Cold wind blows von Dracos-Princess ================================================================================ Kapitel 13: Hermines Machtlosigkeit ----------------------------------- - Kapitel dreizehn -     Was waren das für grässliche Schmerzen, die Hermine aus ihrem wunderbaren Traum entrissen? Sie fühlte sich, als würden zehn Testrale über ihren Kopf trampeln, aber was war nur passiert, dass sie solche Kopfschmerzen hatte? Dumpf überlegte sie, ob es sich lohnen würde, die Augen aufzuschlagen. Täte sie es, würde ihr Kopf noch mehr brummen, dennoch entschied sie sich, zaghaft die Lider nach oben zu schlagen – was sofort unterbrochen wurde, nachdem das hineinströmende Sonnenlicht ihre Netzhaut berührte und sie blendete.   „Merlin, ich hätte die Augen nicht öffnen sollen“, nuschelte sie erschöpft, doch raffte sie sich langsam in ihrem Bett auf. Das Kissen in ihrem Rücken bescherte ihr eine angenehme Position, die sie beibehalten konnte.   „Guten Morgen, Miss Granger.“   Nun waren ihre Augen sperrangelweit offen. Egal wie sehr das Sonnenlicht sie blendete, Hermine musste die Augen offen halten, da sie die fremde Stimme nicht zuordnen konnte – Akina war es nicht, denn ihre Stimme konnte Hermine mittlerweile sehr gut unter den anderen Elfenstimmen ausmachen.   „Wer... Wer ist da?“, stellte sie benommen die Frage, nachdem sie ihre Hand über ihre Augen legte, um das Licht ein wenig abzuschirmen.   „Legen Sie sich zurück.“ Feingliedrige Finger drückten Hermines Schulter dezent zurück in ihre Kissen. „Sie haben sicher Hunger, nicht? Aber wo bleiben meine Manieren: Wie geht es Ihnen?“   Die junge Frau presste mehrmals ihre Augen zusammen, sie blinzelte verwirrt und öffnete sie anschließend nochmals, ehe sie fast erschüttert feststellen konnte, wer auf der linken Seite ihres Bettes saß. Nochmals blinzelte Hermine, weil sie nicht glauben konnte, dass das Bild der Wahrheit entsprach, weshalb sie auch an ihren Sinnen zu zweifeln anfing.   „Misses Malfoy?“, krächzte sie ungläubig. Hermine war regelrecht geschockt über den Anblick der Frau – nicht, weil sie seltsam aussah. Nein, weil sie immer noch nicht wahrhaben konnte, dass Malfoys Mutter neben ihr saß. Gleichsam fragte sie sich, wie lange sie geschlafen haben müsste? Erwähnte Malfoy nicht, dass seine Mutter in einer Woche zurückkommen wollte? Aber unmöglich konnte Hermine eine Woche lang geschlafen haben. Nachdem sie in Rons Armen – nach Voldemorts Fall – zusammengebrochen war, hatte sie drei Tage im St. Mungo durchgeschlafen, aus dem Grund, weil ihr Körper seiner Kräfte beraubt wurde, woraufhin dieser sich erst wieder regenerieren musste, indem er sich den Schlaf zurückholte, der ihm fehlte. Der Sturz in die mysteriöse Kluft konnte sie doch nicht so sehr mitgenommen haben, dass sie eine Woche schlief? Oder war ihr Körper doch so angeschlagen und geschwächt?   „Sie scheinen überrascht zu sein?“, durchbrach Narzissa die unangenehme Stille, die sich fortwährend ausbreiten wollte, weil niemand der Frauen scheinbar wusste, was sie sagen sollten.   „Ich... Ich muss gestehen, ja. Ich bin etwas überrascht.“ Das war sie wirklich, doch raufte sie sich zusammen, strich verlegen ihre Haare – die wirr in alle Richtungen standen – zurück und betrachtete Narzissa Malfoy. „Misses Malfoy, was machen Sie hier?“   „Nun“, begann Narzissa, während sie ihre Nase rümpfte und sich im Zimmer umsah, „ich wohne hier, falls Ihnen das entgangen sein sollte? Außerdem war ich nicht sonderlich angetan, als mein Sohn mir mitteilte, dass Sie, Miss Granger, womöglich ein dauerhafter Gast“, betonte sie spitz, „in unserem Haus sein werden. Nachdem ich dann auch noch hören musste, dass Sie einen Unfall hatten, bin ich unverzüglich zurückgekommen.“   „Einen Unfall?“, wiederholte Hermine mit hochgezogener Augenbraue. Das war alles, aber kein Unfall. Hermine wäre beinahe durch die Hand dieses Hauses ums Leben gekommen – beabsichtigt.   „Ja, nennen wir es einfach mal Unfall“, bestätigte Narzissa herausfordernd. Sie wusste schon immer, wie sie einen Streit heraufbeschwören konnte, ohne anzunehmen, dass sie diejenige war, die das Pulverfass entzündete.   Folglich konnte Hermine daraus schließen, dass sie keine Woche geschlafen hatte. Narzissa – eine Frau, die nicht unbehaglich war, aber ihr auch nicht wohlgesonnen – kam aufgrund Hermines Unfall nach Hause. Auch konnte man anhand ihrer gewählten Worte spüren, dass Narzissa nicht gerne hier war – hier, neben Hermine am Bettrand sitzend. Neidlos musste Hermine aber zugeben, was für eine schöne Frau Narzissa Malfoy gewesen war, die die black'sche Arroganz hervorragend zeigen konnte – gepaart mit der malfoy'schen Arroganz war es sicher keine vorzeigbare Eigenschaft. Aber wann war Arroganz schon vorzeigbar? Nie.   „Und da Sie nun aufgewacht sind“, erwähnte Narzissa, die sich abrupt erhob nachdem ihr scheinbar klar geworden war, bei wem sie überhaupt am Bett saß, „und ich mich überzeugen konnte, dass es Ihnen gut geht, werde ich Sie noch ein wenig zur Ruhe kommen lassen.“ Beide Frauen wussten, dass weder die eine, noch die andere in der Gegenwart ihres jeweiligen Gegenübers sein wollte. Narzissa war nur noch zu höflich, es auszusprechen, weshalb sie ihren Abschied nett verpackte. „Allerdings würde ich es begrüßen, wenn Sie uns während dem Essen Gesellschaft leisten.“ Im Anschluss – ohne Hermine zu Wort kommen zu lassen – verließ sie das Zimmer, um sich selbst wieder in einem der Gästezimmer einzurichten. Lange würde sie hier nicht verweilen. Hermine Grangers Gefangenschaft war ihr ein Dorn im Auge – nicht, weil sie das Mädchen mochte, sondern sich dem Mädchen verbunden fühlte. Denn nichts anderes hatte Lucius mit ihr getan – sie in diesem Haus gefangen zu halten. Sie war – im Gegensatz zu Hermine Granger – nur zu streng erzogen worden, um sich dem stärkeren Geschlecht zu widersetzen. Ja, Narzissa trotzte ihrem Schicksal und hatte es akzeptiert. Was sie nicht akzeptieren wollte, war, dass Hermine Granger weiterhin hier lebte und dieses Mal konnte ihr Sohn ihr nicht einfach eine Eule zukommen lassen und sich einem weiteren Gespräch entziehen.   Anstandshalber klopfte sie sogar gegen Dracos Tür, nachdem sie den Westflügel erreichte und betrat ihn auch erst, als Draco ihr die Erlaubnis dazu erteilte und sie hineinbat.   „Mutter, dich hatte ich gar nicht erwartet?“, begrüßte er sie gelangweilt, als er seinen Kopf hob und ihre Erscheinung im Türrahmen erblickte. Aber wen hätte er sonst erwarten sollen? Etwas Granger? Nein, diese Person hatte er hier ganz bestimmt nicht erwartet und schon gar nicht nachdem, was gestern passiert war. „Wie kann ich dir helfen?“   „Ich war gerade bei Miss Granger“, antwortete Narzissa brüsk, bevor sie die Tür schloss und sich ihrem Sohn näherte, der am Schreibtisch saß und sich irgendwelche Unterlagen durchsah.   „Warst du das?“, entgegnete er lauernd, aber doch so, dass es belanglos klang. Er wollte keineswegs interessiert klingen. „Ist sie wach?“, wollte er weiterhin teilnahmslos wissen.   „Das interessiert dich doch nicht etwa?“ Augenblicklich hielt sie für wenige Sekunden in ihren Schritten inne, ehe sie zu Draco aufschloss und ihre Hände auf dem gegenüberliegenden Stuhl abstützte.   „Es interessiert mich nicht.