauptquartiers begab. Ja, er würde definitiv auf Midgard bleiben. Er hatte diesen kleinen blauen Planeten und seine Bewohner ins Herz geschlossen. Nicht, dass er das je laut zugeben würde! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)