Lokis Strafe von uk ================================================================================ Kapitel 10: Alpträume --------------------- Philip Coulson schrie. Er schrie sich die Seele aus dem Leib, aber es schien niemanden zu kümmern. Diese Schmerzen... sie waren unerträglich, und er war versucht, um Gnade zu betteln. Doch er wusste genau, dass es keinen Sinn haben würde: sie würden nicht aufhören. Er glaubte, in Flammen zu stehen und gleichzeitig in Stücke gerissen zu werden. War überhaupt noch etwas von ihm übrig? Er wusste es nicht, aber eines war klar: wer immer behauptet hatte, dass man bei extremen Schmerzen irgendwann in die Ohnmacht abdriftete, hatte gelogen. Extremer konnte das hier kaum noch werden – doch von so etwas wie einer gnädigen Bewusstlosigkeit war er weit entfernt. Irgendwann waren sie fertig mit ihm. Grobe Hände packten ihn und warfen ihn in etwas hinein, das verdächtig nach einem Käfig aussah. Wieder schrie er auf, als er unsanft hinein geworfen wurde. Jede Faser seines Körpers schien zu schmerzen. Ausserdem war seine Kehle so ausgetrocknet, dass er für ein bischen Wasser getötet hätte. Aber sie gaben ihm nichts... auch nicht, als er sie darum anflehte. Die Nacht brach herein, und Phil lag reglos in seinem Gefängnis. Es wurde kalt, und bald zitterte er nicht nur mehr wegen der Schmerzen allein.... Was war das nur? Wo war er? Was war mit ihm geschehen? Phil japste nach Luft, versuchte sich zurecht zu finden... und driftete wieder in die Hölle zurück. Am nächsten Tag kamen die Schaulustigen. Er wollte auf ihre spöttischen Bemerkungen ein paar bissige Antworten geben, aber das einzige, was sich seiner ausgedörrten Kehle entrang, war ein heiseres Krächzen. Wieder versuchte er, sich in diesem Wahnsinn zurecht zu finden. Er war Philip Coulson, Agent von SHIELD – was machte er in dieser unwirklichen, grauenhaften und vollkommen surrealen Situation? Wie um alles in der Welt war er hierher geraten? Die Umgebung war ihm völlig fremd. Genauso wie die Leute um ihn herum. Sie trugen seltsame Gewänder. Irgendwo aus den Tiefen seines Gehirns stieg die Erinnerung an ähnliche Kleider in ihm hoch, aber ihm wollte partout nicht einfallen, wann und wo er schon solche Menschen gesehen hatte. Menschen..? Der Gedanke liess eine Glocke in ihm läuten. Waren das überhaupt Menschen? Befand er sich überhaupt auf der Erde? Oder war er in... ...Asgard! Mit einem letzten lauten Schrei wachte Phil aus seinem Alptraum auf. Sein ganzer Körper war schweissgebadet und zitterte. Er brauchte mehrere Minuten, bis er seine Umgebung wieder richtig wahrnahm: der Jet, seine Schlafkammer darin, seine Koje mit den warmen Decken und einem gemütlichen Kissen... Kein eisiger Käfig, keine Schmerzen. Es war nur ein Traum gewesen... Nein, korrigierte er sich. Kein Traum. Die reale Erinnerung von jemandem... Von demjenigen, den er hasste und verabscheute, von dem er selbst öfters in Alpträumen heimgesucht worden war. Nur dass Loki in diesen Träumen immer der triumphierende Sieger über ihn gewesen war – und über die ganze Welt. Er hatte geträumt, dass Loki ihn mehrmals niederstach, dass er alle seine Freunde niederstach, dass er ihnen allen befahl, vor ihm auf die Knie zu fallen, ehe er sie der Reihe nach abschlachtete... Wilde, grässliche Träume waren das gewesen, am intensivsten in den Wochen nach seiner Reanimierung. Es hatte Monate gedauert, bis Phil das erste Mal wieder eine ruhige Nacht hinter sich gebracht hatte. Aber so schlimm diese Alpträume von Loki und seinen menschenmordenden Chitauri-Horden auch gewesen waren: das von grade eben überstieg das alles bei weitem. Als er lautes Klopfen an der Tür und Daisy Johnsons besorgte Stimme hörte, wurde ihm klar, dass er wohl zumindest seine Schreie nicht nur geträumt hatte. «Alles in Ordnung, Sir?» fragte die junge Agentin ängstlich. «Sie haben geschrien... Kann ich reinkommen?» Er öffnete ihr die Tür. Sie würde eh nicht gehen, bevor sie sich davon überzeugt hatte, dass noch alles an ihm dran war. Mit einem etwas matten Lächeln versetzte er: «War nur ein Alptraum, Daisy. Tut mir leid, dass ich sie geweckt habe. Gehen sie wieder schlafen.» «Mich geweckt..?» Daisy dehnte die Worte und warf einen Blick über die Schulter. Hinter ihr standen die übrigen