“ Verdammt. Draco hatte vergessen, dass seine Mutter eine intelligente Frau war, die im Bezug auf so etwas ein ausgeprägtes Gespür hatte. Aber er würde sich nicht von ihr durchschauen lassen. Stattdessen würde er sich später selbst von ihrem Wohlergehen überzeugen. Es war immerhin sein Haus, worin er entscheiden konnte, wann und wo er sich befand. Und wenn das Grangers Zimmer war, dann war es eben Grangers Zimmer, verflucht. Diesbezüglich müsste er sich nicht vor seiner Mutter rechtfertigen.   Indessen hatten ihre Füße sie zu einem der Fenster getragen, die Gardinen waren zur Seite gezogen, wodurch sie einem herrlichen Herbsttag entgegensehen konnte. Draco aber sah ihre tiefen Augenringe, er bemerkte ihre blasse Haut, sowie die eingefallenen Wangen. Er hasste es selbst, aber der Gemütszustand seiner Mutter zog nie spurlos an ihm vorbei. Sogar ihre Angst die sie hatte, nachdem man Draco im sechsten Schuljahr auftrug, Dumbledore zu ermorden, hatte ihn tief bewegt. Ja, er konnte damals die Panik in ihren blauen Augen sehen.   „Bist du sicher, dass es dich nicht interessiert?“   „Ich bin mir sicher, Mutter.“ Es gefiel ihm nicht, seine Mutter zu belügen, denn es interessierte ihn sehr wohl, aber er wollte Narzissa nicht mehr zumuten als nötig. Würde er zugeben, dass ihn Grangers Gesundheitszustand interessierte; Merlin, seine Mutter würde womöglich aus dem Fenster springen. Draco konnte sich nicht einmal erklären, wieso er daran interessiert war. Wahrscheinlich, weil sie hier lebte und er in gewisser Weise Verantwortung für sie trug? „Und jetzt hör auf, alles in Frage zu stellen, was ich antworte.“   „Worüber denkst du sonst nach?“ Narzissa drehte sich nicht weg, sondern schaute beharrlich in die Ferne. Worauf sie wartete, während sie aus dem Fenster sah, konnte sie nicht genau sagen, aber etwas sagte ihr, dass Draco log und diese Lüge wollte sie nicht in den Augen ihres Sohnes sehen.   „Über nichts besonderes. Ich gehe lediglich die Zahlen der Spenden durch – nichts aufregendes.“ Nach Lucius' Tod hatte er die Aufgaben seines Vaters übernommen – langweilige Tätigkeiten, die ihn nicht forderten.   „Denkst du... Denkst du über das Mädchen nach?“, rückte seine Mutter spärlich mit den Worten heraus und sah nur halb über ihre Schulter – nicht direkt in das Gesicht ihres einzigen Kindes, das sie vermutlich belog.   Sicher dachte er über Graner nach. Täglich, wenn nicht sogar stündlich kreisten seine Gedanken um sie, aber auch diese Wahrheit würde er seiner Mutter vorenthalten. Es ging sie einfach nichts an. Es genügte schon, dass Narzissa anwesend war. „Mutter, ich denke über vieles nach.“ Beispielsweise darüber, wie er wieder in den Genuss käme, unauffällig ihre Haut zu mustern.   „Wieso lässt du sie nicht gehen, Draco?“ Versteift drehte sie ihren Körper wieder zum Fenster herum, die Hände fest ineinander gefaltet. Draußen konnte sie die weißen Pfaue dabei beobachten, wie sie über den Kiesweg stolzierten. Ach, sie war immer so stolz auf ihre Herkunft und den Reichtum gewesen, der ihr all das ermöglicht hatte, doch heute konnte sie nur noch auf den Scherbenhaufen ihres Lebens zurückblicken.   „Weil ich nicht will“, teilte er ihr genervt mit. Nicht nur ihre Abgeschlagenheit nebst ihren noch nicht vergossenen Tränen berührten ihn. Nein, auch ihr Sturkopf und ihre Unnachgiebigkeit – allerdings nicht im positiven Sinne. Draco hasste die Charakterzüge seiner Mutter und er fragte sich, wieso sie nicht genauso stur gewesen war, als man ihn dazu zwang, einem Mann zu folgen, der unter Größenwahn litt. Wieso hatte sie sich nicht so vehement gegen Lucius gestellt, wie sie es gerade hier tat? Aber diese Frage würde man ihm vermutlich nie beantworten können, da seine Mutter ein Buch mit sieben Siegeln war – wie Draco auch. Es ärgerte ihn so sehr, dass seine Knöchel bereits weiß hervortraten, nachdem er seine Hände zu Fäusten ballte. „Sie muss leiden, weil ihr Vater unbefugt meinen Grund und Boden betreten hat und nur für dein Verständnis, Mutter“, äffte Draco. „Sie hat es sich selbst so ausgesucht. Sie wollte den Platz ihres Vaters einnehmen.“   „Aber -“   „Ich habe sie zu nichts gezwungen!“, fügte er gereizt hinzu, weil seine Mutter offenbar nicht wusste, wann Schluss war. Merlin, sie war wie Blaise, der auch jedes kleine Detail wissen wollte. Zu Dracos Leidwesen schien sich seine Stimme dazu entschieden zu haben, sich an dieser idiotischen Unterhaltung zu beteiligen.   „Bist du sicher, dass das der Grund ist, weshalb Granger noch in deinem Haus lebt?“, spottete die Stimme fadenscheinig. „Meine Vermutungen willst du ja nie hören, aber ich hätte da wieder eine.“   Verbissen raufte sich der ehemalige Slytherin die blonden Haare und war froh, dass seine Mutter diesen Aussetzer nicht bemerkte. Nachher kämen weitere Anschuldigungen aus ihrem Mund, die er letztendlich nicht entkräften konnte, weil seine Mutter alles so darlegen würde, dass Draco sich nicht mehr aus der Schlinge ziehen konnte.   „Das weiß ich, Draco, aber du hast dich seit meiner Abreise verändert“, stellte sie erschüttert klar, wohingegen ihr Blick standhaft nach draußen gerichtet blieb. Dass dies womöglich mit Hermine Granger in Verbindung stand, wollte Narzissa nicht aussprechen.   „Inwiefern?“, wollte er süffisant wissen. Parallel flog eine Augenbraue nach oben.   „Du lässt das Mädchen nicht gehen, hab ich recht?“, überging sie dreist seine Frage.   „Sie wird gehen, wenn ich es für richtig halte – nicht eher. Und das ist mein letztes Wort.“ Dass er damit suggerierte, sie irgendwann doch gehen lassen zu können, ignorierte er. Abgemacht war für immer und damit würde es Draco auch belassen. Aber nun war endgültig Schluss. Seine Mutter wollte ihre Spiele spielen, indem sie diejenige war, die die Unterhaltung führte, aber diesen Zahn würde er ihr ziehen. Draco war schon lange nicht mehr der kleine Junge, der sich etwas gefallen ließ.   „Draco, ich -“   „Genug, Narzissa.“ Draco erhob sich aus seinem Stuhl, während seine Mutter sich zeitgleich umdrehte und ihrem zornigen Sohn entgegensah. „Es reicht“, fuhr er mit den Händen abgestützt auf der Tischplatte fort, in der Hoffnung, seiner Mutter eindrucksvoll symbolisieren zu können, dass sie zu weit ging.   Diese Tonlage ging Narzissa durch Mark und Bein, weil es sie so sehr an Lucius erinnerte. Wie ihr verstorbener Mann, wechselte Draco seine Stimmung innerhalb von Sekunden, was beängstigend war. Allerdings – stellte Narzissa fest – oblag diese Stimmungsschwankungen nur einem Thema – Hermine Granger. Ob ihm das Mädchen etwas bedeutete? Lag es vielleicht sogar im Bereich des Möglichen, dass sie ihm am Herzen lag und Draco es nicht zulassen, geschweige denn zugeben konnte, weil er sich betreffs ihrer Abstammung schämte? Wieso ließ er es überhaupt zu, dass sie hier, statt in Askaban war? Hermine Granger bekam sogar einen eigenen Raum, in den sie sich zurückziehen konnte. Wieso wurde ihrem Vater nicht dieselbe Gastfreundschaft zuteil?   Würde sie ihn darauf ansprechen, würde er Narzissa sowieso wieder ausweichen. Was nicht hieß, dass sie das Verhalten ihres Sohnes im Auge behalten würde. Und obzwar sie die Ansichten der Reinblüter vertrat, hinsichtlich der Vermischung von Reinblütern und Muggelgeborenen, würde sie sich niemals erheben und ihrem Sohn vorschreiben, wen er mögen durfte, wenngleich sie sich eine reinblütige Partnerin für ihren Sohn wünschte. Aber das lag nicht in Narzissas Hand, da Draco erwachsen wurde.   „Kannst du mir sagen, was es heute zu essen geben wird?