Augen wie Bernstein von Eshek (Der Neuanfang) ================================================================================ Kapitel 1: Verletzt ------------------- Kapitel 1 - Verletzt Seit der schockierenden Eröffnung waren nun schon zwei Tage vergangen. Harry hatte sich in der Hütte eingeigelt und versuchte verzweifelt seine Umgebung auszublenden, was ihm recht gut gelang, wenn man bedachte, dass die Selbstheilung so sehr an seinen Kräften zehrte, dass er die meiste Zeit schlief. Er bekam so auch nicht mit, wenn Snape zu ihm kam und seine Wunden versorgte. Genannter Zaubertränkemeister versuchte seinerseits Fenrir aus dem Weg zu gehen. Der Werwolf hatte es sich anscheinend zum Ziel gemacht den Zauberer jedes mal zu überfallen, wenn dieser aus der Hütte trat, um zu erfahren, wie es Harry ging. Die Aufdringlichkeit und die Sorge des Werwolfes waren, um es milde auszudrücken, nervig, bestätigten aber auch Snapes Verdacht. Er kam gerade aus der Hütte, als der Werwolf wieder einmal wie aus dem Nichts neben ihm auftauchte. „Lass das Anschleichen, verdammt! Da bekommt man ja einen Herzinfarkt.“ fauchte Snape und funkelte Greyback böse an. Seit er vor einigen Monaten hier im Rudel Unterschlupf gefunden hatte, hatte er den Alpha des Rudels besser kennengelernt und sich durch seine Fähigkeiten und sein Wissen um Heilung auch das Vertrauen des Rudels gesichert. Er war, kurz gesagt, wichtig für den Alpha und konnte sich so auch einen recht respektlosen Umgangston erlauben. Der Alpha würde ihm nichts tun. „Pass auf, wie du mit mir redest, Giftmischer!“ grollte der Werwolf und bleckte drohend die Zähne. Snape beeidruckte das allerdings nur wenig. „Was sonst? Bringst du mich um? Wir wissen beide, dass du das nicht tun würdest.“ schnarrte der Zauberer und verschränkte die Arme vor der Brust. Um den Werwolf nicht noch weiter zu reizen seufzte er kurz genervt und lockerte dann seine abweisende Haltung. „Frag schon.“ presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Fenrir beruhigte sich ebenfalls und ging neben dem Zaubertränkemeister den Weg zu den Hauptgebäuden entlang. „Wie geht es im?“ fragte er schließlich, als sie an seiner Hütte angekommen waren. Er öffnete die Tür und gab Snape ein nachdrückliches Zeichen, dass dieser eintreten sollte. Der schwarzhaarige fügte sich in sein Schicksal und trat an dem Rudelführer vorbei in dessen Hütte. Die Hütte war größer, als die anderen, was aber nur daran lag, dass hier auch Versammlungen abgehalten wurden und dafür brauchte man nunmal Platz. Ein großer Raum machte fast die gesamte Grundfläche aus. In der Mitte befand sich eine große gemauerte Feuerstelle und um diese herum standen im Rechteck Bänke mit Rückenlehne. Die Möbelstücke waren mit Fellen gepolstert. An den Wänden des Raumes standen Truhen und Regale, gefüllt mit allerhand Dingen. Am Ende des Raumes befanden sich zwei Türen. Eine führte zu seinem Schlafzimmer, die andere zum Bad. Die Feuerstelle in der Mitte diente Fenrir als Küche. Im Moment hingen Fleischstreifen über der Glut, um sie für den Winter als Vorrat zu räuchern. Fenrir nahm auf der Bank an der Stirnseite der erhöhten Feuerstelle Platz und deutete Snape, sich zu setzen. Dieser kam der stillen Aufforderung auch nach, was blieb ihm anderes übrig. „Rein körperlich geht es ihm gut. Er müsste längst kräftig genug sein, um aufzustehen.“ „Und warum tut er es nicht?“ grollte der Werwolf. Langsam verlor er die Geduld. Der Tränkemeister erzählte ihm hier, dass der junge Werwolf gesund sei, aber der war kaum ansprechbar. „Ich sagte körperlich. Wie es um seine Psyche steht weiß ich nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass diese Situation für ihn nicht so einfach ist.