Was die Hitze des Sommers nicht alles bewirken kann... von Mondsicheldrache (The Vessel and the Fallen 1) ================================================================================ Kapitel 22: Fieber ------------------ *~* * Zaghaftes Sonnenlicht durchdrang schwächlich den dichten Nebel. Die wabernden Schwaden verschleierten die Bäume und Sträucher des Gartens, hüllten das schlafende Anwesen in ungewisses Schweigen. Nur hie und da hätte ein wachsamer Betrachter die einsamen Wipfel der Kiefern erahnen können, die schwächlich um Beachtung rangen. Tautropfen hingen an den Gräsern und hätten den Saum jedes Gewandes, das über sie gestrichen wäre in wenigen Momenten durchnässt. Doch niemand regte sich an diesem stillen Tagesbeginn, mit Ausnahme einiger Wildtauben, deren sanftes Gurren nur ab und an erklang, als wären die Tiere noch schlaftrunken. Der kühle Morgendunst erstrahlte unter den gedämpften Sonnenstrahlen, zarte Vorboten des bald bevorstehenden Herbstes. Sie schienen sanft durch die papiernen Fenster, umgingen die geschnitzten Holzgitter und zeichneten ein verschlungenes Muster auf die unberührten Holzdielen am Boden des Zimmers. Schließlich wanderten sie durch den Raum, bis sie warm das mächtige Bett, in dessen Mitte eine einsame kleine Gestalt lag, beschienen. Koumei schlug träge die Augen auf, sobald die vorsichtige Sonne sein Gesicht erwärmte. Er hüstelte trocken und blinzelte schwach gegen die plötzliche Helligkeit an. Der Schlaf hielt ihn noch flüchtig umfangen. Verträumt starrte er durch eine zerrissene Papierbahn auf den dicken Nebel, der bald gänzlich von der Sommerhitze getilgt werden würde. Doch noch trübten die Schleier die Luft und nahmen ihr die Schärfe. Es musste noch sehr früh sein, für gewöhnlich bekam er einen derartig friedlichen Anblick nicht zu Gesicht. Wie schön es wäre, wenn die ganze Welt für immer in dieser gedämpften Stimmung verharren würde. Diese himmlische Ruhe… zu schön, um wahr zu sein. Irgendwann stahl sich ein leises Gähnen über seine Lippen. Er fühlte sich merkwürdig gut. Beinahe ausgeruht. Seine Glieder waren unerwartet leicht, als würde er schweben. Die Bettlaken schmiegten sich angenehm um seinen überraschend nackten Körper. Wie zufällig strich er sich mit der linken Hand eine vorwitzige Strähne aus der Stirn. Verwundert zog er sie zurück. Seine Armbänder klirrten nicht mehr um seine Handgelenkte, sondern lagen auf dem Nachttisch, zusammen mit einem Bündel vertrockneter Blüten und Blätter. Nur sein Ohrring, den er später verlieren sollte und dennoch viel später erst ersetzen würde, pendelte unschuldig an dem vorgesehenen Ort. Plötzlich blitzte eine drängende Erinnerung im hintersten Winkel seines Geistes auf. Schob sich unbarmherzig vor seine Augen und schlagartig verschwand die angenehme Täuschung. Er fühlte sich alles andere als gut oder gar zufrieden: Ein einziger, schwerer Gedanke verdrängte das sedierte Gefühl der Schwerelosigkeit. Hakuren. Er war fort. Gegangen, ohne sich zu verabschieden. Der Prinz hatte ihn still und heimlich verlassen, ebenso verstohlen wie er gekommen war. An seiner Stelle blieb nur eine nichtzufüllende Leere. Dabei brauchte er ihn so dringend. Warum? Sein Herz pochte schmerzhaft in seiner Brust. Bereits jetzt, wo sie grade einmal ein paar Stunden voneinander getrennt waren, kam es ihm wie eine unerträgliche Ewigkeit vor. Dabei erinnerte sich sein Körper noch mit allen Sinnen an ihn. Hörte seine liebevolle raue Stimme, das freudige Grinsen. Schmeckte ihn auf der Zunge, roch seinen