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Cold wind blows

von

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Unfreiwillige Zusammenkunft

- Kapitel elf -

 

 

Seit nun mehr als vier Tagen ging der Herr des Hauses seiner Gefangenen aus dem Weg – ob er diesen Schritt aufgrund heimlicher Schadensbegrenzung ging oder weil er sich selbst nicht über den Weg traute, vermochte Draco nicht zu sagen. Fakt war lediglich, dass er sie weder hören, noch sehen wollte, wenngleich er sich den abnormalen Drang angewöhnt hatte, nachts durch das Anwesen zu schleichen, um vor Grangers Zimmertür sicherzustellen, dass im Innern alles in Ordnung war. Er lauschte bloß und verbot sich selbst, das Zimmer nochmals zu betreten. Nicht noch einmal wollte er sie in Unterwäsche vorfinden, bevor er sich selbst zwingen musste, den Blick von ihrem recht ansehnlichen Körper abzuwenden. Aufgrund dessen beschloss der Malfoy-Erbe zukünftig nur festzustellen, ob sie unruhig schlief oder sich womöglich in den Schlaf weinte, doch nichts dergleichen war zu hören. Allem Anschein nach schien das Mädchen einen ruhigen Schlaf zu haben – im Gegensatz zu ihm selbst. Denn während Draco sich in den Schlaf quälen musste, weil ihn die toten Gesichter des Krieges verfolgten, war sie es, die Draco im Traum zusätzlich verfolgte. Merlin nochmal, war das zu fassen? Ein Schlammblut, das ihn gar nicht interessieren durfte, hatte es geschafft, ihn im Traum aufzusuchen. Ein Umstand, der ihm extrem gefährlich werden konnte, da auch seine Mutter nächste Woche zu Besuch käme.

 

Was sie wohl zu dem neuen Gast sagen würde? Erfreut wäre sie sicherlich nicht, zumal Granger hier nicht freiwillig lebte, sondern anlässlich eines makaberen, unschönen Abkommens. Narzissa würde nach einer Erklärung verlangen, die Draco ihr nicht liefern könnte. Wie auch? Sollte er seiner Mutter erzählen, dass er sich in Grangers Gesellschaft wohl fühlte? Mitnichten. Narzissa würde es niemals verstehen. Zwar hatte er seine Mutter über den jetzigen Zustand mittels einer Eule aufgeklärt, doch war Narzissa Malfoy immer noch eine geborene Black. Eine Frau, die jene negativen Facetten perfekt verbergen konnte. Erst wenn sie vor ihrem Sohn stünde, kämen die wahren Charaktereigenschaften aus ihr heraus – das war immer so. Immer dann, wenn seine Mutter sich unbeobachtet fühlte, konnte sie nicht länger den Schein wahren.

 

Gott, seine Mutter war wie Granger, was das betraf. Auch die nervige Gryffindor konnte ihre Eigenschaften – wie ihren schönen Körper – immerzu verstecken.

 

Frauen! Sie waren allesamt Biester. Berechenbarer als Männer. Herzloser und kälter als jeder Stein. Zumindest waren das die Frauen, mit denen Draco verkehrte – leicht bekleidete Damen, nichts verpflichtendes oder verbindliches. Es waren schnelle Nummern, die ihn an nichts banden und es erschreckte ihn noch immer, wie kalt Frauen sein konnten. War er es doch gewohnt, nach außen hin kühl und distanziert zu wirken.

 

Und anstatt sich mit diesen Gedanken weiterhin seelisch selbst auf den Wecker zu gehen, sollte er sein Frühstück beenden und keinen weiteren Blick in den Tagespropheten werfen, der aufgeschlagen neben seinem Teller lag. Schließlich beherrschte noch immer der komatöse Potter die Schlagzeilen. Ein Mann, der sich gegen keines der Worte wehren oder verteidigen konnte, war nach wie vor Thema Nummer eins. Es würde sich vermutlich auch nicht so schnell ändern. Schon gar nicht, so lange er noch im Koma lag. Ja, es gab scheinbar nichts spannenderes, als um den Helden zu trauern oder zu beten, in der Hoffnung, er würde endlich erwachen.
 

Wie würde die Presse ausrasten, wenn das Narbengesicht aufwachte?

 

Tze, es war immer lächerlicher geworden. Zu Anfang war er überrascht, dass sowohl Granger, als auch Weasley nur beiläufig erwähnt wurden. Und nun? Nun las man nirgends mehr ihre Namen. Draco wunderte sich, dass nicht einmal erwähnt wurde, dass Granger für etwaige Interviews nichts zu erreichen war, aber da hatte vermutlich das Ministerium seine Finger im Spiel, die nach wie vor die Hand über den Tagespropheten hielten.

 

Deute ich das gerade richtig?“, meldete sich Dracos freudige Stimme zu früher Stunde. „Nimmst du gerade das Mädchen in Schutz, das du gar nicht leiden kannst?“

 

„Nein, verdammt. Das tue ich nicht.“ Draco schäumte vor Wut, weil er schon wieder an sie dachte – gleichzeitig hoffte er, dass das nicht nur Routine wurde. Dass er ihren brillanten Kopf hervorhob und ihre Intelligenz lobte, war das Eine. Dass er jedoch permanent mit ihrer Statur konfrontiert wurde, war das Andere – etwas, das seine Ideologie missbilligte. Granger war in seinen Augen doch sowieso nichts weiter, als ein Nichts. Ein wertloser Mensch, dessen Daseinsberechtigung nur galt, weil niemand etwas gegen unreines Blut unternahm.

 

Wenn ich etwas dazu sagen darf, dann -“

 

„Nein, du darfst nichts dazu sagen, Herr Gott nochmal“, knurrte Draco die innere Stimme leise an.

 

Davon ließ sich die unsichtbare Stimme allerdings nicht abhalten. Sie sprach fröhlich quiekend weiter: „Ich denke, dass du sie gut leiden kannst. Und das, Draco, ist noch harmlos ausgedrückt, weil ich die offensichtliche Wahrheit noch nicht aussprechen möchte.“

 

„Was für eine Wahrheit?“

 

Du willst sie hören?“, wollte sie lauernd wissen. „Nun, dass du das Schlammblut gerne -“

 

„Stopp!“ Er würde sich von dieser penetranten Stimme nicht vorwerfen lassen, dass er Granger gerne... näher kommen würde. Es entsprach nämlich nicht der Wahrheit. Einen letzten Ausweg, diesem desaströsen Gespräch zu entkommen, sah der junge Malfoy darin, sich zu erheben und Ablenkung zu suchen, in Form weniger Schritte zum bodenlangen Fenster. Aber auch das schien ein Fehler gewesen zu sein, denn wie der Zufall es so wollte, entdeckte er augenblicklich sie – Granger. Umsichtig tapste sie durch das Gras – ihr Kopf immer in Bewegung; scheinbar auf der Suche nach etwaigen Gefahren, die auf Malfoy Manor lauerten.

 

Toll, er wollte sich ablenken und dann lief sie ausgerechnet vor seiner Nase herum. Sie trug eine der verwaschenen Jeans, die er gekauft hatte und mit Bedauern musste Draco erkennen, dass ihr die Kleidung gut stand. Sie sah wirklich gut darin aus. Frauenbekleidung hatte den Nachteil, dass sie die richtigen Stellen hervorhoben. Die enge Jeans brachte ihre langen Beine wundervoll zur Geltung.

 

Ob er sich auch mal eine Jeans kaufen sollte? Natürlich nur um zu sehen, wie er darin aussah, da er lediglich Stoffhosen trug – einfach, weil diese ein eleganteres, mondänes Abbild gaben. Aber er könnte womöglich auch einen Kartoffelsack anziehen; entstellen würde es ihn jedenfalls nicht. Was nicht an Arroganz grenzte. Nein. Draco hatte sich mit den Jahren an sein eigentlich gutes Aussehen gewöhnt. Es gehörte einfach zu ihm.

 

Unterdessen schweifte sein Blick wieder nach draußen – zu Granger, die sich vorsichtig den Stallungen näherte. Gleichzeitig fragte er sich, was sie wohl jetzt wieder machen wollte?