Agenten – und Thor. Nur Loki war nicht zu sehen. «Sie haben so ziemlich alle geweckt, Sir.» «Ist wirklich alles in Ordnung?» Das war Jemma. Sie beäugte Coulson zweifelnd, und er wusste, dass ihr ärztlicher Instinkt jetzt Alarm schlug. Wieder versuchte er ein Lächeln. Es gelang ihm etwas besser als das erste. «Ja, alles okay. War wohl einfach etwas viel... gestern.» Er setzte sich im Bett auf und versuchte, das Entsetzen, das ihm immer noch in den Gliedern steckte, durch einen barschen Ton zu verdrängen. «Mir geht’ gut, wirklich. Ich wollte euch nicht den Schlaf rauben – es tut mir leid. Doch jetzt verschwindet wieder in eure Schlafkojen. Sonst habe ich morgen lauter übel gelaunte Agents um mich... inklusive eines übel gelaunten Gottes.» Thor schmunzelte und scheuchte dann die anderen eigenhändig weg. Bevor er selbst ging, wandte er sich jedoch nochmal an Coulson: «Ist es wegen Loki?» Der Agent schluckte. «Ja,» zwang er sich zu antworten. «Aber anders, als sie denken... Doch darüber - » Er winkte ab, als Thor etwas erwidern wollte, « - möchte ich lieber nicht sprechen.» Der Blonde zögerte, dann nickte er schliesslich langsam und machte auf dem Absatz kehrt. Erschöpft sank Coulson wieder auf sein Lager zurück. Du meine Güte – wie hatte Loki das alles nur überstehen können? Und wie konnte er selbst es schaffen, gegen seine Betroffenheit anzukämpfen? Er wollte den Bastard nicht bemitleiden! Wollte sich einreden, dass ihm nur Recht geschehen war! Schliesslich hatte Loki die Erde zu erobern versucht und dabei Unzählige getötet und verletzt. Und sicher hatte er dabei keinen einzigen Gedanken an seine Opfer verschwendet. Schliesslich... wie hatte er die Menschen doch gleich noch mal genannt? Ameisen! Nein - so jemand verdiente allenfalls Schadenfreude, aber kein Erbarmen oder Mitgefühl... Doch er wäre nicht Phil Coulson gewesen, wenn er etwas anderes als genau das empfunden hätte. Sein weiches Herz – manchmal hasste er sich selbst dafür. ---------------------- Auch Loki hatte Phil Coulson schreien gehört, doch er brauchte nicht erst zu ihm zu gehen, um zu wissen, was los war. Er fragte sich, ob er einen Fehler begangen hatte. Aber nein: er war sich absolut sicher gewesen, dass der Mann nichts anderes als eisige Genugtuung empfinden würde, wenn er erfuhr, wie die Strafe für seine, Lokis Verbrechen, ausgesehen hatte. Dass ihn das jetzt in seinen Träumen verfolgte, hätte er nie gedacht. Der reissende Schmerz in seiner Brust war wieder da – nichts Körperliches, nein, sondern die Verzweiflung über seine Taten. Und im Moment vor allem darüber, dass er offenbar einen sehr, sehr guten Menschen umgebracht hatte. Damals hatte er an Phil Coulson keinen Gedanken verschwendet. Er stand ihm Weg – er musste weichen. So einfach und so simpel. Klar, er hätte ihn nicht zu töten brauchen. Ihn nur bewusstlos zu schlagen, hätte völlig ausgereicht. Warum er es dennoch getan hatte? Er wusste es nicht mehr... Oder besser gesagt: er konnte es nicht mehr nachvollziehen. Wie so vieles andere auch. Genauer gesagt: wie so ziemlich alles, was er in den letzten drei Jahren getan hatte. Thor hatte Coulson von Anfang an gemocht. Sein Bruder, der eigentlich nicht besonders gut darin war, sich in andere hinein zu versetzen, hatte in Coulson sofort das grosse Potential gesehen – den erstaunlichen Mann, der er war. Er hatte nicht nur das grosse Herz des Agenten erkannt, sondern auch seine unglaubliche Kraft und seinen Mut. Für das alles war Loki blind gewesen. Phil Coulson war für ihn nur einer von den vielen Milliarden gewesen, die er hatte beherrschen wollen. Ein mickriges kleines Nichts, das gefälligst zu kuschen hatte. Und das, wenn es denn nicht spurte, halt die Konsequenzen tragen musste! Es war nicht seine Absicht gewesen, Phil Coulson noch mehr zu quälen. Aber nun gut, zumindest konnte er es diesmal in gewisser Weise korrigieren. Er konzentrierte sich und verknüpfte seinen Geist mit dem des Mannes, liess ihn sanfte, ruhige Gefühle spüren und führte ihn behutsam in einen wenigstens für den Rest der Nacht erholsamen Schlaf. Als er wusste, dass Coulson friedlich schlief, zog er sich wieder zurück. Er seufzte. Sah so aus, als würde er das wohl noch öfters tun müssen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)