vertrauten, lederartigen Duft auf der Haut, sah die vereinzelten, bläulich verfärbten Male, die zu ekstatische Berührungen darauf hinterlassen hatten. Und natürlich spürte er, wenn er sich daran erinnerte, den leicht ziehenden Schmerz, der nach der letzten Nacht noch nicht völlig verschwunden war. Aber vor allem dachte er unaufhörlich an Hakuren. Konnte seinen Geist keinen Augenblick von dieser schrecklichen Sehnsucht, in seiner Nähe sein zu wollen, befreien. Wahrscheinlich hätte er ihm böse sein müssen, weil er ihm gestern entgegen seinem Versprechen diese Schmerzen bereitet hatte, die immer noch nachwirkten. Doch es ging einfach nicht. Gott, er bereute es nicht einmal. Schämte sich plötzlich kein bisschen mehr, obwohl er verbotenerweise statt mit dieser hinterhältigen Haremsdame mit dem zweiten Prinzen geschlafen hatte und in der Nacht solche Zweifel gehegt hatte. Nun war diese Angst nicht viel mehr als eine lächerliche Erinnerung. Es war so viel wertvoller gewesen, Hakuren so überwältigend nahe zu sein, als ihn zurück im Palast zu wissen, da vergaß er bereitwillig, wie unangenehm es sich anfangs und vor allem am Ende angefühlt hatte. Ja, er liebte ihn viel zu sehr. Hatte sich davon hinreißen lassen und das Denken aufgegeben, nur für den Älteren, der nun bereits im kaiserlichen Palast angelangt sein musste. Plötzlich besann er sich auf das, was Hakuren ihm geraten hatte. Er sollte sich waschen gehen. Am besten gleich, sonst würde er nur den Dienerinnen über den Weg laufen. Wenn sie ihm beim Baden behilflich wären, würden sie alles sehen, dachte er unbehaglich. Das durfte nicht geschehen. Sie mochten ja nur verwunderte Blicke tauschen, aber über kurz oder lang würde sein Vater es erfahren. Vielleicht würde er zufrieden sein und annehmen, dass er und Kali sich bestens verstanden hatten, aber sobald diese Dämonin irgendein falsches Wort aussprach, wäre Koutoku außer sich vor Zorn. Koumei erschauderte vor Angst. Er musste schleunigst aufstehen und diese verräterischen Spuren so gut es ging abwaschen. Aber er wollte nicht. Ohnehin richteten Wasser und Seife nichts gegen Blutergüsse aus. Obwohl er selbst bemerkte, dass ein Bad dringend nötig war, graute es ihm davor. Hakurens Geruch hing überall an ihm, wie eine zweite Haut. Haftete auch an seinem Haar, dass der Prinz so sehr mochte. Diesen Duft konnte er nicht einfach abspülen. Er war sich sicher, dass damit auch ein Teil seiner Erinnerungen verloren gehen würde. Vor allem aber würde er damit ihren Abschied endgültig besiegeln und sich damit abfinden, Hakuren künftig nur noch aus der Ferne oder zu streng formellen Anlässen zu sehen, wo sie höchstens einen flüchtigen Blick tauschen konnten. Dabei fühlte er sich derart schmutzig und verklebt, dass er es um ehrlich zu sein kaum abwarten konnte, in einen Badezuber zu steigen. Eine traurige Seltenheit. Er wünschte, er könnte diese Erinnerung an ihr inniges Verhältnis noch einige Zeit mit sich herumtragen. Doch ihm blieb keine Wahl. Er musste fürchterlich aussehen. Als er sich aufsetzte, schoss ein scharfes Ziehen durch seinen gesamten Leib. Sein Rücken protestierte. Sofort bemerkte er wieder, dass dieses gute Gefühl nach dem Aufwachen ein einziger Trugschluss war, doch er schlug die raschelnde Decke zurück und schwang die Beine über die Bettkante. Wenn er jetzt weiter faulenzte, würde er heute nie mehr irgendetwas schaffen. Jedoch: Kaum war er regelrecht aufgesprungen, knickten seine Knie wieder ein. Jedes einzelne Glied wurde plötzlich unerträglich schwer. Erschrocken