Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 17: Bitte hilf mir! --------------------------- Der tote Körper war durch puren Zufall entdeckt worden. Unter Bergen von Abfall wäre er eigentlich mit Sicherheit auf Nimmerwiedersehen verschwunden, wenn nicht eine der Küchenmägde den Ring, der ihr beim Gemüseputzen vom Finger gerutscht war, wieder zu finden gehofft hätte. Trotz ihres Ekels, mit blossen Händen im stinkenden Abfallhaufen wühlen zu müssen, hatte die Magd voller Verzweiflung nach dem alten Familienerbstück gesucht. Gefunden hatte sie dann aber statt des Ringes eine Leiche! Wirklich ein Zufall, denn da die Abfallberge aus der Küche in regelmässigen Abständen durch grosse Öffnungen im Boden auf darunterliegende Förderbänder gespült wurden, wo sie umgehend in den Verbrennungsanlagen verschwanden, hatte nicht viel gefehlt, dass die Sklavin zu einem Häufchen Asche verglüht und der Mord niemals entdeckt worden wäre. Die Magd, welche den leblosen Körper gefunden hatte, hatte aber die Anlage umgehend gestoppt und Alarm geschlagen. Ihr entsetztes Geschrei hatte jedoch nicht nur die diensthabenden Einherjar, sondern den halben Palast aufgeschreckt. Einen Mord in Odins heiligen Hallen: das hatte es seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben. Und auch wenn die Tote nur eine Sklavin war, so war es doch ungeheuerlich, dass Derartiges hatte geschehen können. Als dann schliesslich sogar der Kronprinz höchstpersönlich auf der Bildfläche erschien, wurde die Identität der Toten schliesslich festgestellt. Thor erkannte Inaja, die erst vor kurzem wegen dreifachen Mordes in die Sklaverei verurteilt worden war, sofort wieder. Einen Moment lang starrte er unbeweglich auf die Leiche, ehe sich seine Augen verfinsterten und er ohne ein weiteres Wort zu verlieren davonstapfte. Runya, die, aufgeschreckt durch den Lärm, aus dem Zimmer gerannt war, um nachzusehen, konnte dem blonden Riesen nicht mehr ausweichen, als er mit mächtigen Schritten um die Ecke bog. Sie stiess frontal mit ihm zusammen und keuchte schmerzhaft auf, als sein Fuss mit voller Wucht gegen ihr Schienbein trat. Thor schien die Prinzessin jedoch kaum richtig wahrzunehmen. Er murmelte etwas Unverständliches, das sich nur mit viel Fantasie als Entschuldigung interpretieren liess und schob sie dann einfach beiseite. Empört – aber unfähig, ein Wort zu sagen – starrte ihm Runya einen Moment lang nach, ehe sie weiterging. Auch sie erkannte die unglückliche Sklavin sofort. Tief betroffen schlug sie die Hand vor den Mund. Die Frau tat ihr unendlich leid – und vor allem ihre beiden Kinder, die ihre Mutter jetzt sozusagen zweimal verloren hatten. Da sie wusste, dass sie hier nichts weiter tun konnte, war sie nun definitiv entschlossen, Frigga über das belauschte Gespräch zwischen Auxin und dieser Elfra zu orientieren. Da auch Loki ihr dazu geraten hatte (genauso, wie er ihr zugestimmt hatte, dass es keine gute Idee war, damit zu Thor zu gehen), hielt sie jetzt nichts mehr davon ab, die Königin aufzusuchen. Zumindest würde der ruchlose Mord an der Frau umgehend geklärt werden können! Hätte Runya allerdings gewusst, wohin Thor unterwegs war, hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre ihm in ihre Gemächer gefolgt! Ohne anzuklopfen stiess der blonde Donnergott die Tür zu Runyas Zimmer auf und brüllte: «Loki! Ich weiss, dass du da bist! Komm sofort raus.» Der Gerufene, der tatsächlich noch hier war, erstarrte. Runya hatte ihn gebeten, in ihren Räumlichkeiten auf sie zu warten, weil sie es für sicherer erachtet hatte, zuerst allein mit Frigga zu sprechen. Doch nun, als Thor wie ein Berserker hereinstapfte, dachte Loki mit bitterem Galgenhumor, dass es überall sonst wohl weitaus sicherer für ihn gewesen wäre. Da er wusste, dass es nichts brachte, sich zu verstecken, trat er langsam aus dem hinteren Teil der Gemächer nach vorn, dem vor Wut bebenden Thor entgegen. Er konnte nicht verhindern, dass ihn ein leises Zittern überfiel, vor allem, weil der Donnergott völlig ausser sich zu sein schien vor Zorn. Thor packte Loki denn auch sofort mit beiden Fäusten, schüttelte ihn erst kräftig durch und stiess ihn dann mit voller Wucht gegen die nächstgelegene Wand, wobei er schrie: «Du warst das! Du hast sie umgebracht!» Loki, der es nur mit Mühe geschafft hatte, auf den Beinen zu bleiben, spürte, wie eine eisige Faust nach seinem Herzen griff. Er wusste natürlich sofort, von welcher 'sie' der Blonde sprach. Aber das konnte doch wohl nicht wahr sein..? Sein Bruder würde ihn doch nicht etwa des Mordes an Inaja bezichtigen..? Aber genau das tat er. «Leugnen hat keinen Zweck!» schrie der muskulöse