Was die Hitze des Sommers nicht alles bewirken kann... von Mondsicheldrache (The Vessel and the Fallen 1) ================================================================================ Kapitel 26: Rauflust -------------------- *~* Während Judar sich mit Kaiserin Gyokuen quälte, litt Koumei ärgerlicher Weise immer noch unter der Fürsorglichkeit seines Vasallen Chuu'un. Mit nicht viel mehr als einem Handtuch um die Hüften gewickelt saß der Prinz auf dem obligatorischen Hocker im Baderaum. Eigentlich hätte er bereits angezogen sein sollen, doch es gab auf einmal ein mächtiges Hindernis: Chuu'un hatte nämlich mit Schrecken erkannt, dass Koumeis vorhin sorgfältig gekämmtes Haar nach dem Bad wieder etliche Verfilzungen aufwies. Das konnte natürlich nicht so bleiben. Verbissen riss er den grobzinkigen Kamm durch die roten Strähnen und fluchte wohl innerlich vor sich hin, genauso wie sein Herr, dem die schmerzhafte Prozedur langsam genügte. „Wir sollten uns endlich auf den Weg in den Speisesaal machen“, bemerkte er. Chuu'un grummelte nur unverständlich vor sich hin und ruckte heftig an dem Kamm, bis der Knoten, an dem er bereits eine halbe Ewigkeit gearbeitet hatte, endlich aufging. Nun gut, eigentlich hing er jetzt eher zwischen den Zinken. Dieser Schmerz… „Kannst du nicht aufpassen? Du bist doch sonst nicht so ungeschickt!“, stöhnte Koumei gereizt. Er konnte dieses Ziepen und Zerren nicht länger ertragen! Das war doch reine Absicht! „Mein Herr, ich bitte aufrichtig um Verzeihung, offenbar lässt sich euer Haar im feuchten Zustand nur schwer bändigen“, rechtfertigte der andere sich gestresst. Der Prinz konnte Chuu'uns blankliegende Nerven beinahe sehen. Dabei ließ er sich so selten aus der Ruhe bringen. Nun gut, das hier lief ganz und gar nicht nach Plan, also durfte er sich wohl aufregen. Wahrscheinlich wünschte er sich jetzt irgendwo anders hin, vielleicht auf die Stadtmauer von Rakushou, wo er früher einmal als einfacher Bogenschütze gearbeitet hatte. Dank seiner hohen Geburt hätte Chuu'un zwar auch den Palast bewachen dürfen, doch als Jugendlicher hatte er sich in den Kopf gesetzt, etwas anderes zu tun als seine anderen Familienmitglieder. Der Wachdienst in der Stadt war unverkennbar hart, auch wenn einem dort nicht die große Verantwortung auf den Schultern lastete, für das Leben der kaiserlichen Sippe verantwortlich zu sein. Manchmal schien sich der Vasall tatsächlich dorthin zurück zu sehnen. Als einfacher Stadtwächter hatte er sich sicherlich mit Dieben oder dergleichen Gesindel herumschlagen müssen, aber immerhin nicht mit einem unwilligen Herrn und dessen zerzausten Haaren. Doch vielleicht vermutete Koumei, was diesen Wunsch betraf, nicht richtig, denn Chuu’un erledigte seine Arbeit im Palast unter seinem Befehl stets peinlich sorgfältig und mit beinahe krankhaftem Pflichtbewusstsein. Wenn man bedachte, welche Schwierigkeiten der Prinz ihm vorwiegend in der Vergangenheit manchmal bereitet hatte, war diese Treue besonders beachtlich. Egal welche Probleme auf ihn zukamen, ob sein Herr traumatisiert, schlampig oder einfach todmüde war, er schaffte es erstaunlich oft, sie zu lösen. Natürlich scheiterte er auch recht häufig, aber niemand hätte es besser machen können, da war sich Koumei sicher. Nur das Haare brüsten, falls Wasser im Spiel war, musste Chuu'un dringendst lernen. Sie benötigten ja eine halbe Ewigkeit! Selbst die Dienerinnen hätten ihm nicht mehr Schmerzen zugefügt! Außerdem hing schon die Hälfte seiner Kopfbehaarung in diesem Folterinstrument von einem Kamm! Was mochte wohl Kouen denken, wenn er bemerkte, dass sein kleiner Bruder sich für Stunden mit seinem einzigen Vasallen im Baderaum einschloss? „Ihr seid fertig“, verkündete Chuu'un endlich. Das ging schneller, als erwartet. Überrascht richtete Koumei sich auf. Keine gute Idee. Die Wände begannen sich plötzlich zu drehen. Sogleich sank er wieder auf den Hocker zurück. Ein unheilverkündendes Pfeifen erklang in seinen Ohren. Schweiß trat aus heiterem Himmel auf seine Haut. Weshalb herrschten in Balbadd nur diese tödlichen Temperaturen? Wie gerufen kamen auch die üblichen schwarzen Punkte und tanzten munter vor seinen Augen herum. Sein Kreislauf war völlig hinüber. Besonders morgens, wenn er ohnehin im Stehen einschlief, konnte das schon mal passieren. Nach dem langen Aufenthalt in der stickigen Luft hier erst recht… Seufzend