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Was die Hitze des Sommers nicht alles bewirken kann...

The Vessel and the Fallen 1
von

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Diener


 

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Tekkyo Ki geleitete Koumei und Chuu'un ins Innere des Hauses. Die kaiserliche Landresidenz thronte noch immer stattlich im mittlerweile völlig verwilderten Garten des Anwesens. Immerhin etwas, das sich kaum verändert hatte. Dabei konnte Koumei nicht einmal sagen, ob es wirklich gut war, dass sich das Gebäude beinahe im selben Zustand befand wie damals. Einerseits fände er es traurig, sein altes zu Hause verfallen zu sehen, andererseits weckte der Anblick der hübschen Eingangshalle mit ihren unaufdringlichen goldenen Drachenschnitzereien an den holzgetäfelten Wänden Erinnerungen. Angenehme und unliebsame. Lediglich der muffige Geruch, wie von alten Schriftrollen, nur viel durchdringender, erinnerte ihn daran, wie viel Zeit vergangen war.
 

Kaum berührten die Füße der Männer den weichen roten Teppich, welcher seit Urzeiten über die kalten Bodenkacheln gebreitet lag, eilte ein junges Mädchen von vielleicht sechzehn Sommern herbei und verbeugte sich ehrerbietig. Aus irgendeinem Grund erinnerte sie an Tekkyo, obwohl ihr zierlicher Körperbau sich grundlegend von dessen üppigeren Maßen unterschied. Ob Chuu'un dies ebenfalls bemerkte hatte oder ob er die junge Frau aus anderen Gründen verstohlen musterte, blieb Koumei jedoch schleierhaft.

„Seid gegrüßt, Eure Hoheit“, meinte sie ergeben und senkte ihre Stirn bis auf den Boden. Immerhin eine, die wusste, wie man sich einem Prinzen gegenüber zu verhalten hatte. Offenbar nahm sie die Formalitäten derart ernst, dass sie sich immer noch nicht erhoben hatte, als eine gebeugte alte Frau herangewatschelt kam und sich angesichts ihres hohen Alters ebenfalls überraschend tief verneigte.

So viel Achtung war Koumei überhaupt nicht mehr gewohnt. Die meisten Untergebenen in der Niederlassung in Balbadd pflegten ein recht lockeres Verhältnis zu ihren Herren, vielleicht weil Kouens Vasallen mit schlechtem Beispiel vorangingen. Aber der Prinz störte sich nicht daran, ihn machte zu viel Verehrung eher verlegen, als glücklich. Mit einem unbehaglichen Blick bat er Chuu'un stumm um Rat. Es schien, als wollten sich die beiden Frauen überhaupt nicht mehr aufrichten und auch Tekkyo wirkte wieder sehr verlegen. Die zu lange Abwesenheit der Herrscher nahm den Bediensteten wohl das sichere Wissen, wie sie sich benehmen sollten.
 

Schließlich rettete Chuu'un die Situation, in dem er an die Dienerinnen gewandt sprach: „Ihr dürft euch erheben. Mein Herr, Prinz Koumei, Sohn des jüngst verstorbenen Kaisers Koutoku Ren, möchte die wenige freie Zeit, die er in seiner Heimat verbringt, dafür nutzen, an seinen Geburtsort zurückzukehren.“

Das junge Mädchen blickte sittsam zu ihnen auf, während die Alte freudig lächelte. Überraschenderweise erkannte Koumei sie sofort als eine der Dienerinnen, die sich damals immer mit seinem Haar abgeplagt hatten. Kein Wunder, dass sie ohne zu klagen hier zurückgeblieben war. Wie war noch gleich ihr Name gewesen? Xi-Jin oder dergleichen?

