Lokis Strafe von uk ================================================================================ Kapitel 9: Alte Freunde ----------------------- «Warum haben sie das getan?» fragte Coulson gedehnt. Um seinen Mund spielte ein feines Lächeln, und er hob eine Braue. «Wollten sie, dass ich Mitgefühl für sie entwickle?» Loki war im ersten Moment zu verblüfft, um zu lachen. Er starrte den Agenten an, als sähe er einen Verrückten vor sich. «Ja, klar!» Jetzt lachte er doch, nur kurz, aber deutlich spöttisch. «Wollen sie etwa behaupten, es hat nicht geklappt?» Coulsons Lächeln blieb. «Nein, hat es nicht.» Er wandte sich an seine Leute. «Nehmen sie ihm die Handschellen ab.» Dann wieder an Loki. «Im Ernst: warum?» «Die Handschellen abnehmen, Sir?» fragte Mack konsterniert und mit deutlicher Abwehr in der Stimme. «Der Kerl ist gefährlich.» «Als ob ich das nicht bestens wüsste,» erwiderte Coulson immer noch völlig gelassen. «Aber wie ich jetzt genau weiss, kann er sie sowieso mit Leichtigkeit aufbrechen, wenn er will. Also können wir sie ihm genauso gut abnehmen.» Er ignorierte die irritierten Blicke seiner Agenten und heftete die Augen weiterhin fragend auf Loki. «Nochmal: warum?» «Ich dachte, ich schulde ihnen was.» Loki grinste leicht säuerlich und zuckte die Schultern. Doch seine ernste Stimme wollte nicht so ganz zu der gespielten Gleichgültigkeit passen. «Betrachten sie’s als kleines Geschenk. Immerhin gefällt es ihnen ja nicht besonders, was ich jetzt so alles über sie weiss...» Er liess den Rest des Satzes in der Luft hängen. Mack behagte es sichtlich nicht, den Befehl seines Vorgesetzten auszuführen. Als er Lokis Handschellen löste, sprach sein Blick Bände. Er fixierte ihn scharf, die eine Hand lag bereits wieder an der Waffe. «Sie planen doch irgendwas,» schnappte er wütend. «Genauso wie vor einem Jahr, kurz vor dem Angriff auf New York.» Loki wollte etwas sagen, doch Coulson kam ihm zuvor. «Es sieht so aus, als sei unser Möchtegern-Welteroberer hier...» Er dehnte das Wort. «...auf der Flucht.» «Auf der Flucht?» Das waren Mack und Melinda gleichzeitig. Sie meinten, sich verhört zu haben. «Vor wem?» Coulson konnte ein Schmunzeln nicht mehr unterdrücken. «Vor ganz Asgard, so wie’s aussieht.» Er legte eine kleine Pause ein und fügte dann, schlagartig wieder ernst geworden, hinzu: «Und Thor hat ihn hergebracht.» «Was?» Melinda trat neben Mack und richtete ihre Waffe wieder auf Lokis Gesicht. «Und das hat er ihnen alles einfach so erzählt?» «Nicht so ganz...» antwortete Coulson, doch ehe er weitersprechen konnte, war plötzlich ein lautes Rumpeln über ihren Köpfen zu hören. Das ganze Flugzeug wurde durchgeschüttelt und schien für Sekunden gefährlich aus dem Kurs zu kommen. Melinda wäre am liebsten sofort ins Cockpit gerannt, doch sie hoffte, der Autopilot würde noch für einen Moment genügen. Sie wollte Mack und Coulson nicht mit dem Asgardianer alleine lassen. «Was war das?» zischte sie gefährlich leise und zielte jetzt direkt auf den Punkt zwischen Lokis Augen. Auch die beiden Männer starrten ihn wütend an. Doch Loki hob nur gelassen die Hände und erwiderte: «Ich bin unschuldig. Schätze, das ist der, den sie eben erwähnt hatten...» «Thor?» Auf Coulsons Gesicht spiegelten sich Unglauben und leichte Verunsicherung wider, doch ehe er noch etwas sagen konnte, öffnete Loki bereits ein Portal und liess den Bruder ins Stockwerk über ihnen eintreten. Eine Sekunde später tönte auch schon die Stimme eines Agenten aus dem Lautsprecher: «Sir, wir haben plötzlich einen Besucher hier.» Coulson, Mack und Melinda wussten instinktiv, dass Lokis Handbewegung offenbar dazu geführt hatte, den Donnergott ins Flugzeug zu lassen. Sie starrten den Schwarzhaarigen mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an, doch Loki meinte nur grinsend: «Thor wäre sowieso reingekommen. Auf die Weise demoliert er hier wenigstens nichts.» Von oben wurde Stimmengewirr laut, und dann polterte Thor auch bereits zur Tür hinein, gefolgt von Jemma und Fitz, die versuchten, ihn zu beschwichtigen. «Wo ist er?» rief Thor und blieb, als er Loki sah, aprubt und erleichtert stehen. «Bruder! Ist alles in Ordnung?» «Ja, alles bestens.» gab Loki mit einem leicht säuerlichen Lächeln zurück und deutete dann in die Ecke hinter der Kabine, wo sich Coulson bewusst im Hintergrund hielt. «Aber du solltest mal kurz tief Luft holen... und dann bitte daran denken, dass Menschen etwas zerbrechlicher sind als wir!» «Was meinst du?» fragte Thor, aber dann wurden seine Augen gross, als der auch von ihm totgeglaubte Phil Coulson langsam und etwas unsicher aus dem Schatten trat. «Sohn von Col!» rief Thor freudig überrascht und sprang zu dem Agenten hin. Einen Herzschlag später hatte er ihn bereits in eine heftige Umarmung gezogen. «Wie ist das möglich? Ich dachte, sie sind tot!» «Thor...» Lokis Stimme schwankte zwischen Belustigung und Gereiztheit. «Was sagte ich gerade? Menschen sind zerbrechlich!» «Entschuldigung!» Thor liess Coulson loss und schob ihn auf Armhöhe von sich. Er liess seine Augen über seinen Körper gleiten, von Kopf bis Fuss, als wolle er sich davon überzeugen, dass wirklich alles an ihm dran war. Dann fragte er wieder stammelnd: «Wie..?» Der Agent legte ihm lächelnd eine Hand auf den Arm. «Das erzähle ich ihnen später in Ruhe.» Der Blick, mit dem er Thor mass, zeigte deutlich die freundschaftlichen Gefühle und die Bewunderung, die er für ihn hegte. Doch dann huschte ein Schatten über seine Züge. «Genauso wie sie mir in Ruhe erzählen werden, wie sie auf die Idee kommen konnten, Loki hierher zu bringen.» Thors Augen schweiften zwischen dem Mann und seinem Bruder hin und her. «Loki wird niemandem mehr etwas tun.» versetzte er beschwörend. «Das müssen sie mir glauben.» «Was macht sie so sicher?» Thor zögerte. «Es ist... so einiges passiert.» Er biss sich auf die Lippen und fragte sich, wie viel er dem Mann erzählen sollte. Doch da hörte er auch schon Loki sagen: «Das weiss er, Bruder. Nur ändert es nicht das Geringste daran, dass er glaubt, ich hätte immer noch vor, die Erde zu erobern.» Er grinste flüchtig. «Oder sowas in der Art zumindest...» «Bleiben sie gefälligst aus meinen Kopf raus!» herrschte Coulson ihn an. «Oh.» Loki war ein wenig verblüfft. «Das war eigentlich eher ironisch gemeint gewesen...» Sein Grinsen wurde säuerlich. «Ansonsten bin ich im Moment ganz brav und lasse ihr Bewusstsein in Ruhe.» Zumindest solange das ging, doch das sagte er nicht laut. Thor, der die Anspannung im Raum genau wahrnahm und auch nur zu gut nachvollziehen konnte, versuchte abzulenken: «Warum stellen sie mir nicht erst mal ihre Freunde vor, Sohn von Col? Und zeigen mir diese imposante Flugmaschine etwas genauer..?» Er liess seine Blicke umherschweifen, und die Bewunderung darin war nicht gespielt. «Ihr Menschen überrascht mich immer wieder.» «Danke für die Blumen.» gab Coulson zurück und beschloss, Thor zuliebe auf den Ablenkungsversuch einzugehen. So gab er ihm – und notgedrungen auch seinem