 

Du wirst es nur erfahren, wenn du nach draußen gehst und nachfragst. Immerhin hast du ihr erlaubt, sich frei zu bewegen, oder?“

 

„Schnauze, du bescheuertes Etwas. Das weiß ich selbst.“

 

 

 
 

~*~
 

Hermine fiel auf, dass Malfoy sich ihr nicht mehr näherte. Auf der einen Seite war das perfekt, auf der anderen Seite fehlten ihr die Sticheleien zwischen ihnen. Immerhin war er die einzige Gesellschaft, die sie hier hatte – umso trauriger, dass sie seine Nähe anstatt der anhaltenden Stille durch sein Fernbleiben bevorzugte. So weit war sie bereits gesunken... Allerdings gab es noch die Elfen. Sie mochte jeden einzelnen. Sogar Brisko, und das, obwohl er sie an Malfoy verraten hatte. Aber sie verstand auch diesen Zwiespalt. Natürlich hielt er zu seinem Herren. Aber Malfoy war mit ihr intellektuell gesehen auf einer Stufe. Mit Malfoy hätte sie interessante und beachtenswerte Gespräche führen können - sofern er bereit gewesen wäre, sich vernünftig mit ihr zu unterhalten, aber das lag wohl in weiter Ferne.
 

Demgegenüber wollte sie jedoch wissen, was sich auf den Ländereien so versteckte. Welche Wesen, abgesehen von den Pfauen, hier noch beheimatet waren. Schließlich gehörten die Malfoys zu einer sehr alten, sehr mächtigen Zaubererfamilie, die es sich mit Verlaub nicht nehmen ließ, zu zeigen, wie machtvoll ihre heutige Position war. Mit Sicherheit gab es hier Geheimnisse, die entschlüsselt werde wollten. Hinzu kam, dass sie sich auch den Stallungen nähern durfte – Malfoy hatte es gleich am ersten Tag erwähnt... Dass sie sich frei bewegen durfte; abgesehen vom Westflügel...
 

Dieser mysteriöse Westflügel. Unbedingt wollte Hermine diesem Geheimnis auf den Grund gehen, weil sie von Natur aus eine neugierige Person war. Aber wer wäre nicht neugierig geworden? Immerhin steigerte etwas verbotenes den Reiz, oder? Etwas, das man nicht durfte, schrie praktisch danach, ergründet zu werden. Aber nicht heute. Hermine wollte nicht noch einmal Malfoys Unmut auf sich ziehen, weshalb sie sich entschied, sich heute die umliegenden Stallungen anzusehen. Ebenso seine Ländereien, die gigantisch groß waren. Darüber hinaus wusste die wissbegierige Hexe aber auch, dass hier draußen Gefahren auf sie warteten – wie jene Grenze, die Malfoy gezogen hatte, ohne zu wissen, was passierte, wenn man sich dieser näherte. Hier draußen konnte man sie jedoch nicht erkennen. Es war eine transparente Schichte – schwer zu erkennen. Womöglich wusste nicht einmal der Hausherr, wie weit er sie gezogen hatte. Zuzutrauen wäre es ihm jedenfalls... Ja, Hermine wusste nicht, wie weit sie gehen müsste, um an die Grenze der Ländereien zu kommen. Nichtsdestotrotz erinnerte sie sich an einen Artikel der Hexenwoche, den sie im zweiten Schuljahr zufällig gelesen hatte, weil einer der Schüler die Zeitung aufgeschlagen im Gemeinschaftsraum vergessen hatte – dort stand geschrieben, dass der malfoy'sche Garten zum schönsten der Zauberergemeinde Großbritanniens gekürt wurde.
 

Ein Zustand, der sich bis heute nicht geändert hatte. Überall waren Rosenbeete hochgezüchtet worden – fein säuberlich gehegt und gepflegt. Währenddessen kam sie der braun gestrichenen Fassade näher. Durch die großen runden, farbenprächtigen Kristallfenster schien bestimmt das Sonnenlicht hindurch, welches dem Inneren einen besonderen Charme verlieh. Selbst hier konnte Hermine den Wert der Extravaganz spüren, den die Malfoys herauskristallisieren wollten und trotz ihrer Skrupel – weil sie niemals diese Eleganz besäße – legte sie ihre Hand vorsichtig gegen das Holztor, das sich nach innen aufschieben ließ, ehedem sie herum lugte und etliche Boxen erkannte.

 

„Bei Merlin“, flüsterte Hermine in ihre hervorgehobene Hand, bevor sie an eine der Boxen herantrat und einen prächtigen Schimmel hinter dem Gatter entdeckte. Daneben erspähten ihre müden Augen einen pechschwarzen Hengst, dessen Mähne weit über sein langgezogenes Gesicht reichte – das Schnaufen unschwer zu hören. Dieses Pferd wirkte angesichts seiner Statur und der Farbe furchteinflössend. Dennoch war sie fasziniert von den Tieren, entschied sich jedoch, nur dem Schimmel – der an das Gatter herangetreten war – feinfühlig über seine vibrierenden Nüster zu streicheln, woraufhin das Pferd vertrauenswürdig seinen Kopf entgegenstreckte. „Du bist ja ein hübsches Tier“, wisperte Hermine, bevor sie ihre Stirn gegen die weichen Nüster drückte und weiterhin den Kopf des Pferdes streichelte.

 

„Lucius“, begann Draco und genoss es mit einem schelmischen Grinsen sichtlich, dass das Mädchen erschrak, „hatte schon immer großen Wert auf prachtvolle Pferde gelegt.“

 

„Malfoy, du... du hast mich erschreckt.“ Noch ehe Hermine zu Ende sprach, hatte ihr Körper sich eigenständig herumgedreht und ihrem Rücken gegen das schwere Holz gepresst. „Ich dachte, ich... ich wäre alleine“, rechtfertigte sie sich, da es ihr vorkam, als würde er sie mit seinen grauen Augen durchbohren wollen. Verärgert sah er allerdings nicht aus – viel mehr interessiert daran, was sie wohl hier trieb. Aber wieso erwischte dieser Mensch sie immer in Situationen, in denen sie sich unbeobachtet fühlte? Zumal er ihr seit mehreren Tagen aus dem Weg ging, was Hermine nur recht war. So lief sie nicht Gefahr, ihn abermals zu verärgern.

 

„Schlechtes Gewissen, Granger?“

 

„Nein“, entfuhr es ihr hektisch. Was veranlasste ihn bloß, hierherzukommen? Sie war doch noch gar nicht so weit, dass sie sich gegen ihn gewappnet fühlte. „Aber man erschrickt sich eben, wenn jemand unverhofft von hinten kommt.“

 

„Von hinten?“ Draco wusste nicht, ob sie ihre zweideutige Anspielung – die sie gewiss nicht so gemeint hatte – verstand, aber er war immer noch ein Mann, der auf den Zug aufsprang und gerne seine zweideutigen Spielchen trieb. „Klingt ja spannend.“

 

„Was?“

 

Gut, sie verstand es offenbar nicht. „Ach, gar nichts.“ Stattdessen kam er dem Mädchen näher, das sich offenkundig in seiner Umgebung nicht so wohlfühlte, wie er sich in ihrer Gegenwart. Es war nicht von der Hand zu weisen, da Granger einen Schritt zur Seite gegangen war, was Draco nicht abhielt, ihr näherzukommen. Gleichgültig hatte er sich neben sie gestellt, die Hand gegen das Gatter des schwarzen Pferdes gelegt. „Gefällt dir der Schimmel?“, wollte er wissen, ohne Granger aus den Augen zu lassen.

 

Erwartete er tatsächlich eine Antwort? „Ja, er sieht wirklich schön aus.“

 

Schmunzelnd sah Draco in die schwarzen Augen des ihm gegenüber befindlichen Pferdes. „Das ist meiner“, fügte er blasiert hinzu, während seine Hand behutsam durch die lange schwarze Mähne des Mustangs fuhr. „Bisschen wild, im Herzen jedoch ein stattliches, mutiges Pferd. Nicht wahr, La Coste?“ Unzählige Stunden hatte Draco als kleiner Junge damit zubringen müssen, das Pferd reiten zu lehren. Bei Merlin, und wie oft hatte La Coste ihn schon abgeworfen? Draco konnte es gar nicht zählen.

 

„La Coste?“, wiederholte sie kichernd und mit erhobenen Augenbrauen.

 

„Was?“, brummte er mit zusammengekniffenen Augen – wie in Hogwarts; bissig und angriffslustig.

 

„Ähm... nichts. Aber wusstest du, dass ein französisches Modelabel der Muggel den Namen Lacoste trägt?“, erklärte sie ihm bereitwillig und Hermine tat es vermutlich ganz unbewusst, aber sie lächelte ihn aufrichtig an – ohne jegliche Anzüglichkeit oder den Hauch von Sarkasmus. Nein, es war offen und ehrlich gemeint.

 

Verwirrt darüber, dass sie ihn so herzlich anlächelte und er derjenige war, der sie immer noch böse ansah – so dass selbst Blaise schreiend davongelaufen wäre -, schüttelte er seinen Kopf und sah wieder zu seinem Pferd. Grundgütiger, ihr Lächeln war fast ansteckend und... und schön. „Meinetwegen“, entgegnete er daraufhin kühl, weil er sein Gesicht nicht verlieren durfte, indem er ihr Lächeln erwidern würde. Nein, bloß nicht ihr Lächeln erwidern. Außerdem war ihm ihr Hinweis mit dieser seltsamen Modemarke egal und doch störte er sich minimal daran, dass sie sein Pferd mit einer Kleidermarke der Muggel verglich.