“ schnarrte Snape und funkelte sein Gegenüber wütend an. Fenrir verschränkte die Arme vor der Brust und blickte gedankenverloren in die Flammen. Er machte sich Sorgen um den Jungwolf. Nicht, dass er das je laut zugeben würde. Das war auch nicht nötig. Die Mitglieder seines Rudels verstanden seine Sorge. Das war normal in der Beziehung zwischen einem Werwolf und dem Jungwolf, der durch ihn entstanden ist. „Es wäre wohl besser, wenn er hier her zieht. Hier ist das Zentrum des Rudellebens. Wenn er andere kennenlernt wird er wohl begreifen, dass es nicht so schlimm ist, ein Werwolf zu sein.“ äußerte Fenrir das Ergebnis seiner Überlegungen. Snape wollte gerade einwenden, dass sie den Jungen dafür zwingen müssten, seinen Schutzraum zu verlassen, als eine junge Werwölfin eintrat und direkt auf Fenrir zuging. „Entschuldige mein Eindringen, Fenrir, aber dein Schützling hat das Haus verlassen und scheint nicht ganz bei sich zu sein. Er ist verängstigt, flieht aber vor jedem, der ihm helfen will.“ Die beiden Männer tauschten einen kurzen Blick, dann waren sie auch schon an der Frau vorbei hinausgestürmt. In einem halbwachen Augenblick reifte in Harry der Gedanke zur Flucht. Er musste hier weg. Wohin wusste er nicht, aber hauptsache weg. Fenrir Greyback war einst ein treuer Anhänger von Voldemort gewesen und bekannt für seine Grausamkeit. Harry wollte gar nicht darüber nachdenken, was der Andere ihm wohl antun würde, immerhin hatte er dessen Herren getötet. Leise stieg er aus dem Bett, was nicht nötig gewesen wäre, denn sein Instinkt sagte ihm, dass er alleine in der Hütte war. Ein Blick auf seine Sachen sagte ihm, dass sie vollkommen hinüber waren. Er seufzte, dann griff er nach seiner Hose und zog sie vorsichtig über. Seine Füße waren zwar nicht mehr offen, aber die Haut war dünn und würde leicht aufplatzen. Die Schuhe waren eine Qual. Harry biss die Zähne zusammen und schlüpfte barfuß hinein. Seinen Pullover würde er nicht mehr anziehen können. Man hatte ihn aufgeschnitten, wohl um ihm den besser ausziehen zu können. Seine Jacke war aber noch in Ordnung, abgesehen von der durchbohrten Schulter. Unwillkürlich stöhnte er auf, als er den verwundeten Arm durch den Ärmel steckte. Tränen standen ihm in den Augen. Der Reißverschluss war kaputt, deshalb sah man seinen Bandagierten Oberkörper. Leise schlich er auf die Türe zu und öffnete sie einen Spalt. Als er niemanden entdecken konnte schlüpfte er rasch hinaus und lief den Weg entlang. Er zitterte und sein Atem bildete kleine Wölkchen vor seinem Mund. Frost lag in der Luft. Mit einem mal hörte er aufgeregte Stimmen und dann rief jemand seinen Namen. Sie hatten ihn entdeckt. Stöhnend beschleunigte Harry seinen Schritt und hielt direkt auf den Waldrand zu, aber da stellte sich ihm ein großer breitschultriger Mann in den Weg. „Was machst du hier draußen?“ fragte der Mann besorgt, aber seine Stimme war so laut in Harrys Ohren, dass es sich anhörte, als würde der ihn anbrüllen. In der Hütte war es ruhig gewesen und immer derselbe Geruch hatte ihn umgeben. Abgesehen von seinen Augen hatten sich seine übrigen Sinne nicht so geschärft angefühlt. Was er nicht wusste war, dass Fenrir geflüstert hatte, als er mit ihm gesprochen hat. Für ihn hatte es sich nach normaler Lautstärke angehört. Harry zuckte zusammen und versuchte dem Mann auszuweichen, aber da waren noch mehr Werwölfe. Er hörte ihre Stimmen wie durch ein Mikrofon verstärkt. Der Geruch nach Harz, Erde und Rauch überwältigte ihn. Das schwache Sonnenlicht brannte in seinen Augen und überall waren diese Stimmen, die ihn anbrüllten. Er hatte Panik, konnte kaum noch etwas klar wahrnehmen, bis da schließlich zwei starke Arme waren, die ihn vorsichtig an eine breite Brust zogen. Erst wollte Harry sich wehren, dann erkannte er aber den Geruch und beruhigte sich sofort. Er klammerte sich sogar regelrecht an den Mann, als hätte er Angst, wieder in der