sog er die Luft ein und sie rasselte erstaunlich rau in seiner Lunge. Mit einem Mal begann sein Hals höllisch zu kratzen, doch ein röchelndes Husten konnte es nicht vertreiben. Ein heftiges Pochen gellte in seinem Schädel. Rasender Schwindel warf ihn regelrecht zu Boden. Sein Magen krampfte sich zusammen. Wieder und wieder. Er würgte. Erstickte beinahe unter den Krämpfen. Doch das einzige, was herauskam, war bittere Galle, die ihm beinahe den schmerzenden Hals verätzte. Kein Wunder, er hatte gestern kaum gegessen. Alles an ihm schien auf einmal so schwach und kraftlos. Zitternd kauerte er sich neben dem Bett zusammen, die Hände gegen die berstenden Schläfen gepresst. Sie waren so heiß. Panik wallte in ihm auf. Der widerliche Geschmack in seinem Mund zwang ihn zu erneutem Würgen, obwohl es nun erst recht nichts mehr gab, das er hätte erbrechen können. Wieder ergoss sich grünliche Flüssigkeit auf den Boden. Durch den beißenden Gestank wurde ihm noch schlechter. Tränen rannen über sein verschwitztes Gesicht. Die Bodendielen verschwammen vor seinen Augen und schon lag er röchelnd auf der Seite. Geschwächt zog er sich von dem Erbrochenen fort. Was war mit ihm los? Wieso fühlte er sich von jetzt auf gleich derart schlecht? Hatte ihm gestern vielleicht wirklich jemand Gift in den Pflaumenwein gemischt? Nein, unmöglich, dann hätte er die Nacht vermutlich nicht einmal mehr erlebt. Noch einmal krümmte sich sein Körper zusammen, doch dieses Mal erbrach er nichts mehr. Erleichtert rieb er sich über die nassen Augen. Er musste schleunigst baden, besonders jetzt, wo er sich derart widerwärtig fühlte. Aber wie sollte er in diesem Zustand den Weg über die langen Korridore schaffen, geschweige denn Wasser herbei schleppen? Koumei graute es bei diesem unmöglichen Gedanken. Ihm blieb keine andere Wahl, als es zu versuchen, wenn er nicht wollte, dass sein Vater ihn in der Luft zerfetzte. Quälend langsam tastete er nach der zerknitterten Festrobe und zog sie sich über den Kopf. Wischte sich mit dem teuren Ärmel Speichel und Erbrochenes aus den Mundwinkeln, doch er kümmerte sich nicht darum, hatte schlimmere Sorgen als ein bisschen Seide. Er musste ein abstoßendes Bild liefern, doch er konnte es nicht ändern. Alleine der Weg zur Schiebetür zwang ihn bereits wieder auf die Knie. Bei jedem Schritt hämmerte es in seinem Kopf und der Schwindel machte ihn fast blind. So kroch er mehr aus seinen Gemächern heraus, als zu gehen und zog sich mit rasselndem Atem auf den menschenleeren Flur. Später konnte er nicht sagen, wie er überhaupt den Weg zum Baderaum gefunden hatte. Jedenfalls hatte er unheimliches Glück, dass die Wanne noch gefüllt war. Im ganzen Stress, den die Feier verursacht hatte, hatten die Dienerinnen wohl vergessen, sie auszuleeren. Das schmutzige Wasser, das noch von seinem gestrigen Bad übrig geblieben sein musste, glänzte zwar vor Seifenresten, doch für seine Zwecke würde es ausreichen müssen. Schwerfällig schob er die verunstaltete Robe beiseite und schaffte es irgendwie, sich in den Zuber hineinzuhieven. Abgezehrt schlug sein Kopf gegen den Wannenrand, doch er spürte es kaum. Sofort überfiel ihn eisiger Schüttelfrost. Das lauwarme Nass leckte an seinem nackten Körper, als wolle es ihn verschlingen. Wie leicht es jetzt wäre, sich in das verlockende Wasser zu legen, bis er einatmen musste und dann die schmutzige Flüssigkeit in die Lunge strömen zu lassen… Der verstörende Gedanke erschreckte ihn kaum, zu traurig war er über Hakurens Weggang. Außerdem konnte