 

Ferner verstrichen die Minuten, in denen die beiden unterschiedlichen Magier abseits voneinander standen, bis Hermine sich durchrang und ihn unverfroren fragte: „Darf ich den Schimmel reiten?“

 

Diese Frage entlockte es ihm wieder – sein niederträchtiges Grinsen. „Kannst du denn reiten?“ Und es war wieder eine so herrlich sexuelle Anspielung, die Draco gerne weiter verfolgt hätte. Er besann sich jedoch und konzentrierte sich auf das Wesentliche.

 

„Ich würde nicht fragen, wenn ich es nicht könnte, Malfoy“, antwortete sie pikiert.

 

„Ich weiß ja auch nicht“, erwiderte er schulterzuckend. „Vielleicht möchtest du auch einfach nur, dass ich dir dabei behilflich bin?“ Ok, er konnte sich doch nicht zurückhalten... Er antwortete ihr zweideutig und man konnte die Frage nun interpretieren, wie man wollte. Entweder in die Richtung, dass er ihr beim Aufsteigen half und sich vielleicht vor sie setzte, damit womöglich heraufbeschwor, dass sie sich an ihm festhielt oder aber... dass sie auf ihm saß und -

 

Nein, Schluss. Genug von diesen Gedanken. Waren sie doch nur wieder Futter für seine innere, nervige Stimme, die ihm jene Gedanken irgendwann vorwerfen würde.

 

„Ich verzichte auf deine Hilfe.“

 

„Dann nicht.“ Wie sie vor der Box stand – jederzeit bereit, sich verbal mit ihm zu messen. Granger war nicht nur eine Weltverbesserin. Nein. Sie war scheinbar auch eine unbeugsame Tierliebhaberin. Es wäre aber auch verwunderlich gewesen, wenn sie keine Tierschützerin wäre. Schließlich kämpfte sie schon immer erfolglos für die Rechte magischer Geschöpfe. Und was tat Draco? Seinen Trieben nachgeben, indem er ihr wie ein pubertierender Teenager nachgelaufen war. Und wofür? Um sich von ihr blöd anmachen zu lassen. Und er hasste seine nachfolgenden Gedanken: Granger hatte recht – er war einfach nur erbärmlich.

 

Folglich stieß er sich von der Box ab und marschierte zum Ausgang. Sollte sie doch selbst zusehen, wo der Sattel und der restliche Quatsch lag. Zu seinem Leidwesen waren seine Elfen jedoch so gedrillt worden, dass sie jedes Mal wenn er von einem seiner Ausritte zurückgekommen war, Zaumzeug und Sattel ordentlich in den dafür vorgesehen Schrank einräumten, so dass es Granger nicht schwerfallen würde, die Reitutensilien zu finden.

 

Und bevor er den Ausgang passierte, drehte er sich noch einmal um. „Granger“, eröffnete er die nächste Runde zwischen ihnen, „pass auf, dass du der Grenze nicht zu Nahe kommst.“

 

„Wie meinst du das?“, entkam es ihr skeptisch.

 

„Man“, ertönte seine tiefe, genervte Stimme, während seine Hand nach oben flog. „Keine Ahnung! Ich weiß nicht, was das Haus macht, wenn du dich der Grenze näherst, klar?“ Seine Tonlage war mit jedem weiteren Wort höher geklettert, bis er schlussendlich in ihre Richtung brüllte. Aber es hatte nicht den gewünschten Effekt erzielt. Noch immer stand die ehemalige Gryffindor vor dem Gatter – ihre traurigen Augen auf seinem Gesicht haftend.

 

„Verstehe ich das richtig?“

 

„Was genau, Prinzessin?“, spottete Draco, weil er wieder keinen anderen Ausweg sah, als sich dem Mittel des Hohns zu bedienen.

 

„Du sprichst eine Formel aus, ohne zu wissen, was sie bezweckt?“ Im Hinblick auf seine zusätzliche Beleidigung, rollte Hermine bloß genervt mit ihren Augen. „Das... ist fahrlässig, Malfoy!“

 

„Ganz genau, Granger. Genau das tue ich: eine Formel über mein Eigentum legen, um es vor kleinen flüchtigen Gryffindors zu schützen, die freiwillig den Platz ihres diebischen Vaters eingenommen haben.“ Draco wurde immer wütender, nachdem sie seine Fähigkeiten in Frage gestellt hatte. Merlin nochmal, wieso stellte sie ihn auch hin, als wäre er der Idiot? Er hatte es sich bestimmt nicht gewünscht, auf seinen Ländereien auf ihren Vater zu treffen. Verdammt.

 

Gekränkt von seinen Worten, drehte sich Hermine zu dem Schimmel um – ihre Augen fest zusammengedrückt, aus denen sich vor wenigen Sekunden noch dicke Tränen heraus zwängen wollten. Es war unfair, dass er ihr das Verhalten ihres Vaters – der nichts Böses im Sinn hatte – weiterhin vorwarf. Hinzu kam, dass das Haus sie tatsächlich angreifen würde, sobald sie den Versuch unternahm, von hier abzuhauen. Dass... Dass Ron ebenfalls etwas passieren könnte, wenn er unerlaubt Malfoys Grund und Boden betrat, war eine zuzügliche Belastung auf ihren Schultern. Hermine musste unbedingt dafür sorgen, dass Ron nichts unternahm.

 

Sie glaubte nämlich nicht, dass Arthurs Worte eindringlich genug waren. Schließlich hatte Rons Vater etwas ähnliches gesagt: Dass Ron erst Malfoys Erlaubnis bräuchte, um Malfoy Manor unbeschadet betreten zu können. Merlin, wie sollte sie jemals die Erlaubnis bekommen, um wenigstens ihre Freunde sehen zu können? Hermine wurde deutlich vor Augen geführt, dass sie weder Ginny, noch Ron jemals wieder sehen würde. Und Harry auch nicht mehr... Ein Umstand, der an ihrem Nervenkostüm zerrte.

 

Nachdem sie sich anschließend vergewisserte hatte, dass Malfoy verschwunden war, ging sie zu den Schränken, woraus sie schlussendlich Sattel, Trense und eine Decke entnahm. Folglich führte sie den Schimmel aus der Box, band ihn fest und legte ihm die Trense an. Infolgedessen sattelte sie vorsichtig das Pferd, doch bevor sie es bestieg, hielt sie inne und schnaufte. Hermine war unendlich traurig, dass sie fortan mit Pferden, Elfen und Pfauen sprechen müsste, um der Einsamkeit zu entkommen. Hinzu kam ihre Lüge: denn reiten konnte Hermine nicht – jedenfalls nicht perfekt, aber sie wollte sich einfach nicht die Blöße vor Malfoy geben und außerdem war der Schimmel ruhig, was ihr das Reiten hoffentlich erleichtern würde. Hilflos steckte sie – nachdem sie sich endlich gefangen hatte – ihren Fuß in einen der Steigbügel, umfasste wacker den Sattel und war davor, sich auf den Rücken des Tieres zu ziehen.

 

Bis hierhin klappte auch alles, doch plötzlich schien das Pferd das Bedürfnis zu verspüren, sich bewegen zu müssen. Eine einzige Bewegung hatte ausgereicht, um Hermine den Boden unter den Füßen zu entreißen. Sie verlor den Halt und stürzte zu Boden.

 

„Mist“, schimpfte die ehemalige Gryffindor von Schmerzen geplagt, die jedoch nicht lange anhielten – zum Glück. Nach wenigstens Minuten konnte Hermine wieder stehen und griff fester nach der Zügel. „Himmel nochmal, bitte tu das nicht wieder, ja?“, flüsterte sie in das Gesicht des Tieres, in dessen Augen sie eine Gestalt im Hintergrund ausmachen konnte.

 

Oh nein... Hatte er etwa -

 

„Granger“, ertönte im selben Augenblick auch schon seine gehässige Stimme, „du steigst -“

 

„Ich will es gar nicht hören, Malfoy.“ Verflucht. Hatte sie sich nicht eben noch vergewissert, dass er gegangen war? Doch, das hatte sie, aber wieso wunderte sie sich überhaupt noch? Malfoy besaß eben das Talent, Hermine in peinlichen Situationen zu erwischen. Daran sollte sie sich vielleicht gewöhnen? „Hättest du demzufolge die Güte, und würdest einfach nur still sein?“ Ob dieser Mistkerl apparieren konnte? Höchstwahrscheinlich. Immerhin konnte Dumbledore – trotz des Apparier-Schutzes – zu Lebzeiten in Hogwarts apparieren.