beförderte sein Diener ihn auf den Boden. Guter Vasall. In Anbetracht seines unkontrollierten Schwankens im Sitzen war das Ausstrecken auf den Dielen die klügste Maßnahme gewesen. Oh ja, das fühlte sich direkt viel besser an. Außerdem durfte er so endlich wieder liegen… Chuu'un schob ihm geistesgegenwärtig ein Handtuch unter den Kopf, damit seine mühevolle Arbeit nicht auf dem nassen Boden zu Grunde ging. Wasser und Haare vertrugen sich eindeutig nicht. Routiniert packte er die Beine seines Herrn und legte sie über den Hocker, damit mehr Blut in seinen Kopf zurück strömen konnte. „Alles in Ordnung? Ihr seht nicht grade hervorragend aus“, meinte er erschöpft. Im Gegensatz zu vorhin benahm er sich wieder angenehm zurückhaltend. „Mh…“, murmelte Koumei mit geschlossenen Augen. Die Schwärze hatte sich noch nicht ganz verzogen. Er wollte einfach nur schlafen. Die Nacht war viel zu kurz und ruhelos gewesen. „Ehrlichgesagt mache ich mir ein wenig Sorgen um euch“, bemerkte Chuu'un, als auf das Nuscheln seines Herrn nichts weiter folgte. Seine hektisch hin und her tappenden Schritte verrieten, dass er tatsächlich beunruhigt war. „Zurecht…“, hauchte der Prinz. Mühsam versuchte er, so viel Schwäche und Heiserkeit wie möglich in das Wort zu legen. Wenn der Vasall ihn für krank erklärte, konnte er sich heute vielleicht noch ein wenig vor der Arbeit drücken, um noch etwas Schlafenszeit zu erhalten. Zwar war ihm bewusst, dass er dringend weiter arbeiten musste, aber er brauchte scheinbar dringendst eine Auszeit. Ob es hier in Balbadd wohl eine einzige Person gab, die ihm in dieser Angelegenheit zustimmen würde? „Geht es euch wirklich nicht gut?“, erkundigte sich der Diener prüfend. „Ich sehe Drachen und Feuervögel…“ Chuu'un räusperte sich verhalten. „Seid ihr euch dessen sicher, mein Herr?“ „Ja… gleich hinter dir. Gib Acht, dass sie dich nicht verschlingen… Ach… ich bin so müde und ausgezehrt, dass ich kaum noch denken kann. Außerdem brauche ich den Schlaf sehr dringend.“ Chuu'un stieß schnaubend die Luft aus. Doch in seiner Stimme klang keinerlei Andeutung von Gereiztheit oder gar Belustigung mit, lediglich eine ernste Feststellung: „Was ihr vor allem nötig habt, ist etwas zu Essen und zu Trinken. Ihr hattet wahrscheinlich tagelang kein frisches Wasser, geschweige denn nahrhafte Speisen in eurer Nähe. Vermutlich habt ihr euch nicht die Mühe gemacht, für Nachschub zu sorgen, wie man euch kennt.“ Wie er es schaffte, die Anschuldigung einigermaßen freundlich klingen zu lassen, wusste Koumei nicht. Dennoch, Kritik war Kritik und störte ihn momentan sehr. Als Antwort darauf drang also lediglich ein leidendes Stöhnen über die ausgetrockneten Lippen des Prinzen. Und dann erklang ein heftiges Magenknurren. Na schön, ihm war tatsächlich flau, weil er seit Judars winzigen Tintenfischröllchen nichts mehr zu sich genommen hatte. Weshalb musste sein Untergebener nur alles über ihn wissen? Er sollte einfach denken, dass er sich eine unwichtige Krankheit eingefangen hatte und für ein, zwei Tage das Bett hüten musste. Aber genau wie Kouen ließ der ältere Mann ihm keine Chance, sich vor seinen Pflichten zu drücken. Wessen Methoden er dabei bevorzugte, war ein offenes Geheimnis. Wer wollte schon von einem kampferfahrenen, unvorstellbar starken Dschinngefäßbändiger geschlagen werden? Genau, niemand. Chuu'un kümmerte sich wenigstens um das Wohlbefinden seines Prinzen. Das war ihm hoch anzurechnen. Behutsam und entschieden zugleich hob er Koumeis Oberkörper an, was diesem abermals den Schwindel durch den Körper jagte. „Nein…“, jammerte er, aber Chuu'un tätschelte ihm nur aufmunternd die Schulter. „Ihr hattet genügend Zeit, euch zu erholen. Jetzt müssen wir uns beeilen. Ihr solltet wirklich mehr essen und vor allem solltet ihr es nicht vergessen, denn dann wird es irgendwann gefährlich für euch. Ihr seid schon ganz abgemagert, vergebt mir meine Ehrlichkeit.