Lokis Strafe von uk ================================================================================ Kapitel 43: Unsichtbar ---------------------- Fandral spürte, gelinde ausgedrückt, Panik, als er ins Nichts fiel. Eben noch hatte ihn der Bifröst auf die Erde befördert, war er einige Schritte in die Richtung gegangen wo er die SHIELD-Basis vermutete und hatte in der Ferne eines dieser lustigen Fahrzeuge auf sich zukommen sehen, das die Menschen 'Auto' nannten. Im nächsten Augenblick hatte ein greller Blitz den Himmel zerrissen und ihn mit fortgespült. Aber wohin? Er fiel und fiel und konnte nichts sehen um sich herum. Da war nur grenzenlose Schwärze. Fandral ruderte mit den Armen, versuchte nach etwas zu greifen... Doch da war nichts. Einfach nichts. Bei Odins Bart, das konnte doch wohl nicht sein. Welch dunkle, fiese Macht spielte ihm hier einen Streich? Seine Gemütslage wechselte von Panik zu Wut und er stiess einen lauten Kampfschrei aus. Wenn er sterben musste, dann wollte er gefälligst wie ein Krieger sterben. Und nicht wie ein hilfloses Bündel, das aus einer unbeschreiblichen Höhe in die Tiefe fiel. Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm der Asgardianer auf einmal etwas wahr. Unter ihm tauchte so etwas ähnliches wie ein Untergrund auf. Obwohl man es eher als wabbelige, blubbernde Masse bezeichnen musste. Fandral keuchte auf und wappnete sich darauf, in dieses Etwas einzutauchen. Er tauchte nicht ein. Wundersamerweise wurde sein Fall abgebremst und seine Füsse bekamen plötzlich festen Boden unter sich zu spüren. Allerdings nur gerade sie: um ihn herum bewegte sich nach wie vor alles. Ein grelles und zugleich unnatürlich finsteres Licht stach Fandral in die Augen. In all den Jahrhunderten die er nun schon lebte und diverse Welten bereist hatte war ihm so etwas noch nie untergekommen. Und diese Kälfte um ihn herum! Er erschauerte und war froh, dass er wie immer seinen Fellumhang übergeworfen hatte. Sobald er auf dem seltsamen Grund stand, der seinen Sturz beendet hatte, spürte der Krieger noch etwas anderes. Eine Unruhe stieg in ihm auf und der feste Drang, sich in Bewegung zu setzen. Er hätte nicht zu sagen vermocht weshalb, doch er wurde das ungute Gefühl nicht los, dass stehen zu bleiben sich fatal auswirken könnte. Unsicher tat er einen ersten Schritt vorwärts... und stelle überrascht fest, dass der schwankende Untergrund hart wurde, sobald sein Fuss auftrat. Dafür begann sich der Boden an der Stelle, wo er eben noch gestanden hatte, zu bewegen. Wo war er da bloss hingeraten? Und wie? Heimdall kam ihm plötzlich in den Sinn. Der allsehende Wächter wusste vielleicht, in welcher Klemme er steckte. Er hob den Kopf und schaute nach oben – da war... nichts! Das konnte doch nicht sein. Er war doch durch irgendein Loch gefallen... Egal: Er holte tief Luft und rief Heimdalls Namen. So laut er konnte und so oft er es vermochte. Dabei stellte er jedoch innert kürzester Zeit fest, dass es ihn unglaublich anstrengte, nach dem Wächter zu rufen. Dass es ihn extrem viel Kraft kostete, überhaupt einen Ton in seiner Kehle zu bilden. Und nicht nur das... Fandral war es gewohnt, lange Strecken zu Fuss zu gehen. Als Krieger und Asgardianer machten ihm kilometerlange Märsche nicht das geringste aus. Doch nun kam er sich wie ein uralter Mann vor. Nach nur wenigen Metern schon hatte er den Eindruck, als würden seine Beine aus Blei bestehen. Er verhielt den Schritt und versuchte, seine Kräfte zu sammeln. Doch sofort machte sich wieder diese Unruhe in ihm breit, stärker und heftiger noch als vorhin. 'Weitergehen', zuckte es durch sein Gehirn. 