Bruder, den Thor natürlich dabei haben wollte – schliesslich eine private kleine Führung durch das ‘Flugobjekt’, das sie den ‘Bus’ nannten. Der Donnergott war sichtlich beeindruckt. Loki weniger: er hatte auf anderen Welten schon weitaus faszinierendere Flugmaschinen und sehr viel fortschrittlichere Technik gesehen. Von Asgardianischen Standards ganz zu schweigen. Doch er sagte nichts. Ausserdem musste sogar er zugeben, dass die Menschheit es seit seinem letzten Besuch auf der Erde vor rund siebenhundert Jahren (damals waren er und Thor noch Kinder gewesen) ziemlich weit gebracht hatte. Irgendwann gelang es Coulson, Thor kurz beiseite zu ziehen und ihn nach Loki zu befragen. «Ich weiss, er ist ihr Bruder,» begann der Agent vorsichtig, «und daher ist es nur verständlich, dass sie ihm vertrauen. Aber ich hoffe, sie verstehen, dass uns das nicht so leicht fällt.» «Sie irren sich, wenn sie annehmen, dass ich Loki einfach blind vertraue... Ohne einen triftigen Grund dafür zu haben, meine ich.» Thor nahm Coulson am Arm und führte ihn noch etwas weiter von den anderen weg. «Aber Loki hat viel durchgemacht im letzten halben Jahr.» Seine Augen fixierten Coulson scharf. Plötzlich fiel ihm wieder ein, was sein Bruder gesagt hatte. «Hat Loki ihnen erzählt, was in Asgard passiert ist? Er hat angetönt, dass sie das wüssten.» «Nein, erzählt hat er es nicht gerade.» gab Coulson zurück. Ein Zittern durchlief ihn, als er an die Bilder dachte, die er gesehen hatte. Er schluckte und setzte leise hinzu: «Es gab... irgendeine Verbindung zwischen uns. Ihr Bruder weiss, wie ich wieder ins Leben zurückgeholt wurde. Das war keine besonders schöne Sache für mich...» Er zögerte, dann holte er tief Luft und berichtete Thor in kurzen Umrissen, was nach seinem Ableben geschehen war. Thors Augen weiteten sich entsetzt und voller Mitgefühl. «Ihr Bruder...» schloss Coulson seinen Bericht, «...hat irgendwie in mich hinein gesehen. Vermutlich wissen sie mehr darüber als ich. Fest steht nur: er weiss alles, was mit mir geschehen ist. Und das fand ich natürlich nicht so toll. Man macht ja nicht gerade... eine besonders gute Figur, wenn man um den Tod bettelt.» «Es tut mir so leid.» Thor wusste sichtlich nicht, was er sagen sollte. Coulsons Tod hatte ihn damals schwer getroffen. Und so sehr er sich auch freute, ihn jetzt wieder unter den Lebenden zu sehen: er hätte sich gewünscht, dass es mit weniger Leiden für den Mann verbunden gewesen wäre. Coulson riss ihn aus seinen Grübeleien. «Ihr Bruder kann Gedanken lesen, nicht wahr?» versetzte der Agent. «Warum haben sie uns das damals nicht gesagt... uns davor gewarnt?» Es klang nicht vorwurfsvoll, sondern nur fragend. «Weil ich es selbst nicht wusste.» gestand Thor leise. «Offen gesagt kenne ich bis heute nicht das genaue Ausmass von Lokis Fähigkeiten.» Als er Coulsons alarmierten Blick auffing, hob er beschwichtigend die Hände. «Keine Angst: ich werde ihn fragen.» «Und sie glauben, dass er ihnen antworten wird?» «Dass er... in das Bewusstsein anderer eindringen kann, hat er mir selbst gebeichtet. Darum: ja, ich bin sicher, er wird mir sagen, wie weit seine Möglichkeiten wirklich reichen.» Thor ahnte, warum Loki sie diesbezüglich im Dunkeln gelassen hatte. Sein Bruder hatte ihm mal gesagt, dass die beste Methode, jemanden zu besiegen, diejenige sei, den anderen in falscher Sicherheit zu wiegen. Sich selbst schwächer hinzustellen, als man eigentlich war – um dann im richtigen Moment die Maske fallen zu lassen. Aber