Cold wind blows von Dracos-Princess ================================================================================ Kapitel 3: Milas Hilferuf ------------------------- - Kapitel drei -   Fünf Tage waren seit der Abreise ihres Vaters vergangen und er schien die fremde Umgebung zu genießen. Seine täglichen Anrufe klangen jeden Tag unbefangener, fröhlicher... einfach glücklicher, wenngleich es noch ein langer Weg wäre, zurück in die Normalität zu finden. Aber das war okay. Ihr Vater sollte sich die Zeit nehmen, die er bräuchte. Ja, innerlich war ihr Dad sicher sehr getroffen worden, aber gemeinsam würden sie die Leere ihrer Herzen füllen können, was nicht hieß, dass Hermine ihre Mutter ersetzen wollte. Nein, aber sie müssten lernen, zukünftig ohne die Wärme ihrer Mutter auszukommen. Viel schöner dagegen war, wie detailliert er seine täglichen Spaziergänge schilderte. Voller Euphorie erzählte er von den herrlichen Wanderwegen, den Düften des Waldes und der Freundlichkeit der Leute – ganz anders als in London -, was einem Zahnarzt aus der Hauptstadt Großbritanniens sofort auffiel. Und bald war es wieder soweit. Der große Zeiger der hölzernen Standuhr näherte sich der zwölf. Man konnte die Uhr nach ihrem Vater stellen, der pünktlich um fünf – nachdem er mit Mila Tee getrunken hatte – zum Hörer griff und Hermine anrief. Indessen hatte sie es sich auf der Couch bequem gemacht, den Fernseher eingeschaltet und einen Popcorneimer griffbereit neben sich gestellt. Zur selben Zeit klingelte auch schon das Telefon, woraufhin sie den schnurlosen Hörer nahm und schmunzelnd die Nummer ihrer Tante auf dem Display erkannte.   Wie immer war ihr Dad pünktlich. „Hey Dad. Na? Was hast du heute Neues entdeckt?“, fragte Hermine lächelnd, während sie blind in den Popcorneimer griff.   „Ich bin's. Mila.“   Ihre Tante klang besorgt. Sie selbst war alarmiert und setzte sich aufrecht hin, den Hörer fest an ihr Ohr gepresst. „Tante Mila? Hey, was ist denn los?“   „Dein Vater ist noch nicht zurück.“ „Was? Aber -“ Nervös blickte Hermine erneut auf die große Standuhr. „Es ist fünf Uhr. War er nicht zum Tee nach Hause gekommen?“ Offensichtlich nicht. Ansonsten hätte ihre Tante nicht angerufen.   „Nein, das macht mich ja so nervös. David ging gegen Mittag aus dem Haus und du kennst deinen pedantischen Vater. Er ist immer pünktlich. Kannst du bitte kommen?“ Mila wusste keinen anderen Ausweg mehr, als sich an Hermine zu wenden. Zwar wollte sie ihre Nichte nicht unnötig belasten, aufgrund der Schwere, die ihre jugendlichen Schultern stemmen mussten, aber Hermine zu belügen wäre bedeutend schlimmer. Und spätestens dann, wenn David nicht angerufen hätte, wäre Hermine misstrauisch geworden. „Ich bin sofort da“, antwortete Hermine und beendete panisch das Telefonat. Inmitten des Gesprächs war sie schon aufgesprungen, hatte den Fernseher ausgeschaltet und das Popcorn zurückgelassen, während sie abermals Sorgen plagten. Was war bloß passiert? Wieso war ihr Vater nicht zurückgekommen? War es ein Fehler, ihn zu Mila zu schicken? Nein, aber es war vermutlich keine gute Idee gewesen, ihn alleine spazieren zu lassen, angesichts der fehlenden Ortskenntnisse. Schließlich lebte ihr Vater schon lange nicht mehr in der Grafschaft, in der er geboren und aufgewachsen war. Was, wenn er sich verlaufen hatte und ziellos durch Wiltshire irrte? Schreckliche Szenarien formten sich vor ihrem inneren Auge. Rasch hatte sie ihre Jacke vom Haken geschnappt, ehe sie disapparierte – direkt in Tante Milas Wohnzimmer, doch hatte Hermine sie erst in der Küche finden können, wo sich die beiden Frauen in die Arme fielen. Glücklicherweise wusste Mila darüber Bescheid, dass Hermine eine Hexe war und sowohl über schnelle, als auch angenehme Reisemittel verfügte. Ja, es war von Vorteil, wenn man magisch begabt war.   „Ich würde vorschlagen, dass du hier bleibst und ich ihn suchen gehe, oder?“   „Hältst du das für eine gute Idee, Hermine?“, warf Mila argwöhnisch ein. „Du kennst dich hier doch genauso wenig aus.“   „Und du bist zu aufgebracht. Das bringt doch auch nichts. Außerdem kann ich apparieren“, entgegnete sie fürsorglich. „Alles wird gut, Tante Mila. Vielleicht hat er auch einfach die Uhrzeit vergessen.“ Das redete sie sich ein, aber andere Gedanken wären belastender. Sie hätten dazu geführt, dass Hermine nicht mehr klar hätte denken können und das musste sie. „Vermutlich hast du recht“, erwiderte die ältere der beiden Frauen traurig und führte Hermine zur Hintertür, wo sich ein schmaler – von hohem Gras umsäumter – Weg abzeichnete. „Von hier aus ging er in den Wald. Er ist recht groß, aber übersichtlich – nicht sonderlich dicht bewaldet. Deswegen wundert es mich, dass er... noch nicht zurückgekommen ist.“   „In Ordnung. Ich mache mich sofort auf den Weg.“ Sie knöpfte ihre Jacke zu, zog ihren Zauberstab heraus und sah – als sie den Weg entlang schritt – noch einmal zu Mila zurück. Aufmunternd hatte sie der Schwester ihres Vaters zugelächelt, ehe sie entschlossen nach vorne sah und im angrenzenden Wald verschwand. Darüber hinaus ärgerte sie sich, dass sie Ron nicht angefloht hatte. Wäre vermutlich besser gewesen, hinsichtlich der Angst, die sie im Wald befiel. Aber... sie musste sich nicht fürchten. Nein. Die Zeiten der Angst waren vorbei. Voldemort war besiegt und auch die Todesser, die überlebt hatten, könnten ihr kein Leid zufügen, weil sie ihr restliches Leben in Askaban verbringen würden. Dennoch war es ungewohnt, sich ungezwungen bewegen zu können. Peu à peu musste sich Hermine daran gewöhnen, nicht mehr zurückzuschrecken, sobald der Busch raschelte. Sie müsste nicht mehr um die Ecke lugen, nicht mehr die Lage überprüfen, nicht mehr im Sekundentakt über die Schulter blicken und schon gar nicht mehr in Angst leben. Allerdings war es der Macht der Gewohnheit geschuldet, weiterhin vorsichtig zu sein. Schließlich lebten sie alle einige Jahre in Angst – wegen Voldemort. Nach seiner Rückkehr hatte er die Menschen verunsichert, sie verängstigt, eingeschüchtert und somit sein Ziel erreicht – die Menschen in die ausweglose Enge zu treiben. Dass das nun anders war, daran müsste man sich tatsächlich erst gewöhnen.   Derweil drang sie immer tiefer in den Wald, aber sie würde erst ruhen, wenn sie ihren Vater gefunden hätte. Selbst wenn sie jeden Stein drei Mal herumdrehen müsste, sie würde es tun, solange ihr Suche am Ende erfolgreich wäre und sie die Arme ihres Vaters um ihre Taille spüren konnte.     ~*~     „Zum letzten Mal. Rede endlich, verflucht!“ Dracos Geduld neigte sich dem Ende zu. Vor allem als ihm klar wurde, dass der Mann vor ihm ein Muggel war. Ja, es deutete immer mehr darauf hin und es regte ihn auf. „Was suchst du hier? Wieso hast du meine Ländereien betreten?“ Es konnte sich nicht um Zufall handeln. Dazu waren seine Ländereien zu groß, das Anwesen zu abgeschottet. Tief verborgen, hinter Wäldern und Seen ragte das Herrenhaus empor und Draco ging stets davon aus, dass das – sowie Lucius' Schutzzauber - der beste Schutz gewesen war. Allerdings, und auch darüber regte sich der blonde Junge auf, schienen die Schutzzauber mit Lucius' Tod untergegangen zu sein, weshalb es dem Muggel möglich war, Malfoy Manor zu sehen.   