Flut von Sinneseindrücken zu ertrinken. Fenrir hatte schon aus der Ferne gesehen, was los war. Er knurrte. Die Anderen aus seinem Rudel hatten wohl vergessen, wie heftig die neuen Sinne am Anfang waren. Irgendwie verständlich, denn viele von ihnen waren geborene Werwölfe, sie kannten das Problem nicht und den letzten gebissenen Jungwolf hatten sie hier vor fast zwei Jahrzehnten gehabt. Er lief auf Harry zu, der offenbar orientierungslos, wie ein Blinder versuchte, den Anderen zu entkommen. Er grollte leise und gab den Anderen das Zeichen leise zu sein und sich etwas zurückzuziehen. Mit wenigen Schritten überwand er die Entfernung zwischen Harry und sich und zog ihn sanft aber bestimmt an sich. Er achtete darauf, dass er Harrys Gesicht an seine Brust drückte, damit dieser nur noch seinen Geruch wahrnahm. Erst schien es, als wollte Harry sich losreißen, dann aber klammerte er sich mit aller Kraft, die er noch hatte an ihn und barg sein Gesicht an seiner Brust. „Ist schon gut. Du bist sicher.“ flüsterte er ganz leise. Harry schmiegte sich eng an seinen Rettungsanker. Es war ihm im Moment egal, dass er ausgerechnet mit dem Mann kuschelte, vor dem er eben noch davon laufen wollte. Jetzt gerade brauchte er dieses Gefühl von Geborgenheit. Nachdem er sich etwas beruhigt hatte spürte er jedoch seinen Körper wieder. Vor Schmerz und Kälte begann er zu zittern und seine Beine gaben unter ihm nach. Fenrir spürte die Schwäche des Kleineren und packte ihn etwas fester. Kurzerhand hob er Harry auf seine Arme und trug ihn zu seinem Haus. Er schüttelte den Kopf in Snapes Richtung und gab ihm so zu verstehen, dass er das alleine schaffen würde. Er schloss die Tür und setzte den schmächtigen Körper auf eine mit Fellen gepolsterte Bank. Erst als er sicher war, dass Harry alleine sitzen konnte lief er zu einer Truhe und holte eine Wolldecke heraus. Er half Harry, sich aus der Jacke zu schälen und zog ihm dann die Hose aus. Harry errötete, was aber im Schein des Feuers unterging. Rasch wurde er in die Decke gewickelt, ehe Fenrir sich vor ihn kniete und sich den ersten seiner Füße vornahm. Er untersuchte die Sohlen und stand dann auf um Verbandszeug zu holen. Nachdem er die Füße mit einer Salbe versorgt und erneut verbunden hatte hörte er, wie Harry sich leise räusperte. Er hatte die ganze Zeit über kein Wort gesagt. Das Geschehen draußen hatte ihn ziemlich mitgenommen und so hatte er Zeit gebraucht, um wieder ganz zu sich zu finden. Er errötete, als Fenrir ihn auszog, wehrte sich aber nicht. Die Behandlung seiner Füße schmerzte und die Salbe brannte wie Feuer auf seinen offenen Wunden, aber auch da hatte er nichts gesagt. Er war verwirrt. Warum half der andere ihm? Immerhin hatte er versucht, zu entkommen und das war einer von Voldemorts treuen Anhängern gewesen. Er räusperte sich und zuckte zusammen, als sich die goldenen Augen sofort auf ihn richteten und ihn fragend ansahen. „Warum?“ brachte er nur hervor. Fenrir erhob sich und trat auf das Feuer zu. Bevor er antwortete legte er einige frische Scheite in die Glut und setzte sich dann neben Harry. „Warum was?“ stellte er die Gegenfrage. „Warum helfen Sie mir? Sie versorgen meine Wunden, Sie tragen mich…“ Harry brach ab. Er konnte das alles nicht verstehen. „Du brauchst Hilfe, deshalb helfe ich dir.“ war Fenrirs einfache Antwort. „Aber ich habe Voldemort getötet!“ brach es aus Harry heraus. Ob es so klug war, den Werwolf daran zu erinnern? „Ich weiß.“ sagte Fenrir nur und ging erneut zum Feuer, wo er einige Kräuter in einen Kessel bröselte und Wasser dazu gab. „Sie waren einer seiner Anhänger.“ knurrte Harry. Der Werwolf war ja nicht gerade gesprächig. Fenrir zog nur eine Braue hoch. „Ich habe mich ihm angeschlossen, weil er für die Rechte der magischen Wesen gekämpft hat. Er war verändert, als er zurückkehrte. Er musste getötet werden.