“, lenkte Narzissa betrüblich das Gespräch in eine andere Richtung. Auch wenn er ihr einen Wink mit dem Zaunpfahl gab und sie gehen sollte, wollte sie ihren Abkömmling noch nicht aus ihren Fängen entlassen. Ungern gab sie es zu – weil man ihr etwas wie Gefühle seit jeher untersagte –, aber sie hatte Draco in Sizilien unglaublich vermisst und wünschte sich, dass er sie mal besuchen käme.   „Was soll das, Narzissa?“, bemerkte Draco, der mittlerweile wieder Platz genommen hatte. Nachdem er so garstig war, zog seine Mutter es immer noch vor, mit ihm zu sprechen? Unglaublich, wo sie ihren Platz doch bestens kannte. Ja, seine Mutter hatte sich gefügt und akzeptiert, dass er der Mann im Haus war – würde Granger nur mal so gefügig sein... Aber Draco wusste auch, wie unnachgiebig Narzissa Malfoy sein konnte. Demnach wollte sie wirklich mit ihm reden, was in seinen Augen grotesk war, weil sie sich nie ernsthaft unterhielten. „Du hast zwanzig Jahre in diesem Haus gelebt, während ich immer in Hogwarts war. Müsstest du den Speiseplan nicht besser kennen?“   „Ich dachte, dass -“   „Wieso gehst du nicht nachsehen?“, schlug Draco blasiert vor, weil er wusste, seine Mutter mit dieser Aussage noch mehr zu reizen und es ihn nicht im Ansatz interessierte, was sie angeblich dachte. Außerdem brachte sie ihn aus dem Konzept. Zum viertel Mal las er nun die Zahlen, die auf dem Pergament aufgelistet waren.   Innerlich brodelte die geborene Black, angesichts dieser forschen Worte, aber sie wusste, dass sie eine Teilschuld daran trug, was aus Draco geworden war. Sie konnte sich nicht freisprechen, sondern hatte tatenlos daneben gestanden, was Dracos Erziehung anging. „Wird sie denn auch zum Essen kommen?“   Schnaufend blätterte er die Pergamentrollen durch, bevor er sich zurücklehnte ohne seine Mutter anzusehen, deren Stimmlage verdeutlichte, dass es ihr egal war, ob Granger zum Essen käme oder nicht. Anscheinend wollte sie bloß wissen, ob sie einen Beruhigungstrank nehmen müsste, um bei Tisch nicht gänzlich die Nerven zu verlieren. „Unwahrscheinlich. Sie war nicht einmal zum Essen gekommen – das wird sie auch heute nicht.“   „Willst du damit sagen, dass -“   „Ja, Narzissa. Ich habe veranlasst, dass sie in ihrem Zimmer essen darf.“ Nun sah er doch genervt zu seiner Mutter, deren Arme vor ihrer Brust überkreuzt lagen. „Und wenn es dir nichts ausmacht, würde ich hier gerne zum Ende kommen“, fügte er noch gestresster hinzu und deutete mit einer Hand zur Tür, woraufhin die Arme seiner Mutter erschöpft zur Seite sanken.   „In Ordnung.“ Unmöglich würde sie sich mit Draco jetzt vernünftig unterhalten können, weshalb sie – wenn auch recht widerwillig – das Zimmer verließ, um sich für das Essen herzurichten. Ihr Sohn widmete sich wieder seinen Pergamenten, doch schob er die Blätter schnaubend zurück. Mühsam rieb er sich über seine Schläfen, da er wusste, dass das eine lange Nacht werden würde, wenn er alles erledigt haben wollte.     ~*~       Gebannt hingen Hermines Augen seit geschlagenen zehn Minuten an ihrer Zimmertür, durch die soeben Narzissa Malfoy graziös geschritten war. Sie war nicht über den Umstand überrascht, dass sie Malfoys Mutter irgendwann in diesem Haus sehen würde, sondern über die Tatsache, dass sie sich dazu herabgelassen hatte, sich nach Hermines Befinden zu erkunden und neben ihr auf dem Bett zu sitzen. Es war so untypisch für eine Frau wie Narzissa, was Hermine nachdenken stimmte. Natürlich hatte sie das Unwohlsein dieser schönen Frau bemerkt, doch gelang es Narzissa, dies gut zu verbergen. Ob es daran lag, dass sie seit jeher ein falsches Spiel spielte, anlässlich ihrer Herkunft? Reinblüter kannten es nicht anders, als guten Willen vorzuspielen, oder? Zumindest die Reinblüter beherrschten die Taktik, die Voldemort jahrelang gefolgt waren. Sie alle konnten diese Durchtriebenheit ihr Eigen nennen, aber Hermine wusste, wie unangenehm es Malfoys Mutter gewesen war, neben ihr zu sitzen. Noch schlimmer musste sie sich gefühlt haben, als sie ein Gespräch begannen, in dem Narzissa Hermine zu Tisch bat.   Und genau das war das nächste Problem.   Die Frau, die Hermines Herkunft intolerant und verachtend gegenüberstand, bat sie, gemeinsam mit ihr und Draco an einem Tisch zu sitzen. Ob es Narzissa körperlich geschmerzt hatte, sie zu Tisch zu bitten? Ihr menschlicher Verstand verneinte das. Schließlich ging Malfoys Mutter nicht in Flammen auf oder dergleichen. Aber sollte sie wirklich dort unten erscheinen? Mit beiden essen und sich anschließend höflichst entschuldigen, bevor sie zurück zu ihrem Zimmer ging? Oder sollte sie dem Essen doch fernbleiben? Nein, das schloss Hermine aus, denn somit würde sie auch Narzissa verärgern, obwohl sie sich sicher gewesen war, dass seine Mutter nichts dagegen gehabt hätte. Aber um unnötigen Streit zu vermeiden, sollte sie sich eventuell doch im Salon blicken lassen, da ihr Dracos Hass bereits reichte. Es wären schlussendlich nur weitere Qualen, wenn auch noch Narzissa damit begann, sie zu drangsalieren.   Vorsichtig, um ihrem Körper die Zeit zu geben, schlug sie die Decke zur Seite, stellte sich unsicher auf ihre Beine und umschlang mithilfe ihrer Arme ihren noch etwas geschwächten Körper, ehedem sie durch die Balkontür ging und die Sonne – die ihren Zenit erreichte – bestaunte. Unschlüssig was sie tun sollte, stand sie nun da. Hermine fürchtete sich vor Malfoys Reaktion, sofern sie zum Essen kam. Schließlich trug sie immer noch das schneeweiße Hemd, das ihr hoffentlich Akina angezogen hatte, als sie bewusstlos gewesen war.   Langsam öffnete sie die Balkontür und trat hinaus, wo eine sanfte Brise durch ihre Haare wehte. Sie genoss die abgekühlte Sommerluft, die auch um ihre Beine strich. Eine wohlige Gänsehaut breitete sich darauf aus, die unaufhaltsam nach oben zu ihren Oberarmen wanderte, die Hermine anschließend rieb um Wärme zu erzeugen. Indessen atmete sie ein und aus, während ihre Gedanken zu Harry streiften... Harry, der im Koma lag, während sie so weit entfernt von ihm war und nicht an seiner Seite sitzen konnte. Ob er vielleicht schon aufgewacht war? Diese Hoffnung ließ Hermine gar nicht aufkeimen. Wäre dieses Wunder geschehen, hätte Hermine davon erfahren. Zumal Harry ihr schon längst geschrieben hätte...   „Guten Morgen, Miss.“   Schmunzelnd drehte sich Hermine um. Ja, diese Stimme erkannte sie sofort. „Guten Morgen, Akina. Hast du gut geschlafen?“   Verwundert von der Frage, wackelte die Elfe mit den Ohren. Noch nie wurde sie danach gefragt, weshalb sie auch nicht wusste, ob die Frage ernst gemeint war. Dieses Menschenmädchen war ganz anders als die anderen Menschen. „Oh... Ja, Miss. Akina hat gut geschlafen, danke.“   Noch immer lächelte Hermine. Innerlich war sie dennoch zerrissen, weil sie sich nicht die Blöße geben und zu Tisch bitten lassen wollte. Immerhin besaß sie noch etwas Stolz, wenngleich man ihr die Würde an dem Tag genommen hatte, als sie den Platz ihres Vaters einnahm. Aber ihr Wille würde immer unbeugsam bleiben, ihren Stolz würde Malfoy ebenfalls niemals brechen können.   „Möchte die Miss vielleicht nach dem Bad etwas Puder auftragen, bevor sie zum Essen geht?“   Puder? Nein, Hermine würde sich nicht schminken. Malfoy würde mit ihrem Aussehen zurechtkommen müssen, wenn seine Mutter darauf bestand, dass sie mit ihnen am Tisch saß. „Das wird nicht nötig sein. Dein Herr wird meine derzeitige Erscheinung ertragen müssen.“   „Dann... Dann wird Akina Ihnen nur ein Bad einlassen.