das behielt er lieber für sich, denn es würde kaum dazu beitragen, Coulsons Misstrauen zu entschärfen. Zudem es ja nur eine Vermutung war. Um von Lokis Fähigkeiten abzulenken, fragte er vorsichtig: «Mein Bruder hat also in ihren Gedanken alles über ihr Schicksal erfahren... und ihnen daraufhin von dem seinen erzählt? Doch weshalb?» «Davon erzählt hat er mir nicht.» erwiderte Coulson fröstelnd. «Er hat mir die Hand auf die Stirn gelegt, und dann habe ich es einfach gewusst. Alles.» «Alles?» Thor stockte der Atem. «Sie meinen, er hat ihnen alles offenbart, was in Asgard mit ihm geschehen ist?» «Ja. Ich fragte ihn, ob er mein Mitgefühl wecken wollte. Aber ich weiss eigentlich genau, dass dies nicht der Grund war.» Coulsons Hand fuhr sich über die Stirn. Sie war schweissnass. «Und was war der Grund?» «Ihr Bruder behauptete, dass es nur fair wäre. Weil er meine Geschichte kennt, sagte er...» Coulson liess die Hand wieder sinken. «Aber so leid es mir tut, Thor: ich glaube ihm nicht.» Ich will es nicht, dachte er – doch das behielt er für sich. Loki trauen... Nein, das wäre fahrlässig und dumm. Und für ihn als neuer Director von SHIELD auch geradezu verantwortungslos. «Ich werde das unheimliche Gefühl nicht los, dass er mit all dem einen Plan verfolgt.» «Ich kann sie verstehen, mein Freund.» Aus den Augenwinkeln nahm Thor wahr, dass die übrigen Agenten wieder herzutraten. Hastig fügte er deshalb noch an: «Aber ich hoffe, dass sie wenigstens mir trauen. Meiner... Einschätzung von Loki.» Coulson schaffte ein schwaches Lächeln. «Sagen wir’s mal so: ich hoffe von ganzem Herzen, dass sie sich nicht in ihm irren.» «Worüber plaudert ihr beiden denn so angeregt?» fragte Melinda May, als sie heran war. Thor und Coulson tauschten einen raschen Blick. «Über alte Zeiten,» erwiderte der Agent mit einem Schulterzucken. Melinda hob nur die Brauen. «Ach ja?» Dann deutete sie auf Loki, der überraschenderweise nicht ebenfalls näher gekommen war, sondern nach wie vor neben Jemma Simmons stand und interessiert auf eine ihrer Arbeiten starrte. Die junge Wissenschaftlerin war sichtlich unsicher in seiner Gegenwart – was sie jedoch nicht daran hinderte, in ein ziemlich intensives Gespräch mit ihm vertieft zu sein. «Was machen wir nun mit ihm, Sir?» Als Thor sie etwas konsterniert ansah, wurde die Agentin beinahe rot. «Äh... tut mir leid, Thor. Ich weiss, er ist ihr Bruder... Aber trotzdem...» Sie merkte, dass sie sich verhedderte, und brach ab. Die beiden Halbgötter machten sie verflixt nervös, und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Coulson suchte noch nach der passenden Antwort, als er plötzlich Jemma aufgeregt näherkommen sah. «Sir, das ist unglaublich!» rief sie noch im Gehen. «Loki hat uns gerade die Antwort auf das Rätsel geliefert, das uns seit Wochen beschäftigt.» «Seit Wochen?» Loki war jetzt ebenfalls hinzugetreten und musterte Jemma ungläubig. «Echt jetzt?» Die Wissenschaftlerin wirbelte voller Enthusiasmus zu ihm herum. «Könnten sie vielleicht... kurz mitkommen? Ich hätte da noch ein, zwei andere Probleme, bei denen sie mir eventuell helfen könnten!» Und ehe Coulson noch dazu kam, sie daran zu erinnern, dass Loki nicht eben zu den vertrauenswürdigsten Wesen im Universum gehörte, hatte Jemma den Asgardianer schon am Arm gepackt und mit sich gezogen. Thor lehnte sich an die Bordwand und verschränkte die Arme über der Brust. Sein Gesicht war ein einziges breites Grinsen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)