“ Wie recht er hatte, Koumeis Knochen stachen vielleicht nicht so scharf und anklagend hervor wie nach Hakurens Tod, aber besonders viel auf den Rippen hatte er nie. Bei seiner unausgewogenen Ernährungsweise nicht verwunderlich. Kouha fragte sich beispielsweise immer, warum er kein Fleisch mochte. Allerdings konnte Koumei ihm schlecht gestehen, dass er bei einem Hauch von Bratenduft an den Geruch von verbrannten Menschenleibern denken musste. Seine Fantasie drehte diesbezüglich selbst heute noch immer wieder durch. Natürlich gab es noch viel mehr andere Nahrungsmittel als Fleisch, aber zuzunehmen war in seiner Situation genauso absurd, wie das Bett mit Kali zu teilen. Essen lag eben nicht am oberen Ende seiner Prioritätenliste. Viel zu anstrengend. Es sei denn, es handelte sich um Tintenfisch oder eventuell auch mal ein paar Gemüsesticks, die man ohne viel Aufwand beim Arbeiten oder Lesen verspeisen konnte. Leider hatten beide Speisen keinen überwältigenden Nährwert und so stellte es sich für die gesamte Dienerschaft als Ding der Unmöglichkeit heraus, ihren Herrn aufzupäppeln oder gar zu mästen. Kein Wunder, dass aus dem zweiten Prinzen nie ein muskulöser Schwertkämpfer geworden war. „Na kommt, zeigt ein wenig mehr Lebenswillen“, brummte Chuu'un resigniert. Dem Rothaarigen blieb keine andere Möglichkeit, als sich zu fügen. Überraschenderweise verschwand der Schwindel danach recht schnell und Chuu'un befand, dass er nun wieder alleine sitzen konnte. Ermattet kauerte er auf dem Hocker, während der Vasall ihn endlich einkleidete. Sobald er in seinen violetten Roben steckte, half der andere ihm vorsichtig auf. Koumei murrte. Er fühlte sich schlagartig in die Vergangenheit zurückversetzt, wo Chuu'un ihn viel zu oft herum getragen hatte: Damals war er einige Zeit lang so krank gewesen, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Dann hatte er einen dummen Fehler begangen und Chuu'un, der den kaiserlichen Palast vor einigen Jahren verlassen hatte, war plötzlich zurück in sein Leben getreten und hatte ihn gerettet. Nach einigen Wirrungen hatte Koumei ihn zu seinem Vasallen ernannt. Chuu'un war für diese Aufgabe wie geschaffen. Tatsächlich hätte er eigentlich an Hakuyuus oder Hakurens Seite stehen sollen, doch dieses Schicksal war den beiden Prinzen und Chuu'un nicht vergönnt gewesen. An Stelle der starken Kaisersöhne bekam er ein abgerissenes, kleines Nervenbündel, um das er sich rund um die Uhr kümmern musste. Wahrscheinlich hatte sich heute, zumindest aus der Sicht des Dieners, nichts daran geändert, nur dass er sich nicht mehr mit nächtlichen Heulkrämpfen und beschämender Anhänglichkeit herumschlagen musste, was an einem volljährigen jungen Mann wohl äußerst abstoßend wirkte, sondern nur noch mit übermäßiger Schläfrigkeit. Natürlich ließ Koumei sich auch nicht mehr von ihm tragen. Meistens. Heute hätte er jedoch nichts dagegen einzuwenden. Chuu'un besaß viel Kraft und seine Arme fühlten sich immer behaglich warm an. Man konnte in den herrlichsten Träumen versinken, wenn man in seiner achtsamen Umarmung steckte. Leider ging es ihm schon wieder so gut, dass er alleine gehen konnte. Ohne zu taumeln. Der Plan, sich krankzustellen würde heute wohl nicht mehr aufgehen. Das Leben im kaiserlichen Palast oder zumindest in einer Niederlassung der Familie Ren war hart, da sollte sich noch irgendein nichtsahnender Sklave beschweren und sie beneiden. Er erhielt immerhin klare Anweisungen und wurde vom Gesetz beschützt. Wer schützte einen Prinzen? Niemand, die Wachen oder die eigene Verwandtschaft konnten sich jeden Moment gegen ihn erheben. Er wusste, dass dieser Gedanke vermutlich nicht besonders gerecht war, doch er konnte sich der leisen Verbitterung nicht erwehren. Misstrauen gegen alles und jeden war in der Familie Ren seit dem verheerenden Brandanschlag vor zehn Jahren nicht selten. „Seid ihr bereit?“, riss Chuu'un ihn plötzlich aus seinen missmutigen Gedanken. Koumei bejahte seufzend und ließ sich von ihm über die Korridore geleiten. Wenig später und immer noch triefnass von der ellenlangen Badeaktion standen beide Männer vor dem Speisesaal. Die Wachen musterten sie mit schlecht verhohlenem Erstaunen. Welch ein trauriges Bild sie abgeben mussten... Koumei seufzte schwer. Seine Lust hielt sich in Grenzen. Wahrscheinlich hatte Kouen bereits ohne ihn mit dem Essen begonnen. Zu verübeln war es ihm nicht, so lange wie Chuu'un mit seinem Haar gekämpft hatte. Schnell bat der Vasall um Einlass und sie hörten, wie Kouen im Inneren des Raumes den Befehl erteilte, sie hereinzuholen. Schicksalsergeben trottete der zweite Prinz hinein. In ihrer Balbadd-Niederlassung herrschte zwar kein Reichtum, der mit dem des Palastes in Rakushou vergleichbar war, doch hier im Speisesaal hatte man sich verhältnismäßig viel Mühe gegeben. Dies fing bereits bei der goldbeschlagenen hohen Flügeltür an, eine der wenigen im Haus. Die Decken hingen hoch über dem gewaltigen Zimmer, das Holz wirkte edler und die Teppiche weniger staubig. Alles in allem nicht besonders überwältigend, aber durchaus nett anzuschauen, zumindest für die kleinen Stadthalter und Senatoren, die Kouen manchmal einladen musste. Die beiden Männer wurden von einem scharfen Räuspern empfangen: „Sieh an, schön, dass du dich auch einmal blicken lässt! Hast du deinen Vasall schon wieder mit deinen Lügen gequält?