Verdammt. Demzufolge war es Dracos eigene Schuld, einen ungebeten Gast auf seinem Grund und Boden vorgefunden zu haben. Wie konnte ihm dieser Fehler bloß unterlaufen? Warum hatte er nicht daran gedacht, als er die Sperre für den Apparier-Zauber über seinen Landsitz legte? Er war nachlässig geworden, was auf seine Trauer zurückzuführen war, die er noch immer nicht verarbeitet hatte. „Gott verdammt, mach endlich den Mund auf.“ Lucius wäre ausgerastet. Mit Sicherheit. Sein paranoider Vater wäre ganz anders mit ihm umgegangen, aus Angst, der Eindringling könnte den Standort des Hauses weitertragen. Lucius' einzige Sorgen waren immer seine Besitztümer, die er um jeden Preis schützte. Nun, besser als andere Sorgen. Dass Lucius einen einfachen Gedächtniszauber hätte anwenden können wäre auch zu leicht gewesen. Nein, sein herzloser Vater zog die Extreme dem Normalfall vor. Er hatte es immer genossen, sein jeweiliges Opfer zu drangsalieren, obzwar er sich zum Schluss hin besserte. Unterdessen sah Draco ununterbrochen gen Boden – zu dem Mann, der dort am Boden kauerte und nicht mehr wusste, wo hinten und vorne war. Es war kurioserweise dem Zufall zu verdanken, dass er den verwirrten Fremden hinter den Ställen fand – in der Nähe der stattlichen Hengste, die Lucius gezüchtet hatte. Ha, sein Vater rotierte vermutlich im Grab, aufgrund der Tatsache, dass ein Muggel in die Nähe seiner wertvollen Tiere gekommen war.   „Sie müssen entschuldigen, Sir. Es war keine Absicht“, stockte der Mann, „Ihr Grundstück unbefugt zu betreten. Ich muss mich verlaufen haben.“ Ächzend stützte er seine gebeugte Haltung am Boden ab, doch wurde er unverzüglich am Hemdkragen gepackt und auf die Beine gezogen. Es erschreckte ihn, als er den Blick hob und in ein Gesicht blickte, das bedrohlicher nicht sein konnte.   „Verlaufen?“, wiederholte Draco wortkarg. Er war nicht der Typ, der lange Reden schwang. Für ihn zählten klare Antworten.   „Das sagte ich, ja.“   Wollte er Draco zum Narren halten? Ihn vorsätzlich verarschen? „Ihnen ist aber bewusst, dass man mein Haus nicht einfach so finden kann?“   „Sir, wenn... wenn es Sie so sehr stört, werde ich unverzüglich gehen, nachdem... Nun ja, nachdem Sie mich loslassen.“ Der Mann wirkte eingeschüchtert, aber noch hatte er die Kraft, sich wahrheitsgemäß zu erklären. Seit mehr als zwei Stunden irrte er umher, bis er das pompös wirkende Anwesen entdeckte und sich Zuflucht erhoffte. Hätte er geahnt, in welch Katastrophe er geraten würde, hätte er sich zweimal überlegt, das Grundstück durch das emporragende Gatter zu betreten. „Sie wollen gehen?“, wollte Draco herausfordernd wissen. „Ich muss Sie enttäuschen, denn Sie werden sicher nirgendwo hingehen“, schleuderte er dem verzweifelten Mann entgegen, dessen Augen zusehends größer wurden. Ferner festigte er den Griff um den weißen Hemdkragen des Mannes, um ihm anschließend in die untere Ebene des Hauses zu zerren – hinab in die Kerker und es überraschte Draco ein wenig, dass der Unbekannte sich widerstandslos mitziehen ließ. Kein Wort verließ mehr seine Lippen. Keine Bettelei, keine Anspielung, dass Draco doch Erbarmen haben sollte. Nein, nichts. Im weiteren Verlauf drangen sie immer tiefer in Malfoy Manor ein, bis sie mehrere Zellentüren erreichten. Gleich die erste öffnete Draco, um den Mann angewidert hineinzustoßen, bevor er die Tür ins Schloss feuerte und selbst von sich genervt den Kopf schüttelte, hinsichtlich seines brutalen Vorgehens. Aber wie konnte der Mann es auch wagen, hierher zu kommen? Merlin, der ehemalige Slytherin-Schüler bräuchte einen doppelten Scotch, ehe er sich mit weiteren Gedanken beschäftigen konnte. Außerdem müsste er darüber nachdenken, wie er weiter verfahren sollte. Ob er den Einbruch anzeigen sollte? Aber womöglich würde dies im Sande verlaufen, weil das Ministerium – gerade nach dem Krieg – dazu neigte, Muggelvergehen in der Zauberwelt freizusprechen. Des Weiteren plagten ihn die Gedanken, als er das Studierzimmer betrat – das einst seinem Vater gehörte – und nach der Kristallkaraffe griff, ob dieser Mann in den Kerkern vielleicht Familie hatte?   