Ich bin doch kein Wolf! von aceri ================================================================================ Kapitel 8: Lüg mich nicht an! ----------------------------- Zum Glück waren es nur noch drei Tage bis zum Wochenende, meine Mutter schrieb mir ohne mit der Wimper zu zucken eine entsprechende Entschuldigung, und so konnte ich die freie Zeit nutzen um mich zu erholen. Meine Wunden heilten, nur meine Hüfte protestierte weiterhin bei jeder unbedachten Bewegung, und ich gewöhnte mir eine gewisse Schonhaltung an. Aber es wurde besser, mit Schmerzmitteln war ich fast wieder der Alte. Meine Mutter beobachtete meine Genesung trotz alledem kritisch, ich wusste dass sie mich am liebsten sofort zu einem Arzt geschleift hätte und ich benötigte meine ganze Überzeugungskraft um sie von dieser Idee abzubringen. Ich wollte nicht zum Arzt, ich wollte die ganze Sache nur so schnell wie möglich vergessen. Die Niederlage nagte dabei weniger an mir als die Tatsache dass ich Georg schon wieder verärgert hatte. Er war richtig sauer gewesen, und er hatte jeden meiner Versuche mit ihm Kontakt aufzunehmen und mich zu entschuldigen ignoriert. Ich wusste was zu tun war, nur leider war ich weiterhin an Haus und Bett gefesselt. Weiter als die Treppe hinunter und bis ins Wohnzimmer hatte ich es bis jetzt nicht geschafft ohne mich vor Schmerzen nach Luft japsend irgendwo festzuhalten, und zu Georgs Haus war es ein hoffnungslos langer Fußweg. Aber am späten Sonntag Nachmittag nahm ich ihn dann doch auf mich, ich wollte Georg nicht ohne eine vorherige Aussprache in der Schule gegenüber treten, und so blieb mir nur die Möglichkeit die Zähne zusammen zu beißen und es in Angriff zu nehmen. Meiner Mutter erzählte ich von einem kleinen Spaziergang um die Felder, als Rehamaßnahme sozusagen, und sie ließ mich mit einem resignierten Seufzer ziehen. Es dauerte das dreifache der üblichen Zeit, und ein paar Mal war ich kurz davor aufzugeben und mich abholen zu lassen, aber der Gedanke an Georg und die Schmach der Abweisung am nächsten Tag trieben mich voran. Ich hatte mir klugerweise die doppelte Anzahl Schmerztabletten eingeworfen, und bis zur Hälfte des Weges hatten sie meine Schmerzen in ein erträglich dumpfes Pochen verwandelt. Erst als ich die wenigen Stufen zu Georgs Haustür erklomm wurden sie langsam wieder nervig. Hoffentlich würde ich nicht einfach zusammen brechen. Ich war kurz davor. Mein Finger landete auf der Klingel, dann konnte ich nur noch warten und beten. „Was willst du?“ Georg lehnte sich gegen den Türrahmen, er sah immer noch sehr wütend aus. Ohje, anscheinend war er doch nachtragend. Oder ich hatte es diesmal wirklich übertrieben. Wahrscheinlich letzteres. „Lässt du mich rein? Ich will mich entschuldigen.“ Georg verzog unwillig das Gesicht, dann trat er zur Seite und ließ mich eintreten. Es war ruhig und dunkel im Hausflur, außer uns schien niemand zu Hause zu sein. Na wunderbar, so konnte er mich ungehindert anschreien wenn ihm danach war. Ohne ein Wort bedeutete Georg mir ihm die Treppe hinauf in sein Zimmer zu folgen, und ich war froh dass er mich nicht gleich hier im Flur abfertigen wollte. So bestand wenigstens eine geringe Chance dass er bereit war mir zuzuhören, und mir danach hoffentlich zu verzeihen. In seinem Zimmer angekommen ließ ich mich vorsichtig auf seinem Bett nieder, Georg nahm auf seinem Schreibtischstuhl Platz. Er musterte mich ernst, und ich senkte den Blick. Ich wollte ihn durch eine unbedachte Geste nicht noch wütender machen. Und ich war nervös! Georgs Freundschaft bedeutete mir viel, und ich hatte Angst sie mit meinem Handeln nun völlig kaputt gemacht zu haben. Ich wollte nicht dass er mich fallen ließ! Georg schien meine Unsicherheit zu bemerken, er räusperte sich kurz und ergriff schließlich als erster das Wort. „Wie geht es deinen Verletzungen?