Ippo ni Yoko von MAC01 (Seto x Jou) ================================================================================ Kapitel 5: Einen Schritt zur Erkenntnis --------------------------------------- Ich stehe an deinem Pult und schaue auf dich hinunter. Du hast die Arme gekreuzt vor dir auf den Tisch gelegt und den Kopf darauf gebettet. Dein blondes Haar steht wirr ab. Friedlich schläfst du. Hier. In der Schule. Früher hätte ich dich jetzt unsanft geweckt und einen dummen Kommentar platziert, der dich in Rage versetzt hätte. Daraufhin hätte sich ein verbaler Schlagabtausch zwischen uns entwickelt. Am Ende wärst du wutentbrannt aufgesprungen und aus dem Klassenzimmer gestürmt. So war das schon immer zwischen uns. Doch irgendwie kann ich das heute nicht. Nicht, nachdem ich dich gestern gesehen hab. Ich war auf dem Weg zu einem geschäftlichen Treffen in einem Café im Zentrum. Wie ich Termine außerhalb meiner Firma hasse! Vor allem, wenn meine zukünftige Business-Partner mit mir Essen gehen wollen. Zum Glück konnte ich sie davon überzeugen nur in ein Café zu gehen. Das meiste Zeug, was sie in den Edelrestaurants anbieten, verabscheue ich! Man wird es mir wohl kaum glauben, aber tatsächlich liebe ich traditionelle, japanische Küche! So wie diese Bentō-Boxen, die mir irgendwer in letzter Zeit immer wieder zur Mittagspause auf meinen Laptop stellt. Noch immer hab ich nicht heraus gefunden, wer mir die Boxen dahin stellt. Klar, ich hätte mich auf die Lauer legen können und so einfach denjenigen auf frischer 'Tat' ertappen können. Aber dann hätte diese kleine Geste ihre Bedeutung verloren und mir das Gefühl gegeben, dass ich dem anderen einen Gefallen oder eine Gegenleistung schuldig bin. Vielleicht war der andere auch darauf aus. Möglich! Aber dann hätte er sich doch längst zu erkennen gegeben und etwas eingefordert, oder? Auf dem Weg zum Café kam ich am Burger World vorbei und dort habt ihr beisammen gesessen und euch Burger und Pommes schmecken lassen. Ihr habt gelacht und hattet Spaß. Wild gestikulierend habt ihr euch unterhalten und für einen Moment keimte in mir wieder der Neid auf. Neid auf eure Unbeschwertheit und Sorglosigkeit. Es nervt mich! Nervt mich, dass ich auf euch reagiere und solche Empfindungen sich mehren. Wenn ich nur wüsste, wieso das so ist! Dann könnte ich es abstellen oder ignorieren. Und warum reagiere ich nur auf euch so. Bei anderen aus unserer Klasse ist mir das alles so egal. Aber wenn ich jemand von euch sehe, dann wallen diese Gefühle in mir auf. Ich weiß einfach nicht, was an euch so anders ist! Mit einem verächtlichen Schnaufen war ich weiter gegangen und in das gegenüberliegende Café eingetreten. Meine Business-Partner waren schon da und hatten sich einen Tisch an der großen Fensterfronst geben lassen. Na toll! Jetzt konnte ich während dem gesamten Geschäftstreffen euch Affen bei Burger World beobachten, allen voran dich, der immer wieder aufsprang und seine Freunde zum Lachen brachte. Und ich saß im Café, mit zwei Herren, mittleren Alters, die mich mit Businessplänen und Zukunftsträume von gestern langweilten. Am Ende meines Meeting schlüpfte ich in meinen Mantel, während die beiden älteren Herren sich überschwänglich von mir verabschiedeten. Immer wieder verbeugten sie sich tief. Aber meine Aufmerksamkeit galt schon längst nicht mehr ihnen. Ich sah durch die Fensterfront, wie du aus dem Burger World heraus kamst. Hast noch einmal deinen Freunden mit einem breiten Grinsen im Gesicht gewunken und bist bis zur Ecke geschlendert. Dann sah ich nur noch wie du es plötzlich eilig hattest. Als ich aus dem Café trat musste ich meinen Mantel enger um mich raffen. Ein eisiger Wind kam mir entgegen und ich frage mich, wie du bei den Temperaturen immer noch im T-Shirt durch die Gegend rennen kannst. Das du dir dabei nicht den Tod holst ist für mich ein Wunder. Obwohl... letztes Jahr im Winter hattest du auch nur diese dünne Freizeitjacke. Ich kann mich erinnern, wie Honda dich darauf angesprochen hat und du grinsend abgewunken hast. Dir wäre nie