“ Koumei, der nun wirklich keine Lust auf einen Streit verspürte, ignorierte den gereizten Tonfall und sagte unbeeindruckt: „Mein königlicher Bruder, verzeiht die Verspätung.“ Manchmal musste man einfach klein beigeben, nicht, dass er das immer tat, aber als sein heller Blick auf den mit Schüsseln bedeckten Tisch fiel, konnte er nur noch an das Essen denken. Tatsächlich fühlte er sich bereits ganz schwach und benötigte dringend ein wenig Energie. So schlurfte er zu dem freien Stuhl neben Kouen, welcher allein am Kopfende der Tafel saß und grade sein Mahl beendete. Der erste Prinz machte wie immer einen äußerst einschüchternden Eindruck. Er war groß, kräftig, sein Haar loderte wie Feuer. Darüber hinaus besaß er einen außergewöhnlich bedrohlichen Blick, den höchstens Koumei in gereizten Momenten überbieten konnte. Nur sein lächerlicher Ziegenbart und die recht legeren Gewänder taten der machtvollen Ausstrahlung einen leichten Abbruch, da er lediglich eine einfache Robe trug. Kouen kümmerte sich nicht um Mode, schon gar nicht wenn er gemeinsam mit seinen Geschwistern speiste. Eigentlich hätte auch Kouha hier sein sollen, doch dieser war mit einem diplomatischen Auftrag nach Magnostadt aufgebrochen. Der kleine, sadistische Bruder und Diplomatie… wenn man darüber nachsann, stellte es sich als gewagte Kombination heraus. Besonders an diesem bedrohlichen Ort: Ein sehr interessantes Land, voller Magie und dunklen Geheimnissen, die Kou besser für sich nutzen sollte, bevor es jemand anders wagte. Natürlich sorgte sich niemand um die Sicherheit des dritten Prinzen, da dieser bestens auf sich alleine achtgeben konnte, zumindest besser als Koumei. So musste der nun mit seinem älteren Bruder alleine speisen. Dieser stellte seine Schale zurück, in der noch ein paar Reste klebten. Wie immer Reis mit scharfen Gewürzen. Koumei schauderte. Niemand sollte den Fehler begehen, von dem Frühstück oder generell von den Speisen seines Bruders zu kosten. Als er selbst es früher getan hatte, waren ihm die Tränen in nicht enden wollenden Sturzbächen aus den Augen geronnen. Widerlich! „Koumei, fändest du es nicht angebracht, wenigstens zur ersten Mahlzeit des Tages mit einem angemessenen Äußeren hier aufzutreten?“, grollte Kouen. Offenbar hatte er schlechte Laune. Wobei, besonders gut war sie ohnehin nie. Koumei kannte schlimmeres. Während er sich einen Überblick über die vom ersten Prinzen übriggelassenen Speisen verschaffte, schickte Kouen Chuu'un mit seinem üblichen harschen Befehlston fort. Die knurrige Stimme ließ keinen Platz für Widersprüche. Koumei, der sich grade Essstäbchen und einen Teebecher nahm, erstarrte plötzlich. Verstohlen schweifte sein Blick zur Seite. Hinter Kouen standen keinerlei Diener oder Vasallen. Auch in den Ecken oder vor der Tür befanden sich keine Menschen. Chuu'un hatte ebenfalls grade den Raum verlassen. Ihm schwante böses. Sehr böses. Wenn Kouen in dieser düsteren Stimmung schwebte, alle Menschen, die nicht zur Familie gehörten aussperrte, konnte dies nur eines bedeuten: Er wartete darauf, seinen kleinen Bruder übers Knie zu legen. Dieser hatte es darauf natürlich nicht abgesehen. Verdient hatte er es sich heute auch nicht, fand er zumindest. Mit ein wenig Verspätung war bei ihm immer zu rechnen. Besonders bei einem ungestörten Frühstück unter Brüdern sollte dies doch keine Strafe verheißen, oder? Noch dazu konnte sein ungepflegtes Äußeres an diesem Morgen nicht den falschen Leuten auffallen, wenn niemand außer ihnen beiden anwesend war. Noch dazu gab es doch eigentlich nur seine feuchten Haare und Gewänder zu bemängeln, die in der Hitze umgehend trocknen würden, oder? Auf der Hut beobachtete Koumei den Älteren aus den Augenwinkeln. „Schönes Wetter heute, nicht?“, fragte er betont heiter, wobei ihm eher danach war, unter dem Tisch in sich zusammenzusinken. Und sich totzustellen. „Das nennst du schön?