 

Unbeeindruckt von ihrer Wut, kam Draco mit verschränkten Armen näher. „Man steigt von links auf“, erklärte er ungeniert – ihre Aufforderung, endlich ruhig zu sein ignorierend.

 

Wieder stand Hermine in ihrer Anfangspostion – vor dem Sattel, die Hände oberhalb des edlen Leders. Sie wollte ihn nicht ansehen. Nicht jetzt, nachdem sie vom Pferd gefallen war. Aber nicht einmal das stimmte. Sie war schon zu Boden gestürzt, ohne überhaupt auf dem Pferd gesessen zu haben – peinlicher ging es doch nicht mehr, oder? „Wieso tust du das, Malfoy?“

 

„Wieso tue ich was?“, erwiderte er formlos, nachdem er neben ihr angekommen war und im Gegensatz zu ihr Blickkontakt suchte. Wollte sie darauf hinaus, dass er zurückgekommen war, um sie womöglich zu weiterhin zu schikanieren und seinem Spott auszusetzen? Das wäre zumindest lobenswert für ihn gewesen, aber das war nicht der Grund, weshalb er zurückgekommen war. Draco beschlich einfach ein ungutes Gefühl, was ihre Reitfähigkeiten betraf und er hatte schließlich recht gehabt. Reiten konnte sie offensichtlich doch nicht.

 

„Wieso bist du nett?“

 

„Das denkst du?“, schmunzelte Draco.

 

„Ja?“, antwortete sie unsicher, ehe sie um das Pferd herumging, um – wie von Malfoy vorgeschlagen – von links aufzusteigen. Dass er ihr folgte hatte sie nicht bedacht, weswegen sie auch recht verdutzt zu ihm sah, als er wieder neben ihr stand.

 

„Keine Sorge, Granger. Ich bin nicht nett. Ich erleichtere dir lediglich das Reiten, was du ja laut eigener Aussage angeblich kannst.“ Im Anschluss streckte er die Hand aus, die er jedoch unweigerlich zurückzog, nachdem ihm aufgegangen war, was er kurz davor war, zu tun. Unmöglich konnte er ihr die Hand reichen, um das Pferd leichter besteigen zu können. Das... war einfach zu viel des Guten. Ja, er würde einfach hier stehen bleiben und warten, bis sie im Sattel saß. Das war doch ebenfalls eine großzügige Geste, nicht wahr? „Ich sehe übrigens“, fuhr er fort, nachdem er mit ansah, wie beschwerlich sie den Fuß in den Steigbügel setzte, „wie gut du reiten kannst.“

 

Idiot! Er war wirklich nicht nett. Wie konnte Hermine das nur gedacht haben? Malfoy und das Wort Nettigkeit in Verbindung zu bringen? Ha, vorher würde die Hölle gefrieren. „Und wieso bist du zurückgekommen?“, keuchte sie, als sie endlich fest im Sattel saß und die Zügel in die Hand nahm, ohne Malfoy nochmals eines Blickes zu würdigen.

 

„Da wir ja nicht gemeinsam essen, und mir somit die einmalige Chance entgeht, mich mit dir zu unterhalten, sehe ich hier die beste Möglichkeit dir mitzuteilen, dass meine Mutter nächste Woche kommt. Und ich gehe jetzt gleich in die Winkelgasse.“ Draco pausierte und er bemerkte ihre rasche Kopfbewegung sofort. Augenblicklich starrten ihre Augen auf ihn hinab, was es ihm nur erschwerte, die nächsten, bitterbösen Worte auszusprechen, aber er hatte es sich schließlich selbst eingebrockt. „Brauchst... Brauchst du etwas?“

 

Doch anstatt ihm zu antworten, stellte Hermine ihm – konfus von seiner Ausgangsfrage – aufgeregt eine Gegenfrage. Prompt drehte sie ihren Körper, stützte sich mit einer Hand auf dem Hintern des Pferdes ab und sah mit leuchtenden Augen zu Malfoy. „Kann ich mitkommen?“

 

Vergnügt zuckten seine Mundwinkel. Zeitgleich hoben sich seine Augenbrauen nach oben. „Vergiss es. Ich will dir ja nicht den Spaß – den du hier hast – verderben, aber hast du vergessen, dass du das Grundstück nicht verlassen kannst?“ Wurde die großartige Granger etwa senil, oder vergaß sie den Punkt absichtlich? Draco tippte auf das Zweite. Aber war es ihr zu verdenken? Nein, er würde womöglich auch alle Register ziehen und das Wesentliche ausblenden. Es tat ihm sogar ein bisschen leid – wenn er etwas wie Feingefühl besessen hätte – den Glanz in ihren Augen sterben zu sehen.

 

„Kannst du die Regeln nicht ändern?“, wagte sie erneut den Versuch, kurzzeitig ihrem Gefängnis zu entkommen. „Das... Das kannst du doch?“

 

„Ich will sie gar nicht ändern, Granger.“ Noch immer belustigt von ihrer Frage, steckte er die Hände in seine Hosentaschen, während er das Mädchen beäugte. „Oder sehe ich so aus, als ob ich das wollen würde?“

 

Lass ihn gehen, Hermine. Lass ihn seiner Wege gehen und wir gehen unsere Wege, die uns geradewegs in den Westflügel führen“, zischte ein leises Surren verführerisch, das nur Hermine wahrnahm. Ja, ihre innere Stimme verleitete Hermine dazu, sich gegen Malfoys Regeln aufzulehnen und wäre sie nicht so neugierig, würde sie die schrillen Alarmglocken hören. „Nein, du siehst keineswegs so aus, Malfoy“, schnaubte die betroffene Hermine, bevor sie wieder über den Kopf des Pferdes hinwegsah.

 

„Richtig. Ich will doch nicht, dass du mir unterwegs – aus welchen Gründen auch immer – abhanden kommst“, grinste er frech.

 

„Willst du mir etwas unterstellen?“

 

„Merlin bewahre, nein.“ Oh doch, das tat er. Draco wusste, dass sie bloß auf den passenden Augenblick wartete, um von hier zu verschwinden. „Aber es wäre doch schade, wenn du nicht mehr hier wärst, oder?“

 

Nein! Was zu viel war, war eindeutig zu viel. Hermine stieg mit dem Anmut, den sie aufbringen konnte, vom Pferd. Sie schnappte sich ächzend die Zügel und führte das Tier zu seiner Box zurück, da ihr die Lust zu reiten vergangen war. Anscheinend war er nur hier, um sie zu maßregeln, sie auszulachen und ihr Dinge vorzuenthalten, nach denen sie sich so sehnte. Ja, ein Ausflug ur Winkelgasse hätte genügt, um sie glücklich zu stimmen. Aber dazu war Malfoy nicht im Stande. Er lehnte es ab, ihr eine Freude zu machen.

 

„Auf wiedersehen, Malfoy“, erwiderte Hermine bloß, denn auf seine Provokationen würde sie nicht eingehen. Das wollte er doch nur, um ihr dann wieder einmal zu zeigen, dass er am längeren Hebel saß und Hermine sich zu beugen hatte. Nein, heute würde sie ihm dieses Machtgefühl nicht gönnen. Stattdessen zog sie dem Pferd umsichtig das Zaumzeug vom Kopf, entfernte die Trense und legte den Sattel samt der Decke zurück auf den vorgesehenen Platz. Zu ihrem Erstaunen sah sie von Malfoy nur noch seinen aufbrausenden Umhang, der rasch in der Tür verschwunden war. Scheinbar hatte der Erbe dieses Hauses mit einer so rigorosen Antwort von Hermine nicht gerechnet?

 

Aber das war egal. Hermine sollte es nicht kümmern. Sie war nur froh, dass er wortlos gegangen war und sobald er seine Ländereien gänzlich verlassen hätte, würde sie sich im Haus umsehen. Punkt. Hermine würde sich diesen verdammten Westflügel ansehen.

 

So schlimm konnte es doch nicht sein, oder? Was konnte er schon großartig darin verstecken? Nichts. Überhaupt gar nichts, was ihr Angst machen könnte. Darüber hinaus stellte sie sich jedoch die berechtigte Frage, wie lange er weg sein würde? Jedenfalls lange genug, um sich diesen verbotenen Trakt ansehen zu können.