“ gab Fenrir nun eine etwas längere Antwort. Dann herrschte Stille. Harry dachte darüber nach. Dumbledore hatte tatsächlich mal erwähnt, dass Voldemort für die magischen Wesen kämpfte, aber der Alte hatte es als etwas schlechtes dargestellt. „Du hast viele getötet.“ flüsterte Harry und bemerkte nicht, dass er den Werwolf nun dutzte. Fenrir hatte es sehr wohl bemerkt und es freute ihn aus unerfindlichen Gründen. „Es war Krieg. Viele haben getötet.“ „Macht es dir Spaß?“ fragte Harry traurig. „Was?“, „Das Töten. Tust du das gerne?“ er hatte etwas Angst vor der Antwort. Fenrir seufzte. „Du warst eindeutig zu lange unter Dumbledores Einfluss. Nein, ich töte nicht gerne. Das Jagen ist ein Teil von mir, aber nur Tiere. Nur zum Überleben.“ Fenrir sah ihn ausdruckslos an. „Du denkst an eine menschenfressende Bestie, ein Ungeheuer ohne Sinn und Verstand, wenn du an Werwölfe denkst, richtig?“, stellte der Werwolf fest und Harry nickte. „So sind die, die den Banntrank nehmen und sich gegen ihren inneren Wolf wehren.“ Fenrir stand erneut auf und schöpfte das brodelnde Wasser aus dem Kessel in einen Holzbecher, den er Harry dann in die Hand drückte. Der besah sich das nicht gerade duftende Gebräu misstrauisch, bis Fenrir leise knurrte. „Wenn ich dich tot sehen wollte, hätte ich dich im Wald liegen lassen.“ Harry sah ihn kurz irritiert an, musste ihm aber zustimmen und trank einen Schluck. Der pochende Schmerz in seinem Kopf verschwand langsam und auch seine übrigen Sinne beruhigten sich. „Was ist da draußen passiert?“ fragte Harry und folgte dem Mann mit den Augen, während der durch das Haus ging und irgendetwas suchte. „Ein Jungwolf, der seine Sinne noch nicht versteht und ein Rudel Werwölfe, das vergessen hat, wie schwer die Eingewöhnung ist.“ Harry errötete erneut, überspielte das aber, indem er den Tee trank. „Das wird nachlassen. Du solltest am Anfang hier bleiben und dich nach und nach daran gewöhnen.“ Der Werwolf hat offenbar nicht gefunden, was er gesucht hat und kam mit einem Pullover in der Hand zu ihm zurück. „Hier, den kannst du anziehen. Ist von mir. Ich besorge dir morgen Sachen, die dir passen.“ Harry sah ihn überrascht an, lächelte aber dann. Er hatte den Mann falsch eingeschätzt. Er schien zwar brutal und gefühllos, aber in wirklichkeit war er nur etwas grobschlächtig und doch so fürsorglich. Er schlüpfte in den Pullover, der ihm wirklich viel zu groß war und lächelte den Werwolf dankbar an. „Das Bad ist da vorne.“ Fenrir deutete in die Richtung, erinnerte sich aber dann daran, dass Harrys Füße verbunden waren und kam auf ihn zu. Kurzerhand hob er den Kleineren hoch und trug ihn ins Bad. Harry war das furchtbar peinlich, aber es wurde noch schlimmer, als er nach dem Toilettengang alleine versuchte zum Waschbecken zu gehen und ihm die schmerzenden Füße den Dienst verweigerten. Er schrie auf, als er mit dem Kopf auf den Boden zusauste. Der Aufprall blieb aus. Fenrir hatte vor der Türe gewartet und war sofort reingehechtet, als er Harrys Aufschrei gehört hatte. Er konnte ihn gerade noch davor retten, mit dem Kopf gegen das Waschbecken zu schlagen und hielt ihn jetzt in den Armen. Der kleinere schmale Körper passte so gut hinein. Fenrir brummte leise, unterdrückte das aber sofort. Er hielt Harry beim Hände waschen fest. Harry fühlte sich in Fenrirs Armen so wohl und doch wollte er weg. Er wusch seine Hände und blickte dann routinemäßig in den Spiegel. Was er da sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Anstatt seiner moosgrünen Augen blickten ihm nun goldene entgegen. Obwohl sie abgesehen von der Farbe wie menschliche Augen aussahen, blitzte aus ihnen etwas gefährlich-animalisches. Fassungslos lehnte er sich näher an den Spiegel und betrachtete seine Augen. Auch sein Gesicht hatte sich