“ Sofort hatte sie den rauen Ton des lieben Menschenwesens heraushören können. Dabei schien das Mädchen gar nicht zu bemerken, dass sie es war, die Akinas Herren in irgendeiner Form zu verändern schien.   Im Nachhinein tat Hermine ihr Verhalten leid, nachdem sie sah, wie betrübt die kleine Elfe im angrenzenden Badezimmer verschwand. So forsch wollte sie das Geschöpf nicht angehen, aber alles was in Verbindung mit Malfoy stand, trieb die ehemalige Hogwarts-Schülerin zur Verzweiflung – nagten an ihr doch noch alle Erinnerungen, die sie mit dem blonden Teufel verband. Aber sie würde dieses eine Essen mit ihm gemeinsam überstehen. Schließlich überlebte sie auch Hogwarts. Schlimmer konnte ein gemeinsames Essen demzufolge nicht sein. Trotzdem würde sie sich viel Zeit lassen, bloß um ihn zu ärgern. Dass sie dadurch noch Öl ins Feuer goss, war ihr gelinde gesagt egal. Sollte er doch auf sie warten. Hermine würde ihn nur dafür leiden lassen, weil seine eigene Mutter sie nötigte, mit ihnen zu essen. Dass er es womöglich gewesen war, der es veranlasst hatte, Hermine in bequemere Kleidung zum Schlafen zu stecken, missachtete die junge Frau geflissentlich. Es war zwar eine nette Geste gewesen, aber in all den Jahren bewies Malfoy, dass er niemals nett war und bei ihr bestimmt nicht den Anfang machen würde.   Aufgrund dessen ging sie mit deutlich besserer Laune zu Akina ins Bad, die bereits die sprudelnden Wasserhähne aufgedreht hatte und lächelnd verschwand, nachdem die junge Hexe ebenfalls im Bad erschienen war.     ~*~       Mit der Gabel in der Hand saß Draco am Tisch und echauffierte sich darüber, dass Frauen grundsätzlich zu lange im Bad brauchten. Er selbst ging ins Bad, wusch sich und richtete seine Haare – fertig war er. Weiber verbrachten Stunden darin und das Resultat sah am Ende meist schlimmer aus als zuvor. Und wozu in drei Teufels Namen machte sich seiner Mutter überhaupt zurecht? Weil Narzissa schon immer der Mensch war, der nach außen zumindest hübsch wirken wollte, wenn das Innere schon so hässlich war. Aber im Moment regte ihn der Perfektionismus seiner Mutter auf, weil er mal wieder wartete – seit einer Stunde.   Dieser Frau tat es nicht einmal leid. Sie entschuldige sich auch nicht, als sie galant im Salon erschien, um sich links neben ihrem Sohn – der schnaubend die Arme vor der Brust verschränkte – niederzulassen. Merlin nochmal, er hätte auch ohne sie zu essen anfangen können, aber er besaß – entgegen Grangers Erwartung – eben doch Manieren und Anstand, weshalb er eine Stunde auf seine Mutter gewartet hatte.   Murrend legte er die Gabel zurück neben den Teller. „Mutter, ich habe nachgedacht und -“ Ein Schatten unterbrach ihn plötzlich, woraufhin Draco missmutig aufblickte um denjenigen zurechtzuweisen, aber... er konnte nicht. Dass er zusätzlich seine Mutter zurechtweisen und sie anweisen wollte, zurück nach Sizilien zu gehen, vergaß es letztendlich. Darüber hinaus rückte sogar sein Plan einfach zu essen, während er noch mit seiner Mutter sprach, immer mehr in den Hintergrund.   Sie sah... annehmbar aus.   Das Essen wurde kurzweilig nebensächlich, nachdem Dracos Blick auf Granger ruhte, was Narzissa bemerkte und ebenfalls zur Tür sah.   „Ah, Miss Granger, da sind Sie ja.“ Obwohl Narzissa sitzen blieb, war es Draco, der räuspernd aufgestanden war, als sie den Raum betrat. „Bitte, setzen Sie sich.“ Ihre Hand deutete auf den Stuhl rechts neben Draco.   Der Herr des Hauses folgte jedem ihrer Schritte, bis sie an dem ihr zugewiesenen Platz ankam, sich setzte und eine Serviette über ihre Beine legte. Kein einziges Mal kam Granger zum Essen, woraus er schloss, dass seine Mutter sie wohl dazu gezwungen haben müsste, als sie bei ihr gewesen war. Narzissa besaß das Talent, obwohl sie zur gehobenen Gesellschaft gehörte, die etwaiges Verhalten verpönte, Menschen mittels eines Blicken zu ihren Gunsten zu modellieren. Auch Draco gehörte dazu; er besaß selbiges Talent, das ihm von seinen Eltern in die Wiege gelegt wurde. Die Malfoys waren im Bezug auf Manipulationen wie Marionettenspieler – sie zogen die Fäden im Hintergrund.   „Wie schön, dass Sie gekommen sind. Ich freue mich.“ Das tat Narzissa nicht. Sie freute sich nicht. „Draco sagte mir, dass das nicht üblich sei, aber ich missbillige das Fernbleiben. Zukünftig erwarte ich, dass Sie mit uns gemeinsam dinieren.“ Wie herrlich sie sich immer ausdrücken konnte, wenn es darum ging, jemandem zu zeigen, wie weit man unter Narzissas Würde stand. Das war ihre Königsdisziplin.   Aha. Seine Mutter hatte ihre Finger also tatsächlich im Spiel. Draco wollte noch an das Gute in seiner Mutter glauben, indem er sich darauf festlegte, dass womöglich Akina das Mädchen doch noch gebeten haben könnte, zu Tisch zu kommen. Ja, er wusste um das gute Verhältnis zwischen Granger und seiner kleinen Elfe Akina. Aber nein, seine Mutter steckte hinter allem. Ob er diesbezüglich seine Mutter gerne verfluchen würde? Viel zu gerne, weil er nicht wusste, wie er mit Granger umzugehen hatte. Sobald sie in ein Gespräch kamen, endetet es sowieso im Streit. Allerdings wurde sein Gedankengang jäh unterbrochen, als Granger das Wort ergriff.   „Misses Malfoy, ich bin zwar eine Gefangene in Ihrem Haus, aber -“   „Zurecht, Granger.“ Draco wusste genau, was sie sagen wollte. Dass sie entschied, ob sie zum Essen kam oder nicht, aber Hermine Granger wusste eines nicht: wie herrisch seine Mutter werden konnte, wenn nicht das getan wurde, was sie wollte. Aber das war nebensächlich, weil Draco zornig wurde, angesichts ihrer Worte. Denn so langsam sollte auch das undankbare Weib wissen, wo ihr Platz war. „Vergiss nicht, dass du das so wolltest.“   „Malfoy, ich -“   „Fang an, dich endlich zu fügen. Du alleine hast es dir so ausgesucht und bei Merlin, du wirst deine verdammte Strafe restlos absitzen.“   „Das tue ich bereits“, bemerkte sie bissig, bevor sie nach der Serviette griff und sie auf den Tisch warf. Hermine war nicht gekommen, um sich desavouieren zu lassen. Dazu war ihr ihre Zeit zu kostbar. „Und ja, ich wollte den Platz tauschen, richtig.“   „Dann -“   „Aber nur“, unterbrach Hermine ihn mit erhobenem Zeigefinger, während Narzissa dem Streit genüsslich folgte und immer wieder an ihrem Wasserglas nippte, „weil du meinen Vater elendig im Kerker verrotten lassen wolltest.“ Anschließend erhob sich Hermine aufgebracht von ihrem Stuhl.   „Setz dich!“, befahl Draco, ohne zu ihr hinaufzusehen.   „Nein“, entgegnete sie ruhig. Einmal wollte sie ihm aufzeigen, dass auch er ihr gegenüber Grenzen einzuhalten hatte.   „Granger“, atmete Draco leise aus. „Setz. Dich. Hin. Verdammt!“   Nein, das würde sie nicht tun, und so beschloss sie, ihn fortwährend zu ignorieren, ehe sie sich an seine Mutter wandte. „Wie ich bereits erwähnte, Misses Malfoy. Ich bin eine Gefangene, aber ich bin der Auffassung – und das werde ich weiterhin so handhaben –, dass immer noch ich entscheide, wo und wann ich essen möchte.“ Hermine sah sehr wohl, dass Narzissa sich unbedingt äußern wollte, aber zuerst wollte Hermine ihren Standpunkt vertreten. „Ich bin auch nicht zum Essen gekommen, weil Sie es wollten, sondern weil ich guten Willen zeigen will.“   So, jetzt war sie fertig und bereit, sich Narzissas Tiraden hinzugeben, was sie auch sogleich tat.   Vergnügt stellte Lucius' Ehefrau ihr Glas auf den Tisch zurück, tupfte mit einer Serviette über ihre hautfarbenen geschminkten Lippen und sah zu Hermine nach oben. „Nun, Miss Granger. Genau da liegt der Fehler. Sie entscheiden zukünftig gar nichts mehr.