“, knurrte Kouen, dem die andauernde Hitze sichtlich zu schaffen machte, so oft wie er sich mit einem bestickten Taschentuch über die Stirn fuhr. Tja, wenn der respekteinflößende General sich unbeobachtet wähnte, legte er das starre und korrekte Gehabe ziemlich schnell ab. Wenn man aus dem angenehmen Klima Kous in diese Wüstenstadt kam, hatte man es eben nicht leicht. Der einzige Grund weshalb Koumei momentan noch nicht mit heftigen Schweißausbrüchen kämpfte war, dass seine Haare vor Nässe tropften. Schön erfrischend. Offensichtlich genügte Kouen der jämmerliche Versuch seines Bruders, eine harmlose Unterhaltung zu beginnen. Kein Wunder, für ihn zählten nur wichtige, weltbewegende Dinge. „Und wie kommst du mit der Arbeit voran? Wenn du dich schon tagelang nicht zeigst, wirst du hoffentlich etwas erreicht haben. Weißt du schon, wie wir am geschicktesten mit diesem Land verfahren?“, verlangte er zu wissen. Koumei stöhnte im Geiste. Er hatte grade einen Schwindelanfall sowie schmerzhafteste Foltern hinter sich und Kouen fragte ihn allen Ernstes nach seiner Arbeit? Die er gestern auch noch vernachlässigt hatte, weil ein unverschämter Hohepriester der Meinung gewesen war, dass er ihn stören musste? Hoffentlich lernte er aus seiner Strafe! Der Baum, in dessen Wipfel er Judar teleportiert hatte, war extra hoch gewesen. Gedankenverloren langte Koumei mit den Essstäbchen in eine der abgegrasten Schalen. Er schob sich ein paar in Essig eingelegte Paprikastreifen in den Mund. Leider hatte Kouen ihm nur wenige übrig gelassen. Der fruchtig-saure Geschmack zerging ihm so herrlich auf der Zunge, dass er genießerisch die Augen schloss. Hastig verschlang er die restlichen Gemüsestücke und kaute zufrieden. Wie gut es tat, endlich wieder etwas in den Magen zu bekommen. Zusammen mit dem kalten Tee ein Traum! Dann widmete er sich dem frischen Obst, welches zum Teil sicher aus ihrem Heimatland stammte. Eigentlich mochte er die Süße nicht besonders, doch bei Spezialitäten aus Kou wollte er heute nicht wählerisch sein. Endlich wieder etwas Vertrautes und keine seltsamen zusammengematschten Bröckchen aus Balbadd, welche die Leute stolz als Curry betitelten. Wie man einen Eintopf, der die Farbe von uralten, giftigen Abfällen besaß, als eines der Nationalgerichte bezeichnen konnte, eröffnete sich ihm noch heute nicht. In Kou gab es ähnliche Gerichte, aber sie wirkten deutlich appetitlicher… Doch zum Glück quälte man sie heute nicht mit der „Delikatesse“ des viel zu heißen Landes. Die getrockneten Birnen und Pflaumen aus Kou stellten einen Hochgenuss dar. Angetan verspachtelte er etwas Reis, der ohne jegliche Beigabe eigentlich langweilig schmeckte, doch wenn man kurz vor dem Verhungern gewesen war, gab es schlechteres. Zu guter Letzt widmete er sich abermals den Früchten. Er ging so sehr in dem Essen auf, dass er zusammenfuhr, als plötzlich eine schwere Hand auf seine Schulter donnerte. „Koumei! Ich habe dich etwas gefragt!“, brüllte Kouen zornig. Oh ja, mit dem zukünftigen Thronfolger war heute nicht gut Kirschen essen. Dabei schmecken die hier so gut…, dachte Koumei und spuckte einen Stein aus. Na gut, immerhin hatte Kouen offenbar mit dem Ausrasten gewartet, bis Koumei sich gestärkt hatte. Das musste man ihm zu Gute halten, es war keine Selbstverständlichkeit. Vielleicht sollte er sich dann langsam mal eine Antwort überlegen. „Ich denke, wir verfahren mit Balbadd nach dem üblichen Prinzip“, erklärte er schnell, um zu verschleiern, wie wenig er sich mit der Angelegenheit bis jetzt auseinandergesetzt hatte. Was war er nur für ein untüchtiger Berater für seinen ehrenwerten Bruder? Es war doch seine Aufgabe, ihn nach Kräften zu unterstützen! Stattdessen schlief er mitten bei der Arbeit ein, vergnügte, beziehungsweise stritt sich mit ihrem Magi und verhungerte beinahe. Kouen warf ihm einen genervten Blick zu. „Und wie stellst du dir das vor?