Lokis Strafe von uk ================================================================================ Kapitel 52: Reise durchs All ---------------------------- Er musste verrückt sein. Anders konnte sich Tony Stark nicht erklären, warum er bei diesem wahnwitzigen Unternehmen überhaupt mitmachte. Unterwegs zum Jupitermond Titan in einer seiner Meinung nach ziemlich kleinen Sardinenbüchse mit dem Ziel, einen Wahnsinnigen daran zu hindern, den Riss zu irgendeiner unwirklichen Dimension weiterhin offen zu halten, dessen Auswirkungen bis zur Erde hinunter spürbar waren... Nein, in sowas konnte nur jemand einwilligen, der den Verstand verloren hatte! Und das Sahnehäubchen an der ganzen Geschichte: er war mit Loki unterwegs. Mit Loki, dem Gott des Unheils, der Lügen und des Chaos. Also genau dem Begleiter, den man sich für so eine Mission an seiner Seite wünschte! «Warum ich?» hatte er Loki gefragt. Bis heute konnte er die Antwort nicht ganz glauben. «Weil sie der einzig Brauchbare hier sind.» Ach ja – und was war mit Fandral, dem Kumpel aus guten alten (asgardianischen) Zeiten? Stark hatte gar nicht gefragt. Lokis Blick hatte es ihm verboten. Der Magier hatte nicht viel glücklicher ausgesehen als er selbst in diesem Moment. «Sie sind doch der Superheld hier.» hatte Tony noch kurz zu spotten versucht. «Kriegen Sie das nicht allein hin?» Wieder war Lokis Blick schon Antwort genug gewesen. Ehe er ihn angeschnauzt hatte, dass er sicher nicht auf die blöde Idee käme, ausgerechnet ihn mitzuschleppen, wenn es sich vermeiden liesse. Toll. Und nun sassen sie also zusammen in diesem Raumschiff fest und steuerten Richtung Mond Titan. Der um den Jupiter kreiste, wohlgemerkt. Welcher wiederum immerhin so um die rund 778,6 Millionen Kilometer von der Erde entfernt war. «Bis wir da ankommen, bin ich alt und grau.» hatte Stark gebrummelt. Loki hatte nur kalt gegrinst. «In den ungefähr zweieinhalb Jahren, die der Flug eigentlich dauern würde, wären Sie kaum zum Greis geworden. Aber ich werde die Sache ein wenig beschleunigen, also keine Panik.» Fünf Tage sollte der Flug dauern. Fünf Tage mit Loki im selben Raumschiff. Das, genau genommen, noch nicht mal ein Raumschiff war, sondern nur ein modifiziertes Flugzeug. Ein magisch modifiziertes Flugzeug noch dazu. Und was das Schlimmste war: In der ganzen Aufregung hatte Tony doch tatsächlich vergessen, auch nur eine einzige Flasche Scotch mitzunehmen. Oder Whisky. Oder wenigstens Rotwein. Nichts. Keinen Schluck Alkohol, um das hier herunter zu spülen. Oh Mann, da konnten fünf Tage so schlimm werden wie fünf Jahre! «Sie sollten ein wenig die Aussicht geniessen, Stark.» riss ihn Lokis Stimme aus seinen trüben Gedanken. «Schliesslich habe ich mir sagen lassen, dass Menschen nicht jeden Tag im All herumfliegen.» Sein Tonfall troff mal wieder vor Sarkasmus, und wäre Iron Man im Moment nicht komplett von ihm abhängig gewesen, hätte er nur zu gerne seine neuen Handkanonen an ihm ausprobiert. Diejenigen, die Loki persönlich modifiziert hatte... Stark hatte kaum geglaubt, was er zu hören bekam, als Loki ihm das erzählt – und schliesslich gezeigt – hatte. Die Dinger besassen auf einmal eine unglaubliche Feuerkraft. Von sowas hätte er nicht mal zu träumen gewagt! «Freuen Sie sich nicht zu früh.» hatte Loki bissig angefügt, als sich über Tonys Gesicht ein breites Grinsen gezogen hatte. «Nur für die Dauer der Mission. Danach mache ich das wieder rückgängig.» ‘Werden wir ja noch sehen.’ hatte Tony gedacht. Um im nächsten Augenblick wieder daran erinnert zu werden, dass der Mistkerl seine Gedanken lesen konnte, weil Loki den Kopf geschüttelt und von oben herab gesagt hatte: «Nein, Stark, werden wir nicht!» Tony schüttelte die Gedanken ab. Die Aussicht sollte er geniessen, hatte der Magier gemeint. Und so ganz unrecht hatte er damit ja nicht. Dies war zwar nicht Tonys absolut erster Ausflug in den Weltraum – doch an sein erstes Mal wollte er sich lieber nicht erinnern! Schliesslich hatte er damals eine Atombombe ins Herz der Chitauri-Armee befördert. Seine Erinnerungen an den kurzen Trip ins All beschränkten sich also rein auf die Angst, die er dabei verspürt