Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 1: Eine Prinzessin für Thor ----------------------------------- Die Schreie waren laut und grauenvoll. Sie brachen sich an den Wänden der unterirdischen Gänge und waren bis in die oberen Stockwerke zu hören. Runya erschrak zutiefst und verhielt mitten in der Bewegung. Was war das? WER war das? Die beiden Dienerinnen, die man ihr zugewiesen hatte, reagierten seltsamerweise überhaupt nicht auf die fürchterlichen Laute. Sie fuhren fort, ihr Zimmer herzurichten, als wäre nichts geschehen. Runya erschauerte. Doch sie wagte nicht, zu fragen, aus Angst, etwas falsch zu machen. Endlich ebbten die Schreie ab. Allerdings war sich die junge Vanin nicht sicher, ob es nicht einfach deshalb so war, weil derjenige, der sie ausgestossen hatte, inzwischen gar nicht mehr schreien konnte. Zitternd lauschte sie in die Stille hinein... Nichts. Die plötzliche Ruhe war fast noch beängstigender. Als eine der Dienerinnen sie ansprach, zuckte Runya daher richtiggehend zusammen. «Wäre das dann alles, Herrin?» Die junge Frau nickte benommen. «Ja, danke, ihr beide könnt gehen.» Rückwärts bewegten sich die Frauen von ihr fort und drehten sich erst um, als sie die Tür erreicht hatten. Mit einem leisen Seufzer liess sich Runya aufs Bett fallen. Asgard war ihr so fremd! Jetzt noch mehr als ohnehin schon... Sie sehnte sich nach ihrer Heimat zurück, nach dem einfachen Leben, das sie gekannt hatte. Denn auch wenn sie eine Prinzessin war, so war das Leben in Vanaheim doch auch für sie sehr schlicht gewesen. Ihre Familie bewohnte zwar ein Gebäude, das als ‘Palast’ bezeichnet wurde, aber im Vergleich mit dem Prachtbau in Asgard war es nichts weiter als eine schlichte Hütte. Die junge Frau sah an sich herunter: auch ihre Kleidung war – nett ausgedrückt – viel zu gewöhnlich, verglichen mit Asgardianischen Standards sogar beinahe schäbig. Aber egal, wie einfach sie und ihr Volk sein mochten: sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand aus Vanaheim nicht im mindesten auf solch fürchterliche Schreie wie die von eben reagieren würde! Auch der niedrigste Diener würde wenigstens irgendwelche Emotionen zeigen. Aber hier... Sie erschauerte. Und nun sollte sie den erstgeborenen Prinzen aus einem solch kalten Volk heiraten? Der Gedanke sorgte dafür, dass sie sich noch elender fühlte. Zwei Stunden später erschien ein Sklave an der Tür und bat sie, ihn zu begleiten. Ein Sklave... Noch so etwas, das Runya zittern machte. In Vanaheim gab es keine Sklaven. Die Bediensteten dort waren allesamt freie Menschen und konnten gehen, wann und wohin sie wollten. Aber hier, in Asgard, dem technisch am fortschrittlichsten Reich aller neun Welten, gab es noch Sklaven. Auch wenn es meist Verbrecher waren, die man zur Strafe zu einem solch elenden Dasein verurteilt hatte... Während sie dem Mann durch das Gewirr der Gänge im Palast folgte, beäugte ihn Runya immer wieder von der Seite und fragte sich, was er wohl ausgefressen hatte, um in dieser Stellung gelandet zu sein. Er war kleingewachsen und bärtig, sah fast grob aus – nur seine Augen wirkten lebhaft. Aber das täuschte gewiss. Ein Sklave konnte kaum zufrieden sein. Er dienerte übertrieben und versuchte, sie durch viele Worte und ausschweifende Komplimente zu unterhalten. Nach und nach begriff Runya: der Mann versuchte, sich bei ihr einzuschmeicheln. Ihr Mitgefühl wich einem Hauch von Ekel, und sie versuchte, ihm durch möglichst knappe Antworten zu verstehen zu geben, dass er an die Falsche geraten war. Endlich standen sie vor dem grossen Thronsaal, und der Sklave überliess sie der Eskorte zweier Einherjar. Laut wurde ihr Eintreffen angekündigt. Runyas Herz klopfte bis zum Hals, als die grossen, breiten Türen sich aufschwangen und den Blick in den prächtigen Saal freigaben. Odin sass auf dem Thron – natürlich. Daneben standen ein muskelbepackter, blonder Mann und eine grossgewachsene, schlanke, wunderschöne Frau. Das mussten Frigga sein und... Thor. Runya senkte den Blick und wagte nicht, den Blonden anzuschauen. Er war ein Riese von Mann und jagte ihr bereits jetzt eine gehörige Portion Furcht ein. Thor – ihr zukünftiger Ehemann. «Runya, meine Liebe!» Frigga breitete die Arme aus und hiess sie so willkommen. Runyas Herz machte einen dankbaren