etwas verändert. Die Konturen waren jetzt etwas stärker ausgeprägt, die Nase war gerade und die Lippen waren voller. Die größte Veränderung war aber seine Stirn. Die Narbe, die er sein ganzes Leben lang, wie einen Stempel getragen hatte, die er durch keinen Zauber der Welt loswerden konnte war verschwunden. Er betastete seine Stirn und machte dabei große Augen. Das war zu viel für ihn. Die Narbe war weg und er sah nicht mehr so aus, wie früher, aber trotzdem war er nicht frei. Er war ein Werwolf. Tränen sammelten sich in seinen Augen und liefen ihm über die Wangen. Fenrir hatte ihn bei seiner Musterung beobachtet. Er lächelte, als er das Erstaunen in den goldenen Augen sah, dann aber wurden diese wunderschönen Augen von Tränen getrübt, die schließlich über das schmale blasse Gesicht rollten. Er hob Harry einfach wieder auf seine Arme und trug ihn in sein Schlafzimmer. Das Bett war ein großer Haufen Felle und Decken. Sanft setzte er Harry darauf ab und zog eine Decke über ihn. „Du solltest etwas schlafen. Beruhige dich und Ruh dich aus.“ brummte Fenrir leise und sah, wie die Augen immer kleiner wurden, ehe Harry in einen unruhigen Schlaf glitt. Seufzend ging er hinaus und trat dann ins Freie. Er trommelte sein Rudel zusammen und knurrte sie erst einmal für die Aktion von vorher an. „Das ist ein Jungwolf. Er kann mit seinen Sinnen noch nicht umgehen. Alles, was lauter als Flüstern ist, ist für ihn, als würde ihm jemand ins Ohr brüllen.“ fauchte er und seine Augen glühten. Einige der Älteren mussten trotz dieser Standpauke schmunzeln. Sie hatten ihren Anführer seit vielen Jahren nicht mehr so besorgt um jemanden gesehen und sie hofften, dass dieser in dem Neuankömmling endlich Glück finden würde. Fenrir hatte noch einige Sachen zu erledigen, ehe er mitten in der Nacht wieder nach Hause kam und sein Schlafzimmer betrat. Er beobachtete Harry eine ganze Zeit lang, ehe er das Feuer abdeckte und sich zu ihm legte. Es dauerte nicht lange, da hatte Harry sich im Schlaf eng an ihn geschmiegt und seinen Kopf auf Fenrirs Brust gelegt. Fenrir seufzte leise und strich vorsichtig durch den dunklen Haarschopf. Die Sonne, die durch eine Luke oben im Dach einfiel kitzelte Harry im Gesicht. Er kniff die Augen fest zusammen, konnte sich aber nicht recht dagegen wehren. Leise murrend vergrub er sein Gesicht in dem warmen pochenden Kissen und versuchte wieder einzuschlafen. Er riss die Augen auf. Warm? Pochend? Er wurde knallrot, als er bemerkte, dass er halb auf Fenrir Greyback geschlafen hatte. Der Andere schien noch zu schlafen und so hatte Harry kurz Zeit für eine Musterung. Dass der Ältere ausgesprochen männlich und gutaussehend war, hatte Harry ja bereits festgestellt, aber WIE gutaussehend und männlich der Werwolf war, wurde ihm erst jetzt richtig bewusst. Fenrir schien ohne Shirt zu schlafen und die Decke war heruntergerutscht. Harry konnte die Augen kaum von dem breiten Oberkörper lassen und bemerkte so nicht, wie er von einem paar goldener Augen dabei beobachtet wurde. Erst, als sein Blick höher wanderte traf er auf das zweite Augenpaar und er zuckte zusammen. „Geht es dir besser?“ fragte Fenrir grollend und Harry nickte nur. Fenrir setzte sich auf und griff nach dem Pulloversaum von Harry. Er spürte das leise Zittern des Anderen und seufzte. „Ich will mir deine Schulter ansehen.“ erklärte er nur mit einer tiefen Stimme, die Harry erschaudern ließ. Er hielt still, als Fenrir ihm den Pullover auszog und dann den Verband um seinen Oberkörper löste. Er biss die Zähne zusammen, als der andere an seiner Schulter herumdrückte und die Wundränder untersuchte zuckte aber mehr als einmal weg. „Halt still.