kalt. Du hättest Hitze in dir. Irgend so etwas hast du von dir gegeben. Allerdings nicht sehr glaubwürdig. Vor allem weil deine Zähne geklappert hatten, während du versucht hast locker bei deinen Freunden zu stehen. Ich war dann nur zurück in die Firma gefahren. Hatte noch einige Arbeit, die ich erledigen musste. Einige Zahlen überprüfen. Langweilige Berichte lesen. Irgendwann, es war wohl gegen halb zwölf, bin ich dann aufgestanden. Draußen war es schon lange dunkel, aber in mir regte sich doch ein kleiner Hunger. Also hab ich meinen Rechner ausgemacht und habe die Firma verlassen. Isono hatte schon auf mich gewartet, doch ich winkte ab und gab ihm zu verstehen, dass ich noch schnell in das Conbini an der Ecke wollte. Es war nur ein kleiner Laden, der keiner größeren Kette angehörte. Dennoch hielt er sich, wohl wegen seiner profitablen Lage als Eck-Laden ganz gut über Wasser. Dennoch suchte ich ihn eher selten und unregelmäßig auf. Eigentlich nur, wenn ich Lust auf etwas ganz bestimmtes hatte. Eine Süßigkeit, die es nur dort gab und mich an meine frühe Kindheit erinnerte. Doch ich bin nicht rein. Ich war noch beim ersten Schaufenster stehen geblieben und hatte nicht glauben können, wen ich in diesem speziellen Conbini sah: Dich! Du warst nicht einkaufen, das war mir sofort klar. Denn du hast eine Schürze umgebunden gehabt und warst gerade dabei eine Sauerei auf dem Boden wegzuwischen. Scheinbar hatte irgendwer eine Flasche fallen gelassen, die beim Aufprall kaputt gegangen und ihren klebrigen Inhalt auf dem Boden verteilt hatte. Du hast dort drinnen, mit der Schürze um Brust und Hüfte so anders gewirkt, als noch einige Stunden davor mit deinen Freunden bei Burger World. Du hattest keines deiner berühmten Lächeln auf dem Gesicht. Keinen flotten Spruch auf den Lippen. Du hast dich nicht ungeschickt dran gestellt und das bestehende Chaos noch vergrößert. Du hast deine Arbeit präzise, schnell und sauber erledigt. Eine Frau war auf dich zugekommen und als sie dich ansprach, schnellte dein typisches Grinsen auf dein Gesicht. Sie wollte wohl wissen, wo sie irgendwas fand und du hast es ihr gezeigt. Als sie sich abwandte, um zur Kasse zu gehen, wich dein Lächeln augenblicklich. Es war erschreckend, wie leicht es dir fiel dein Grinsen an- und abzustellen. Ich hab bestimmt eine halbe Stunde an dem Schaufenster gestanden und dich bei deiner Arbeit beobachtet, bis der alte Mann von der Kasse zu dir kam und dir auf die Schulter klopfte. Du hast ihn angelächelt, deine Schürze abgenommen und weggebracht. Als du wieder in den Laden kamst gab der Mann dir eine Papiertüte, ihr habt euch verabschiedet und du bist gegangen. Kaum warst du aus dem Laden und hattest dich in die andere Richtung gewandt bist du wieder losgespurtet. Wieder so eilig, wie am Nachmittag! Nachdenklich wandte ich mich von dem Conbini ab und ging zurück zu meinem Wagen, an dem immer noch Isono stand und auf mich wartete. Er öffnete unaufgefordert die Tür und ließ mich einsteigen. Es hatte mich ehrlich überrascht herauszufinden, dass dein Leben scheinbar doch nicht nur aus faulenzen bestand und du ganz offensichtlich nach der Schule arbeitest. Ob die Schule davon wusste? Immerhin waren die Schulregeln in diesem Punkt eindeutig formuliert. Egal! Ging mich nichts an. Aber diese Erkenntnis erklärt, wieso du so oft müde wirkst und manchmal in der Schule eindöst. Nicht wirklich tief und fest. Eine leichte Berührung von Honda oder Yugi und du bist hellwach. Früher dachte ich, es liegt am Desinteresse an der Schule. Doch heute... sehe ich es anders. Wenn du jeden Tag so wie gestern fast sechs Stunden noch in irgendeinem Conbini schuftest, dann bleibt da nicht viel Zeit für Hausaufgaben, Lernen oder Schlafen. Ich seufzte, setze mich hinter dich auf meinen Platz und erstarre. Keine Bentō-Box! Hat sich mein Gönner durch den Blonden abschrecken lassen? Und plötzlich dämmert mir da etwas und meine Augen weiten sich. Das kann unmöglich sein! Nein! Auf gar keinen Fall! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)