Lokis Strafe von uk ================================================================================ Kapitel 35: Asgards neue Königin -------------------------------- Die Stimme in seinem Kopf war der Grund, warum Thor ruhig blieb – auch dann noch, als sein Vater, wie Loki es vorausgesehen hatte, sich Hela ergab. Ergeben musste, da er nicht auch noch die wenigen Asgardianer, die überlebt hatte, opfern wollte. Die Stimme in seinem Kopf half ihm auch, sich selbst der Schwester auszuliefern, obwohl er mit allen Fasern seines Körpers lieber bis zum letzten Atemzug gekämpft hätte. Und es war diese leise, aber konstante Stimme, die ihm schliesslich die Kraft gab, den schändlichsten Moment in seinem Dasein ertragen zu können: als er vor Asgards Thron auf die Knie gezwungen wurde – in Ketten gelegt genauso wie sein Vater neben ihm. Die auf ihn hinuntersahen, waren Hela und Loki, der neben der Frau, die sich auf den Thron gesetzt hatte, stand. Um seine Lippen lag ein derart spöttisches und überhebliches Lächeln, dass Thor wusste, dass er grosse Mühe gehabt hätte, ihm weiter zu vertrauen… Wenn nicht Lokis Stimme in seinem Kopf eine ganz andere Sprache gesprochen hätte als der Ausdruck auf seinem Gesicht! Allerdings wunderte sich der blonde Donnergott, wie Loki es schaffte, auf diese Weise mit ihm zu kommunizieren. Dass Loki ohne Berührung in das Bewusstsein anderer eindringen konnte, war ihm bekannt, doch sein Bruder hatte ihm auch gesagt, dass er seine eigenen Gedanken nur durch direkten Körperkontakt weitergeben konnte. Aber Loki stand jetzt genau sechsundachtzig Treppenstufen über ihm… Ausserdem hörte Thor seine Stimme schon seit Stunden. Doch so sehr er sich auch darüber wunderte, dass Loki nun doch in der Lage war, seine Gedanken auf diese Weise in anderen hörbar werden zu lassen: er war weit davon entfernt, sich deshalb beschweren zu wollen! Er wusste wirklich nicht, wie er es sonst ertragen hätte, Odin derart vernichtet zu erleben, wenn er nicht Lokis stete Zusicherung vernommen hätte. ‘Vertrau mir Bruder. Auch wenn es schwerfällt. Bitte – ich lege euch nicht rein! Ich bin auf eurer Seite!’ raunte der Bruder in seinem Kopf, und Thor musste sich sehr zusammen reissen, um ihm nicht irgendwie zuzunicken. Wichtig war nur: der blonde Donnergott glaubte Loki. Vertraute Loki. Und darum blieb er ruhig. Ganz anders Odin: der zitterte am ganzen Körper. Vor Wut, und wie sein Sohn ahnte, auch vor Schmerz. Dem Schmerz, der aus der scheinbaren Erkenntnis erwuchs, dass Loki sich jetzt ein für alle Mal für die dunkle Seite entschieden hatte. Und dass der Versuch des Allvaters, ihn zu retten, gescheitert war. Thor hätte ihm gerne irgendwie zu verstehen gegeben, dass er sich irrte. Aber selbst wenn er es gekonnt hätte: er wusste, dass er es nicht durfte. Alles hing jetzt davon ab, dass Loki seine Rolle bis zum entscheidenden Moment spielen konnte. Als offenbar geworden war, dass Loki – dem Anschein nach – an Helas Seite kämpfte, war es Thor kaum möglich gewesen, die vielen Bemerkungen über den Bruder voller Abscheu, Verachtung und Hass stumm an sich abprallen zu lassen. Sie hätten ja gewusst, dass er nur Dreck sei, es wäre ja klar gewesen, dass jemand wie er nicht mal den kleinsten Hauch von Ehre besass und die Gelegenheit nutzte, um sich an Asgard zu rächen, was könne man von einem Frostriesen schon anderes erwarten… und so weiter und so fort. Thor hätte am liebsten jeden einzelnen dieser Lästerer gepackt und kräftig durchgeschüttelt – aber weil er wusste, dass er damit alles zunichte gemacht hätte, riss er sich zusammen. Doch er freute sich auf den Moment, wo sie erkennen würden, wie sehr sie sich in Loki getäuscht hatten! In Grund und Boden schämen würden sie sich. Genauso wie er es selbst auch einst getan hatte… Er biss sich auf die Lippen und senkte den Kopf. Seine harten Gedanken den Asgardianern gegenüber waren eigentlich unfair, er wusste es. Loki spielte seine Rolle, und er spielte sie – natürlich! – perfekt. Wie konnten sie also anders über ihn denken, als sie es taten? Das, was sich ihren Augen bot, war ja wirklich genau das, was sie annahmen: ein Mann, der die perfekte Gelegenheit zur Rache gefunden hatte… und sie nutzte! Er hoffte nur, dass Frigga anders dachte, anders empfand. Nicht, dass Thor von ihr annahm, dass sie den Abscheu der übrigen teilte. Doch dass sie dieselbe Enttäuschung und den gleichen Schmerz wie Odin empfand, war leider nur zu wahrscheinlich. Thor hoffte aber aus ganzem Herzen, dass seine Mutter Loki trotz allem anders einschätzte. Nicht, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, das zu beeinflussen. Frigga war nicht hier. Man hatte sie in ihren Gemächern eingesperrt. Thor war sich sicher, dass Loki dahinter steckte – dass er der Mutter den schmerzlichen Moment, ihren Ehemann und ihren Sohn vernichtet zu Helas Füssen sehen zu müssen, ersparen wollte. Er war ihm dankbar dafür. Wäre sie jetzt auch hier gewesen… Thor wusste nicht, ob er die gleiche Ruhe aufgebracht hätte. Aber so schaffte er es, auch dann noch gleichmütig still zu bleiben, als Hela sich nach vorne beugte und mit boshaftem Grinsen sagte: «Es ist soweit, lieber Vater. Zeit, dass du deine Kräfte abgibst!» Die gefangenen Asgardianer stiessen Verwünschungen und Flüche aus, doch Helas Krieger hielten sie in Schach. Hilflos mussten sie mitansehen, wie die Frau die Stufen hinunterstieg und dabei eines ihrer Messer zückte. «Das wird jetzt leider nicht ohne ein wenig Blutverlust abgehen.» sagte sie lächelnd. «Aber hab keine Angst, Vater, ich werde dich selbstverständlich nicht töten.» Sie machte eine Kunstpause und fügte dann mit gespielt gelangweilter Stimme hinzu: «Schliesslich habe ich noch ein bischen was mit dir vor! Etwas, das dir gefallen wird, da du ja so grosse Freude am Quälen hast.» Wieder brandeten unflätige Bemerkungen und hasserfüllte Zurufe auf, doch Hela hob die Hand und schnitt allen damit sofort das Wort ab. «Ihr solltet jetzt besser still sein. Sonst komme ich eventuell noch auf die Idee, euch an Odins Schicksal… teilhaben zu lassen.» Sie hielt inne und liess die Worte wirken. Dann, als ob ihr eben eingefallen wäre, dass sie etwas vergessen hatte, langte sie sich plötzlich an den Kopf und meinte, zu Loki gewandt: «Entschuldige, Bruder, ich wollte dich natürlich nicht ausschliessen.» Sie drehte sich wieder um und funkelte Odin aus unheimlichen Augen an. «Also, ich korrigiere mich: WIR, Loki und ich, haben noch ein bischen was mit dir vor. Wir sind uns allerdings noch nicht ganz einig. Auf alle Fälle irgendwas mit Schmerzen und Ketten und Käfigen…wir werden sehen. Doch egal, was es am Ende genau sein wird: du wirst es mögen, da sind wir sicher. Denn wie schon erwähnt: du magst ja Quälereien.» Ihr grausames Lächeln liess Thor das Blut in den Adern gefrieren. «Aber zuerst kommt jetzt mal das hier.» Sie neigte sich zu Odin hinunter und setzte ihm das Messer an die Stirn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)