SternenStolz von Runataurina ================================================================================ Kapitel 2: Ruf der Gabe ----------------------- Der Ruf einer Eule ließ Lilane aufschrecken. Es bleibt nicht mehr viel Zeit ... eile dich ... eile dich ... bist du bereit? Diese Worte hatte sie in ihrem Traum gehört und selbst jetzt hallten sie immer noch so deutlich und präsent an ihr Ohr, als stünde jemand neben ihr und sagte es immer wieder laut. „Bereit wofür?“, flüsterte sie. Ein leises Geräusch am Fenster schreckte sie auf. Durch den vollen Mond schien genug Licht in der Nacht, dass sie die Schleiereule erkennen konnte, die von Draußen auf dem Fenstersims hockte. Wie hypnotisiert schritt Lilane auf das Tier zu, in ihren dunklen Augen fast versinkend. Da war es ihr, als hörte sie erneut diese Stimme. Komm heraus und folge mir. Heraus? Ich weiß nicht einmal wie ich ihr herauskommen kann, ohne den Wachen in die Arme zu laufen ..., dachte sie ohne es auszusprechen und schon sah sie, wie als Antwort, Bilder in ihrem Kopf auftauchten. Sie zeigten ihr dem Weg nach Draußen zum Vorhof – ohne erkannt zu werden. Die Eule drehte sich um und flog lautlos davon. Sollte sie es wirklich versuchen? Oder hatte sie sich das nur eingebildet? Wie sollte sie denn die Eule in der Nacht wiederfinden? Egal, es widersprach jegliche Vernunft doch die Neugier von Lilane war geweckt. Schnell zog sie sich etwas über und nahm den Weg den ihr die Eule gezeigt hatte. Schneller und einfacher als gedacht, fand sie sich im Vorhof wieder. Stille Aber etwas weiter vorn hielten vier Krieger wache. Der Ruf der Eule erklang und Lilane drehte ihren Kopf in die Richtung. Dort oben auf dem Dach eines angrenzenden Gebäudes saß sie. Als winkte sie ihr zu, doch die Schleiereule winkte natürlich nicht wirklich, sie sah sie nur durchdringend und fesselnd an. Was nun? Lautlos flog sie in eine Seitengasse und die Frau folgte ihr leise. Im Dunkeln wäre Lilane beinahe gestolpert, doch zum Glück konnte sie sich an einer rauen Hauswand abstützen. Sie bog um die Kurve, weil es keinen anderen Weg gab und gelangte in einen weiteren Innenhof. Dort war niemand und der helle Mond erhellte das Durcheinander an Gerümpel und Pferdekarren, dennoch gab es einen großen Platz wo nichts stand, außer ein großer Schatten, der in der Ecke lag. Lilanes Herz fing an schneller zu schlagen. Was war das ...? Vorsichtig schritt sie darauf zu. Als Lilane nah genug dran war erkannte sie, dass eine dreckige alte Decke lieblos über etwas Starres geschmissen worden war und Lilanes Entsetzen ließ ihr fast das Herz einen Moment aussetzen. Vor ihr lag der reglose Körper eines Zentauren. Einige Teile wie Beine, Arme und Schweif guckten noch heraus. Mit einem Klos im Hals nahm die junge Frau die Decke und zog sie mit einem Ruck zur Seite. Da lag er, leblos und kalt – der tote Pferdemensch. Schreck, Entsetzen und innere Verzweiflung stiegen in ihr auf. Jeder der dem Prinzen entgegentrat ereilte offenbar sein Zorn. Der Strudel an Gefühlen ließ ihre Knie nachgeben und so fiel sie dicht neben ihm sitzend auf den steinigen Boden. Nur zögernd legte sie eine Hand auf seinen Pferdebauch. Sein Fell fühlte sich weich an, wenn man sich den Schmutz und die Blutkrusten wegdachte, und kalt. „Warum nur? Warum haben sie dir das angetan?“, flüsterte sie und streichelte ganz vorsichtig über seine Seite, dabei schaute sie zögernd zu seinem Oberkörper hinauf. Das verzerrte Gesicht konnte sie aus dieser Position nicht erkennen, ein Gesicht das dem Tode in sein Angesicht geblickt hatte ... Was sollte sie tun? Weshalb war sie hier? Ein seltsames Kribbeln lief ihr erst sacht, dann immer stärker den Rücken hinauf, fast wie bei einer Gänsehaut, nur noch viel intensiver und wärmer. Schwindel überfiel sie und eine unglaubliche Hitze stieg in ihr auf ... dann verlor sie ganz kurz das Bewusstsein. Das Geräusch von Hufen brachte sie zurück in die Gegenwart, ihre Handflächen fühlten sich heiß an. Als sie den kühlen Pflastersteinboden abtasteten, auf dem sie kniete, fühlte es sich angenehm an ihren Handflächen an. Blinzelnd hob sie den Kopf und sah sich um. Vor ihr tänzelte ein großer Schatten ebenso verwirrt wirkend wie sie selbst es in jenem Moment war. Der Zentaur – er stand direkt vor ihr und er lebte! „Zentaur ...“, flüsterte sie mit Bewunderung. Trotz des Schmutzes und des schlechten Lichtes wirkte er majestätisch und eindrucksvoll, obwohl er vermutlich ein eher jüngerer Vertreter seines Volkes sein musste. „Da vorne!! Seht nur, haltet sie auf!!“ Stimmen – die Wachen. Sie waren entdeckt worden, doch wobei? Erschrocken hielt sich Lilane eine Hand vor die Brust. Hatte sie den Zentauren zum Leben erweckt? Oder war er nur scheintot gewesen? Schritte eilten näher, dumpf, hastig, bedrohlich. Was würde der Prinz mit ihr machen, wenn sie dafür verantwortlich wäre, dass der Pferdemensch lebte? Der Zentaur schnaubte missbilligend in Richtung der Wachen und wollte schon los sprinten, da erblickte er Lilane, sah sie eindringlich an, zögerte kurz – und hob sie in seine Arme. Zusammen galoppierten sie wie der kühle Nachtwind über den Vorhof hinweg. Die Wachen fielen zurück. An einer Stelle, an der die Burgmauern nicht ganz so hoch gebaut waren, setzte der Zentaur zum Sprung an – kraftvoll, anmutig, unbeugsam. Wie ein Schatten verschwanden sie über die Mauer und wurden schon bald von den Umrissen des naheliegenden Waldes verschluckt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)