„Jiu-Jin und meine Tochter Xiiri sind meine Assistentinnen und organisieren die Arbeit auf dem Gelände. Bedauerlicherweise unterstehen ihnen nicht mehr viele Diener und Sklaven, sodass wir beschlossen haben, unser Hauptaugenmerk auf das Haus zu richten. Wir hoffen, Eure Hoheit sind nicht erzürnt über diesen Umstand?“

Da Koumei nun wirklich nicht wusste, was er erwidern sollte, nickte er lediglich so freundlich er konnte, wobei er befürchtete, dass seine finstere Miene alles andere als überzeugend wirkte.

Bevor er sich jedoch darüber ärgern konnte, ergriff die alte Frau, Jiu-Jin, das Wort: „Welch eine Ehre, Prinz Koumei nach all den Jahren wiederzusehen. Womit können wir Euch dienen? Ihr seid gewiss hungrig, mein Prinz. Lasst mich ein bescheidenes Mahl zubereiten, auch wenn ich fürchte, es wird Euren Ansprüchen in keinster Weise gerecht werden. Wünscht Ihr ein heißes Bad zu nehmen? Xiiri wird es unverzüglich vorbereiten und Euch neue Gewänder herauslegen. Eure Gemächer sind immer noch in bestem Zustand, falls ihr Euch zuerst ein wenig von der langen Reise erholen möchtet. Für Euren Begleiter können wir ein Gästezimmer herrichten, wenn es Euch recht ist.“
 

Offenbar entging den Bewohnern dieses Hauses so einiges, was in der Außenwelt geschah. Sonst hätten sie ganz sicher gewusst, dass Koumei nicht mehr sonderlich oft zu Fuß reiste, sondern Dantalion benutzte. Aber die Angebote der Dienerin klangen wirklich verlockend. Außerdem behandelte sie ihn vollkommen anders als früher, wo er noch ein kleiner Junge gewesen war, der panische Angst vor ihrer groben Hand beim Bürsten seiner Haare und Waschen seiner Haut gehabt hatte. Er würde die Gelegenheit sich zu waschen nutzen, aber ganz sicher nicht in der Nähe dieser Frau. Sie hatte ihn früher schon genug gequält, in dieser Hinsicht traute er ihr nicht mehr über den Weg. Kein Wunder, dass er nicht gerne badete. Aber nach dieser Wanderung durch das Gestrüpp und nach der engeren Bekanntschaft mit einem Busch freute er sich beinahe auf wohltuendes Wasser und duftende Seife. Zum Glück würde er die Hilfe der beiden Frauen nicht benötigen, heute hatte er ja den fürsorglichen Chuu'un dabei.

„Das sind sehr ansprechende Vorschläge. Wir werden beide ein Bad nehmen. Etwas zu Essen wäre besonders für meinen Vasallen hier wünschenswert.“

Kaum hatte Koumei seine Sätze beendet huschte Xiiri flink wie ein Reh davon. Ein tüchtiges Mädchen. Auch Jiu-Jin verabschiedete sich, wahrscheinlich um das Essen vorzubereiten.
 

Nun befanden sie sich wieder alleine mit Tekkyo in dem großen Raum. Interessiert begutachtete Koumei die zarten Sandelholzregale, in denen einige Schriftrollen lagerten. Damals hatten sie sich noch nicht in der Eingangshalle befunden.

„Mein Herr, möchtet ihr Euch vor dem Bad zurückziehen oder wünscht Ihr, etwas anderes zu tun? Ach, verzeiht, ihr solltet natürlich vorerst Euer Gepäck abstellen können“, brabbelte Tekkyo vor sich hin.

Das ließ sich wirklich nur schwer ertragen. Am liebsten wäre Koumei sogleich in seine Räume gekrochen und im Bett verschwunden, aber das konnte er sich vor dem Essen nicht leisten. Sein Vasall würde ihn dafür sicherlich umbringen, wahrscheinlich kochte er innerlich vor Zorn über den langen beschwerlichen Weg, den er bekanntlich mit einer großen Last auf dem Rücken zurücklegen musste.
 

