Ich bin doch kein Wolf! von aceri ================================================================================ Kapitel 14: Hunde die bellen beißen...zwar nicht, führen aber vielleicht etwas im Schilde ----------------------------------------------------------------------------------------- Der Anruf kam nur zwei Tage nachdem ich so heftig mit Georg gestritten hatte. Ich lag auf meinem Bett, der Tiefpunkt war erreicht. Oder nein, ich hatte die momentane Situation für den Tiefpunkt gehalten. Aber als mein Handy klingelte wurde mir klar, es ging noch tiefer. Noch viel viel tiefer. „Gute Arbeit!“ „Was hab ich denn gemacht?“ ich war ehrlich verwirrt, für was hatte ich den Lob verdient? Für den letzten Kampf sicher nicht. Oder nahm Hector mich etwa auf den Arm? Das sah ihm gar nicht ähnlich. Ich presste das Handy dichter an mein Ohr und setzte mich auf. Hoffentlich kam jetzt nicht der nächste Tiefschlag. Aber entgegen meiner Befürchtungen lachte Hector gut gelaunt in den Hörer. „Du bist lustig. Georg war gerade eben bei mir. Er hat sich bei mir für so ziemlich alles was er je verbrochen hat entschuldigt, und mir versprochen ab jetzt tatkräftig hinter dem Rudel zu stehen. Wie zur Hölle hast du das geschafft?“ „Was?!“ ich keuchte überrascht, mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Das konnte doch nicht wahr sein! Georg hasste das Rudel, nie im Leben würde er sich offiziell zu ihnen bekennen. Aber anscheinend…hatte er das getan. Ich hatte ihn völlig falsch eingeschätzt. Ich rieb mir hektisch mit dem Handballen über die Stirn und versuchte irgendetwas kluges zu sagen. Hector nahm mir diese Entscheidung ab. „Ach, nun tu doch nicht so bescheiden. Er meinte du hättest ihm die Augen geöffnet, und er wolle noch mal ganz von vorn anfangen. Das ist fantastisch! Mehr wollte ich doch gar nicht! Du bist wirklich ein Genie!“ Hector schien ganz aus dem Häuschen, und mir wurde bei jedem seiner Worte immer schlechter. Das war alles gar nicht mein Verdienst. Aber Georg ließ es aus irgendeinem Grund so aussehen. Und mir wurde einfach nicht klar was er damit bezweckte. Wollte er sich damit wieder mit mir gut stellen? Das wäre eine logische Erklärung, aber ich hatte ihm wirklich schlimme Dinge an den Kopf geworfen, an seiner Stelle hätte ich alles getan um sich an mir zu rächen. Stattdessen lief er direkt zu Hector, verriet damit jede seiner Prinzipien, und sorgte auch noch dafür dass ich bei unserem Rudelführer gut da stand. Das war NICHT logisch! Ganz und gar nicht! Ich musste sofort mit ihm reden. Direkt nachdem Hector aufgelegt hatte versuchte ich Georg zu erreichen, aber er nahm natürlich nicht ab. Das Freizeichen bohrte sich nervtötend in mein Gehör, dann sprang die Mailbox an. Ich warf das Handy frustriert auf die Bettdecke. Um noch einmal bei ihm vorbei zu gehen war es bereits zu spät, ich musste also mindestens bis morgen zur ersten Stunde warten bis ich mit ihm sprechen konnte. Aber bis dahin würde ich durchdrehen! Ich schnappte mir erneut das Handy und tippte eine kurze Nachricht. „Ruf mich an!!!“ Ich hatte es kaum zur Seite gelegt da ertönte das Nachrichtensignal. Georg „Lieber persönlich? Komm raus.“ Ich starrte verwirrt auf das Display, dann dämmerte mir was er damit sagen wollte. Er war hier! Er hatte gewusst dass Hector mich anrufen würde, und wartete jetzt irgendwo unten im Garten. Ich sprang aus dem Bett, schnappte mir meinen dicken Pullover und versuchte so schnell und leise wie möglich die Treppe hinunter zu huschen. Meine Mutter würde nur nervige Fragen stellen wenn sie mich jetzt erwischte. Ich schlüpfte in meine Schuhe, zog mir den Pullover über den Kopf, und verließ ungesehen das Haus.   Die Sonne war bereits hinter den Baumkronen verschwunden, der verwilderte Garten lag in einem unheimlichen Dämmerlicht. Ich sog die kühle Nachtluft ein, dann sah ich mich suchend um. War Georg wirklich hier? Oder hatte er mich zum Spaß raus in die Kälte gelockt? Ich rieb mir fröstelnd die Arme und machte ein paar Schritte die Auffahrt hinunter. Alles war still, nur das Rauschen der Bäume und der knirschende Kies unter meinen Schuhen durchbrachen die Nacht. Wo steckte Georg? Plante er irgendeinen fiesen Hinterhalt? Ich wurde langsam unruhig. Der Wind blies mir unangenehm ins Gesicht und ich verfluchte mich dafür dass ich mein Handy nicht mitgenommen hatte. Vielleicht musste er kurzfristig wieder los und ich irrte hier völlig umsonst hier durch die Dunkelheit. Gerade als ich beschlossen hatte wieder nach drinnen zu gehen wurden rechts von mir Schritte laut, und ich fuhr angespannt herum. Auch wenn ich es vor mir selbst nicht zugeben wollte, ich traute Georg nicht mehr über den Weg. Nicht nach der Aktion bei Hector. Er trat aus dem Schatten des knorrigen Apfelbaumes heraus und kam direkt auf mich zu, anscheinend hatte er da schon ein paar Minuten gestanden und mich beim Suchen beobachtet. Ich spürte wie ein kleiner Funken Wut in mir hochzüngelte, aber ich erstickte ihn direkt im Keim. Erst wollte ich hören was Georg mir zu sagen hatte. Mit verschränkten Armen wartete ich bis er bei mir angekommen war, dann wischte ich mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht und starrte ihn herausfordernd an. „Bisschen kalt zum Verstecken spielen, findest du nicht?