er sich kaum mehr auf irgendetwas besinnen mit diesen heftigen Migräneanfällen. Nur mit größter Selbstbeherrschung schaffte er es, ein Stück abgebrochene Kernseife vom Boden aufzuheben und sich mehr schlecht als recht damit einzureiben. Dann jedoch schrubbte er seine Haut mit einem Mal so verbissen, als wollte er sie abreißen, obwohl seine zitternden Arme protestierten. Tauchte den Kopf unter und versuchte, sein zerwühltes Haar zu waschen. Dann hielt er es nicht mehr aus. Er fühlte sich nicht mehr lebendig und das hatte nichts mit der langen Nacht zu tun. Die gestrigen Schmerzen hatte sein Körper noch lange nicht vergessen, aber das schwache Ziehen war nichts im Gegensatz zu diesem tödlichen Pochen in seinem Kopf, welches ihn schließlich aus dem Zuber trieb. Frierend und schwitzend zugleich hüllte er sich in das schmutzige Festgewand. Er konnte nicht mehr. Schaffte es nicht einmal mehr, sich abzutrocknen. Egal, der Spätsommer würde sich spätestens zur Mittagstunde in seiner ganzen warmstrahlenden Pracht offenbaren und diese Arbeit für ihn erledigen. Tropfend schob Koumei sich Stück für Stück auf die hohe Tür zu. Dann langsam, Schritt für Schritt über den Gang. Abbiegen. Ein paar Schritte noch. Links. Rechts. Nächster Flur, nur noch zwei Korridore. Zwei zu viel. Er brach ohne Vorwarnung zusammen. Der rote Teppich war erstaunlich hart. Seine nassen Haare klebten an seinem Gesicht, seinem Nacken, seinem Rücken wie rote Algen. So kalt. Der Stoff um seinen bloßen Körper war viel zu dünn. Es musste bereits heiß draußen sein, doch das einzige, das sich wirklich warm anfühlte, war seine Stirn. Bellender Husten schüttelte ihn. Sein Hals brannte, nicht nur von der Gallenflüssigkeit und der Magensäure. Er musste sich eine Krankheit eingefangen haben, eine andere Erklärung gab es nicht. Woher auch immer sie stammte… Es erklärte, zusätzlich zu all der Aufregung, warum er gestern so verunsichert und erschöpft gewesen war. Ach ja, und warum er geheult hatte wie ein Schlosshund. Egal, du kannst es ohnehin nicht ändern… Schließlich rollte er sich zu einem leblosen Bündel zusammen. Oh Ren, dachte er, geht es dir jetzt ebenso miserabel? Hoffentlich nicht. Wärst du doch noch hier gewesen, als ich erwacht bin! Komm zurück… So verbrachte er einige Zeit schlotternd und fiebernd an die Wand gepresst in dem Korridor. Vielleicht nur ein paar Minuten, vielleicht mehrere Stunden. Es kümmerte ihn nicht mehr. Seine Gedanken wurden wirr und trösteten seine verletzten Gefühle auf eine merkwürdige, betäubende Weise. Sollte ihn doch jemand hier finden, egal. Nun konnten sie sich gerne wundern, weshalb er ohne die Hilfe seiner Dienerinnen gebadet hatte. Seine Glieder versteiften sich. Vor sich hin dämmernd stierte er mit blutunterlaufenen Augen an die gegenüberliegende Wand, ab und zu von krächzendem Husten abgelenkt. Bald schmerzten seine Brust und seine Lunge. Was kümmerte es ihn? Er fühlte sich viel zu schlecht, um jetzt noch aufzustehen. Mit leerem Blick lag er da und hoffte auf den rettenden Schlaf. Bis harte Schritte den Boden zum Singen brachten. „Koumei! Wo steckst du?!