“ „Mein königlicher Bruder, im Detail ist der Plan noch nicht ausgearbeitet, es ist ein wenig komplizierter, als erwartet, die bisherigen politischen und wirtschaftlichen Strukturen dieses Landes zu durchschauen. Dies wäre allerdings wichtig, um die optimalen Entscheidungen zu treffen. Ich schlage vor, dass wir uns in den nächsten Tagen oder vielleicht heute Nachmittag in dieser Angelegenheit erst einmal beraten, bevor ich mich wieder ausführlich damit beschäftige. In jedem Fall wäre es klug, das Land an Kou anzugleichen. Durch die Lage am Meer sollten wir uns ausführlicher mit dem wirtschaftlichen Teil befassen, vielleicht kann dieser uns von größerem Nutzen sein. Außerdem sollten wir zumindest die Hauptstadt, später möglicherweise auch den Rest des Landes, umstrukturieren, wie es sich in Rakushou bewährt hat. Demzufolge kommen wohl eine grundlegende Änderung des Stadtbilds und der Gesetze der Bevölkerung auf uns zu. Des Weiteren sollten wir dringendst daran arbeiten, die Erinnerungen an die vergangene Regentschaft unter dem alten Königshaus in Vergessenheit geraten zu lassen. Ein wenig falsche Propaganda wird dafür unabdingbar sein…“ Kouen hob zur Unterbrechung die Hand. Der Jüngere verstummte erleichtert. So viel zu sprechen strengte ihn an. Besonders am frühen Morgen. Prüfend musterte er seinen Bruder, der grade kritisch die Stirn runzelte. Oh nein! Bevor Koumei reagieren konnte, wurde er im Genick gepackt und zu Boden geworfen. Mit einem empörten Aufschrei prallte er auf die hölzernen Dielen. Bei den Rukh, waren die hart! „Lügner“, polterte der Ältere, „du hast dich kein bisschen mit Balbadd auseinandergesetzt, wie ich es dir befohlen hatte, sondern die ganze Zeit gefaulenzt!“ Jetzt benimmt er sich aber wirklich ungerecht. Schließlich habe ich mich auf seine Anweisungen hin nicht nur mit dem Land zu beschäftigen gehabt und in den ersten Tagen wirklich viel gearbeitet. Außerdem habe ich mir eben schon ein wenig Gedanken über Balbadd gemacht, also habe ich ihm keine besondere Lüge aufgetischt! Doch er konnte keine einzige Rechtfertigung hervorbringen, da Kouen ihm bereits seinen schweren Fuß auf den Bauch stellte. „Was stellst du dich immer so an? Sei nicht so schlaff, sondern ausnahmsweise mal etwas motivierter! Das hier ist eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit und du führst dich auf wie ein Kleinkind!“, bellte Kouen zornig. „Aber En-uff!“ Der Druck auf seinen Bauch wurde stärker. „Keine Ausreden, ich kann heute keine Lüge mehr ertragen!“ Koumei fürchtete bereits, sich gleich übergeben zu müssen. „Ich habe grade gegessen!“, winselte er, doch auch das brachte seinen Bruder nicht zu Vernunft. Mit einem unwilligen Knurren ließ er sich auf ihn fallen, was beinahe die köstlichen Speisen wieder aus Koumeis Magen herausbefördert hätte und versetzte ihm eine Ohrfeige, die sich gewaschen hatte. Kouens Ohrfeigen hatten sich immer gewaschen. Der Kopf des Jüngeren schleuderte zur Seite. „Au!“, schrie er, ohne auf Mitleid zu hoffen. Kouen meinte immer, ein bisschen rauerer Umgang würde selbst ihm nicht schaden. Tatsächlich lebte er immer noch, obwohl sich seine Brüder sein ganzes Leben lang immer wieder mit boshaften Absichten auf ihn stürzten und sich nie zurück hielten. „So und jetzt steh gefälligst auf, geh in deine Gemächer, bleib wach und arbeite endlich!“, fauchte der erste Prinz. Hätte er das nur vor dem Schlag gesagt. „Mein Gesicht ist verletzt, ich kann nicht mehr arbeiten“, stöhnte Koumei leidend und lag auf einmal vollkommen erschlafft unter dem Größeren. „Jetzt hör endlich auf zu lügen!“ Kouen schüttelte ihn grob, erfolglos. Wenn Koumei einmal im gekünstelten Koma am Boden lag, bekam man ihn nicht mehr so leicht an die Arbeit. Da Kouen jedoch mit den Macken des Jüngeren seit dessen Geburt vertraut war, wusste er genau, was ihnen Abhilfe verschaffte. Die Methode hatte sich schon unendlich viele Male bewährt. Zumindest in seinen Augen. Und auch wenn Koumei danach meistens noch antriebsloser wirkte, bereitete es Kouen wenigstens ein bisschen Spaß. Etwas, das er an einem stressigen, mit Pflichten angefüllten Tag gut gebrauchen konnte. Noch dazu konnte es niemandem ernsthaften Schaden zufügen und eignete sich somit viel besser als Schläge. Langsam, dafür umso bedrohlicher beugte er sich zu Koumeis Ohr hinab. „Vielleicht solltest du über deine Behauptung nochmal nachdenken“, flüsterte er mit Grabesstimme, „du weißt doch, wer im Ringen immer unterliegt und dann bis zur Besinnungslosigkeit durchgekitzelt wird…“ Keine Antwort. Koumei konnte es scheinbar kaum glauben, dass ihm solch eine kindische Strafe drohte. Da half nur noch rohe Gewalt. Mit einer blitzschnellen Bewegung packte er die Handgelenke seines kleinen Bruders, welche dieser grade von ihm wegziehen wollte, und presste dann beide mit einer Hand über dessen Kopf auf den Boden. „En!