'Bleib nicht stehen! Das ist tödlich.' Hatte da jemand gesprochen? Fandral warf gehetzte Blicke um sich, doch ausser dem grellen düsteren Licht und dem unsicheren Boden war nichts zu erkennen. Der Krieger spürte, wie die Panik wieder in ihm hochkroch. Würde er aus diesem Ort je wieder entfliehen können... wo er doch nicht einmal die leiseste Ahnung hatte, wo er sich überhaupt befand? Zumal er sich ziemlich sicher war, dass Heimdall ihn weder sehen noch hören konnte. Er wusste nicht, warum er davon überzeugt war – doch dass er sich nicht irrte, das hatte er im Gefühl. Er stolperte weiter - und meinte plötzlich, noch andere Geräusche zu hören. Die ersten seit er hier war, sah er von denen ab, die er selbst verursachte. Mit dem Gespür eines geübten Kriegers lauschte er angestrengt. Nach wenigen Minuten war er sich absolut sicher: da irrte noch jemand in diesem Nichts herum. ZWEI Gestalten, wenn er sich nicht täuschte. Fandral zückte sein Schwert und machte sich bereit. Wofür auch immer. ___________________________________________________________ Daisy und Coulson waren am Ende ihrer Kräfte. Das einzige, das sie weiter antrieb, war dieses unheimliche Knurren und Schnaufen, das gleichzeitig hinter, neben und vor ihnen zu sein schien. Zusehends unfähiger, auch nur einen einzigen, halbwegs klaren Gedanken fassen zu können, stolperten die beiden Menschen ziellos weiter. Im Wissen, dass sie sterben würden, wenn sie zusammenbrachen. Daisy hörte es schliesslich als erste. Zunächst glaubte sie, dass sie sich bloss etwas einbildete. Oder wohl langsam den Verstand verlor. Doch dann hörte sie es nochmals... Sie stiess Coulson an. «Da.» Ihr Atem ging schwer, ihre Stimme war fast nur noch ein Hauch. «Da... ist jemand.» Coulson lauschte entkräftet. «Daisy...» Da war nichts. Doch die junge Frau liess nicht locker. «Hören sie... genau hin. Jemand... ruft. Ich... bin sicher.» Daisy presste die Worte so schnell sie konnte hervor. Wie war es nur möglich, dass Sprechen derart anstrengend sein konnte? Der Agent spitzte die Ohren. Und endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hörte er es auch: eine männliche Stimme, die irgend etwas rief. Was, das konnte er nicht ausmachen. Was wohl vor allem daran lag, dass die Laute langsam verstummten. «Loki?» fragte Daisy hoffnungsvoll. Coulson dachte nach. Sein Gefühl sagte ihm, dass es nicht Loki war. Trotzdem gab er wider besseres Wissen zur Antwort: «Hoffen.... wir es.» Die beiden Menschen waren so in ihr angestrengtes Lauschen vertieft gewesen, dass ihnen gar nicht aufgefallen war, dass sie stehen geblieben waren. Ein verhängnisvoller Fehler, wie ihnen schlagartig klar wurde, als das bisher nur undeutliche Schnaufen lauter und lauter wurde... ...bis es sich schliesslich zu einem Brüllen steigerte! ________________________________________________________________ «Du wolltest mich sprechen, Heimdall?» Thor kam mit wehendem Umhang angeflogen und landete elegant in der grossen Kuppel des Bifröst. Der Wächter nickte ernst. «Ja. Ich muss dir etwas gestehen... Zwei Dinge, um genau zu sein.» Thor hob die Brauen. «Was meinst du?» «Nun, zunächst einmal hat Fandral mich darum gebeten, ihn nach Midgard zu schicken.» Heimdall warf Thor einen leicht unsicheren Blick zu. «Ich habe diesem Wunsch entsprochen. Hauptsächlich deshalb, weil er behauptete, dass du damit einverstanden sein würdest, wenn du es wüsstest.» «Fandral wollte zur Erde?» Thor war überrascht. «Warum das denn?» «Kannst du dir das wirklich nicht denken?» Heimdalls Blick wurde ernst und eindringlich. «Fandral gehört mit zu denen, die wegen Loki am meisten Schuldgefühle verspüren. Er hatte darauf gehofft, mit ihm sprechen zu können, nachdem... Du weisst schon.» Der Wächter holte tief Luft. «Aber Loki ist nicht mit dir zurück gekommen. Also hat Fandral mich gebeten, ihn dahin zu bringen, wo dein Bruder jetzt ist. Also zur Erde.» «Verstehe.» Thor lächelte warm. Fandral war eine gute Seele, auch wenn er es gerne hinter seinem nonchalanten Gehabe versteckte. «Du hast meine absolute Zustimmung, falls es das ist, was dir Kummer bereitet. Es war gut, dass du Fandrals Wunsch entsprochen und ihn nach Midgard befördert hast. Auch wenn ich nicht sicher bin, ob Loki mit ihm sprechen wird.» «Nun, das dürfte inzwischen Fandrals kleineres Problem sein.» begann der Wächter zögernd. Sofort war Thor alarmiert. Dieser Ausdruck plötzlich auf Heimdalls Gesicht! Den hatte er erst einmal gesehen: damals, als Loki sich von der Regenbogenbrücke gestürzt hatte und der allsehende Wächter ihn weder tot noch lebendig mehr irgendwo hatte wahrnehmen können. Damals, als Loki einfach... weg gewesen war. Eine düstere Vorahnung stieg in Thor auf. «Rede! Was genau ist los?» «Ich kann Fandral nicht mehr