Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 14: Nächtlicher Besuch ------------------------------ Runya liess sich nicht dazu überreden, von Lokis Seite zu weichen. Sie bat Frigga, sie beim Abendessen zu entschuldigen ('sag bitte, ich liege mit starken Kopfschmerzen im Bett und will von niemandem gestört werden') und versuchte alles, um dem Mann wenigstens ein bischen Linderung zu verschaffen. Sie kühlte seine Stirn, hielt seine Hand, wenn er sich herumwälzte, und sprach leise und beruhigend auf ihn ein in der Hoffnung, ihn mit ihren Worten von den Schmerzen ablenken zu können. Aber sie fühlte sich so schrecklich hilflos, weil sie genau wusste, dass es kaum mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein war, was sie da tat. Nach nur knapp einer Stunde kam Frigga zurück. Auch sie hatte es nicht lange beim Essen ausgehalten. «Wie geht es ihm?» fragte sie leise. «Unverändert schlecht.» erwiderte Runya, ohne den Blick von Loki zu wenden. «Hat man dir geglaubt, dass ich mich nicht wohl fühle?» Frigga nickte und setzte sich neben sie auf das breite Bett. Sie griff nach Runyas Hand und streichelte sie sanft. «Ja. Aber ich hatte ziemliche Mühe, Thor davon zu überzeugen, dass er dich in Ruhe schlafen lassen soll. Er wollte unbedingt noch nach dir sehen.» «Ist das so?» gab Runya bitter und schon beinahe zynisch zurück. «Seit wann macht er sich denn um mich Gedanken?» Die Königin öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen – und schloss ihn gleich wieder. Das war der falsche Augenblick, sie ahnte es. Die junge Prinzessin war derart aufgewühlt, dass sie momentan unempfänglich für irgendwelche Entschuldigungen über Thors Verhalten war. Und wer konnte es ihr verdenken? Eine Weile lang sah die Königin schweigend zu, wie Runya verzweifelt versuchte, Loki zu helfen. Sie beobachtete die sanften, schon fast zärtlichen Gesten, mit denen sie die schweissnasse Stirn ihres Sohnes kühlte und lauschte ihren leisen, beruhigenden Worten, mit denen sie ihm versicherte, dass alles gut werden würde. Worte, an die sie selbst nicht glauben konnte, wie Frigga ahnte, die sie vielleicht sogar nicht nur Lokis wegen aussprach – sondern auch, um sich selbst Mut zu machen. Je länger sie die Prinzessin beobachtete, desto schwerer wurde Friggas Herz. Sie erkannte etwas auf dem Gesicht der jungen Frau, das sie immer stutziger machte. Etwas, das sie nie auf Runyas Zügen gesehen hatte, wenn diese Thor anschaute. Mit einem leisen Seufzer löste sich Frigga aus diesen Gedanken. «Mein Kind, ich denke, es wird Zeit, dass du jetzt wirklich schlafen gehst. Du kannst beruhigt sein: ich werde an Lokis Bett wachen.» «Ich gehe nicht.» erwiderte Runya ungewohnt fest. «Ich bleibe bei ihm.» Die Königin von Asgard musterte sie erstaunt. Mit einer solchen Bestimmtheit hatte sie die Prinzessin aus Vanaheim noch nie sprechen gehört. Sie versuchte es erneut: «Du musst doch sicher müde sein, Kind.» «Bin ich nicht.» Noch immer sah Runya die Ältere mit keinem Blick an, sondern richtete ihre Augen unverwandt auf Loki. «Und selbst wenn: ich könnte eh keinen Schlaf finden.» Frigga kämpfte gegen ihre erste Empfindung, der jungen Frau befehlen zu wollen, an. Sie atmete tief durch, um einen Moment zum Nachdenken zu finden, und fragte dann, einer plötzlichen Ahnung folgend: «Soll ich dich mit ihm alleine lassen?» Sie hatte die Frage sehr leise und in der vagen Hoffnung gestellt, dass Runya verneinen würde. Doch als die junge Frau sie nun erstmals ansah und Frigga das dankbare Leuchten in ihren Augen erkannte, wusste sie, dass die Antwort 'ja' lauten würde. Ihr Herz