“ brummte Fenrir und zog Harry kurzerhand zwischen seine Beine. Er leckte über die Wunde an Harrys Schulter und hielt ihn fest, damit er stillhielt. Das Gefühl war mehr als merkwürdig. Es kitzelte und es war recht unangenehm, aber zu seiner Überraschung schmerzte es kaum. Unwillkürlich fiel ihm eine Passage aus dem Buch für Vgddk aus dem sechsten Schuljahr wieder ein, in der stand, dass der Speichel von einigen magischen Kreaturen, unter anderem der von Werwölfen, schmerzlindernd war. Er ließ die Prozedur also über sich ergehen und erst, als Fenrir einen neuen Verband anlegte, konnte er wieder entspannt atmen. „Danke.“ flüsterte er und vermied es, den Werwolf anzusehen. Ein wunderbarer Duft stieg ihm in die Nase und lenkte ihn von seinen rasenden Gedanken ab. Er roch Speck und Eier. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, während er den Kopf hob und noch etwas schnüffelte. Fenrir beobachtete das ganze interessiert und amüsiert. „Was riechst du?“ wollte er wissen. „Speck…und Eier.“ gab Harry knapp zu. Seine Instinkte brüllten ihn quasi an. Er musste essen. „Die Sinne eines Werwolfs sind in seiner ersten Woche am stärksten. Sie lassen später etwas nach.“ erklärte Fenrir nur. Er selber nahm den Duft erst jetzt wahr und wahrscheinlich nicht so stark, wie Harry. „Komm. Ich besorge dir etwas zu essen.“ bot der Werwolf an. Harry würde sich wohl nicht hinaus trauen. Er stand auf und damit lieferte er Harry etwas, was ihn das Essen vergessen ließ. Harry sah, nein, starrte den Werwolf unverholen an. Sein Mund stand leicht offen und sein Blick wirkte abwesend, während er alles um sich herum vergaß. Der Grund stand vor ihm, nackt. „Ich besorge dir gleich ein paar Sachen, damit du nicht die ganze Zeit nur den Pullover tragen musst. Ich schicke später jemanden, damit du eigene Sachen hast, okay?“ fragte Fenrir. Er hatte Harry den Rücken zugewand und suchte in seinem Schrank nach einer Hose. Als er keine Antwort bekam drehte er sich zu Harry um. Wenn er Fenrirs Kehrseite schon atemberaubend fand, dann verlor er bei seiner Vorderseite beinahe den Verstand. Sein Blick wanderte über den breiten Oberkörper über seine Mitte, die kräftigen Oberschenkel hinab und wieder ein Stück höher. Fenrir ließ die Musterung über sich ergehen und musste sogar leicht grinsen. Er wollte Harry nicht ärgern, deshalb verkniff er sich Kommentare wie „Gefällt dir, was du siehst?“. Er tat, als hätte er Harrys Blicke nicht bemerkt und zog sich die Hose an. „Bin gleich zurück.“ sagte er nur und verließ den Raum. Er zog die Tür hinter sich zu und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Die bewundernden Blicke des Jüngeren hatten ihn nicht kalt gelassen. Es gefiel ihm, wenn er diese Reaktion bei Anderen auslöste, natürlich, welchem Mann würde das nicht gefallen, aber genau das war ja das Problem. Er durfte nicht zulassen, dass Harry sein Herz an ihn verschenkte. Der junge Mann war zerbrechlich. Das Leben an der Seite eines Alphas war hart und unbarmherzig, außerdem war er viel zu alt für den Jüngeren. Er durfte nicht zulassen, dass jemand verletzt wurde, weil er an seiner Seite war. Nicht noch einmal. Harry kam langsam wieder komplett zu sich. Er hatte den Anderen angestarrt, Merlin, wie peinlich. Er vergrub das Gesicht in den Händen und versuchte diese Peinlichkeit zu verdrängen. Seufzend rieb er sich über das Gesicht und rutschte dann an den Rand des Bettes. Es hatte sich so gut angefühlt, neben Fenrir aufzuwachen. Er hatte nie zuvor so gut geschlafen. Er hatte sich sicher und geborgen gefühlt. Harry griff sich an die Brust und musste auf einmal lächeln. Er stand langsam auf und machte einige wackelige Schritte auf die Truhe zu, auf der Klamotten für ihn lagen. Langsam zog er sich an. Die Hose war kein großes Problem, aber das Sweatshirt war zu eng, um es über seine Bandagierte Schulter zu bekommen. Seufzend legte er das Teil wieder zusammen und zurück auf die Truhe. Er konnte aber nicht mit