sehen.» erwiderte Heimdall leise. «Er ist auf Midgard angekommen, das weiss ich. Doch nur kurze Zeit danach ist er verschwunden – wohin, da habe ich nicht die leiseste Ahnung.» Die beiden Männer warfen sich einen inhaltsschweren Blick zu. Jeder wusste, was der andere dachte. «Ich rede mit Odin.» beschied Thor dann entschlossen. «Er soll mich ebenfalls nach Midgard schicken.» Heimdall hatte befürchtet, dass der blonde Donnergott das sagen würde. «Und was, wenn du ebenfalls verschwindest?» fragte er heiser. Thor stockte. Daran hatte er gar nicht gedacht. Dennoch: sein bester Freund war unauffindbar. Und vermutlich bedeutete dies, dass sich auch Loki in Gefahr befand. Zwar wusste er, dass sein Bruder sehr gut auf sich selbst aufpassen konnte. Trotzdem war es Thor unmöglich, einfach tatenlos in Asgard herum zu sitzen. «Mir wird schon nichts passieren.» gab er zuversichtlicher zurück, als er sich fühlte. Er konnte nur hoffen, dass sein Vater das genauso sah. Wenn nicht – wenn er ihm die Erlaubnis, nach Midgard zu reisen, verweigerte – würde Heimdall sich diesem Befehl nicht widersetzen. Und Thor war nicht Loki: er kannte keine geheimen Pfade aus seiner Heimatwelt heraus. So schnell wie er gekommen war flog er zum Palast zurück. Odin hörte ihm zu, doch kaum hatte er geendet, winkte er auch schon entschieden ab. «Du bleibst hier.» sagte er fest und tauschte einen schnellen Blick mit Frigga, die ebenfalls zugegen war. «Vater...» hob Thor erneut an, doch der König unterbrach ihn. Allerdings klang seine Stimme seltsam milde, als er sagte: «Traust du es Fandral denn nicht zu, auch ohne deine Hilfe eine Gefahrensituation zu überstehen?» «Natürlich tue ich das.» gab Thor leicht unwillig zurück. «Aber er ist spurlos verschwunden, Vater. Auf Midgard. Nicht einmal Heimdall kann ihn mehr sehen. Was auch immer da los ist – ich will ihm helfen. Dafür sind Freunde schliesslich da. Und vergiss Loki nicht. Was immer Fandral zugestossen ist, könnte auch mit ihm passieren.» «Und du glaubst, dass dein Bruder zu schwach ist, um alleine klar zu kommen?» Diesmal klang Odins Stimme noch weicher, noch sanfter. Sein Blick war warm aber auch eindringlich. Ein leiser Vorwurf schwang darin mit. Thor spürte, wie er rot wurde. «N... nein, natürlich nicht.» Er fühlte sich seltsam ertappt. Jahrhundertelang hatte er in Loki den kleinen Bruder gesehen, den er, der Grosse, beschützen musste. Dabei war ihm doch längst klar, dass Loki seinen Schutz nicht brauchte – wohl noch nie wirklich gebraucht hatte. «Ich habe schon den einen Sohn verloren,» hörte er da seinen Vater leise sagen. «Ich will den zweiten nicht auch noch verlieren.» Thor starrte ihn erschüttert an. «Was redest du denn da? Du hast Loki doch nicht verloren...» Odin wandte sich ab. «Doch, das habe ich.» antwortete er mit brüchiger Stimme. Seine Schultern zuckten verdächtig. Eine Ewigkeit lang blieb es still. Thor kämpfte mit sich. Alles in ihm wollte widersprechen, doch er spürte gleichzeitig, dass der Vater jetzt alles ertragen konnte – nur keinen Streit mit ihm. Es war schliesslich Frigga, die die Situation entschärfte. «Ein Vorschlag, Thor: du bleibst vorerst hier und wartest ab. Heimdall kann ja immerhin Loki noch sehen, nicht wahr. Solange es diesem gut geht, brauchen weder Midgard noch Fandral dich. Sollte sich das aber ändern...» Ihr Blick wanderte zu ihrem Mann, «...dann schicken wir dich umgehend zur Erde.» Thor öffnete den Mund um zu widersprechen – und schloss ihn gleich wieder. Seine Mutter hatte Recht. Und da jetzt auch sein Vater einlenkte und sich mit diesem Kompromiss einverstanden erklärte, musste er sich wohl oder übel geschlagen geben. Und es stimmte ja auch wirklich: wenn Fandral tatsächlich Hilfe brauchte, war Loki mehr als fähig genug, sie ihm zu geben. Erst sehr spät an diesem Abend fiel Thor auf, dass er keine Sekunde lang davon ausgegangen war, dass Loki das vielleicht gar nicht wollen könnte... Dass er, sollte Fandral tatsächlich in ernsten Schwierigkeiten stecken, ihn einfach darin sitzen lassen könnte. Nein, mit dieser Möglichkeit hatte Thor keinen Moment lang gerechnet. Und er tat es auch jetzt nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)