“ seine Stimme klang nicht wirklich interessiert, aber immerhin, er sprach mit mir. Das machte mir Hoffnung. „Alles gut, sie verheilen, ich bin fast wie neu.“ Das…war die falsche Antwort. Georgs Gesicht verdunkelte sich, und jetzt war seine Stimme eindeutig wütend. Oh nein. „Lüg mich nicht an!“ knurrte er, dann erhob er sich von seinem Stuhl und baute sich vor mir auf. Ich kauerte mich auf dem Bett zusammen und senkte den Kopf, ich wollte ihn nicht provozieren. Auch wenn mir diese unterwürfige Haltung ihm gegenüber sehr schwer fiel. „Du humpelst beim Gehen, und du belastest deine Hüfte nicht richtig. Glaubst du das merke ich nicht? Warum lügst du mich an?“ Er klang wütend, aber auch enttäuscht. Und ich fühlte mich gleich noch viel viel schlechter. Ja, warum log ich ihn an? „Ich möchte nicht dass du noch wütender auf mich wirst.“ gab ich kleinlaut zu, und wagte es zum ersten Mal ihn vorsichtig anzusehen. Georg hatte die Hände in die Hüfte gestemmt und sah auf mich herab, das Gesicht eine undurchdringliche Maske. Ohne Vorwarnung stürzte er plötzlich nach vorn, packte mich an den Handgelenken, und warf mich aufs Bett. Ich keuchte vor Überraschung, und dann vor Schmerz. Verdammt, das tat weh! Ich wollte mich gerade beschweren, da fiel mein Blick auf seine gefletschten Zähne, und ich hielt den Mund. Wenn ich ihm jetzt Widerworte gab oder mich wehrte würden wir nie wieder friedlich zusammen kommen. Das war mir klar. Also blieb ich regungslos liegen, hielt noch für einen Moment Blickkontakt, und senkte dann die Augen. Das war das Zeichen. Georg verharrte noch einen Moment über mir, dann ließ er mein Handgelenke los und gab mich frei. Ich rutschte eilig ein Stück zur Seite, dann stöhnte ich erneut auf. Meine Hüfte brachte mich um! Sofort erschien ein besorgter Ausdruck auf Georgs Gesicht, dann berührte er mich sanft an der Schulter. „Hab ich dir weh getan?“ „Nei…ein bisschen.“ Ich warf ihm ein schiefes Grinsen zu, und er lachte. Endlich! Seine Hand glitt von meiner Schulter, und ich rückte vorsichtig näher, lehnte mich seufzend an ihn. Georg legte einen Arm um mich. Er war mir nicht mehr böse, und das war das einzige was für mich zählte. Auch wenn er mich unterworfen hatte. Wir saßen eine ganze Weile schweigend so da, hingen beide unseren Gedanken nach, bis Georg schließlich von mir abrückte und aufstand. Er streckte sich, dann lächelte er mich an. „Nimmst du dich jetzt ein bisschen zusammen? Oder muss ich nochmal sauer werden?“ seine Worte waren keine ernsthafte Drohung, also machte ich ein gespielt betroffenes Gesicht und meinte bedauernd: „Heißt das ich darf keine anderen Kerle mehr aufs Bett werfen und ihnen…die Zähne zeigen?“ Georg lachte erneut, dann schüttelte er den Kopf. „Was du IM Bett treibst ist mir egal, aber ja, hör bitte auf dich weiter sinnlos herumzuprügeln.“ Er wurde wieder ernst. „Du bist noch recht jung, zumindest was die Wolfsache angeht. Ich möchte nicht dass du dich übernimmst. Irgendwann kann ich dich vielleicht nicht mehr zusammen flicken.“ Er warf mir einen eindringlichen Blick zu, und ich nickte ergeben. Er hatte ja Recht. Bis jetzt hatte ich mich nicht gerade vernünftig verhalten, aber das wollte ich ändern! Wenn schon nicht mir, dann wenigstens ihm zuliebe. Bevor ich aufgetaucht war war Georg ziemlich erfolgreich unter dem Radar der anderen Wölfe geflogen, er war zwar unwillig, aber nie aufmüpfig gewesen. Erst durch mich waren sie auf ihn aufmerksam geworden, dank meiner wenig glorreichen Aktion an meinem ersten Schultag. „Am Freitag ist übrigens die nächste große Versammlung. Ich hatte eigentlich nicht vor hinzugehen, aber ich werde wohl müssen. Und für dich ist es vielleicht nicht ganz schlecht wenn jemand dabei ist der sich nicht hoffnungslos belabern lässt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)