freiem Oberkörper rumlaufen, dafür war es zu kalt. Ratlos sah er sich um, bis sein Blick auf Fenrirs Schrank fiel. Er traute sich nicht, einfach etwas herauszunehmen und behielt einfach den Pullover an, in dem er geschlafen hatte. Das beste daran war, das der Geruch des Älteren an dem Kleidungsstück haftete und das beruhigte ihn. Die Abwesenheit des Anderen machte ihn irgendwie nervös. Er trat vorsichtig aus dem Raum und sah sich dann in dem großen Vorraum um. Nach kurzem Suchen fand er Besteck und deckte den Tisch etwas ungeschickt, weil er nur eine Hand benutzen konnte. „Fenrir, du bist aber spät dran heute. Gut geschlafen?“ fragte eine ältere Frau und zwinkerte ihm dabei lächelnd zu. Was dachte sie, was er getrieben hatte? „Morgen, Martha. Ja, habe ich, danke.“ brummte er nur zurück. Die Frau drehte sich lächelnd um und reichte ihm dann zwei mit Speck und Rühreiern gefüllte Teller. „Ist Griffin schon da? Oh, ich sehe ihn.“ Fenrir ging auf einen blonden Mann zu, der etwas kleiner als er und sein Beta war. „Griffin, geht heute irgendjemand in die Stadt?“ „Meine Frau und ich wollten gehen, warum?“ fragte der Beta und schob sich eine Gabel mit Ei in den Mund. „Bringt etwas zum Anziehen für Harry mit. Wäsche, Hosen, Pullover. Er kann nicht nur mit meinem Pullover rumlaufen.“ Griffin schmunzelte, ließ das den Älteren aber nicht sehen. „Er trägt deine Pullover?“ fragte er dann nach kurzer Zeit gespielt lässig. „Er kann ja nicht nackt rumlaufen.“ knurrte der Ältere. „Außerdem müssen wir für ihn eine Hütte bauen.“ Griffin sah ihn verwundert an. „Wohnt er nicht bei dir?“ „Für die Eingewöhnung ja, aber dann braucht er etwas eigenes.“ Fenrir hatte keine Lust mehr, sich zu unterhalten und drehte seinem Beta einfach den Rücken zu. Griffins Frau hatte das mit angehört und sah ihren Mann jetzt besorgt an. „Er macht total dicht.“ stellte sie fest und sah ihrem Alpha nach. „Verständlich. Nach…du weißt schon.“ grollte Griffin und sie nickte. „Armer Mann.“ sagte sie und schüttelte bedauernd den Kopf. Ob sie Harry oder den Alpha meinte war nicht zu erkennen. Fenrir blieb einen Augenblick in der Tür stehen. Er beobachtete, wie Harry mit wackeligen Schritten zwei Becher zum Tisch trug und dann zum Feuer lief, wo er sich mit einem Wasserkessel abmühte. Er stellte die Teller rasch ab und ging auf Harry zu. Direkt hinter ihm blieb er stehen und griff an ihm vorbei nach dem Kessel. „Auch wenn dein rechter Arm wieder geheilt ist…er war gebrochen. Belaste ihn nicht zu stark.“ brummte er nur und füllte dann die Becher mit dem Tee den Harry gekocht hatte. Er stellte den Kessel weg und holte dann die Teller. Normalerweise aß er rasch im Stehen oder auf einer Bank, aber er machte sich nie die Mühe, den Tisch zu decken. Er setzte sich und wartete auf Harry. „War mit dem sweatshirt etwas nicht in Ordnung?“ fragte er und deutete auf den Pullover, den Harry trug. Harry sah an sich herab und dann zu Fenrir. „Es war zu eng. Ich habe es nicht über die Verbände bekommen.“ sagte Harry verlegen und begann dann zu essen. Die Geschwindigkeit in der Harry aß besorgte Fenrir. Er legte eine Hand auf Harrys und erntete einen panischen Blick. Rasch zog Fenrir seine Hand weg. Essensetzug. „Keiner nimmt dir etwas weg, aber iss langsamer, ja? Schlingen ist nicht gut.“ Harry nickte und gab sich Mühe, langsamer zu essen. Als sein Teller leer war schob Fenrir ihm noch etwas von seinem Essen rüber. „Snape kommt gleich. Er will dich untersuchen.“ sagte er und bekam dann schon wieder einen panischen Blick. „Ist schon gut. Es muss sein. Du warst schwer verletzt. Er muss sehen, wie alles heilt.