“   Daraufhin wollte Hermine protestieren, was ihr misslang, denn Narzissa sprach ungebremst weiter.   „Sie werden sich fügen!“, wiederholte sie die Worte ihres Sohnes. In Narzissas Blick konnte man – anlässlich Grangers Verhalten – die Abneigung nur zu gut erkennen. „Bedenken Sie, dass mein Sohn weitaus unangenehmer sein könnte, denn so sehr es Ihnen missfällt, er wäre dazu befugt und doch benimmt er sich Ihnen gegenüber ausgesprochenen zuvorkommend.“   „Zuvorkommend?“ Konnte man das glauben? Malfoy und umgänglich? Gerne hätte Hermine gelacht, weil Narzissa das Wort scheinbar falsch interpretierte.   „Ja, und Sie werden sich an gewisse Regeln zu halten haben.“   Sie musste sich an gewisse Regeln halten? Wie sollten diese Regeln denn bitteschön aussehen? „Was erwarten Sie? Gehorsam? Beugsam?“ Was erlaubte sich Malfoys Mutter bloß? Darüber hinaus war sich Hermine sehr wohl bewusst, dass sie sich dem Arsch zu fügen hatte oder glaubte Narzissa Malfoy, dass Frauen zu allem Amen sagen musste? Wenn das ihre Interpretation von Gleichberechtigung war, hatte Narzissa eindeutig in der falschen Zeit gelebt.   Draco, der dem Gespräch wortlos lauschte, hing seinen eigenen Gedanken nach. Hätte er ihren Vater wirklich verrecken lassen? Ja, gestand er sich ein. Er hätte diesen Mann verenden lassen, obwohl ihr Vater niemandem ein Leid angetan hatte und Draco wusste, dass ihr Vater ihn nicht bestehlen wollte... Aber genau das – dass sie recht behielt – würde er sich nicht von ihr vorwerfen lassen. Ebenso wenig würde er es kommentarlos auf sich beruhen lassen. Demgegenüber musste sie aber auch lernen, was sie ihm gegenüber äußern durfte und was nicht.   „Natürlich werde ich mich an bestimmte Regeln halten, Misses Malfoy – solange sie im Rahmen liegen.“ Hilfesuchend blickte Hermine indes zu Draco, der nichts weiter als ein stummes Feixen für sie übrig hatte. Aber was erwartete sie von ihm? Dass er ihr beistand in Gegenwart seiner Mutter? Nein. Folglich sah sie zu Narzissa zurück. „Aber das, was Sie erwarten, liegt nicht -“   „Ach, tun Sie das, ja? Sich an unsere Regeln halten?“   Ah, belächelte Draco innerlich die Aussage seiner Mutter. Jetzt waren es schon nicht mehr Dracos Regeln, sondern auch Narzissas Regeln. Interessant.   „Bitte, Miss Granger“, fuhr Narzissa mit einer wegwerfenden Handbewegung fort. „Bitte erklären Sie mir, wie es zu diesem Fauxpas am Rand unseres Grundstücks kommen konnte?“ Sie wirkte kühl und abgeklärt, als sie ihr Kristallglas hob und nach einer Elfe rief: „Akina, mehr Wasser!“ Anschließend richtete sie ihren kalten Blick wieder auf Hermine. „Wissen Sie was, Miss Granger? Sagen Sie besser nichts dazu, denn jedes Wort wäre bereits eins zu viel.“ Im Anschluss stellte sie ihr Glas auf den Tisch zurück, bis Akina es erneut gefüllt hatte. „Aber ich sage Ihnen, wieso es dazu kam: Sie hatten diesen Unfall, weil Sie sich eben nicht an die Regeln gehalten haben.“   Oh, Narzissa war eine so boshafte Person und jetzt wusste Hermine auch, dass das Narzissas Intention war – sie am Tisch zu vierteilen. Sie wollte Hermine untergraben und vor Malfoys Augen lächerlich machen. Ihm anscheinend vor Augen führen, wie man mit unangenehmen Dingen – wie ungehorsamen Schlammblütern – umzugehen hatte.   „Ihr Vater hat sich unerlaubterweise Zutritt zu unserem Eigentum verschafft und Sie erwarten ernsthaft, dass wir das hinnehmen?“ Die Stimme der erwachsenen Frau wurde immer rauer und dunkler. „Sagen Sie mir, Miss Granger, wieso werden in manchen Teilen der Muggelwelt anderen Menschen die Hände abgehakt, wenn sie stehlen?“   Empörung zierte Hermines Gesicht. „Mein Vater ist kein Dieb!“ War seine Mutter wirklich davon überzeugt, dass ihr Vater etwas stehlen wollte? Dass ihr Vater sich etwa bereichern wollte? Aalglatt waren sie – allesamt. Nur weil es liebenswürdige, nicht so reiche, dafür aber höfliche Menschen gab – die keinerlei böse Absichten hegten –, hieß das noch lange nicht, dass man ein Dieb war. Reinblüter kannten es nur nicht besser und verteufelten alles, was nicht mit ihren arroganten Ansichten konform ging. „Ihre Ansichten sind wirklich befremdlich, Misses Malfoy. Mein Vater hatte Zuflucht gesucht, weil er sich verlaufen hat und nicht, weil er irgendetwas von Ihnen stehlen wollte.“   „Das gibt Ihrem Vater nicht die Lizenz dazu, sich auf unserem Besitz herumzutreiben, verstanden?“, wiegelte sie Hermines Rechtfertigung ab, bevor sie an ihrem Glas nippte.   Amüsiert beobachtete Draco das Kräftemessen zwischen seiner Mutter und Granger. Er musste gar nicht tätig werden, geschweige denn etwas dazu beitragen. Seine Mutter schaffte das ganz ohne sein Zutun und Granger tat ihm wieder fast ein bisschen leid. Denn sie wusste nicht, dass sie mit dem Verlassen ihrer ersten Worte verloren hatte. So clever und intelligent Granger auch war, aber in Wortgefechten und Machtspielen war Narzissa die ungeschlagene Königin.   „Sie wollen nicht verstehen, dass mein Vater sich verlaufen hat, oder?“, widersprach sie Malfoys Mutter mit bebender Stimme. Merlin, sie würde noch weinen. Hinzu kam die Hilflosigkeit und die Unterlegenheit ihr gegenüber – nicht auf intellektueller Basis, sondern auf mentaler und psychischer Ebene.   „Dann hätten wir Ihren Vater wohl besser doch dem Ministerium übergeben sollen, aber ich versichere Ihnen, dass das Ministerium nicht weniger hart mit ihm ins Gericht gegangen wäre.“ Schließlich waren sie Malfoys – eine Familie, die das Ministerium finanziell unterstützte.   „Malfoy hat meinen Vater in eine Zelle eingesperrt – eine Methode, die Voldemort sicher stolz gemacht hätte.“   „Es reicht, Miss Granger. Seien Sie lieber dankbar, dass mein Sohn tausende Galleonen für Sie bezahlt hat, um Ihnen dieses Martyrium im Ministerium zu ersparen.“   Gerade noch schwebte Draco auf Wolke sieben – bis er die vernichtenden Worte seiner Mutter vernahm. Hatte sie ihr gerade wirklich verraten, dass er für sie bezahlt hatte? Verdammte Scheiße, als ob es Granger etwas anginge. Dass sie das nun wusste, dass er sie quasi freigekauft hatte, war eine Katastrophe.   Auch Hermine war – ähnlich wie Draco – schockiert. Fassungslos neigte sie ihren Kopf in seine Richtung – die Augen geweitet und den Tränen nahe. „Malfoy, ist... ist“, begann sie zitternd, „das wahr?“ Inständig hoffte sie, dass es nicht stimmte, weil sie sich nicht bei ihm bedanken wollte.   Die dunklen grauen Augen versprühten nahezu Hass in ihre Richtung und um diesen besser kompensieren zu können, krallte er sich unterhalb des Tisches fest. „Ja, ist es, du undankbares Stück.“   „Du hast Geld -“   „Galleonen“, spuckte er verächtlich. „Galleonen sind mehr wert, als britische Pfund.“   „Du hast Galleonen“, korrigierte sich Hermine, „ausgegeben, um mich vor Askaban zu bewahren?“ Wäre es nicht Malfoy gewesen, wäre sie tatsächlich gerührt, aber ob sie nun hier oder in Askaban versauerte... Es machte letzten Endes keinen Unterschied, oder? Für Hermine waren beide Orte schrecklich.   „Offensichtlich habe ich das.“ Er ließ den unteren Teil des Tisches los und lehnte sich feixend in seinen Stuhl zurück, nachdem er sah, wie mitgenommen sie daraufhin aussah. Scheinbar wurde ihr jetzt erst so wirklich klar, dass sie in seiner Schuld stand. „Geht es dir jetzt besser, nachdem du das weißt?“   „Nein“, entgegnete sie mit gesenktem Blick.   „Dachte ich mir und dabei weißt du nicht einmal, wie schlimm es in Askaban ist. Wahrscheinlich vergleichst du dein Leben hier mit Askaban, was?