Ich bin doch kein Wolf! von aceri ================================================================================ Kapitel 16: „Ja, ich hab von dir geträumt. Ein Alptraum.“ --------------------------------------------------------- Zwischen Georg und mir war anfangs fast wieder alles beim Alten, es war als hätten wir uns nie so heftig gestritten. Wir verbrachten weiterhin die Pausen zusammen, und am Nachmittag trafen wir uns entweder zum Lernen oder zum gemeinsamen Zocken. Neu war nur das uns bei letzterem nun auch öfters andere Jungs aus unserer Klasse Gesellschaft leisteten, alles natürlich ausnahmslos Rudelmitglieder. Die Nachricht von Georgs Kapitulation hatte sich unter unseresgleichen ausgebreitet wie ein Lauffeuer, und damit waren weder er noch ich weiter ein rotes Tuch für sie. Vor allem Hectors offensichtliches Wohlwollen brachte uns viele neue Freunde. Ich genoss diese Art der Aufmerksamkeit, aber Georg fiel es sichtlich schwer sich vorbehaltlos darauf einzulassen. Er war jahrelang ein Einzelgänger gewesen, und jetzt musste er sich plötzlich mit einer ganzen Gruppe von Menschen arrangieren. Ich wusste nicht in wie weit die anderen bemerkten wie viel Kraft ihn dieses Theater kostete, aber ich bemerkte es auf jeden Fall. Vor allem dann wenn wir alleine waren. Seine zynische Ader versteckte er vor den Jungs erstaunlich gut, aber mich schonte er dagegen nicht. Manchmal hatte ich das Gefühl er ließ all die aufgestauten Emotionen an mir aus, und ich musste die Zähne zusammenbeißen und es ertragen, ihn körperlich herauszufordern hatte ich bis jetzt nämlich noch nicht wieder gewagt. Die anderen Rudelmitglieder behandelten Georg immer noch mit einer gewissen Vorsicht, die wenigen Herausforderungen denen er sich hatte stellen müssen hatte er spielend gewonnen, während ich mit meiner geringen Körpergröße und meiner immer noch angeschlagenen Gesundheit das Nachsehen hatte. Ich wurde nicht noch einmal ernsthaft verletzt, aber ich verlor nacheinander zwei Kämpfe, und Georg kletterte in der Rangfolge unaufhaltsam weiter nach oben. Wir waren schon längst nicht mehr gleichgestellt. Dadurch dass wir auch weiterhin viel Zeit miteinander verbrachten kam es öfter zu kleinen Reibereien, vor allem Georgs Überheblichkeit machte mir zu schaffen. Aber ich hielt es aus, trotz allem war er auch weiterhin mein einziger enger Freund, und ich wollte ihn nicht verlieren.   „Du siehst furchtbar aus, hast du schlecht geschlafen?“ Georg musterte mich kritisch als ich mich mit einem Stöhnen auf sein Bett rollte und mir mit beiden Händen übers Gesicht rieb. Es war später Nachmittag, wir hatten uns für den Abend zum Pizzaessen verabredet, und das ausnahmsweise mal nur zu zweit. Ich war mit gemischten Gefühlen zu diesem Treffen gekommen, ich fühlte mich wirklich nicht gut, aber das lag sicher nicht an zu wenig Schlaf. Das hatte andere Ursachen. Ich setzte mich wieder auf und zog die Knie an den Körper, dann warf ich Georg einen trotzigen Blick zu. „Ja, ich hab von dir geträumt. Ein Alptraum.“ Georg sah mich verblüfft an, ich gab selten eine freche Antwort, aber heute war mir einfach danach. Von meiner letzten Niederlage schmerzte mir immer noch jeder Knochen, und die letzte Mathearbeit war auch eine Katastrophe gewesen. Meine Laune war praktisch im Keller. Mit gerunzelter Stirn erhob Georg sich von seinem Schreibtischstuhl und setzte sich vor mich auf sein Bett. Ich konnte an seinem Gesicht nicht ablesen ob ich ihn ernsthaft verärgert hatte, aber ehrlich gesagt war mir das in diesem Moment auch egal. Noch ein paar Schläge würde ich sicher wegstecken können, und bei allem anderen stellte ich einfach auf Durchzug. Georg wusste inzwischen wie er mich packen musste, im Gegensatz zu ihm war ich nämlich leider sehr leicht zu durchschauen. Aber anstatt mir wie erwartet gehörig Konter zu geben oder mir einfach eine reinzuhauen legte er mir nur eine Hand auf das Knie und sah mich ernst an. „Wenn ich drin vorgekommen bin kann es gar kein Alptraum gewesen sein. Aber mal im Ernst, wo liegt das Problem?“ Sein Blick wurde eindringlicher, und ich versteckte schnell mein Gesicht in meinen Armen. Ich wollte ihm nicht Rede und Antwort stehen müssen, aber er konnte mich dazu zwingen. Und bis jetzt hatte er auch immer gemerkt wenn ich versucht hatte ihm etwas vorzumachen. Es war zum Verzweifeln. „Es gibt kein Problem, ich bin nur kaputt. Können wir nicht einfach Pizza bestellen und dann einen Film gucken? Ich will mich nicht unterhalten.“ Ich spürte wie Georg seine Hand zurückzog und wieder aufstand, dann ging er hinüber zu seinem Schreibtisch und klappte den Laptop auf. War´s das etwa schon? Nein. „Du bist in letzter Zeit echt super zickig, das nervt. Reiß dich mal bisschen zusammen, wenn weiter nichts ist musst du auch nicht so rumjammern. Kaputt sind wir alle. Das ist doch nichts neues.