Während Chuu'un also das Gepäck mit Hilfe eines weiteren Dieners fort brachte, blieb Koumei nicht viel zu tun, außer sich in der Eingangshalle umzusehen. Da er nicht viel für das Gestammel des Verwalters erübrigen konnte, wandte er sich vollständig den Schriftrollen zu. Enttäuschenderweise behandelten die meisten lediglich das Thema, wie man ein großes Anwesen in Schuss hielt. Bis auf die Hauspflegevorschläge hatten die Anweisungen und Hinweise nicht viel genutzt. Da hatte wohl jemand nur stümperhaft gelesen. Oder die Texte waren nicht brauchbar und enthielten falsche Anleitungen. Gelangweilt tappte der Prinz durch die Halle, hob den Kopf zur mit Schnitzereien verzierten Decke, von der ein paar hübsche Laternen herabhingen, die zu dieser Tageszeit überflüssig waren, da genügend Licht durch die offenen Fenster in den Raum flutete. Die ganze Zeit über war er sich des unsicheren Blickes des schmächtigen Mannes bewusst. Ein weniger friedliebender Geselle, hätte ihn wahrscheinlich längst hinrichten lassen. Solch ein nerv tötender Charakter.
 

Welch eine Wohltat, als endlich Xiiri zurückkehrte und verkündete, dass das Bad bereitet war. Sie wirkte ein wenig gehetzt, als hätte sie sich beim Bereitstellen und Erhitzen des Wassers sehr beeilt. Interessiert betrachtete Koumei das Dienstmädchen. Ihr nachtschwarzes Haar hatte sich aus seinem Knoten gelöst und fiel ihr durchaus reizend ins Gesicht. Ihre dunklen Augen strahlten noch nicht die Resignation der älteren Bediensteten aus. Die zartblaue Leinenrobe harmonierte angenehm mit ihrer für Diener ungewöhnlich zarten Haut, auch wenn das schlichte Kleidungsstück in der Eile ein wenig verrutscht war. Unauffällig glättete das Mädchen die Falten des Gewandes und lächelte ihn unverbindlich an. Sehr professionell. Insgesamt bot sie einen überaus erfreulichen Anblick. Auch Jiu-Jin sah trotz ihres beträchtlichen Alters gepflegt aus, was man von Tekkyo Ki nicht unbedingt behaupten konnte. Aber alles in allem schien es um das kaiserliche Landhaus gar nicht mal so schlecht zu stehen.
 

Allerdings war dem ungeschickten Verwalter Koumeis Musterung nicht verborgen geblieben. Natürlich deutete er sie prompt falsch, so verkrampft wie er mit einem Mal dastand. Unbehaglich huschten seine kleinen Augen zwischen dem Mädchen und dem Prinzen hin und her. Oh, da sorgte sich jemand um seine Tochter. Es war interessant, wie unterschiedlich Menschen sein konnten. Die einen sperrten ihre Töchter ein, damit sie ja keinem Mann vor die Nase liefen, die anderen – und zu dieser Gruppe gehörten die meisten - führten sie bereitwillig, fast wie Waren, den Adeligen vor, um sich vielleicht ein wenig Ansehen und Wohlstand erkaufen zu können. Nicht wenige hofften, dass ihre Töchter später einmal Mütter von hochrangigen Kindern werden würden. Vielleicht sogar von kaiserlichen Sprösslingen. Allerdings konnten sie in Koumeis und sicherlich auch in Kouens Fall lange darauf warten. Die kaiserlichen Brüder hegten wahrhaft wichtigere Interessen. Schade für den Gutsverwalter, der grade ebenfalls auf die Idee zu kommen schien, dass Xiiris Schönheit ihm durchaus Gewinn und nicht unbedingt Nachteile bringen könnte. Bevor er Koumei jedoch irgendwelche unerwünschten Angebote machen konnte, wies der Prinz darauf hin, dass er jetzt gerne sein Bad nehmen wollte. Xiiri nickte gehorsam und führte ihn pflichtbewusst durch altvertraute Korridore in Richtung Baderaum. Erfreulicherweise teilte sie nicht die Gedanken ihres Vaters, sondern verhielt sich völlig unaufdringlich und ging schnellen Schrittes voran. Die Flure hatten sich überhaupt nicht verändert. Überall hübsche Sandelholzschnitzereien, ab und an sogar goldverziert. Hie und da roter Teppich, mal Holzdielen, mal Fliesenboden mit Mosaiken.
 