 

Flink hatte sie alles weggeräumt, um den Elfen nicht die Bürde aufzuerlegen, bevor sie zum Eingang des Stalls rannte. Achtsam schaute sie um die Ecke, aber worauf wartete sie eigentlich? Dass Malfoy durch die Tür spazierte und per pedes zur Winkelgasse stolzierte? Wohl kaum. Das war unwahrscheinlich, angesichts seines Stolzes, der mit seiner Herkunft einherging. Schließlich baute Malfoy enorm große Stücke sowohl auf seinen Ruf, als auch auf seinen Status als Reinblut. Da würde es ihm doch nicht im Traum einfallen, in die Winkelgasse zu gehen – wie Muggelstämmige es bei ihrem ersten Besuch taten. Demzufolge müsste sie es selbst herausfinden, ob er bereits verschwunden war oder nicht. Sorgfältig – den Blick immer wieder nach hinten gewandt – näherte sie sich dem Haus. Ohne Umschweife griff sie nach der Klinke, die sie jedoch vorsichtig nach unten drückte und im Innern des Hauses verschwand. Jetzt – belastet mit ihren Beweggründen – wollte sie ihm unter keinen Umständen begegnen, denn sie hatte etwas vor, das er ihr ausdrücklich verboten hatte. Würde sie ihm jetzt in die Augen sehen, Malfoy würde sofort wissen, dass sie etwas im Schilde führte.

 

Hermine hoffte inständig, dass er bereits gegangen war. Sie wollte ihm endlich alles zurückzahlen – all jene Gemeinheiten, die er ihr an den Kopf geworfen hatte, jede Demütigung, die sie unter ihm erdulden musste, jede Maßregelung, die er ihr hatte zukommen lassen. All das wollte sie ihm nun heimzahlen, indem sie ihm zeigte, wer jetzt die Macht besaß. Das waren ihre Gründe, weshalb sie sich endlich diesen dummen Westflügel ansehen wollte. Ob sie ihm im Zuge dessen irgendwann mal vorschlagen sollte, sich die Star-Wars-Filme anzusehen? Alleine die Vorstellung, wie Malfoy einen Fernseher ansehen würde, wäre es wert, ihm jenen Vorschlag zu unterbreiten. Malfoy wäre von der dunklen Seite der Macht mit Sicherheit fasziniert... Indessen blickte sie sich missmutig im Salon um, den sie nach wenigen Schritten erreichte. All der Prunk, all sein Reichtum... Malfoy hatte es nicht verdient, so luxuriös und komfortabel zu leben. In keinster Weise.

 

Ron hätte es verdient. Die gesamte Familie Weasley hätte es verdient, diesen Reichtum in all seinen Vorzügen auszukosten – nicht Malfoy.

 

Es war so ungerecht...

 

Aber nicht nur das war unfair. Ebenso ungerecht war es, dass seine Mutter nächste Woche zurück nach Malfoy Manor käme. Im Zuge dessen könnte sich Hermine aber selbst davon überzeugen, wie es Narzissa ging. Malfoy war diesbezüglich nicht besonders redselig gewesen, als sie ihn auf seine Mutter angesprochen hatte. Jedoch fürchtete sich Hermine vor der Begegnung. Ob Narzissa sie durch die Flure jagen würde und ihr einen bösartigen Fluch nach dem anderen auf den Leib hetzen würde?

 

Nein, vermutlich nicht, da Malfoys Mutter die einzige Person in diesem Haushalt war, die vermutlich noch etwas wie Würde und Stolz in sich trug. Unterdessen bemerkte sie gar nicht, wie sich ihr jemand näherte, bis dieser entschloss, sich bemerkbar zu machen.

 

„Miss, ist alles in Ordnung?“

 

„Um Himmels Willen“, keuchte Hermine, während ihre Hand auf ihrer Brust landete, worunter sie ihr pochendes Herz spüren konnte. Ein kleiner Elf – kleiner als die anderen – war neben ihr erschienen. Es war nicht Akira und auch nicht Brisko, woraufhin Hermine eilig nach oben sah – auf der Suche nach Malfoy, der vermutlich in einer Ecke saß und sich einen Ast ablachte. Allerdings war er nirgendwo zu sehen, weswegen sie ihren Blick wieder auf den kleinen Elfen richtete. „Du hast mich aber erschreckt, junger Mann.“

 

„Oh. Oh, bitte entschuldigen Sie, Miss. Es liegt Cesidio fern, die Miss zu erschrecken.“

 

Hermine war es ganz und gar nicht recht, dass der Elf sich unaufhörlich vor ihr verbeugte. Dieses mittelalterliche Verhalten war aus den kleinen Geschöpfen einfach nicht rauszukriegen. „Sag mal, Cesidio. Ist Malfoy schon gegangen?“ Hoffentlich wollte der Elf nicht wissen, wieso Hermine danach fragte. Ungern würde sie den nervösen Elfen belügen wollen.

 

Misstrauisch suchte der Elf den Blick seines Gegenübers und Hermine fiel auf, dass er dieselben grünen, kugelrunden und großen Augen wie Dobby hatte. Ob alle Elfen grüne Augen hatten? Nein, ihr fiel augenblicklich Winky ein. Die Elfe, die gemeinsam mit Dobby in Hogwarts in der Küche gearbeitet hatte. Sie war eine Elfe mit braunen Augen.

 

„Malfoy?“, flüsterte der Elf perplex, bevor sich seine Augen weiteten und seine Hände entrüstet vor seinen Mund schlug. „Oh, Cesidio ist böse. Unfassbar böse. Cesidio darf seinen Herren nicht so nennen.“ Das kleine Geschöpf war wie ausgewechselt und scheinbar außer sich.

 

„Oh je, bitte beruhige dich doch“, begann Hermine einfühlsam auf den Elfen einzureden, ehe sie in die Hocke ging und nach den Armen des kleinen Wesens griff, damit es sich nicht weiterhin selbst verstümmeln konnte.

 

„Nein!“, spie Cesidio, dessen Augen geschlossen waren, während sein Kopf hin und her schwand. „Cesidio ist -“

 

„Ich bitte dich, Cesidio. Bitte beruhige dich. Du hast nichts falsches getan, ja?“

 

Außer Atem sahen die grünen Kulleraugen nach oben und der Elf erinnerte sich an die Frage, die an ihn gestellt wurde. „Der Herr... Er ist außer Haus, Miss.“

 

„Darf ich mich trotzdem umsehen? Dein Herr hat mir erlaubt, dass ich mich frei bewegen darf.“

 

„Aber natürlich darf die Miss sich umsehen“, sprach Cesidio erleichtert, da er keine Strafe zu befürchten hatte. Akina behielt recht, als sie ihm von der Güte der Miss erzählt hatte. Als das Mädchen jedoch an ihm vorbeilief, geradewegs zur Haupthalle zurück und den Anschein erweckte, die Treppen zum Westflügel zu erklimmen, apparierte der Elf direkt neben sie. „Soll... Cesidio die Miss lieber durch das Anwesen führen?“

 

Nein, das sollte der Elf nicht tun. Wie sollte sie sonst den Westflügel betreten, wenn jemand neben ihr ging, der mit Sicherheit wusste, dass ihr der Zutritt zu jenem Teil des Hauses untersagt wurde? Der Elf würde es bestimmt verhindern, aber das sollte die junge Hexe nicht davon abhalten, ihr Ziel zu erreichen. Prompt lief sie zum nächsten Treppenabsatz, der in das zweite Stockwerk führte, ehedem sie Richtung Westflügel abbog.

 

„Miss?“, rief der Elf ihr panisch hinterher.

 

Ignorieren, Hermine. Einfach ignorieren und weitergehen.“ Dass Hermine den Elfen tatsächlich ignorierte, entsprach nicht ihren Prinzipien, aber sie wollte unbedingt in den Westflügel und davon wollte sie sich unter keinen Umständen abbringen lassen.

 

„Miss!“, wiederholte das magische Geschöpf sorgenvoll. „Sie gehen in die falsche Richtung.“

 

„Tue ich das?“, entgegnete Hermine scheinheilig.

 

„Aber ja“, bemerkte Cesidio mit erhobener Hand. „Sie befinden sich am Anfang des Westflügels. Hier befinden sich die Räumlichkeiten des Herren“, fuhr er bereitwillig fort, in der Hoffnung, sie würde verstehen, wieso er sie aufhielt.

 

„Aha, da ist also der Westflügel.“ Das wusste Hermine, die den Schein wahren wollte. Überlegend tippte ihr Zeigefinger gegen ihren geschlossenen Mund, bevor sie sich dem Elf zuwandte. „Ich frage mich, was er dort oben versteckt?“

 

„Versteckt?“, lächelte das Wesen beherzt, nachdem es sich dem Mädchen in den Weg stellte. „Der Herr versteckt gar nichts.“

 

„Dann“, erwiderte Hermine feixend, „wäre es nicht verboten, Cesidio.“ Im Anschluss stieg sie einfach über seinen Kopf hinweg.