Sprung. Wenigstens ein Wesen hier, das Wärme ausstrahlte! Was ganz gewiss nicht für Odin galt. Der musterte sie mit einem, wie der jungen Frau schien, recht herablassenden Blick und winkte sie dann herbei, als ob sie nichts weiter wäre als eine einfache Dienerin. Sie wagte nun doch einen Blick zu Thor hinüber, doch was sie auf seinem Gesicht las, war nicht wirklich vielversprechender als der Ausdruck auf den strengen Zügen seines Vaters. Kein Lächeln umspielte die vollen Lippen. Thor sah sie an – taxierte sie, um es genauer zu sagen... wie eine Ware, die man abschätzte! Ehe Runyas Gedanken vollends Purzelbäume schlagen konnten, hatte Frigga sie jedoch bei den Armen gefasst und in eine herzliche Umarmung gezogen. «Liebes Kind,» sagte die Königin von Asgard freundlich. «Ich freue mich sehr, dass du endlich hier bist.» Odin sprach ein paar Worte, von denen Runya nicht viel mehr mitbekam als das Ende, wo er zum grossen Bankett im Nebensaal einlud. Ihr Herz pochte und in ihrem Kopf schwirrte es. Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrt gemacht und wäre weggerannt. Aber das konnte sie nicht. Das durfte sie nicht. Schliesslich war ihre bevorstehende Verbindung mit Thor eine Staatsangelegenheit. Noch dazu eine, welche Vanaheim auch zukünftig die Unterstützung des mächtigen Asgard sichern würde. Wenn sie die Ehe ausschlug... Nicht vorstellbar! Auf dem Weg in den Bankettsaal klammerte sich Runya an Frigga. Ihr Blick schweifte umher auf der Suche nach einem weiteren freundlichen oder wenigstens einigermassen netten Gesicht. Doch sie fand keines. Ihr Herz sank. Wohin sie auch schaute: nur hochmütige, stolze Mienen. Die Asgardianer waren die Herren der neun Welten. Und sie zeigten es offen. Bevor das Essen aufgetischt wurde, betrat eine neue Gruppe von Männern und Frauen den Raum. Sie waren alle in die gleichen schlichten Kleider gewandet, die der Sklave, der Runya hergeführt hatte, getragen hatte. Also waren es ebenfalls Leibeigene. Wieder fuhr ein Schauer durch den Körper der Prinzessin. ‘Vanaheim, liebes Vanaheim! Wie sehne ich mich zurück nach dir!’ fuhr es durch ihren Kopf. Odin winkte die Sklaven herbei und bedeutete jedem von ihnen, hinter einem der Gäste Stellung zu beziehen. Runyas Augen tasteten flüchtig über die ausdruckslosen Gesichter. Sie wirkten alle so gleichförmig, so leer... Da blieb ihr Blick auf einmal auf dem Gesicht des zweitletzten Mannes haften. Er stach heraus, eindeutig. Grossgewachsen, schlank, mit schwarzen Haaren, die ihm bis auf die Schultern fielen, sehr blass... aber extrem gutaussehend. Seine Augen konnte sie nicht erkennen, denn wie die übrigen hielt er den Blick leicht gesenkt. Aber seltsamerweise tat ihr Herz einen flüchtigen Sprung bei seinem Anblick. Wer war er? Wie die übrigen Sklaven waren die Kleider, die er trug, extrem schlicht. Ordentlich, aber deutlich einfach, sodass jeder sofort wissen konnte, welchem Stand er angehörte. Doch im Gegensatz zu den anderen war er gänzlich in grün-braun gekleidet: braune Lederhose, darunter braune Schuhe, ein langärmliges grünes Hemd, eine ärmellose braune Jacke darüber, die ihm bis zur Mitte der Oberschenkel reichte. Die anderen Sklaven hatten wenigstens etwas mehr Farbe in ihren Gewändern: Blau, blasses Rot, die Frauen sogar ein wenig Gelb... Gerade als Runya sich vom Anblick des Mannes lösen wollte, winkte Odin eben diesen heran. «Du wirst der Prinzessin dienen.» sagte er, und die junge Frau zuckte zusammen, als sie den unheimlichen, fast drohenden Klang in Odins Stimme hörte. «Ich wollte gerade das gleiche sagen, Vater.» liess sich Thor da vernehmen. Auch seine Stimme enthielt etwas Unheimliches... und Spöttisches. Runya warf ihm einen fassungslosen Blick zu. «Du wirst der persönliche Sklave meiner zukünftigen Braut sein. Und das nicht nur für heute Abend.» Runya hätte gerne etwas gesagt, doch erstens fiel ihr beim besten Willen nichts Vernünftiges ein und zweitens hätte sie eh keinen Ton herausgebracht. In ihrem Hals steckte gerade ein riesengrosser Kloss. Der schwarzhaarige Sklave hingegen nickte nur und trat hinter sie. Nichts auf seinem bleichen, ausdruckslosen Gesicht liess seine Gedanken ahnen. Aber als er sie bediente, sah sie, dass seine Hände leicht zitterten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)