“ Dass er sie bewusst vor dem Zauberergefängnis bewahrte, teilte er ihr nicht mit, aber noch immer war Draco der Meinung, dass sie genug Grausamkeiten mit ansehen musste. Aber seine Beweggründe hatten sie nicht zu interessieren, weil das seine Baustelle war. Er alleine musste mit dem Gedanken fertig werden, Granger beschützt zu haben. Und das konnte er am besten mit sich alleine ausmachen – er bräuchte keine Granger, die ihm vor Dankbarkeit vor die Füße fiel, wenngleich er wusste, dass dieser Fall niemals der Realität entsprach, sondern ein Trugbild seiner Phantasie bleiben würde. Jedoch hatte sie sich aber auch bei ihm bedankt, als er sie aus der Schlucht hinaufgezogen hatte. Ob sie sich vielleicht anderweitig bedanken würde? Vielleicht... wenn sie ihn der Länge nach in ihrem Mund verschwinden ließ?   Grundgütiger, er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, schon überlief ihn ein kalter Schauer, während er an ihren geöffneten Mund dachte und gezwungen war, die Augen zu schließen.   „Verdammt nochmal, Draco. Mach die Augen auf, du notorischer, dauergeiler Bock!“, spie seine aufgebrachte Stimme, die die peinliche Situation rechtzeitig erkannte. Aber er hatte auch seit Granger hier war, keinen sexuellen Kontakt gehabt, obwohl er ihn so dringend wie ein Schluck Wasser in der Wüste gebrauchen könnte.   „Und jetzt setz dich endlich hin, Granger“, wies er das angeschlagene Mädchen in einem herrischen Ton zurecht.   Hermine dachte keine Sekunde daran, ihm zu gehorchen. Stattdessen drehte sie sich unvermittelt um und ließ die beiden Malfoys alleine im Salon zurück. Sie wollte nur noch hier weg – hinauf in ihr Zimmer und die Tränen vergießen, um den seelischen Ballast abzuwerfen.   „Wie aufschlussreich“, plapperte Narzissa nonchalant.   Für Draco war es aufschlussreich, da nun wusste, wie sehr sie unter den Bedingungen litt und... wie sehr sie ihren Vater wohl vermisste. „In der Tat, Narzissa. Sehr aufschlussreich“, murmelte er mehr zu sich, weshalb seine Mutter auch nicht darauf eingehen konnte, da sie ihn nicht verstanden hatte.   „Sag mir, Draco. Wird... sie hier bleiben? Wird dieses Mädchen weiterhin auf deine Kosten leben?“ Narzissa nahm kein Blatt vor den Mund. Nein, sie wollte sogar ganz klare Kante zeigen, dass sie von der Situation nicht angetan war. „Auf den Galleonen, die dein Vater hart erarbeiten musste.“   „Hart erarbeiten musste?“ Augenblicklich lachte Draco laut auf. „Du redest doch nicht von den kriminellen Machenschaften und den illegalen Geschäften, die dein Mann hinter unserem Rücken betrieben hat?“   „Draco!“, brummte seine Mutter. „Er war dein Vater.“   „Oder redest du von dem Großteil, den er als alleiniger Malfoy-Erbe von seinem Vater geerbt hatte, den er wiederum durch seine krummen Dinger vervielfältigt hat?“ Auch er nippte anschließend an seinem Whiskey, bevor er seinen Vater weiter in den Dreck zog. „Aber vermutlich hast du recht. Galleonen erben, sich darauf ausruhen und krummen Geschäften nachgehen war wohl auch harte Arbeit.“   „Du wirst ihm immer ähnlicher.“   „Wem? Lucius?“, belächelte Draco ihre Aussage.   „Ja. Dieselbe sarkastische Ader wie dein Vater, aber ich bitte dich. Bitte wirf all die schönen Dinge, die dir dein Vater hinterlassen hat, nicht einfach weg.“ Sehr wohl wollte sie auf die fünfhundert Milliarden Galleonen hinaus. „Hörst du, mein Sohn? Wirf es nicht weg“, wiederholte sie alarmierend, ehe sie ihre Hand auf den Handrücken ihres Sohnes legen wollte, der – flink wie er war – diese rechtzeitig nach hinten zog.   „Worauf willst du hinaus? Schon wieder auf Granger?“ Nochmals ließ er sich in seinen Stuhl zurücksinken. Wollte seine Mutter ihm etwa wieder etwas mitteilen? Oder sah man ihm an, dass er zur Zeit keinen Sex hatte und deshalb so... komisch auf Granger reagierte? „Ich denke, du beruhigst dich, Narzissa, bevor du noch in deinem Wahn ersäufst. Der heutige Tag, deine Anreise, all das war scheinbar zu viel für dich.“   „Beruhigen soll ich mich, während dieses Mädchen all das, an das wir geglaubt haben, mit ihrer Anwesenheit in unserem Haus beschmutzt? Bedaure. Solange sie hier wohnt“, erklärte Narzissa gereizt, „werde ich zurück nach Sizilien gehen.“   „Du willst mich ködern? Das enttäuscht mich, Narzissa. Ich hätte dich für klüger gehalten.“ Als ob er auf diese Schuljungenstreiche anspringen würde. Er konnte im Verlauf des gesamten Gesprächs auch kaum glauben, dass seine Mutter – eine erwachsene, gestandene Frau – versuchte, ihren Sohn mit so etwas ineffektivem zu ködern. Es war lächerlich und Draco – der in wenigen Tagen achtzehn wurde – kam sich vor, als wäre er der reife, erwachsene Mann; im Gegensatz zu seiner Mutter.   „Schön, wie du willst.“ Sie erhob sich ohne Umschweife aus ihrem Stuhl, ohne das Essen überhaupt angerührt zu haben. Sie stolzierte zum Kamin, nahm das Flohpulver und hielt inne. Bevor sie es zu Boden warf, drehte sie sich noch einmal um. „Kann ich wenigstens ab und zu mit dir in Sizilien rechnen?“   „Vielleicht“, entgegnete er lapidar und befand, dass sein leerer Teller interessanter war als seine Mutter anzusehen.   Seufzend stützte sie sich am Kaminsims ab. „Geht es vielleicht auch konkreter, Draco.“   „Nein, ansonsten wüsstest du schon längst, dass ich dich nicht in Sizilien besuchen werde.“ Er war nur ehrlich und wirkte nicht betrübt, als seine Mutter kopfschüttelnd im Kamin verschwand. Es interessierte ihn wirklich nicht, zumal er sich über die Aussagen seiner Mutter noch immer aufregen könnte. Ständig hatte sie betont, dass es das Anwesen von ihr und Draco sei, dass es der Grund und Boden von ihr und Draco sei – dabei gehörte ihr nichts. Gar nichts. Nicht einmal die Staubmäuse die die Elfen übersahen gehörten ihr. Aber dennoch... das Gespräch hatte etwas Gutes. Granger bewies Tapferkeit. Sie stellte sich seiner Mutter, erschien zum Essen und blieb trotzdem höflich, was Draco ganz konfus machte. Dass sie zudem eines der Kleider getragen hatte, welches er ihr gekauft hatte... war ein netter Bonus für seine Augen gewesen. Ja, er gestand sich ein, dass sie einfach umwerfend aussah – in dem Kleid sogar atemberaubend, was zur Folge hatte, dass das Bild ihrer nackten Beine und ihres Hinterns wieder vor seine Augen projiziert wurde. Böse Gedanken, die Draco verbannen wollte, indem er seine Schläfen massierte.   Er zählte gar nicht die Minuten, aber es mussten etliche vergangen sein, als er ihre leise Stimme vernahm und die Augen öffnete.   „Malfoy?“   Man gönnte ihm eben keine Ruhe. „Was ist?“, blaffte er zu ihr hinüber und war erstaunt, dass sie immer noch das Kleid trug. Es war smaragdgrün. In den Stoff waren kleine silberne Fäden filigran hineingearbeitet worden. Ihre Harre hatte sie zu einem gewöhnlichen Zopf gebunden. Merlin, sie sah hübsch aus, obwohl sie barfuß zum Essen erschienen war. Anscheinend behagten ihr die hohen Absatzschuhe nicht.   „Ist deine Mutter gegangen?“   „Siehst du sie etwa?“ Er erwartete keine Antwort. „Nein, also ist sie offensichtlich gegangen – deinetwegen, wohlgemerkt.“   „Wohin ist sie denn gegangen?“   „Wieso interessiert dich das?“, fragte er und folgte jedem ihrer Schritte, die das Mädchen langsam wieder zum Tisch führten.   „Weil ich es wissen möchte.“   „Zurück nach Sizilien, wo sie so lange bleiben wird, bis unsere Hallen gesäubert sind.“   „Also wird sie erst zurückkommen, wenn ich weg bin?“   „Und der Preis der klügsten Hexe geht doch an dich, Granger.