 

„Äh... Bitte warten Sie.“ Er wurde merklich nervös – gut daran zu erkennen, dass er seine zerbrechlich wirkenden, langen Finger ineinander verhakte und dehnte. Hermine befürchtete schon, dass er sie sich brechen würde, wenn er sie weiter dehnte und zog es vor, noch einmal auf den Elfen zu warten, bevor sie ihn endgültig abwimmeln würde. „Vielleicht... Vielleicht wollen Sie vorher die Bibliothek sehen?“

 

„Eine Bibliothek?“, entfuhr es Hermine begeistert. Unweigerlich war sie stehen geblieben und stützte ihre Hände auf den Knien ab, während sie mit großen Augen auf die nächsten Worte des Elfen wartete. „Hier gibt es eine Bibliothek?“

 

Blindlings schien sie in Cesidios Falle zu laufen, was ihn anhand ihrer strahlenden Augen bezüglich der Bücher erfreute. Anders hätte er zu Magie greifen müssen und das wollte er nicht. „Oh ja, Miss. Mein Herr besitzt eine riesige Privatbibliothek“, erzählte er mit unaufhörlichen Armbewegungen. „Viele Bücher, aus sämtlichen Epochen, Miss“, erläuterte er, um ihr die Bibliothek noch schmackhafter zu machen.

 

„Aus sämtlichen Epochen sagst du?“ Begierig, mehr darüber zu erfahren, legte sie ihr Kinn in ihre erhobene Hand.

 

„Ja“, bekräftigte der Elf nickend und tänzelte aufgeregt vor der Hexe. „Oh ja, Miss. Das sagte ich – aus sämtlichen Epochen. Der Herr ist sogar im Besitz einiger Bücher, die die Koboldzeit betreffen.“

 

Fasziniert von Malfoys Bücherbesitz und der Freude, die der Elf ausstrahlte, während er von seinem Herren sprach, ließen Hermine eine Stufe nach unten streifen – wohl wissend, dass sie es nicht in Erwägung zog, Cesidio zu folgen, der tippelnd vorm Treppenabsatz wartete und sich rasch umdrehte, nachdem er bemerkte, dass die Hexe ihm folgen würde. Unverzüglich begann er daraufhin, sowohl etwas über die Gemälde, als auch die Ahnen der Malfoys zu erzählen, wodurch er die ehemalige Gryffindor nicht weiter beachtete.

 

Los! Das ist deine Chance, Hermine. Eine bessere wirst du nie wieder bekommen“, schrie ihre Stimme verzweifelt.

 

Diese böse Stimme – sie glich dem sprichwörtlichen Teufel auf der Schulter, während der Engel auf der anderen Seite saß und Hermine zur Räson zwingen wollte, angesichts ihres Vorhabens. Sie war kurz davor, gegen Malfoys Gesetz zu verstoßen – auch belog sie den Elfen, der sie anscheinend ebenfalls vor Unheil bewahren und seine eigene Haut retten wollte. Aber die Treppenstufen waren mit edlem Teppich ausgelegt, so dass der Elf ihre Schritte nach oben nicht hören würde... Merlin, nein. Sie hatte nur diese eine Chance. Wer wusste, wann Malfoy wieder das Haus verließ?

 

Jetzt oder nie!

 

Eine Stufe nach der anderen erklomm Hermine – bis sie in einem langen Korridor ankam, an dessen Ende ein großes Holzportal in die Höhe ragte; umsäumt von Marmorsäulen. Erschöpft lehnte sie sich ein letztes Mal gegen das Geländer, auch wagte sie einen letzten Blick nach unten, aber Cesidio war nirgends zu sehen. Somit hatte sie freie Bahn – vor ihr lag jedoch ein Portal, das ihr Angst einjagte. Es war ein Portal, das in eine tiefe, andere Welt führte – weit weg von der Illusion, etwas schönes dahinter vorzufinden. Dem war gewiss nicht so. Immerhin lag hinter dieser Tür Malfoys Reich. Hermine war im Begriff, in Malfoys Privatsphäre einzutauchen...

 

Kurz befielen sie Zweifel. Sollte sie so weit gehen und in seine privaten Räume eindringen, worin sie womöglich Dinge vorfand, sie sie rein gar nichts angingen? Aber sie war schon zu weit gegangen, oder? Schließlich war sie hier – entgegen jedweder Warnung, die man in ihre Richtung bereits ausgesprochen hatte.

 

Nein, für Zweifel aufkommen zu lassen, war es zu spät, woraufhin sie das Holz vor sich bedächtig berührte und den Blick entlang der Säulen wandern ließ.

 

„Natürlich. Marmor, was auch sonst“, sprach sie sich selbst zu, als ihre Hand über die glatte Oberfläche strich. Daneben strahlten sie zwei goldene Türgriffe an, die bereit waren, die verschlossene Tür in der Mitte zu teilen. Bei Merlins Bart, einer dieser beiden Türgriffe würde ausreichen, um Harrys Behandlung voranzutreiben und den Weasleys zu helfen. Doch bevor sie einen der Griffe nach unten drückte, atmete sie noch zwei Mal hörbar ein und aus. Anschließend drückte sie den Griff nach unten, während sie die Luft in ihren Lungen behielt und durch den dünnen Spalt im Innern des Zimmers verschwand. Blitzschnell hatte sie im Anschluss die Tür geräuschlos zugezogen – jedoch nur so weit, dass ein winzig kleiner Lichtspalt hindurchsickern konnte. Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Bei ihrem Glück würde sie in dieser vollkommenen Dunkelheit ansonsten gegen irgendetwas laufen, dieses Etwas auch vermutlich noch zerstören und dann müsste sie sich vor Malfoy rechtfertigen. Was ihr kleinstes Problem wäre, da er außer sich vor Wut wäre, wenn sie ihm erklären müsste, was sie in seinen Räumen zu suchen hatte.

 

Trotzdem musste sie anfänglich ihre Augen zusammenkneifen, bis sie sich an die dunkle Umgebung gewöhnt hatte. Schemenhaft konnte sie ein großes Bett erkennen, das von einem ähnlichen Baldachin wie das in Hogwarts umrahmt wurde. Aber es war weder grün, noch rot, noch blau oder gelb, sondern silbern. Weiterhin suchten ihre Augen akribisch jeden Quadratzentimeter ab und... und plötzlich erstarrte ihr Blick.

 

Für vier Sekunden. Danach blinzelte sie mehrmals.

 

Aber es war keine Imagination, sondern real. Ihre Augen entdeckten einen Kamin.

 

Bei Merlin. Ein Kamin! Wann hatte sich Hermine zuletzt so dermaßen gefreut, einen alten, abgenutzten Kamin zu sehen? Noch nie, aber heute tat sie es.

 

Ihre Vorsichtsmaßnahme völlig außer Acht lassend, hechtete sie zu dem Kamin. Davor angekommen, glitten ihre zitternden Hände über den steinernen Kaminsims, um sich zu vergewissern, dass sie sich dieses Abbild nicht einbildete und sie hätte vor Freude weinen können, als ihr bewusst wurde, dass dieser verdammte Kamin echt war. Rasch suchten ihre Augen den Kaminsims ab, wo sie am rechten Ende das fand, was sie so dringend benötigte – eine Schale, gefüllt mit Flohpulver.

 

„Merlin, ich danke dir. Tausend Mal.“ Keuchend nahm sie eine handvoll Flohpulver, das – bedingt durch ihre Nervosität – ein wenig durch ihre Finger zu Boden rieselte, aber das war ihr sowas von egal. Schon bald wäre sie hier weg und verstand nun auch, wieso sie nicht in den Westflügel durfte... Ja, sie hatte den Kamin entdeckt – ihr Los in die Freiheit. Ha, aber dachte Malfoy, sie wäre blöd? Nun, er hatte sie unterschätzt. Indes kniete sie sich vor den Kamin und warf enthusiastisch das Pulver hinein.

 

Gespannt wartete sie darauf, dass die grünen Flammen erschienen.

 

„Grafschaft Devon, Fuchsbau, Ron Weasley!“, brüllte sie abschließend in den Kamin. Währenddessen strich sie sich lose Strähnen hinter ihr Ohr, während sie begierig darauf wartete, dass der Kamin die Verbindung herstellte. Und er tat es. Die grünen Flammen loderten auf, als hätte man ein Glas Alkohol hineingeworfen, doch weder Ron, noch ein anderes Mitglied der Familie Weasley tauchte auf. „Was zur -“

 

Eine nebelhafte Gestalt manifestierte sich zu einem Körper, was Hermine erschrocken auf ihren Hintern fallen ließ. War... War das, was vor ihr erschien, etwa ein Drachenkopf?