Missgestimmt presste er das Glas gegen seine Stirn, um es anschließend in seiner Hand hin und her zu schwenken, während er die schwappende Flüssigkeit darin beobachtete. Was, wenn es stimmte und der Mann tatsächlich vermisst wurde? Am Ende würde man ihn suchen, oder gar bei dieser Polizei melden, die eine ähnliche Funktion hatte wie Auroren. Oh ja, Draco wusste, wofür Polizisten in der Muggelwelt zuständig waren. Muggelkunde zahlte sich aus, obwohl er nie daran geglaubt hätte. Aber auch das war auf den Misthaufen seiner eigenen Mutter gewachsen, die darauf bestanden hatte, dass Draco alle Fächer belegte. Es würde so gut aussehen, hatte sie gesagt, wenn er alle Fächer mit Auszeichnung bestand. Nun, er hatte ihr den Wunsch erfüllt und Hogwarts mit Bestnoten abgeschlossen. Selbst in Mugglekunde erhielt er eine Auszeichnung, wenngleich er es als Farce empfand – was nicht alleine am Fach lag, sondern auch an Granger...   Granger...   Zum ersten Mal, seitdem er sie zuletzt gesehen hatte, dachte er wieder über sie nach. Dieses Biest hatte sich ungefragt Zutritt zu seinen Gedanken verschafft und Draco fragte sich, ob sie überlebt hatte? Aber mit Sicherheit hatte sie den Krieg überlebt... Wer war schon zäh genug, all die Strapazen zu überstehen, denen sie ausgesetzt gewesen war? Richtig, das schaffte nur sie, obwohl ihr Selbstbewusstsein nie sonderlich gut ausgeprägt war. Es wunderte ihn jedoch, dass man über Granger nichts las. Lediglich über Potter hatten die Zeitungen geschrieben. Sie waren mit seinem Namen vollgeschrieben. Überall hörte oder las man etwas über das Narbengesicht, das seit Wochen im Koma lag, aufgrund eines Angriffes. Was genau er hatte, darüber wurde nur spekuliert, aber insgeheim glaubte man, dass er die Folgen des Angriffes nicht überleben würde. Einige waren sogar davon überzeugt, dass Potter bereits tot war und man die Gesellschaft über seinen Zustand im Dunkeln tappen lassen würde. Draco selbst war es egal, was aus dem Narbengesicht wurde. Er war bloß dankbar, dass diese Tyrannei ein Ende gefunden hatte. Allerdings war er der Meinung, dass es nur Grangers Intelligenz zu verdanken war, dass Potter überhaupt eine Chance gegen den dunklen Lord hatte. Das Schlammblut war das Gehirn der gesamten Operation, dessen war sich Draco sicher und zollte auch ihr insgeheim Respekt, hinsichtlich des Umstandes, dass sie Willensstärke bewies und sich angesichts der Präsenz des dunklen Lords nie einschüchtern ließ. Das war's aber auch schon...   Darüber hinaus hasste er Granger. In allem musste sie immer die Beste sein. Sie wollte in allem glänzen, was sie tat, egal wie der Weg auch aussähe – Granger ging ihn. Wenigstens war er ihr einen Schritt voraus, denn im Gegensatz zu ihm, hatte sie ihren Abschluss nicht machen können. Nein, sie schloss ihr letztes Schuljahr nicht ab, da sie mit Potter und... und dem impertinenten Wiesel auf der Jagd war... Pah, sie warf alles weg, um letztendlich nichts zu erreichen und dabei war ihr ihre Schulbildung doch so wichtig gewesen... Und noch etwas regte ihn zwischen all den Gedanken auf: dass er Granger tatsächlich lobte. Es war kaum zu glauben, aber sie war außergewöhnlich. Nicht vom Äußerlichen her, sondern von ihrer Art und ihrer Abstammung. Ja, Granger stammte von Muggeln ab. Von abstoßenden, widerwärtigen Muggeln – wie der Mann, der in einem der Kerker saß und auf Dracos Absolution wartete. Auch er war ein elender Muggel, ja. Schluss damit. Er sollte nicht weiter über Schlammblüter nachdenken und lieber das Problem, das in seinen Kerkern saß, in Angriff nehmen. Das war wichtiger und sollte seine oberste Priorität sein.   „Brisko!“, knurrte Draco folglich in die Stille, woraufhin der kleine Elf vor ihm erschien und sich ehrfürchtig vor seinem Herren verneigte. Erschreckend kam hinzu, wie sehr es den jungen Malfoy anwiderte, dass seine Elfen in diesen zerlumpten Kissenbezügen herumrannten, aber das war nun einmal der Stand eines Hauselfen. Sie waren die niedersten Wesen in ihrer Gesellschaft, was sich anhand ihrer Kleidung deutlich herauskristallisierte. Verblüffend eigentlich, da Elfen über magische Fähigkeiten verfügten, von denen Hexen und Zauberer nur träumen konnten.   „Herr, Ihr habt Brisko gerufen?“, erwiderte der alte, verhärmte Elf unterwürfig.   „Wir haben einen... einen Gast. Sieh zu, dass er Wasser und Brot bekommt. Sonst nichts.“ Er musste Brisko nicht sagen, wo er den Muggel finden würde. Seine Äußerung, dass er nur Wasser und Brot bekäme, genügte, um den Elf wissen zu lassen, wohin er das recht karge Essen hinzubringen hatte.   „Aber Draco“, zischte seine Stimme parallel. „Du bezeichnest diesen Muggel als Gast? Du lässt ihm Wasser und Brot zukommen? Das sind ganz neue Töne, oder tust du das, um dein Gewissen reinzuwaschen?“   Verdammte Hippogreifkacke, nein. Das tat er nicht, um sich oder sein Gewissen zu beruhigen. Aber er wollte einfach keine Leiche im Keller vorfinden, wenn er nach unten käme und seit wann nervte ihn diese Stimme so sehr? Draco war sogar von sich aus bereit, ihn gehen zu lassen, ohne das Zutun dieser inneren Stimme – nachdem der Mann begriffen hatte, dass man sich niemals ungestraft mit einem Malfoy anlegte und schon gar nicht ohne jegliche Konsequenzen sein Grundstück betrat. Nachdem Brisko verschwunden war, machte sich auch Draco auf den Weg nach unten, doch ehe er die Tür zum Verlies öffnete, beschwor er einen ansehnlichen Stuhl herauf. Danach ließ er mithilfe seines Zauberstabes, der die ganze Zeit in seinem schwarzen Blazer versteckt war, die Tür klicken und betrat die düstere Zelle. Recht schnell gewöhnten sich seine grauen Augen an die Dunkelheit, was er nutzte und den Raum absuchte. Weiter hinten an der Wand, an der eine Pritsche an Ketten angebracht war, entdeckte er schlussendlich den Mann, der gekrümmt darauf lag und die Wand anstarrte.   Unterdessen näherte Draco sich dem Mann, während er seinen Stab zurücksteckte und über den Blazer strich, der sich unheimlich matt anfühlte. Allerdings war das weniger primär, stellte er fest, als er den Stuhl vor die Pritschte stellte und seine Masse darauf niederließ. Abschließend spreizte er seine Beine, um dort seine nach unten hängenden Arme zu platzieren. Kurz neigte er seinen Kopf nach unten, um dem Mann die Möglichkeit zu geben, ihm endlich die Wahrheit zu sagen, doch schlug er die Gelegenheit aus, indem er konsequent schwieg.   „Sie sollten endlich reden. Ansonsten werde ich deutlicher. Haben wir uns verstanden?“   „Draco, woher diese Förmlichkeit? Vorhin hast du ihn noch geduzt“, erwähnte die unnötige Stimme amüsiert.   Kopfschüttelnd versuchte er die nervtötende Stimme in die hinterste Ecke seines Hirns zu zwängen. Gleichzeitig beobachtete er den Mann dabei, wie er sich umdrehte, sich aufrecht hinsetzte und ein Foto neben sich legte. Anschließend hob er seinen Blick, um in die kalten, dunklen, silbernen Malfoy-Augen zu sehen. „Sir, ich kann Ihnen nur das sagen, was ich eben versucht habe zu erklären. Ich... Ich habe mich im Wald verirrt und bin scheinbar immer tiefer eingedrungen“, antwortete er mit feuchten Augen, wonach er seine fahrigen Finger über das neben sich befindliche Foto legte.   „Sie lügen, aber ich gebe Ihnen noch eine Chance.“   „Wieso glauben Sie mir nicht?“ Der Fremde nahm es mittlerweile gelassen. Sein Blick war, im Gegensatz zu seinem Gegenüber, nicht angriffslustig, sondern neutral und neugierig. Seine erwartungsvollen blaugrünen Augen starrten nach wie vor auf den blonden Jungen.   „Woher kommen Sie?“, überging Draco die Frage und knetete währenddessen seinen linken Handrücken. Indessen musterte er die Kleidung des Mannes, die keinesfalls heruntergekommen aussah. Nein, sein Hemd war blütenweiß, das Jackett und die Hose sauber. Einzig die Schuhe machten einen mitgenommenen Eindruck, was wohl daran lag, dass der Mann eine weite Strecke zurückgelegt hatte.   War es vielleicht doch möglich, dass der ältere Herr die Wahrheit sagte und sich gar nicht an Dracos Besitztümern bereichern wollte? Nein, das war schwachsinnig. Menschen waren böse, niederträchtig und selbstsüchtig. Jeder würde die Chance nutzen, auch dieser Mann. Ganz bestimmt.   „Ich lebe in London und besuche zurzeit jemanden. Eigentlich bin ich Zahnarzt, doch habe ich mir eine kleine Auszeit gegönnt“, plauderte er bereitwillig, zugleich aber sehr traurig. Man konnte anhand seiner heiseren Stimme deutlich heraushören, dass er geweint hatte.   Ein Zahnarzt? Aus London? Wie witzig. Hatte Granger nicht einmal in Muggelkunde erwähnt, dass ihre Eltern ebenfalls Heiler für Zähne waren? Ja, mehrmals hatte sie davon erzählt. Merlin, was er noch alles über Granger und ihre Ausführungen wusste, bezüglich der Tätigkeit ihrer Eltern. Das war ja schrecklich. Das rührte sicherlich daher, weil sie zu viel miteinander zu tun hatten. Sie stritten sich nämlich täglich – zu jeder sich bietenden Gelegenheit. War es auch nur, wenn sie sich über den Weg liefen. Selbst dort hatten sie immer wieder Gründe gefunden, sich zumindest böse anzufunkeln.   „Und weiter? Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie beruflich in Wiltshire sind, oder?“ Immerhin behielt er dahingehend recht, dass der Mann vor ihm ein Muggel war. Aber was suchte er in Wiltshire? Und wieso fühlte sich Draco in der Gegenwart dieses unbekannten Mannes unwohl? Hielt er etwa einen Menschen gefangen, der in Wirklichkeit keiner Fliege etwas antun konnte?   „Nein, ich besuche meine Schwester.“ Derweil hatte er das Foto auf seinen Schoß gelegt, worauf sein Blick nun gerichtet war. Er verzog kaum merklich den Mund, weil er sich bemühte, nicht erneut in Tränen auszubrechen. „Ihre Schwester?“ Scheiße, das war ein Problem. Nicht nur, dass er sich um diesen Mann kümmern musste. Jetzt stellte sich noch heraus, dass Draco sich auch um die Schwester kümmern müsste. Ob der heutige Tag noch beschissener werden konnte? Na ja, Draco bezweifelte es, doch bei seinem Glück würde er sich besser nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Stattdessen sollte er zusehen, diese Schwester ausfinden zu machen, um ihr gegebenenfalls einen Gedächtniszauber aufzuerlegen, in Anbetracht des Aufenthaltes ihres Bruders auf Malfoy Manor. Schließlich wusste Draco noch nicht, wie lange sein Gegenüber hier verweilen würde. Aber, und das war entscheidend, wo bekam er Informationen über die Frau her? „Das nächste Dorf ist einige Meilen von hier entfernt. Kaum vorzustellen, dass ein Mann in Ihrem Alter einen derart weiten Weg zurücklegt.“ „Worauf wollen Sie hinaus?“   „Darauf“, begann Draco knurrend, „wie es Ihnen gelingen konnte, meinen Landsitz zu finden? Im Umkreis von zehn Meilen werden Sie kein Haus finden.“ Oder etwa doch?   „Sie irren sich, Sir. Sie können gerne mit mir kommen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen?“   „Kein Interesse.“ Nein, auf diesen linken Trick würde Draco nicht hereinfallen. Der Mann schlug ihm die Alternative bloß vor, um sich anschließend aus dem Staub zu machen. Zumindest wusste er nun, in welcher Reichweite er nach der Schwester zu suchen hatte. Vorerst musste er jedoch noch mit dem Mann Vorlieb nehmen, der anscheinend keine Angst mehr hatte. Im Vergleich zu eben, als er ihn ins Haus gezerrt hatte, war er selbstbewusster geworden. Von seiner vorherigen Angst, die sich in den blaugrünen Augen herauskristallisiert hatte, war nichts mehr zu sehen und das machte Draco wahnsinnig, da er seine eiskalte Maske trug und der gewünschte Effekt ausgeblieben war. Stattdessen besaß der Muggel die Dreistigkeit, Draco Gegenfragen zu stellen.   Außerdem fragte sich der jüngere der beiden Männer, was auf dem Foto abgebildet war, aber er würde bestimmt nicht danach fragen. Nein, er wollte kein Interesse zeigen. Anstelle dieser Frage wollte er jedoch etwas anderes wissen. „Haben Sie keine Angst vor mir?“ Das wollte er wirklich wissen.   „Sollte ich?“, stellte er abermals eine Gegenfrage.   „Ja, das sollten Sie. Ich bin kein Mensch, der Nettigkeiten verteilt.“ Unbewusst drückte er seine Handinnenflächen gegen seine Knie, doch verschaffte diese Haltung ihm nicht das, was er sich erhoffte. Nein, seinen Zorn hatte er nicht kompensieren können. Statt sich mithilfe dieser Positur zu beruhigen, wurde seine Wut noch mehr geschürt, angesichts der fehlenden Angst dieses Mannes.   „Bedauerlicherweise machen Sie keinen aggressiven Eindruck, junger Mann. Denn wenn Sie mir etwas antun wollen würden, hätten Sie doch längst etwas unternommen, nicht wahr?“ Der Eindringling streckte seinen Rücken durch, wodurch er auf gleicher Höhe wie Draco saß. „Sie würden sich nicht die Zeit nehmen, Informationen über mich zu sammeln. Übrigens“, fuhr er nahtlos fort und bestaunte die Räumlichkeit, „ist es erstaunlich, dass es noch Menschen gibt, die einen Kerker im Haus haben – sehr mittelalterlich.“   „Reden Sie sich diesen Blödsinn ein, um die Angst zu verbergen, ja?“ War das der Grund, weshalb der Mann so ruhig blieb? „Ansonsten müsste Ihnen klar sein, dass ich Informationen sammle, um diejenigen, die mit Ihnen zu tun haben, zeitnah auszulöschen. Ich tue das, um einer möglichen Strafe zu entkommen und trage gleichzeitig dazu bei, dass sowohl Sie, als auch nahestehende Personen unbemerkt verschwinden.“ Dass er nebst Kerker einen Keller besaß, erwähnte Draco nicht. Er sah nicht ein, sich vor dieser Person zu rechtfertigen, zumal der Keller auf Malfoy Manor von Lucius' als Tränkelabor benutzt worden war. Zu Hauff hatten sich Tränke, Salben und Tinkturen in den Regalen befunden. „Was lässt Sie demzufolge denken, dass ich Ihnen kein Leid zufüge? Es wäre vermessen, sich hier sicher zu fühlen.“   „Das... Das könnte natürlich auch möglich sein.“   Merlin, er hätte dem Mann einen Hieb verpassen sollen. Dann wäre Ruhe gewesen, aber nein, er musste sich mit ihm und seiner übermütigen Art auseinandersetzen. Allerdings sah er die Selbstsicherheit des Mannes schwinden, nachdem er Dracos Worten gelauscht hatte. Tja, am Ende siegte ein Malfoy immer, der sein Gesicht stets wahren und hinter einer perfekt einstudierten Maske verbergen konnte. „Das ist so, denn Sie sind hier in deutlicher größerer Gefahr als anderswo. Seien Sie sich sicher.