“ Er wusste, dass Harry von seinen Verwandten unter Dumbledores Anweisungen misshandelt wurde und dass er einige weißmagische Flüche abbekommen hatte, die er aber auf die Schlacht schob. Er hatte aber keine Ahnung, wie schlimm es wirklich war, er hatte zwar den Verband an der Schulter gelöst, wusste aber nicht, wie es unter dem Verband aussah, der fast den gesamen Oberkörper bedeckte. Harry nickte nur ergeben und hob den Kopf, als auch schon die Türe aufging. Snape näherte sich langsam und vermied hastige Bewegungen. Er wollte nicht, dass sich das Drama vom Vortag wiederholte. Er ging auf Harry zu und musterte ihn. „Sie können sich auch nicht von Schwierigkeiten fernhalten, Mister Potter, oder?“ schnarrte er ganz wie in alten Zeiten, aber viel leiser, als normal. Mit diesen Worten schien er etwas in Harry ausgelöst zu haben, denn der junge Zauberer lächelte nur mit wässrigen Augen. „Ich habe Sie auch vermisst, Professor.“ stichelte der Jüngere und entlockte Snape damit ein kleines Lächeln. Fenrir erhob sich. „Ich lasse euch dann mal alleine. Ich muss noch etwas erledigen.“ Fenrir wollte eigentlich hier bleiben, aber er ahnte, dass Snape ihn ohnehin rauswerfen würde. Nachdem Fenrir gegangen war zog Snape einen Hocker heran und Harry ließ sich darauf nieder. Snape zog Harry den Pullover aus und wickelte vorsichtig die Verbände ab. Jetzt, wo die offenen Wunden gut verheilt waren sah man erst das ganze Ausmaß der Misshandlungen. Harrys Rücken und seine Brust waren übersäht mit Narben verschiedenster Herkunft. Schnitte, Hiebe, Brandnarben, um nur einige aufzuzählen. „Ich weiß, es ist hässlich.“ flüsterte Harry nach einiger Zeit, in der Snape ihn nur betrachtet hatte. „Warum hast du nie etwas gesagt? Einige der Narben sind uralt.“ fragte Snape nur ruhig. „Es hätte nichts geändert. Dumbledore wusste es doch. Es sollte mich abhärten. Wer hätte sich ihm in den Weg gestellt?“ Harrys Stimme klang trocken und erschreckend abgeklärt. Der junge Mann hatte nie Hilfe bekommen. Selbst er hatte nie gesehen, wie es dem neuen Werwolf in all den Jahren ergangen war und er hatte es direkt vor seiner Nase gehabt. Er kam selber aus einer brutalen Familie. Er hätte es sehen müssen. Harry sah die Schuldgefühle in Snapes Gesicht. „Machen Sie sich keine Vorwürfe. Ich bin ein guter Schauspieler. Niemand wusste es. Nicht einmal meine Freunde…“ Harry brach ab. Er hatte keine Freunde. Sie hatten sich von ihm abgewandt, als seine Aufgabe erfüllt war. Snape sah ihn musternd an. Die Traurigkeit in Harrys Stimme, als er seine Freunde erwähnte machte ihm klar, dass er ganz alleine war. „Wir hatten unsere Schwierigkeiten, Harry, aber da wir hier zusammen leben und ich dich mag…“ er hielt dem offenbar zutiefst verwirrten Harry seine Hand hin. „Ich würde mich freuen, wenn wir Freunde wären.“ sagte Snape und lächelte. „Danke, Professor.“ „Severus“ warf Snape ein und Harry nahm seine Hand. „Danke….Severus.“ Die Türe ging auf und Fenrir trat ein. „Ich habe etwas vergessen. Bin sofort wieder we…“ sein Blick fiel auf Harry, der mit dem Rücken zu ihm auf einem Hocker saß. Sein Blick wanderte über die Narben. Keine Regung war auf dem markanten Gesicht zu sehen. Die Lippen verzogen sich zu einer schmalen Linie, dann drehte sich der Werwolf um und lief einfach wieder raus. Vergessen, war das, was auch immer er holen wollte. Harry hatte sich furchtbar erschrocken, aber keine Möglichkeit gehabt, sich zu bedecken. Fenrirs Reaktion tat ihm weh. Zutiefst gekränkt ließ er den Kopf hängen und verbarg dann das Gesicht in seinen Händen. Er schämte sich, so furchtbar auszusehen, dass selbst ein Werwolf, der eher rustikal war, sich von ihm so wortlos abwandte. Es waren ja nicht nur die Narben. Er war auch viel zu dünn. Er konnte Fenrir keinen Vorwurf machen. Er wusste, wie er aussah. Wer würde sich schon von einer wandelnden vernarbten Hungersnot angezogen fühlen? Und trotz der Tatsache, dass er all das wusste, war er so verletzt, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)