 

„Losung?“, schnurrte der Drache sanft – die leeren Augen weit aufgerissen.

 

Losung?“, wiederholte sie entgeistert. „Was für eine Losung? Wovon sprichst du?“, donnerte sie dem Geschöpf hilflos entgegen. Noch immer saß sie auf ihrem Hintern, wohingegen sich ihre Hände in ihren Haaren verhakten, ehe sie den Weg zum Boden fanden, um sich dort abzustützen und zum Kamin zurückzukehren.

 

„Losung für das Schlammblut Granger – Gefangene von Malfoy Manor“, verlangte der Drache wortkarg.

 

„Das... Das kann doch nicht wahr sein.“ Dieses Haus war eine verfluchte Qual. Folglich hatte Malfoy sie keineswegs unterschätzt. Er rechnete wohl damit, dass sie sich über seine Regeln hinwegsetzte. Demzufolge konnte auch wirklich niemand ohne seine Erlaubnis hierherkommen...

 

… Niemand kommt ohne meine ausdrückliche Erlaubnis hier rein...

 

… Glaubst du, der dunkle Lord war zum Spaß hier?...

 

… Du kannst, ohne meine explizite Erlaubnis, das Haus und die Ländereien nicht verlassen...

 

Genau das waren seine Worte.

 

Mist. Mist. Mist.

 

Vielleicht hatte sie auch einfach einen Fehler gemacht? Sie sollte nicht Ron, sondern Ronald sagen. Ja. „Grafschaft Devon, Fuchsbau, Ronald Weasley“, betonte sie gepresst. „Bitte. Ich bitte dich“, flehte sie zusätzlich, bevor sich ihr Körper nach vorne beugte, die Hände – die zu Boden krachten – zu Fäusten geballt. Die heranwachsende Frau wollte partout nicht wahrhaben, dass es ihr nicht möglich war, von hier zu flüchten. Es musste doch einen Ausweg geben. Nichts war perfekt und einen Weg gab es doch immer. Es gab schließlich auch keinen perfekten Mord – weder in Malfoys, noch in ihrer nichtmagischen Welt. Überall gab es Fehler. Diesen musste es auch hier geben. Hermine musste ihn nur finden.

 

Ja, der Fehler war, dass dein Vater dieses Haus gefunden hat. Der Fehler war, dass du, Granger, den Platz getauscht hast.“

 

Exakt. Hätte ihr Vater – aufgrund Malfoys Nachlässigkeit – dieses Haus nicht gefunden, würden sie jetzt gemeinsam zuhause sitzen, sich trösten und gegenseitigen Halt schenken, angesichts der Trauer, die Hermine zusehends in sich hinein fraß. Und so schnell würde auch niemand mehr Malfoy Manor finden – ein Muggel schon gar nicht. Diesen Fehler hatte Malfoy bestimmt schon längst behoben. Aber es war kein Fehler gewesen, den Platz ihres Vaters eingenommen zu haben, oder? Nein, niemals. Diesen bösen Gedanken verbannte sie aus ihrem Kopf. Es war kein Fehler gewesen. Hermine würde jederzeit wieder so handeln – für ihren Vater, für Harry, für Ron und für Ginny.

 

Allmählich verlor sie dennoch die Fassung, weshalb sie betrübt ihren Kopf hob, den Drachen anvisierte und die Augen zusammenkniff. „Du... Du dummes Scheusal, stell endlich die Verbindung her, verdammt nochmal“, schrie sie dem Drachen in den Flammen aufgebracht entgegen und wüsste sie es nicht besser, Hermine hätte längst nach etwas gegriffen, um es dem Untier entgegen zu werfen.

 

„Losung?“

 

„Verflucht. Ich habe keine Losung!“

 

„Dann brauche ich die Bestätigung von Lord Draco Lucius Malfoy“, antwortete der Drache und noch ehe Hermine darauf reagieren konnte, verschwand das Tier, mitsamt der Flammen, die augenblicklich erstarben und das Zimmer in die gewohnte Dunkelheit verwandelte.

 

„Du meinst wohl Lord Idiot“, äffte Hermine das Zischen des Drachens nach und schnappte sich etwas Ruß, das sie blindwütig zurück in den Kamin warf, bevor sie aufstand. Dass dieser Arsch den Titel eines Lords inne hatte, verwunderte Hermine. Es passte nämlich nicht zu Malfoy. Darüber hinaus drehte sie sich genervt vom Kamin weg und grübelte, wie sie dennoch entkommen konnte. Angestrengt dachte sie nach – immerhin hatte sie mit Harry und Ron Horkruxe gejagt. Sie hatten Voldemort zu Fall gebracht – es musste doch möglich sein, eine Lösung zu finden. „Hermine, denk logisch. Rational. Das kannst du. Das ist deine Stärke – Rationalität.“

 

Während sie umherwanderte, entdeckte sie neben dem Kamin eine weitere Tür – kleiner, unscheinbarer. Auf diese ging sie langsam zu – jegliche Skrupel jedoch verloren. Wenn sie nicht durch den Kamin abhauen konnte, würde sie eben nach weiteren Möglichkeiten suchen. Solange, bis ihre Ausdauer mit Erfolg belohnt werden würde. Ja, sie würde nicht ruhen, bis sie diesem Haus entkommen war. Vielleicht bestand sogar die Chance, dass Malfoy seine Losung aufgeschrieben hatte? Immerhin gab es auch unzählige Muggel, die beispielsweise den PIN-Code ihrer Bankkarte aufschrieben, weil sie sich die Zahlenfolge nicht merken konnten.

 

Im Nachbarzimmer angekommen, das ebenfalls in völliger Dunkelheit lag, fand sie sich nicht so gut zurecht. Bis hierhin reichte das Licht nicht, das in das Zimmer nebenan fiel. Blind lief sie geradeaus und zu ihrem Glück erspähten ihre Augen eine Lichtzufuhr, die durch eine der Gardinen zu scheinen schien. Ruckartig riss die diese zur Seite, wonach das Zimmer in der Mittagssonne erstrahlte. Plötzlich erkannte sie Schränke, gefüllt mit Büchern. Anhand der Buchrücken konnte sie irische Literatur erkennen. Bücher über Architektur, über Philosophie und Astronomie. Vor dem Schrank stand ein großer Schreibtisch, links daneben befand sich ein weiterer Kamin, über dessen Sims ein großes Portrait angebracht worden war. Ein Portrait von Malfoy, das sich bewegte und jeden Schritt von Hermine beobachtete.

 

„Ach, Malfoy? Du auch hier?“, bemerkte sie schnippisch und kam dem Abbild ihres Feindes näher. „Na? Was tust du denn hier? Oder... sollte ich dich angemessen deines Lordtitels ansprechen?“, warf sie die Frage verächtlich in den Raum, doch das Bild gab keinen Laut von sich. „Merlin, wieso antwortest du mir nicht? Weil ich unter deine Würde bin?“ Halbherzig setzte sie sich auf den Schreibtisch und musterte weiterhin das Bild, das ihre Wut zu spüren bekäme. „Wie du siehst, bin ich in deinem dummen Westflügel und du kannst gar nichts tun, du Blödmann. Nein, das kannst du nicht, weil dein fester Körper vermutlich – gerade jetzt, in diesem Moment – hoheitsvoll durch die Winkelgasse spaziert, während ich mein einsames Dasein hier fristen muss“, pöbelte sie mit verschränkten Armen und abgewandtem Blick. Nachfolgend griff sie nach einem der Bücher aus dem Regal. „Siehst du das, Malfoy?“ Abwartend stellte sie sich vor den handgemalten Malfoy, der sie lediglich betrachtete und eine Augenbraue nach oben zog, anlässlich ihrer vorgetäuschten Betroffenheit, hinsichtlich ihres Handelns. „Ich – das Schlammblut Granger – berühre deine Bücher. Willst du nicht schreien oder mich verfluchen?“, lachte sie auf und schob das Buch zurück in den Schrank. „Dein wahres Ich täte es – hätte es vermutlich schon längst getan, ohne mir die Chance zu lassen, einem der Bücher überhaupt zu nahe zu kommen. Aber du“, fuhr sie unbeherrscht fort, „bist ja nur ein dummes Portrait, das nichts dagegen unternehmen kann.“

 

Zeitgleich fragte sich Hermine, wie alt Malfoy wohl gewesen war, als das Bild gemalt wurde?