hatte sowie auf den endlos langen Sturz nach unten... Mit der sicheren Erwartung, das nicht zu überleben. Doch nun lagen die Dinge anders. Er sass in einem (hoffentlich!) sicheren Flugobjekt, und sah man von seinem ungeliebten Begleiter ab, war das Erlebnis ja wirklich einmalig. Um Tony herum leuchteten Milliarden von Sternen und ihm wurde somit ein Privileg zuteil, das vor ihm noch kein Mensch gehabt hatte! Ein Flug zum Jupiter... Oder zumindest in dessen Umlaufbahn. Die faszinierende Reise durch die unendlichen Weiten des Alls. «Sie haben Recht, das ist wirklich atemberaubend.» gab er zu. Loki schmunzelte nur, erwiderte jedoch nichts. Tony genoss den Anblick eine Weile, ehe er sich daran erinnerte, wo ihr Ziel lag. «Mal ehrlich,» begann er vorsichtig, «sind Sie sicher, dass dieser... Thanos auf Titan lebt? Ich meine, der Jupiter-Mond ist laut unseren Informationen nichts weiter als eine Eiswüste. Da ist Leben doch ausgeschlossen, oder?» «Jotunheim besteht auch zu über neunzig Prozent aus Eis.» gab Loki zurück. «Nur weil auf der Erde in solch extrem niedrigen Temperaturen kein Leben denkbar wäre, heisst das nicht, dass dies überall gilt. Davon abgesehen war Titan früher nicht durchwegs von Eis bedeckt. Eine kosmische Katastrophe hat den Mond zuerst in einer Sintflut ertrinken und dann schliesslich alles Land unter einer Eisschicht erfrieren lassen.» «Wow.» Stark war beeindruckt. «Das heisst, es gab tatsächlich mal eine Zivilisation dort.» Loki nickte ernst. «Ja.» Dunkel fügte er hinzu: «Leider.» Tony meinte zu verstehen. «Der Kerl ist wohl eine echte Knacknuss, was?» «Sie neigen zu Untertreibungen, Stark.» Loki seufzte und erhob sich. Er war nicht gewillt, das Thema Thanos vor der Zeit zu vertiefen. Diese würde noch früh genug kommen. Nicht auf ihrer aktuellen Mission, wohlgemerkt... Wenn seine Berechnungen stimmten, blieben dem Universum noch ungefähr fünf Jahre. «Schön und gut,» rief Stark ihm hinterher. «Aber wir sollten den Plan nochmal durchgehen. Sie lenken diesen Irren also ab, während ich das Portal schliessen soll. Und wie genau mache ich das? Einfach draufhalten und losfeuern?» Loki wandte sich wieder zu ihm um. «Genau. Wie ich es Ihnen ungefähr schon tausendmal gesagt habe.» «Superplan, echt. Das Problem ist nur, dass ich keine Ahnung habe, was mich da erwartet. Ich meine, könnten wir nicht die Rollen tauschen? Ich lenke Thanos ab und Sie schliessen den Riss?» Er versuchte ein Lächeln. «Ich bin gut im Leute-Weglocken, ehrlich. Also, wie wärs mit einem Tausch?» Irgendwie konnte er die diffuse Angst nicht abschütteln, im entscheidenden Moment zu versagen. Schliesslich hatte er noch nie im Leben ein magisches Portal geschlossen. Im Ablenken aber besass er zumindest ein bischen Erfahrung. Auch nicht allzu viel, aber immerhin... «Oh, von mir aus gerne!» schnappte Loki zurück. «Wenn Sie damit klarkommen, dass im ungünstigsten Fall nicht nur hunderte von Chitauri, sondern auch ein unbesiegbarer Wahnsinniger auf sie losgeht, bin ich sofort bereit, mit Ihnen zu tauschen.» Er grinste säuerlich. «Im Vergleich dazu ist das Schliessen des Portals ein Kinderspiel, meinen Sie nicht?» Tony schnaufte. «Schon gut, ich habs kapiert. Und wie wollen Sie diesen Irren weglocken?» «Das lassen Sie mal meine Sorge sein, Stark.» «Wo liegt das Problem? Vielleicht wäre es gut für mich zu wissen, was auf mich zukommt, meinen Sie nicht?» Loki seufzte laut auf und verdrehte die Augen. «Offen gestanden, Stark: ich weiss es selbst noch nicht so genau.» Das sass! Tony glaubte, sich verhört zu haben. «Sie meinen..?» «Ich werde vielleicht etwas improvisieren müssen.» Loki fand sein Grinsen wieder. «Aber keine Angst: mir ist noch immer was eingefallen.» «Hoffen wirs!» brummelte Tony und verwünschte sich zum wiederholten Male dafür, dass er Lokis wahnwitzigem Vorschlag überhaupt zugestimmt hatte. Ja, er musste definitiv verrückt sein! Hätte Tony auch nur ansatzweise geahnt, dass Loki sich selbst auch für so gut wie verrückt hielt, hätte er sich garantiert noch weitaus weniger wohl in seiner Haut gefühlt. Denn Lokis Selbsticherheit war nur gespielt. Auch wenn er durchaus ein paar Ideen