“, jammerte Koumei sofort und versuchte sich hektisch zu befreien, denn er wusste ganz genau, was jetzt passieren würde. Natürlich konnte er den großen Mann nicht abschütteln, nicht mit diesen kümmerlichen Muskeln. Schon als kleiner Junge hatte er nichts dagegen tun können, der ältere Bruder war immer stärker gewesen. Kouen würde mit ihm ringen, ihn zwicken und kitzeln, bis er nicht mehr konnte. Das hatte er immer schon gemacht, wenn Koumei widerspenstig war. Na gut, das Ringen würde heute wohl größtenteils entfallen, wenn er bereits unter ihm lag… So ein Pech, er hätte es wissen müssen! Wahrscheinlich hatte Kouen ihn nur zum Frühstück hierher befohlen, um an ihm seinen Frust auszulassen. Bei einem faulen Bruder gab es immer einen guten Grund für Prügel. Dabei hasste Koumei diese Raufereien! Nun gut, wer würde das nicht tun, wenn er immer verlor? Kouen kostete es noch nicht einmal große Anstrengungen, um ihn am Boden festzunageln. So sehr der Jüngere auch zappelte, er bekam nicht einmal seine Hände los. Sehr schlecht. Kouen nutzte die Gunst der Stunde, für ein paar Minuten unbeobachtet zu sein und piekte ihn fest in den Bauch. Sein Bruder bäumte sich fiepend auf, es kitzelte so sehr. Obwohl, eigentlich tat es fast schon weh bei dieser Kraft. Dann beschloss der erste Prinz eine seiner Lieblingsfoltermethoden anzuwenden. Koumei versuchte krampfhaft, seine Hände zu befreien, doch der Ältere packte sie nur noch fester, während er ihn unter den Achseln kitzelte. Was für ein unverschämtes Glück für ihn, dass Chuu'un Koumei grade noch gebadet hatte. „Kouen! Nein! Lass das!“, schrie er und zappelte verzweifelt. Seine Stimme klang beinahe panisch, denn er bekam kaum Luft. Das Lachen konnte er nur schmerzhaft unterdrücken. „Stell dich nicht so an, das ist noch gar nichts! Auf der anderen Seite kannst du es doch noch viel weniger ertragen!“, brummte ihm sein Peiniger schadenfroh ins Ohr. „S-Stimmt nicht- Ich bin da nicht mehr ki- Nein, nicht da!“, keuchte Koumei, als Kouen seine Drohung verwirklichte. „Lügen werden bestraft, Freundchen!“ Die Füße des zweiten Prinzen strampelten verzweifelt auf dem Boden. Nun lachte auch der Ältere, aber nicht zwanghaft, sondern weil er wie immer stolz auf sich war, Koumei plötzlich so wachgerüttelt zu haben. Mit den passenden Berührungen kam man bei ihm sehr weit. „Arbeitest du, wenn ich dich loslasse?“, erkundigte sich Kouen beiläufig, als er seine Finger flink wie eine Spinne über Koumeis Bauch krabbeln ließ. Bei den Rukh, das war das schrecklichste Gefühl auf der Welt! „Jetzt erst recht nicht!“ Der Jüngere wand sich jaulend, erwiderte den amüsiert funkelnden Blick dennoch trotzig. „Du schreist wie ein Mädchen“, prustete Kouen, „immer noch! Meine Güte, ist es lange her, dass ich mich so gehen lassen habe!“ Gut zu wissen. In Koumeis erzwungenes Lachen mischte sich ein Schnauben. Ja, lange her war es in der Tat. Wenn irgendein Außenstehender Kouens genüssliches Grinsen und seine offensichtlich gute Laune zu Gesicht bekommen hätte, wäre ihm dies wohl wie ein Weltwunder erschienen. Der erste Prinz zeigte niemandem seine heitere Seite, mit Ausnahme von Koumei, vielleicht auch mal Kouha, der dann immer als Komplize auf dem schwächsten der drei Brüder herumhacken durfte. Eigentlich stellte dies keine gute Methode dar, um einen kleinen Jungen, der ohnehin zu Gewaltausbrüchen neigte, zu erziehen. Egal, die Zeit dafür war bei Kouha längst verstrichen. Was nützte es, sich deswegen Vorwürfe zu machen? Koumei wollte nur noch zurück ins Bett. Er konnte nicht mehr. „Willst du dich deinem großen Bruder widersetzen?“, knurrte Kouen drohend. „N-Nein!“, schrie Koumei und schüttelte panisch den Kopf, als Kouen sich für einen winzigen Moment von ihm erhob. Dafür packte er ihn bei den Schultern und warf ihn auf den Bauch. Oh nein! Das durfte nicht wahr sein! Um Gnade flehend krallte sich der zweite Prinz in einer der Lücken zwischen den Dielen fest und versuchte sich von ihm fortzuziehen. Zu langsam. Kouen packte seine austretenden Beine und hielt sie in einem eisernen Schraubstockgriff gefangen. „Bitte! Tu das nicht!“, röchelte Koumei, doch sein Bruder zwickte ihn zur Strafe nur in den Unterschenkel. „Auauauau…!