“ machte ich meinem Unmut Luft, aber Georg grinste nur breit und tippte sich an den dicken Schal um seinen Hals. „Mir nicht, ich hätte noch deutlich länger da stehen können.“ Seine Stimme klang ein kleines bisschen überheblich, und ich merkte wie mein Blut erneut zu kochen begann. Es war doch zum Verrücktwerden, egal was er sagte, ich fühlte mich sofort angegriffen. Und meiner Meinung nach auch zu Recht, immerhin hatte er mich hintergangen. Die ganze Zeit hatte er mir gepredigt wie schlecht das Rudel für uns wäre und das ich mich von ihm fern halten solle, und dann war er selbst zu ihnen gekrochen und hatte Hector praktisch die ungeschützte Kehle dargeboten. Ganz plötzlich, ohne Vorwarnung. Ich spürte wie meine Laune in den Keller sank, und auch Georg schien zu bemerken dass ich nicht mehr zu Scherzen aufgelegt war. Das überhebliche Grinsen verschwand von seinem Gesicht, stattdessen trat er noch einen Schritt auf mich zu und legte beide Arme auf meine Schultern. Ich wollte im ersten Moment zurückweichen, aber sein Blick hielt mich fest. Er war mir immer noch überlegen. Ich knurrte unwillig und starrte auf meine Schuhe, die Kälte biss durch die groben Fasern meines Pullovers und mir wurde immer ungemütlicher. Wäre ich bloß nicht vor die Tür gegangen! Aber für taktische Überlegungen war es nun zu spät, ich war bereits mitten drin. Und Georg erschien mir mit einem Mal unberechenbar. Seine leise Stimme riss mich aus meinen Gedanken, und ich wagte einen vorsichtigen Blick in sein Gesicht. Er lächelte wieder, aber diesmal war es ein aufmunterndes Lächeln. „Du kannst mich ruhig ansehen, ich beiß dich diesmal nicht. Und ich wollte dich auch nicht gleich wieder verärgern. Es war nur so lustig wie du da im Dunkeln herumgeirrt bist, da konnte ich einfach nicht anders.“ Georg zwinkerte mir zu, und ich verzog abwehrend das Gesicht. Das war überhaupt nicht witzig! Ich fror mir den Hintern ab während er Verstecken spielte und mich dabei auch noch auslachte. „Ich bin nicht herumgeirrt, und ich wollte auch gerade wieder reingehen als du aufgetaucht bist. Ich bin immer noch sauer auf dich! Und außerdem hat Hector mich angerufen! Warum hast du das gemacht?“ meine Stimme überschlug sich fast, ich wusste gar nicht wie aufgebracht ich war bevor ich den Mund aufmachte. Aber Georg blieb völlig gelassen. Er seufzte leise, dann zog er seine Arme zurück und sah mich ein bisschen verwundert an. „Warum ich das gemacht hab? Ich dachte da kommst du von selber drauf. Naja, wahrscheinlich hat dein Kopf bei der letzten Prügelei doch mehr Schaden genommen als wir dachten.“ Ich wollte gerade wieder aufbrausen aber er fiel mir direkt ins Wort. „Ich hab das gemacht damit wir weiter befreundet sein können. Dann musst du dich nicht mehr zwischen mir und dem Rudel entscheiden. Ich werde einfach gute Miene zum bösen Spiel machen und Hector nach der Schnauze reden, und alles ist paletti. Also hör auf sauer zu sein. Ich hab für dich ein echt großes Opfer gebracht.“ Mein Mund stand immer noch offen, aber ich war zu fassungslos um auch nur einen Ton herauszubringen. Er hatte das für mich getan! Er war wegen mir zu Hector gegangen und hatte sich ihm zu Füßen geworfen,  und das nur damit ich nicht mehr zwischen den Stühlen saß. Und das alles nachdem ich so ungerecht zu ihm gewesen war. Das schlechte Gewissen musste mir ins Gesicht geschrieben stehen, denn Georg beugte sich grinsend nach vorn und klopfte mir leicht auf die Schulter. „Was ist los, ist dir dein vorlautes Mundwerk jetzt eingefroren? Na macht nichts, keine Antwort ist auch eine Antwort.“ Er grinste noch breiter, dann überwand er auch noch die letzten Zentimeter zwischen uns und küsste mich sanft auf den Mundwinkel. Meine Augen weiteten sich erschrocken, aber noch bevor ich reagieren konnte hatte er sich bereits umgedreht und ging schnellen Schrittes die Einfahrt hinunter, hinein in die abendliche Dunkelheit. „…Georg!“ Er winkte mir lässig über die Schulter zu ohne sich noch einmal umzudrehen. „Wir sehen uns morgen in der Schule!“ Und dann war er verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)