wurde noch schwerer. Das arme Kind! Was tat es sich da selbst an? «Das würdest du mir gestatten?» gab Runya hoffnungsvoll zurück und fügte gleich hinzu: «Ja, ich wäre gerne mit ihm allein.» Sie neigte sich sofort wieder zu Loki hinunter, als dieser aufstöhnte, und trocknete seine Stirn. Dann, als wäre es ihr eben erst eingefallen, sagte sie: «Aber das ist doch dein Zimmer hier. Ich kann dich doch nicht sozusagen daraus vertreiben?» Frigga legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. «Tust du nicht, meine Liebe. Als Königin von Asgard besitzt man das Privileg, über mehrere Gemächer zu verfügen. Dieses hier benutze ich zwar am häufigsten... Aber ich werde nicht obdachlos sein, wenn ich nicht hier schlafen kann.» Runya sah wieder auf. In ihren schönen Augen schimmerten Tränen. «Danke!» Frigga fuhr ihr mit sanften Fingern zärtlich über die Wange. «Nein, mein Kind.» gab sie leise zurück. «Ich danke DIR.» Als sie mit Loki alleine war, zögerte Runya nur wenige Sekunden lang, ehe sie die Schuhe abstreifte und sich neben den Mann auf das Bett legte. Sie zog seinen Kopf in ihren Schoss und streichelte sein Haar, während sie leise auf ihn einsprach. «Ich bin bei dir. Ich verlasse dich nicht. Hab keine Angst mehr.» Und irgendwie schien es ihr, dass Loki langsam, aber dennoch fühlbar, ruhiger wurde. Der Schlaf musste Runya irgendwann doch übermannt haben, denn als sie plötzlich ein lautes Geräusch auf der Terrasse vor dem Fenster hörte, schrak sie aus einem wirren Traum hoch. Sie brauchte einen Moment, um sich zu erinnern, wo sie war. Da hörte sie erneut etwas – ein Scheppern diesmal, wie wenn jemand eine der Tonfiguren auf der Terrasse umgestossen hätte. Sie richtete sich auf und warf einen besorgten Blick auf Loki, der glücklicherweise auch in einen leichten Schlummer gefallen war und nichts gehört zu haben schien. Zwar stöhnte er zwischendurch immer noch leise auf, aber ansonsten lag er jetzt einigermassen ruhig da. Sanft hob Runya seinen Kopf an und legte ihn zurück auf das Kissen, damit sie draussen nachsehen konnte. Vermutlich hatte sich irgendein Tier auf die Terrasse verirrt. Ein Rabe vielleicht? Von denen gab es hier sehr viele. Möglicherweise hatte er mit seinen Flügeln etwas umgehauen, was den Lärm verursacht hatte. Auf leisen Sohlen trat sie nach draussen und erblickte tatsächlich einen Raben. Einen, der wild flatterte und fast ein wenig so wirkte, als müsse er sich erst zurecht finden. «Na du, mein Freund.» sagte Runya leise. «Hast du dich verflogen?» «Ich hoffe nicht,» gab der Rabe zurück und verwandelte sich bei diesen Worten in einen alten Mann. Die Prinzessin machte vor Überraschung einen regelrechten Sprung rückwärts und starrte mit offenem Mund auf den Eindringling. Dieser hob abwehrend die Hand und sagte hastig: «Keine Angst, meine Dame, ich tue dir nichts. Ich bin auch kein Einbrecher!» Runya raffte den leichten Umhang, den sie sich rasch über die Kleider geworfen hatte, vorne zusammen und fragte: «Und was tun sie dann hier?» Der Mann – ein Greis mit einem langen, weissen Bart, der ihm fast bis zur Körpermitte reichte – musterte sie aus kleinen, aber intelligenten Augen und stellte eine Gegenfrage: «Ist Loki hier?» Schlagartig läuteten in Runya sämtliche Alarmglocken. «Warum wollen sie das wissen?» «Weil ich ihm vielleicht helfen kann, mein Kind.» gab der Greis nach einem intensiven und sehr nachdenklichen Blick auf sie zurück. Runyas Augen wurden riesig – und dann trat sie einfach zur Seite, wies ins Innere des Zimmers und sagte: «Er liegt auf dem Bett.» Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)