hatte, wie er Thanos von dem Portal weglocken konnte – er war sich keineswegs sicher, ob ihm die enorme magische Illusion, die dazu nötig sein würde, auch tatsächlich gelingen würde. Trotz des Hilfsmittels, das er besass. Aber er konnte nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass Thanos Fähigkeiten sich noch auf dem selben Level befanden wie bei ihrer letzten Begegnung. Und sollte das anders sein, war vielleicht sein kleiner Trumpf im Ärmel nicht stark genug. Klar war nur eines: Thanos verfügte noch nicht über alle Infinity-Steine. Wenn ihn nicht alles täuschte, befand sich im Moment sogar nur einer davon in seinem Besitz. Also standen die Chancen doch nicht allzu schlecht. Trotzdem: Thanos zu unterschätzen war ein Fehler, den Loki bestimmt nie begehen würde. Aber vielleicht hatte sie ja Glück und der wahnsinnige Titan war gar nicht da. Und derart abwegig war die Hoffnung noch nicht einmal. Es konnte gut sein, dass sich Thanos schon auf die Suche nach den restlichen Steinen seiner Träume begeben hatte. ‘Fragt sich nur, ob man das wirklich Glück nennen könnte, dachte Loki zynisch und wandte sich wieder seiner kleinen Geheimwaffe zu. Ein seltenes Artefakt aus Nidavellir. Ein Seelenkristall um genau zu sein. Er trug ihn schon so lange bei sich, dass er seine Existenz beinahe vergessen hatte. Nun würde er ihm – hoffentlich – gute Dienste erweisen. Zwar war seine Magie mit der eines Infinity-Steines nicht mal ansatzweise vergleichbar, aber für den vorgesehenen Zweck würde sie ausreichen. Hoffentlich. «Hey, sind Sie taub?» Loki zuckte zusammen, als Starks Stimme in seinem Rücken dröhnte. Genervt wandte er sich zu ihm um. «Ich habe schon dreimal nach Ihnen gerufen.» «Was gibt’s denn schon wieder?» «Nichts wichtiges.» zischte Tony wütend. «Ich würde nur sehr gerne wissen, woher Sie diesen Thanos überhaupt kennen. Wenigstens die Frage könnten Sie mir zur Abwechslung ja mal beantworten, wenn Sie mir schon nicht verraten wollen, woher Ihre Kenntnisse dieser dunklen Dimension rühren, in der Coulson und die anderen gefangen waren.» Also die Frage mal wieder! Nicht das erste Mal, dass Stark sie stellte. Loki war drauf und dran erneut die Antwort schuldig zu bleiben, doch dann hörte er sich schon sagen: «Und Sie könnten zur Abwechslung mal damit aufhören, mir auf die Nerven zu gehen.» «Moment mal: wer hat mich denn in den Weltraum verschleppt, hä?» Tony stemmte die Hände in die Seiten und fixierte den Magier zornig. «Ich wüsste einfach endlich mal gern, worauf ich mich da bei dem Kerl einlasse.» Loki konnte sich ein flüchtiges, bitteres Auflachen nicht verkneifen. «Nein Stark, glauben Sie mir: das wollen Sie nicht wirklich wissen!» Dann wurde er schlagartig wieder ernst. «Ausserdem werden Sie es früh genug erfahren.» «Sie meinen, wenn wir auf diesem Mond ankommen?» Loki warf ihm einen sehr merkwürdigen Blick zu. «Nein... ganz so früh zum Glück nicht.» Was sollte das denn nun wieder bedeuten? Stark ballte so sehr seine Fäuste dass sich die Nägel in seine Handflächen bohrten. Aber Loki beachtete ihn nicht mehr, sondern fuhr fort, sich mit dem seltsamen Kristall zu beschäftigen, den er wenige Meter vor seinen Augen schweben liess. Und von dem Tony natürlich auch nicht die leiseste Ahnung hatte, wozu er taugte. «Schon gut,» schnauzte Iron Man entnervt. «Spielen Sie ruhig weiter mit ihrem... was auch immer! Ich bin ja schliesslich nur ein unwichtiges Werkzeug, nicht wahr!» Wütend stapfte er davon. Wenigstens gab es genügend zu essen in dieser fliegenden Sardinenbüche! Er brauchte jetzt ein nettes grosses Schinkensandwich mit extra viel Senf! «Sind Sie nicht...» hörte er da Lokis leise Stimme im Hintergrund. Tony blieb perplex stehen. «Was bin ich nicht?» «Unwichtig.» Der Magier wandte den Blick nicht von dem leuchtenden Kristall vor seiner Nase. Hoppla – was waren denn das auf einmal für Töne? Tony hätte beinahe gelacht. Beinahe. Aber es blieb ihm im Halse stecken, als er Lokis Gesicht betrachtete. Der düstere Ausdruck darauf liess ihn auf einmal frösteln. Er wirkte wie die personifizierte Verkündigung zukünftigen Unheils. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)