Donnergott und packte Loki erneut. Schaum trat vor Thors Mund, und seine Augen glühten wie im Fieber. Ohne dass sein Bruder es kommen sah, holte der blonde Riese aus und schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Lokis Kopf knallte gegen die Wand, und sekundenlang sah er schwarz vor Augen. Er hob in einer unbewussten, abwehrenden Geste die linke Hand und stammelte: «Thor, bitte, ich habe nicht...» «Lüg mich nicht an!» Die Stimme des massigen Hünen überschlug sich beinahe. «Du hast die Sklavin umgebracht! Gib es zu!» «W... warum sollte ich das tun?» Lokis Gedanken begannen zu rasen. Thor war eindeutig nicht mehr Herr seiner Sinne. Selbst wenn er nicht besessen sein sollte, war es offensichtlich, dass sein Bruder im Moment nicht klar denken konnte. «Was für ein Motiv hätte ich dafür?» Er hoffte von ganzem Herzen, dass Thor wenigstens vernünftigen Argumenten zugänglich wäre – auch wenn er gleichzeitig zutiefst bezweifelte, dass dies der Fall sein würde. Der Blonde schien ihn gar nicht gehört zu haben. Er wischte Lokis Hand beiseite und griff nach seinem Hals. «Du elendes Stück Dreck!» zischte er. «Gestehe!» Der Schwarzhaarige würgte und versuchte, Thors Finger von seinem Hals zu lösen. Ein hoffnungsloses Unterfangen: sein Bruder war körperlich schon immer sehr viel stärker als er gewesen, und die ungeheure Wut, die jetzt in ihm schwelte, machte ihn noch kräftiger. «Thor... bitte...» stiess Loki hervor, während sich alles um ihn herum zu drehen begann. «Ich.. kriege... keine Luft... mehr!» «Na und? Ich sollte dich wie einen Wurm zerquetschen!» Der Blonde stiess einen Laut aus, der an das Knurren eines wilden Tieres erinnerte. Loki fühlte seine Sinne schwinden. Ihm wurde schwarz vor Augen und er rang wie ein Ertrinkender nach Luft. Mit letzter Kraft versuchte er nochmals zu sprechen: «Thor... warum... hätte ich Inaja... töten sollen?» Seine Stimme klang derart krächzend, dass er sich fragte, ob der andere ihn überhaupt verstand. «Das... ergibt doch... keinen Sinn... Denk bitte mal... kurz... nach... Thor!» Der Griff um seinen Hals löste sich, doch gerade, als Loki erleichtert nach Luft schnappte, traf ihn ein erneuter Schlag ins Gesicht. «Nachdenken? Da gibt es nichts nachzudenken!» Klatsch – wieder ein Hieb. Loki taumelte und brach in die Knie. Stöhnend sah er hoch, direkt in Thors wutverzerrtes Gesicht. Er ahnte, wie die Sache für ihn ausgehen würde, und fühlte Panik in sich aufsteigen. Seine einzige Hoffnung war Runya - und Frigga, die der Prinzessin sicher glauben würde, wenn sie von dem Gespräch erzählte, das sie zufällig mitangehört hatte und das Inajas wahren Mörder offenbaren würde. Denn andernfalls, das war ihm klar, würde es ihm schlecht ergehen. So schlecht wie noch nie, daran bestand kein Zweifel! Fragte sich nur, ob Runya rechtzeitig kommen würde... Thor holte erneut zum Schlag aus. «Ich fordere dich jetzt zum letzten Mal auf: gestehe, dass du der Mörder bist! Und wag es nicht, mich weiter zu belügen, du Abschaum!» Seine rechte Faust traf Lokis Magengrube mit voller Wucht. Mit einem lauten Keuchen fiel der Schwarzhaarige zu Boden. Sekundenlang blieb ihm wieder die Luft zum Atmen weg, während er es nur mit letzter Kraft schaffte, nicht das Bewusstsein zu verlieren. «Du hast Inaja umgebracht! Gestehe, und es wird ein kleines bischen weniger schmerzhaft für dich! Leugne weiter, und du wirst den Tag deiner Geburt verfluchen!» 'Witzbold!' zuckte es trotz der prekären Lage sarkastisch durch Lokis Gehirn. 'Als ob ich das nicht schon längst getan hätte!' Er hütete sich jedoch, es laut auszusprechen, sondern versuchte lediglich krampfhaft, einen klaren Gedanken zu fassen. Es musste doch irgend etwas geben, was den Wahnsinnigen da vor ihm überzeugen konnte. Doch noch während er verzweifelt nach vernünftigen Argumenten suchte, wusste er, dass es sinnlos war: Thor hatte ihn bereits verurteilt – ob schuldig oder nicht, das spielte gar keine Rolle! Wieder ein Schlag. Vor Lokis Augen wallten bunte Schleier und was Thor diesmal brüllte, konnte er kaum noch verstehen, so sehr dröhnte es in seinen Ohren. Wenn Runya nicht bald mit Frigga zurückkam, war er geliefert! Doch gerade als Thor ihn mit beiden Händen packte und fortschleifen wollte, geschah es: urplötzlich erschlaffte die massige Gestalt des blonden Riesen, seine Augen wurden gross, sein Mund klaffte auf und er starrte seinen Bruder an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Minutenlang sah er ihn unbeweglich an. Dann stammelte er plötzlich, überrascht und gleichzeitig voller Entsetzen und Angst: «Hilf mir, Loki! Bitte! Hilf mir!» Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)