Unterwegs stieß Chuu'un zu ihnen. Der Bogenschütze hatte seine oberen Gewänder abgelegt und war nur noch in eine leichte, weiße Robe gekleidet. Offenbar sehnte er sich genauso sehr danach, den Schmutz aus dem Garten loszuwerden wie sein Herr. Koumei bedeutete ihm mitzukommen und Xiiri meinte, dass sie auch für seinen Gefolgsmann ein Bad vorbereiten könnte. Der Prinz winkte ab. Chuu'un brauchte keine Sonderbehandlung, wo kämen sie denn da hin? Ebenso wenig hatte der Kerl den freundlichen Blick des Mädchens nötig, den sie ihm verstohlen zuwarf. Wieder bemerkte er den durchaus nicht abgeneigten Blick seines Vasallen. Das durfte nicht wahr sein. Wofür hatte man dem Bogenschützen denn die strenge Erziehung am Kaiserhof zukommen lassen, wenn dieser sich von einem dahergelaufenen Dienstmädchen um den Finger wickeln ließ? Koumei kannte diese Anzeichen, er hatte sie in der Vergangenheit schon einmal gesehen, das glaubte zumindest, und erfolgreich unterbunden.
 

Ungehalten stieß er seinen Vasallen in die Seite. Überrascht wandte sich ihm der überwachsene Kopf zu. Wenn er darüber nachdachte ein äußerst erheiternder Anblick. Dennoch, davon sollte er sich nicht ablenken lassen, immerhin galt es, Recht und Ordnung zu bewahren.

„Chuu'un, ich glaube, du schläfst heute Nacht in meinem Bett, falls wir hierbleiben müssen“, warnte er leise. Seine einzige Hoffnung bestand darin, dass die junge Dienerin in Chuu'uns ausdrucksarmen Gesicht nicht lesen konnte, dass sie ihm offenbar recht gut gefiel. Er brauchte seinen Diener nämlich in seiner Nähe und nicht auf Schürzenjagd, das sollte der Kerl gar nicht erst versuchen. Nicht dass Chuu'un es je getan hätte, aber Koumei war misstrauisch. Fühlte sich in seinem Heimatland ohne bewaffneten Begleiter nicht mehr sicher. Er wollte nicht, dass sein Vasall über zweifelhaften Gedanken seine Pflichten vernachlässigte und er selbst am Ende unbewacht in seinen Gemächern ruhte, während eine weitgehend unbekannte Dienerschaft über das Anwesen schlich. Außerdem war er der Ansicht, dass Chuu’un alleine ihm verpflichtet war und sich nicht mit anderen Leuten abgeben sollte. Und er mochte ihn. Ein kleines bisschen zu sehr, um ihm irgendwelche unverantwortlichen Abenteuer mit deutlich jüngeren Mädchen zu zugestehen.

Deshalb schickte er Xiiri nach dem Betreten des Baderaumes unverzüglich fort.

„Aber Herr, wollt ihr Euch wirklich alleine zurecht machen? Es ist doch meine Aufgabe!“, protestierte sie überrascht.

Doch als Koumei sie mit einem einzigen finsteren Blick durchbohrte, suchte sie schleunigst das Weite. Besser für diese nervige Henne, sie verbreitete zu viel Energie, als das der Prinz sich angemessen entspannen könnte.
 

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