“, wimmerte er und kringelte sich zusammen, was mit einem ungehaltenen Grunzen quittiert wurde. Kouen mochte es nicht, wenn er Laute der Hilflosigkeit ausstieß, weil dies mögliche Zuschauer anlockte, aber egal wie oft sie bereits miteinander gerungen hatten, nie hatte Koumei seine Schreie unterlassen. Selbst als lange erwachsener Mann nicht. Er hatte ja auch allen Grund dazu. Irgendwie schaffte es der Jüngere plötzlich, auf die Knie zu kommen. Aufbegehrend schlug er nach Kouen. Spöttisch lächelnd packte ihn dieser am Kragen und stieß ihn wieder auf den Boden zurück, wo er in hektisches Betteln ausbrach: „Hör auf, das überlebe ich nicht! Bitte! Verschone mich, ich tue auch alles was du willst!“ „Ich habe nicht mal angefangen!“, feixte der andere. Er war nicht so dumm, seinem kleinen, heimtückischen Bruder zu glauben. Man musste ihm schon zeigen, wer der Herr im Palast war. Provozierend langsam zog er ihm die spitzen Schuhe von den Füßen. „Das geht nicht! Ich habe Fußpilz, üüüberall! Du steckst dich nur an!“, fiepte Koumei, sobald er Kouens Fingerspitzen an seinem Fußballen spürte. „Lügner!“, brüllte Kouen ihn an und verpasste ihm eine heftige Kopfnuss. Er kannte keine Gnade. Na gut, er konnte ja selbst sehen, dass mit Koumeis Füßen alles stimmte. Dieses schreckliche Kribbeln machte den Jüngeren wild. Schreiend krümmte er sich zusammen, um gleich darauf nach einem rettenden Stuhlbein zu haschen. Das Lachen explodierte in seiner Kehle, schüttelte seinen dürren Körper. Er brauchte dringend etwas zum Festhalten, dann könnte er sich vielleicht endlich dem vernichtenden Griff entziehen. Sein Leben hing davon ab! Er konnte so nicht atmen! Doch Kouen schlug den Stuhl beiseite, sodass er krachend auf den Dielen aufschlug. „Wag es ja nicht!“, zischte er. Koumei stemmte sich verzweifelt auf, doch Kouen nahm in sofort in den Schwitzkasten. Als die Gegenwehr des Jüngeren erlahmte, rief der andere grollend aus: „Der Unhold ist besiegt!“ „Der Unhold ist eher zerquetscht“, krächzte Koumei. „Hätte nie gedacht, dass du als pflichtbewusster und erwachsener Kaisersohn dich solch kindischem Vergnügen hingibst oder deinen Sieg so laut herumposaunen würdest!“ „Klappe!“, blaffte der Ältere und versetzte ihm einen warnenden Knuff, bevor er sich wieder seinen nackten Fußsohlen zuwandte. Die erbarmungswürdigen Schreie des zweiten Prinzen hallten durch die gesamte Residenz. „Beruhig dich doch endlich, sonst kreischt du auch nicht so laut! Du hast dir das alles selbsteinge-“ Auf einmal zuckte er zusammen. Der verdutzte Koumei konnte gar nicht reagieren, so schnell hatte er von ihm abgelassen. „Alles in Ordnung, eure Hoheiten?“, drang die Stimme eines Wachmanns durch die Halle. Kouen schnellte in die Höhe. Trotz seiner zerzausten Haare und den verrutschten Kleidern richtete er sich kerzengrade auf. „Selbstverständlich!“, polterte er erzürnt. Doch Koumei konnte hören, wie peinlich es ihm war, beim Raufen mit seinem jüngeren Bruder erwischt zu werden. Kein Wunder, der Ältere bemühte sich immer um den Respekt ihrer Untergebenen. Etwas mühsam Erarbeitetes wollte er nicht wegen solch einem kindischen Ringkampf verlieren, da er nicht den Eindruck vermitteln wollte, im Zwist mit seinem Bruder zu liegen. Der Kopf des ersten Prinzen glühte feuerrot, fast wie sein Haar und seine Augen. Tja, selbst schuld. Erleichtert robbte Koumei aus der Reichweite des anderen und blickte zur Tür, wo zwei Wachen mit gezückten Schwertern, sowie Chuu'un mit seinem Dolch standen, als gelte es einen mordenden Einbrecher zu fassen. Nun ja, mit einem Einbrecher konnte er nicht dienen, aber mit einem lebensgefährlichen Bruder schon… Der tödliche Blick mit dem er die drei Diener bedachte, flößte einem wirklich Angst ein. „Was habt ihr hiervon gesehen?“, fragte er laut und die Männer zuckten unwillkürlich zusammen. Koumei sah vor seinem inneren Auge schon, wie Kouen in seiner Dschinnausstattung auf die armen Kerle losging. Immerhin weiß sich Chuu'un dagegen zu wehren, dachte er in einem Anflug von Stolz, während er versuchte, seinen hektischen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Bei den Rukh, was hatte sein Bruder mit ihm angestellt?! Völlig erschlafft lag er im Speisesaal und konnte nur noch beobachten, wie der Ältere seine eigenen Untergebenen bedrohte. Chuu'uns Blick fiel unterdessen mit unverhohlenem Schrecken auf ihn. Na großartig, jetzt musste er auch noch seinen überbesorgten Vasallen beruhigen! *~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)