“ Er kam mit dem Laptop wieder zurück zum Bett und setzte sich neben mich. Ich kochte innerlich. Ich war überhaupt nicht zickig, und kaputt war ich weil ich ständig eins auf die Mütze bekam. Im Gegensatz zu ihm. Ich rieb mir über meine schmerzende Stirn, dann stand ich auf und bückte mich nach meiner Tasche. Für heute hatte ich einfach genug. Sollte Georg doch alleine glücklich werden. Ich schulterte die Tasche und warf ihm noch einen wütenden Blick zu. „Wenn ich dir zu zickig bin gehe ich jetzt, dann hast du deine Ruhe und musst dir mein Gejammer nicht mehr weiter anhören! Machs gut!“ ich stapfte los in Richtung Tür, aber ich kam kaum einen Schritt weit da hatte Georg mich schon wieder gepackt. Ich fuhr auf dem Absatz herum und versuchte mich loszureißen, aber er hielt mich eisern fest. Er schob den Laptop langsam von seinem Schoß herunter, dann stand er auf und trat einschüchternd nah an mich heran. Seine Hand umklammerte weiterhin mein Handgelenk, die andere lag auf meiner Schulter, verdächtig nah an meinem Kragen. Für ein paar Sekunden hielt ich seinem Blick stand, dann senkte ich den Kopf und atmete zitternd aus. Im Kampf hatte ich ihm momentan nichts entgegenzusetzen. Georg wartete noch ein paar Augenblicke ab ob ich mich wehren würde, dann ließ er mich los und strich mir mit einer Hand fast zärtlich durchs Haar. „Schau mich an.“ Ich hob vorsichtig den Blick, und die Tasche rutschte von meiner Schulter. Georgs Hand lag jetzt an meiner Wange, sein Daumen strich sanft über den fast verblassten Bluterguss unter meinem Auge. Und dann tat er es wieder. Diesmal hatte ich es kommen sehen, aber ich wich nicht zurück. Ich wollte wissen wie es sich anfühlte wenn ich auch mit Gedanken völlig dabei war und nicht davon überrascht wurde. Georgs Lippen strichen vorsichtig über meine, er schien testen zu wollen wie weit er gehen konnte, und ich ließ ihn. Es fühlte sich seltsam an, ungewohnt, aber nicht abstoßend. Seine Finger schlossen sich erneut um mein Handgelenk, ich spürte wie sich sein Griff verstärkte, und mein Herzschlag beschleunigte sich. Jetzt konnte ich nicht mehr weg, selbst wenn ich es gewollt hätte. Georgs Kuss wurde drängender, er schob mich langsam Richtung Bett, und nun wagte ich es doch die Reißleine zu ziehen. Ich drehte den Kopf zur Seite und legte ihm eine Hand auf die Brust. „Georg, Stopp!“ ich sah ihn um Verständnis bittend an, und er ließ wirklich von mir ab. Das hätte er nicht gemusst, und das wussten wir beide. Aber Georg war wohl doch kein Arschloch, trotz allem. Er fuhr sich etwas unsicher durchs Haar, dann schenkte er mir ein zerknirschtes Lächeln. „Sorry, das war wohl zu übergriffig.“ Er wandte mir den Rücken zu und ging zurück zum Bett, dann ließ er sich neben den Laptop auf die Decke fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Willst du immer noch mit mir Pizza essen oder gehst du nach Hause? Jetzt könnte ich das verstehen.“ Er sah mich fragend an, und ich runzelte die Stirn. Meinte er das ernst? Mich zu beleidigen war also okay, da hatte ich mich nur zickig, und erst wenn es fast zu einer…ach, zu was auch immer kam war es in Ordnung zu gehen? Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte Georg wütend an. „Ich will nach Hause gehen, ja. Aber nicht wegen dem Kuss, sondern weil du mich beleidigt hast! Warum machst du das? Ich bin vor zwei Tagen schon wieder verprügelt worden, mir dröhnt immer noch der Schädel davon, und anstatt mir beizustehen machst du dich über mich lustig! Darauf hab ich keinen Bock mehr!“ Ich war mit jedem Wort lauter geworden, meine Hände waren zu Fäusten geballt, und wäre in mir nicht irgendwo noch ein letzter Funken gesunden Menschenverstandes gewesen hätte ich mich höchstwahrscheinlich direkt auf Georg gestürzt. Aber so blieb ich einfach nur zitternd vor Wut stehen und versuchte meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Georg hatte meinen kleinen Ausbruch mit gleichgültiger Miene über sich ergehen lassen, jetzt streckte er die Hand nach mir aus und zwinkerte mir zu. „Pizza und ein Aspirin? Und ich verspreche dir den Rest des Abends die Klappe zu halten und kein unnötiges Wort mehr zu verlieren. Einverstanden?“ Ich blieb noch einen Moment standhaft, dann seufzte ich ergeben und ließ mich von ihm zurück aufs Bett ziehen. Meine Wut verrauchte so schnell wie sie gekommen war, ich war einfach nur noch erledigt, und ich wollte Pizza und einen Film und vor allem ein Aspirin! Georg dirigierte mich ans Kopfende des Bettes, dann rutschte er neben mich und schob mir den Laptop auf den Schoß. „Ich weiß schon was ich will, also such du dir jetzt was aus. Egal was, ich lad dich ein.“ Er grinste mir gönnerhaft zu, aber ich verzog keine Miene. „Wolltest du mir nicht ein Aspirin holen?“ Georg lachte, dann stand er auf und ging Richtung Zimmertür. „Mach ich, mal sehen, vielleicht hab ich auch noch was stärkeres da, vom letzten Mal als du Prügel bezogen hast.“ Ich knurrte warnend, und Georg verschwand immer noch lachend aus der Zimmertür.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)