 

„Soll ich vielleicht deinen Rahmen berühren? Verlierst du dann endlich deine Beherrschung und sprichst mit mir?“ Seit sie ihn erblickt hatte, konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Viel zu wütend war sie auf ihn und Hermine war froh, endlich Luft ablassen zu können. „Merlin, weißt du eigentlich, wie es mir geht? Nein, vermutlich nicht. Es interessiert dich auch gar nicht, hab ich recht?“ Kopfschüttelnd sah sie nochmals zur Seite, weil er ihr noch immer nicht antwortete. „Ich sag es dir trotzdem: Mir geht’s echt beschissen und weißt du wieso? Weil ich meine Mutter in deinem Krieg verloren habe. In einem Krieg, den deine Sippschaft geführt hat. Sie hatte nichts mit unserer Welt gemein – sie gehörte nicht in diese Welt und doch hat mir diese Welt das genommen, was einem Kind so wichtig ist. Aber das ist noch nicht alles, Malfoy“, sprach Hermine mit erhobenem Zeigefinger weiter. „Du hast mir die Chance genommen, angemessen und gemeinsam mit meinem Vater – der seine Frau verloren hat – zu trauern. Das ist das schlimmste. Du hast mir nicht einmal die Möglichkeit eingeräumt, zu trauern – nichts. Und weißt du, was genauso schlimm ist und wovor ich mich fürchte? Dass ich irgendwann vergessen könnte, wie herzlich, schön und wunderbar meine Mutter gewesen war. Ich -“ Aufgebracht stemmte sie ihre Hände in die Hüften, bevor sie sich erneut schluchzend zur Seite drehte. Alle angesammelten Emotionen die sich zu Hauff in ihr gestaut hatten, lud sie ungefragt hier ab. Sie musste es tun, sonst wäre sie noch irgendwann geplatzt, weil ihr klar wurde, dass sie niemals entkommen würde. „Du willst es nicht hören, das weiß ich, Malfoy, aber ich sage dir noch etwas. Deinetwegen – und das ist tatsächlich deine alleinige Schuld – habe ich auch meinen Vater verloren.“ Die erste Träne rollte ihre Wange hinab und sie schämte sich keineswegs dafür, sondern ließ sie ungehindert hinabperlen. „Durch deine Geiselnahme werde ich meinen Vater nie mehr wieder sehen können. Gar nicht, verstehst du das? Aber was erzähle ich dir das überhaupt? Du warst es ja, der ihn gefangen genommen und anschließend – ohne, dass ich mich verabschieden konnte – gewaltsam aus dem Haus geworfen hat.“

 

Inmitten ihres zornigen und mit Trauer befüllten Monologs kam sie dem malfoy'schen Portrait immer näher, wo sie links unten ein Datum vorfand. August 1997.

 

„Aha, 1997. Vor einem Jahr wurdest du gezeichnet, aber macht das einen Unterschied? Du warst schon letztes Jahr ein Arschloch – eigentlich warst du schon immer eins. Du kannst deine abstoßende Art also ruhig rauslassen.“ Ihr tat es nicht im Geringsten leid, ihn als Arschloch tituliert zu haben, da es ihrer Wahrheit entsprach. Außerdem nannte er sie jahrelang Schlammblut. Da konnte sie ihm auch einmal sagen, was sie von ihm hielt. „Ich jedenfalls kann mich nicht daran erinnern, dass du mal kein Arschloch gewesen warst. Du erinnerst dich sicher auch daran, oder?“ Obzwar es in seiner Abwesenheit passierte und sie ihren Zorn einem Portrait entgegen blies, so fühlte sich Hermine mit jedem Wort freier. „Was versuchst du eigentlich hier vor mir zu verstecken?“, fragte sie unverblümt, nachdem sie einmal um den Schreibtisch gegangen war und den mondänen Ledersessel zurückzog, auf den sie sich setzen wollte. „Es muss ja was geben, das dich dazu bewegt, mir den hiesigen Zutritt zu verwehren, richtig? Ich meine, deine Privatsphäre alleine kann es unmöglich sein.“

 

Gerade als sie sich setzen wollte, entdeckte sie auf dem Leder etwas glänzendes.

 

Misstrauisch streckte Hermine die rechte Hand danach aus, doch bevor sie es berühren konnte, zuckte ihre Hand. Überprüfen konnte sie es nicht, da ihr der Zauberstab fehlte, aber sie war neugierig und auch mutig genug, das Ding in die Hand zu nehmen. Es war schwer und silbern. Mit beiden Händen hielt sie die äußere Umrandung fest, ehe sie es herumdrehte und -

 

„Das... Das kann unmöglich wahr sein. Nein.“ Erschrocken richtete sie ihren Blick zu dem stummen Portrait – die Maske fest in ihrer Hand haltend. „Das“, spie Hermine angewidert, „wolltest du also vor mir verstecken?“ In ihren Händen hielt sie eine Todessermaske. Wahrlich eine mit Runen besetzte Maske, an der womöglich das Blut unschuldiger Menschen haftete. „Also doch, Malfoy. Du hast wirklich zu ihnen gehört“, flüsterte sie Malfoys Abbild entgegen. In ihren Händen hielt sie den Beweis, den sie anhaltend hin und her drehte – vermutlich suchte sie nach einem Anzeichen, das die Maske als eine Fälschung herausstellte, aber sie fand nichts dergleichen. Nein, selbst die schwarzen Zeichen am Rand schienen echt zu sein.

 

Die Runen waren unschwer zu entziffern; waren es Worte, die man recht früh im Unterricht lernte.

 

 

Ewige Treue und Loyalität dem dunklen Lord

 

 

Treue und Loyalität. Dass sich diese Menschen überhaupt wagten, diese Worte mit ihren Gräueltaten in Verbindung zu bringen, glich einer Farce. Und das wollte er vor ihr verstecken – seine Maske. Mit Sicherheit versteckte er hier auch die dazugehörige Robe. Irgendwo hier; in diesen Räumen. Aber wieso bewahrte er diese Sachen noch auf? Der Krieg war vorbei. Voldemort war tot. Wieso hatte er diese Sachen in seinem Zimmer?

 

Verwirrt und mit der Maske in der Hand rannte Hermine zurück in sein Schlafzimmer, wo sie unverzüglich eine der sechs Schranktüren aufriss und damit begann, auf der linken Seite die Umhänge zu durchsuchen. Darunter befand sich bestimmt der Umhang, den ein jeder Todesser trug. Sie müsste nur gründlich danach suchen und sobald sie ihren Zauberstab wieder hätte, würde sie einen Patronus zu Ron schicken.

 

Zu ihrem Bedauern fühlte sich der erste Umhang, der ihr in die Hände fiel, unglaublich weich an und Hermine wusste auch, woran das lag – an dem Einhornfell, womit die Innenseite des Umhangs ausstaffiert worden war. Widerlich. Angeekelt schob sie den Umhang zur Seite und untersuchte den nächsten.

 

„Granger?“

 

Erschrocken ließ Hermine den sündhaft teuren Stoff los, bevor sie sich umdrehte – die Todessermaske noch immer in ihrer Hand...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Narudia
2018-12-23T12:48:53+00:00 23.12.2018 13:48
Hey Wow Danke für das tolle neue lange Kapitel. Ohje da hat Draco Hermine doch erwischt war doch klar ewig würde er nicht weg bleiben und vielleicht hat er ja auch irgendwie mitbekommen das das flohpulver im Janin genutzt wurde wundern würde es mich nicht. Aber die Maske allein kann auch nicht der Grund für das verbot sein da muss noch mehr sein. Das wird sicherlich keine besonders nette auseinandersetzung zwischen den beiden werden. Bin gespannt wie es weitergehen wird.

Lg Narudia
Von:  sama-chan
2018-12-23T04:26:42+00:00 23.12.2018 05:26
Yes! Yes! Yes!!!
Endlich ein neues Kapitel! Ich bin ja so froh, dass es weitergeht!
Ich hatte schon die Befürchtung, du wölltest pausieren, aber jetzt bin ich wirklich erleichtert! 😁

Was für ein Kapitel! Die Beziehung der Beiden ist zwar nicht unbedingt besser geworden - wenn dann eher schlechter - aber hey! Wenigstens schlagen sie sich nicht die Köpfe ein. 😂

Uii der ominöse Westflügel! Endlich! Jetzt ist Hermines und mein Interesse geweckt! 😍 Malfoy besitzt noch die Todesser-Utensilien? Was will er denn damit? Ist Voldemort doch noch irgenwie am Leben? Nur zur Deko bewahren doch Männer nichts auf. 😂

Oh oh.. und dann noch entdeckt werden... ob das jetzt von Vorteil ist, wage ich zu bezweifeln...
Ich habe ja die ganze Zeit angekommen, dass Draco durch das Bild die Schimpftirade von Hermine irgendwie mitbekommt.

Wie wird er wohl reagieren? Oh ich freu mich schon riesig darauf herauszufinden, wie es weitergeht! 😍😍😍

Bis dahin wünsche ich dir aber erstmal ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr! 🍾❄🎄🎁🎆


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