“ Was Dracos Wut anging, stimmte das auch. Im Moment fühlte er sich, als würde man ihn erdrücken, ihn zwischen Wänden einklemmen, die mit rasanter Geschwindigkeit auf ihn zugerast kamen und dabei hatte er noch nicht einmal die schweren, unsichtbaren Ketten berücksichtigt, welche sich um seinen Körper schlangen und zu Boden reißen wollten. „Sir, ich bitte Sie. Begleiten Sie mich zu meiner Schwester. Sie lebt gleich hinter dem Wald. Aus diesem Grund habe ich Ihr Herrenhaus entdecken können“, erklärte der betuchte Mann resigniert, weil er wusste, dass Draco ihn nicht gehen ließ, aber die Hoffnung aufgeben würde er auch nicht.   Verdutzt hob sich Dracos rechte Augenbraue. Wieso sollte dieser Mann ihm die Wahrheit sagen? Warum war ihm dieses Haus nie aufgefallen? Womöglich, weil Lucius ihm nie erlaubt hatte, die Ländereien von Malfoy Manor zu verlassen – sein Vater war strikt dagegen, dass sein Sprössling in Kontakt mit Muggelkindern kam. Allerdings war der kleine Malfoy immer sehr neugierig gewesen und natürlich hatte er das eine oder andere Mal einen Rundflug über das Land gewagt – heimlich und vor allem nachts. War das Haus demnach so klein, dass er es nicht fand? Lebte die Schwester alleine? War sie sehr viel älter als der Mann oder deutlich jünger? Fragen, die Draco beantwortet haben wollte.   Aber Sekunde. Er könnte sich die Fragen alle selbst beantworten, wenn er Legilimentik anwandte. Er beherrschte die Technik. Aber wollte er das? An den Gedanken dieses Mannes teilhaben? Eigentlich nicht. Nein. Er müsste auch nicht auf jede Frage eine Antwort erhalten. Ihm war das Haus eben nie aufgefallen. Punkt. Die Schwester könnte er ohne dessen Gedanken finden, da sich nicht allzu viele Häuser hier befanden – schon gar nicht in seiner Nähe. Trotzdem regte er sich ein wenig über sich selbst auf, da er all die Strapazen hätte umgehen können, wenn er sofort auf Legilimentik zurückgegriffen hätte. Na ja, jetzt war es auch egal gewesen. Schlussendlich wusste er genug, um die Schwester ausfindig zu machen und das war maßgeblich. Ohne dem Fremden weitere Fragen zu stellen, erhob er sich vom Stuhl, ließ diesen stehen und marschierte zur Tür, doch bevor er sie öffnete, sah er ein letztes Mal über seine Schulter. Der Eindringling saß noch immer auf der Pritschte, aber er hatte schon wieder nach dem Foto gegriffen, das er wieder anstarrte, woraufhin Draco verwirrt die Kerker verließ. Die Ruhe dieses Mannes hatte ihn irritiert. Zwar bemerkte er die Angst des Mannes, die er vor dem blonden Malfoy-Erben hatte, aber doch strahlte er Souveränität aus – eine Gelassenheit, die Draco unheimlich war, weil er in einer ähnlichen Situation niemals so... abgeklärt reagiert hätte.   Während er sie Stufen nach oben erklomm, die ihn in die Eingangshalle führten, rief er nach seinem Hauselfen, der daraufhin neben ihm erschien und sie gemeinsam den Weg nach oben marschierten. „Bring mir meinen Umhang, Brisko.“   „Gewiss, Herr. Benötigt Ihr sonst noch etwas, das Brisko Euch bringen kann?“   „Nein“, entgegnete er und sah zu dem alten Elfen hinab, in dessen Haltung er unendliche Furcht erkannte. „Das wäre alles.“ Und er verachtete Lucius abermals – dafür, dass die Elfen so scheu und ängstlich zurückwichen, sobald Draco einen Wunsch äußerte. Aber das war schon immer so... Elfen wurden wie Ungeziefer behandelt. Draco kannte es gar nicht anders und doch störte es ihn. Zumal er so oft an Dobby hatte denken müssen. Dobby war es immer, der auf den kleinen Draco aufpassen musste, mit ihm spielte und ihm lesen beibrachte... Merlin, er hatte diesen Elfen so gemocht. Indessen war Brisko verschwunden, ehe er einige Sekunden später vor seinen Herren appariert war, um ihm seinen schwarzen Umhang zu reichen. Anschließend warf er ihn sich über, zog die Kapuze tief in sein Gesicht und disapparierte vor den Augen des Elfen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)