“ Sie sah nicht im Entferntesten gekränkt aus, angesichts seiner Beleidigung. „Aber mach dir darüber keine Gedanken. Der Abgang meiner Mutter wird nichts an unserem Abkommen ändern. Es sei denn -“   „Wenn was?“, entkam es ihr skeptisch und blieb hinter dem Stuhl stehen, den sie zurückgezogen hatte, um sich wieder hinzusetzen.   Draco hätte ihr beinahe ein unmoralisches Angebot unterbreitet, woraus er sich schnell retten musste. „Es sei denn, du willst wieder in einer Schlucht hängen und tatsächlich abstürzen wollen – dann wäre unser Abkommen dahin.“   Lächelnd – weil er nicht das sagte, was sie dachte – ließ sie sich neben ihm nieder. „Es tut mir leid, dass deine Mutter meinetwegen gegangen ist. Dennoch solltest du darauf achten, deine Mutter nicht zu erzürnen.“   „Was?“ Was redete sie da bloß? Sprachen sie gerade von derselben Narzissa oder hatte Granger von einer anderen Frau gesprochen? Es musste so sein, oder wollte das Mädchen Narzissa als gute, fürsorgliche Mutter darstellen? Ha, das wäre ja lustig. Man könnte so viel Whiskey saufen wie man wollte, Narzissa wäre immer eine unerträgliche Person.   „Eine Mutter ist das höchste Gut, das man besitzt – für mich jedenfalls.“   Richtig. Ihre Mutter war gestorben. Granger hatte keine Mutter mehr, mit der sie sich streiten konnte. Merlin, was musste sie ihre Eltern lieben? Vermutlich waren sie ihr mehr wert, als ihr eigenes Leben. Ja... andernfalls hätte sie ihr Leben nicht für ihren Vater aufgegeben... Nachdenklich sah er ihr dabei zu, wie sie nach einem der Kristallgläser griff und sich eigenständig Wasser eingoss.   „Solltest du nicht sauer auf Narzissa sein, angesichts ihrer Provokationen?“   „Nein“, erwähnte sie kopfschüttelnd. „Mütter sorgen sich nun mal immer um ihre Kinder und wieso nennst du deine Mutter Narzissa?“ Wie befremdlich es geklungen hätte, wenn Hermine ihre Mutter Jane gerufen hätte. Und es tat immer noch so unglaublich weh, an sie zu denken.   „Ist das so, ja?“ Er würde auf ihre Frage – bezüglich der Nutzung ihres Vornamens – keine Stellung beziehen. Er nannte Narzissa schon lange so...   „Ja, Malfoy, das ist so.“   „Tze, dann kennst du meine Mutter aber schlecht, Granger.“ Es war ja schön für sie, dass sie in geordneten Bahnen aufwuchs – das musste sie ihm aber nicht unter die Nase reiben. „Meine Mutter sorgt sich um niemanden. Es sei denn, es geht um ihre eigene Haut. So viel sollte dir klar sein.“   „Manche Eltern können ihre Gefühle nicht zum Ausdruck bringen. Vielleicht war das bei Narzissa und Lucius so? Aber Eltern erziehen uns, sie verändern uns und -“   „Glaubst du wirklich“, spottete Draco, der seine Arme auf den Tisch legte und sich nach vorne lehnte, „dass meine Eltern mich richtig erzogen oder verändert haben? Denkst du, sie haben mir die richtigen Werte mit auf den Weg gegeben?“   „Sie haben dich zumindest nicht zum Mörder erzogen, insofern haben sie vielleicht nicht alles richtig gemacht und dich mit falschen Idealen genährt, aber sie haben dich wenigstens erkennen lassen, dass Mord keine Lösung ist.“   Aufgrund ihrer Analyse verzog sich Dracos Mund zu einer schmalen Linie. Ja, er sollte Dumbledore ermorden und hatte auf ganzer Linie versagt. War das etwa positiv? Damals nicht. Er hatte gegen Windmühlen gekämpft und mit allen Mitteln versucht, den alten Mann umzubringen. Als der dunkle Lord erfahren hatte, dass Draco gescheitert war, waren die Konsequenzen umso härter. Das Tribunal war hart gewesen, in dem der dunkle Lord ihm androhte, seine Eltern noch schlimmeren Qualen auszusetzen. Natürlich war es im Nachhinein gut gewesen, seinen alten Direktor nicht getötet zu haben. So war wenigstens sein Gewissen leichter zu tragen, doch damals hatte er teures Lehrgeld zahlen müssen.   Nachdem er ihren ernsten Gesichtsausdruck zu Ende studiert hatte, lehnte er sich abermals gegen die Rückenlehne des Stuhls. „Du denkst also wirklich, dass meine Eltern mich positiv verändert haben, es womöglich immer noch können?“   „Selbstverständlich.“   „Närrin.“ Als ob Lucius in seinem verdammten Portrait irgendetwas ausrichten könnte. Nichts konnte sein Vater machen – abgesehen davon, sich Dracos Beleidigung anzuhören, die er Lucius gelegentlich entgegenschleuderte.   Entmutigt schaute Hermine auf ihre gefalteten Hände hinab, die zitternd in ihrem Schoss lagen. „Du hast dich verändert, Malfoy.“   „Ich bitte dich.“ Was sollte das? Hatten sich die beiden Frauen hinter seinem Rücken verbündet oder woher kamen diese stupiden Andeutungen? „Geb dich keinen falschen Hoffnungen hin, was meine Persönlichkeit betrifft. Ich bin immer noch der, den du seit Hogwarts kennst.“   „Na ja, ich lebe in einem deiner Zimmer, anstatt im Kerker zu versauern.“   „Granger“, brummte Draco, der allmählich die Geduld verlor. „Hör endlich auf, in mir etwas Gutes zu suchen – du wirst es nicht finden.“   „Aber -“   „Du lebst in einem meiner Zimmer, weil ich denke, dass du genug mit ansehen musstest. Glaub mir, ich könnte durchaus schlimmer sein und dein seltsames Helfer-Syndrom ausnutzen, das dir tatsächlich noch zum Verhängnis wird, wenn du es nicht schleunigst ablegst, aber ich bin eigentlich ein ganz netter Kerl.“ Dass er ihr seine wahren Gründe nun doch verraten hatte, störte ihn in diesem Moment nicht. Schließlich könnte er sich immer noch später darüber aufregen. Was ihn allerdings ankotzte, war ihre Wahrnehmung ihm gegenüber. Er war nicht Potter und wollte nicht mit ihm verglichen werden. „Trotzdem solltest du nicht vergessen, wer vor dir sitzt. Ich bin weder Potter, noch Weasley – beides Idioten, die du vielleicht beeinflussen konntest, aber das zieht bei mir nicht.“   „Aber -“   Inzwischen hatten die Elfen das Essen aufgetragen, ohne von den beiden diskutierenden Zauberern wahrgenommen zu werden. Dennoch nahm Draco das Messer in die Hand, das er zum Schneiden benutzen wollte, es aber zuvor vor Grangers Gesicht hielt – mit genügend Abstand. „Granger, es reicht. Treib es nicht zu weit.“   „Malfoy, ich -“   „Es war nicht geplant, dass du hier lebst. Das war eben ein unglücklicher Umstand und das weißt du.“ „Und trotzdem bin ich hier.“ Hermine tat es ihm gleich, indem sie ihr Besteck nahm und anfing, ihr Gemüse zu essen.   „Sag mal, versuchst du gerade, an dir selbst ein Exempel zu statuieren?“ Anhand ihrer entgleisenden Gesichtszüge dachte er kurz darüber nach, ob er zu hart gewesen war. Hätte er es vielleicht anders formulieren sollen?   „Nein, ich möchte wissen, wieso ich hier oben im Haus leben darf, obwohl -“   „Ganz einfach, weil ich es möchte. Hier oben kann ich dir, Miss-Oberschlau, endlich zeigen, dass nicht jeder nach deiner Pfeife tanzt. Das hat vielleicht bei deinen trotteligen Beschützern funktioniert, tut es aber nicht bei mir.“ Bevor sie protestieren konnte, hob er die Hand und sprach weiter: „Du sitzt eine Strafe ab, verstanden? Du bist meine Gefangene, Granger, und ich weiß, dass du das unter keinen Umständen hören willst, aber – und jetzt halte dich fest – du gehörst mir.“   „Bitte was?“   „Du hast mich schon verstanden. Wenn ich wollte, könnte ich alles von dir verlangen und du hättest zu gehorchen.“   „Das glaubst du doch selbst nicht, Malfoy“, entfuhr es ihr pikiert. Sie hätte nicht zurückkommen dürfen, aber sie hatte das Bedürfnis verspürt, sich zu entschuldigen – selbst bei Narzissa –, hinsichtlich ihres kindlichen Abgangs. Sie war doch erwachen und reif genug, um eine vernünftige Unterhaltung zu führen. Selbst wenn ihre Gesprächspartner Narzissa und Draco Malfoy waren.   „Bring mich nicht in Versuchung, Granger“, quittierte er feixend.   Und wieder einmal erhob sie sich – dieses Mal jedoch zorniger, wie Draco feststellte. Ihr offener Mund verleitete ihn sogar dazu, wieder zu feixen und daran zu denken, wie er ihn stopfen konnte.   „Setz dich“, knurrte er im Anschluss. Kaum dachte er mit den unteren Lenden, machte sie ihn im selben Augenblick wieder rasend. Es geschah immer dann, wenn er sich verlor und an unanständige Sachen mit ihr dachte. Als würde sie es spüren, wenn er daran dachte und ihn absichtlich reizte, um ihn von solchen Gedanken abzubringen.   „Ich denk nicht dran, du blöder Idiot“, fauchte sie angriffslustig zurück und knallte die Gabel auf ihren Teller.   Unverzüglich griff er nach ihrem Handgelenk und zerrte sie auf ihren Stuhl zurück, bevor er sich mit erhobenem Zeigefinger zu ihr hinüberbeugte. „Das mit dem Idiot mag vielleicht stimmen, aber blöd bin ich nicht. Oder bist du etwa auch blöd?“   „Was?“ Sie verstand nicht, was er meinte. Mit schmerzverzerrter Miene versuchte sie indessen, ihr Gelenk zu befreien, doch er schien nicht daran zu denken, sie aus ihrem Griff zu entlassen. Dabei wusste sie doch bereits, dass er grob zupacken konnte.   „Hatten wir nicht dieselben Noten im sechsten Schuljahr? Ich wage mich auch daran zu erinnern, dass wir beide alle Fächer belegt hatten.“   „Ha, nur weil wir alle Fächer belegt und gute Zensuren hatten, bedeutet das nicht, dass du intelligent bist.“   „Nein, natürlich nicht. Willst du mir jetzt noch unterstellen, dass ich gemogelt habe?“ Sein Satz triefte vor Sarkasmus.   „Nein, das will ich nicht.“ „Fein“, entgegnete er und zog seine Hand zurück, um sich wieder zurückzulehnen.   Hermine hingegen verschränkte ihre Arme vor der Brust und starrte durch die Tür hinaus auf die Ländereien. Ja, sie hatten dieselben Fächer belegt und ja, sie waren beide recht gut was das Lernen betraf und trotzdem waren es qualvolle Jahre. Während andere Schüler sich im Unterricht langweilten, schrien Malfoy und sie sich ununterbrochen an – was sich überwiegend durch die ganzen Stunden zog. Und Hermine glaubte, dass es auch für die Professoren eine Qual gewesen sein musste, solch resolute Schüler gehabt zu haben.   „Mein Verhalten tut mir im Übrigen ebenfalls leid.“ Sie ignorierte seinen vorhergegangenen Einwand und begann damit, wofür sie auch eigentlich zurückgekommen war.   „Was genau?“   Schön. Provokation. Etwas, das Malfoy wie kein zweiter beherrschte. Davon sollte sich die ehemalige Gryffindor aber nicht unterkriegen lassen. Schließlich hatte sie jahrelang Zeit gehabt, sich an diese Eigenschaft zu gewöhnen. „Dass ich einfach aufgestanden und gegangen bin. Das tut mir leid.“   Ihm wäre es lieber gewesen, dass sie sich dafür bedankte, nicht in Askaban zu sitzen. Draco wollte, dass sie es schätzte, dass er fünftausend Galleonen zahlte, um sie vor schlimmerem zu bewahren und – im Gegensatz zu Askaban – in luxuriöser Atmosphäre lebte. Immerhin wusste sie ja nun, dass er tief in die Tasche gegriffen hatte. Demzufolge könnte sie sich auch verdammt nochmal bei ihm bedanken. Denn im Gegensatz zu ihr, wusste Draco, wie es in Askaban zuging. Im sechsten Schuljahr war sein Vater inhaftiert worden und Draco sah, wie kräftezehrend dieses Loch sein konnte. Sein Vater sah nicht mehr adlig und hochwohlgeboren aus. Nein, Lucius war zu einer leeren Hülle geworden, die nur auf den Tod wartete – etwas, das er bei Granger vermeiden wollte. Sie sollte keine leere Hülle werden und... auch nicht das Strahlen in ihren Augen verlieren, das bei jedem erlosch, der Askaban von innen gesehen hatte. Nachdem sie ihre Mutter verlor und nun auch – bedingt durch ihre Gefangenschaft – ihren Vater nicht mehr sah, war Draco sich sicher, dass sie bereits einen Teil ihrer Lebenslust verloren hatte. Mehr konnte er ihr nicht mehr zumuten und das war der Grund seiner fast selbstlosen Tat, als er zum Ministerium ging und zahlte...   „Ich bin fast geneigt, beeindruckt zu sein. Du kannst zugeben, wenn du einen Fehler gemacht hast?“ Amüsiert schaute er ihr entgegen. „Ganz neue Worte, an die ich mich gewöhnen könnte.“ Dass sie sich entschuldigte, klang auch nett. Besser wäre es gewesen, wenn sie sich kniend entschuldigt hätte – mit geöffnetem Mund und darauf wartend, dass er seine steinharte Erektion in ihren Mund drückte. Immer tiefer und -   „Ja, ich kann Fehler zugeben und mich im Gegensatz zu anderen Menschen entschuldigen“, schilderte sie, während sie ihn aus den Augenwinkeln heraus anklagend ansah.   Ach ja. Wie schön. Dachte er nicht eben noch daran, dass sie es spürte, wenn er an verruchte Dinge mit ihr dachte? Jawohl, denn Granger bewies wieder dieses sagenumwobene Talent, ihn in seinen sexuellen Gedanken mit ihr zu unterbrechen. Wie herrlich.   „Wie schlagfertig von dir.“ Natürlich bemerkte er ihren an ihn gerichteten Seitenhieb. Kein wirklich treffender Seitenhieb, aber er konnte sich vorstellen, wieso sie das tat. Weil sie ebenfalls eine Entschuldigung erwartete, die sie allerdings nicht bekäme. „Aber ich muss dich enttäuschen: Ich bin nicht sonderlich getroffen, Granger.“ Er war eben ein Arsch, der Frauen zu seinem Zweck gebraucht. Ja, Draco war ein egoistischer Mensch, der per se zuerst an sich dachte. Granger kannte ihn doch. Er bräuchte sich in ihrer Gegenwart niemals zu verstellen und das hatte er auch nicht vor. Slytherins waren keine sentimentalen Kinder gewesen, denen das Leid anderer nahe ging. Im Gegenteil. Viele – wenn nicht sogar alle – ergötzten sich an dem Leid anderer Menschen; Draco mit eingeschlossen.   „Es ist unmöglich, mit dir zu reden.“ Kraftlos widmete sie sich wieder ihrem Essen, das sie zu Ende essen würde, um abschließend in ihrem Zimmer zu verschwinden. Hermine hätte es genossen, sich etwas mit ihm zu unterhalten, nachdem er sie gerettet hatte, aber das war schlicht und ergreifen nicht möglich, weshalb sie nun die Stille vorziehen würde.   „Nun, es kommt auf das Thema an.“   „Ich kann mir vorstellen, welche Themen du bevorzugst.“ Sie beeilte sich mit dem Essen, schob den Teller eilig zur Seite und stand auf. Folglich blickte sie zu Akina, die die ganze Zeit neben dem Tisch stand und scheinbar darauf wartete, die Wünsche der Menschen zu erfüllen. „Danke für das gute Essen, Akina. Es war wie immer fabelhaft. Bitte richte das auch in der Küche aus, ja?“   Unsicher blickte die Elfe zu ihrem Herren, weil sie nicht wusste, ob sie antworten durfte.   „Granger, das Essen -“   „- hast du bezahlt, ja. Aber“, fuhr sie einschneidend fort, „das Essen haben deine Elfen zubereitet. Wenn ich mich dafür bedanken wollte, dass du das Essen bezahlt hast, hätte ich es auch genau so ausgedrückt und mich an dich gewandt, Malfoy.“   Dieses... Dieses Weibsstück. Knurrend umklammerte er sein Besteck, während er das Fleisch aggressiv zwischen seinen Zähnen mahlte. Zum Abschluss schnappte er sich seinen Zauberstab und murmelte: „Und Tschüss, Granger.“ Mit einer einzigen Bewegung seines Stabes knallte er die Tür zu – die Granger gerade passiert hatte. Der Punkt, an dem er sie nicht mehr sehen wollte, war für heute erreicht. Nachfolgend richtete er sein Augenmerk auf Akina, die zusammengezuckt war. „Das Essen ist wirklich gut, Akina.“   Die Ohren der Elfe wackelten aufgeregt, ehe sie sich ehrfürchtig vor ihrem Herren verneigte und zu Boden lächelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)