“, polterte die mächtige Stimme seines großen Bruders durch das Anwesen. Zorn schwang in ihr mit, doch es ließ den Kleineren kalt. Was ging es ihn an? Leises Klirren begleitete die bebenden Dielen, als Kouen um die Ecke bog, wo er erstaunt verharrte. Eine Gestalt wie eine purpurrote Flamme, beinahe furchteinflößend. Selbst im Haus trug er einen Teil seiner Rüstung, lebte dort sein Dschinn Agares. Natürlich hing auch das Schwert, Gefäß von Astaroth, welches er einst von Hakuyuu erhalten hatte, an seinem Gürtel. Dementsprechend vernahm man sein Herannahen schon von weitem, erkannte ihn am Klirren des Metalls. Niemand hätte bei diesem kriegerischen Anblick vermutet, dass Kouen sich seit seinem fünften Lebensjahr mit fanatischem Eifer auf jegliche Überlieferung über die Geschichte ihrer Welt stürzte, als gäbe es kein Morgen mehr. Koumei hustete. Nur verschwommen nahm er wahr, wie der Mann sich aus seiner Starre befreite und auf ihn zu schritt. „Ist das dein Ernst?!“, brüllte es, wie Koumei die donnernde Stimme allzu oft gehört hatte. In Rage, genervt und bitterböse, auch wenn es einfach die spezielle Art seines großen Bruders war. Spitze gelbe Schuhe machten vor ihm Halt und stießen ihn ungehalten an. Koumei rührte sich nicht. Für gewöhnlich hätte er aufgeschrien oder empört gejammert, denn Kouen besaß viel Kraft und verhielt sich ebenso erbarmungslos. Vielleicht hätte er sich sogar zu einem seltenen Gegenangriff durchgerungen. Nun allerdings schwieg er ermattet. „Deine Lügen und dein erbärmliches Schauspiel sind sinnlos. Erhebe dich!“, schnaubte sein Bruder. „Was ist das für ein unwürdiges Verhalten? Du kannst hier nicht ewig herumliegen und schlafen! Als vollwertiger Mann musst du bestimmte Pflichten erfüllen! Vater erwartet dich!“ Normalerweise wäre ihm sofort eine gequälte Ausrede entgegengesprungen, doch sie blieb aus, man hörte nur angestrengtes Ein- und Ausatmen. Plötzlich schien Kouen zu begreifen, dass Koumei ihm nichts vorspielte. Die untypischen Reaktionen verrieten ihm, dass etwas nicht stimmte. Seufzend, aber nun ehrlich besorgt, ließ er sich neben seinem Bruder auf die Knie sinken. „Koumei, geht es dir wirklich nicht gut?“, fragte er, wobei man ihm anhören konnte, dass er für gewöhnlich keinen Nerv dafür besaß, Fürsorge walten zu lassen. Mochte er auch noch so angestrengt versuchen freundlich und verständnisvoll zu klingen, er musste erst einmal sein bedrohliches Knurren ablegen. Der kleine Bruder wollte antworten, doch die heiseren Worte erstickten in einem vernichtenden Hustenanfall. „Wie lästig“, seufzte Kouen. Koumei blickte schwach zu ihm hinauf. Eine tiefe Falte erschien auf der Stirn des Größeren. Offenbar gefiel es ihm gar nicht, ihn in dieser wehrlosen Lage vorzufinden. „Kannst du laufen?“, fragte Kouen streng. Der Jüngere verneinte kaum merklich. Sofort wurde er am Arm gepackt und auf die Beine gezogen. Augenblicklich kehrte der Schwindel zurück. Seine Beine brachen unter ihm weg. „En… ich schaffe das nicht…“, ächzte er entkräftet. Der ältere Bruder schwieg. Seine roten Augen flackerten nun tatsächlich besorgt, schließlich war sein einziger richtiger Bruder überaus wichtig für ihn, auch wenn er ihm oftmals mehr Mühe als Nutzen bereitet hatte, bestand eine überaus feste Bindung zwischen ihnen. Nur ließ sich diese eher selten erahnen, wenn man das Wesen des Älteren nicht kannte oder den Jüngeren wahrlich für schwach und hilfsbedürftig hielt. Kouen war eben ein Raubein, aber nun wollte er nur noch seinem kleinen Bruder helfen, das erkannte Koumei sofort und es erfüllte ihn mit tiefer Ergebenheit. Vorsichtig legte sich Kouen Koumeis linken Arm über die Schultern und stützte ihn mit der freien Hand. Sein schwerer Kopf ruhte nun matt an dessen Schlüsselbein. Es erinnerte ihn verschwommen an ferne Kindheitstage, wo er sich im Stoff der Robe seines großen Bruders festgeklammert oder das Gesicht an seiner Brust vergraben hatte, im Glauben die Gäste ihres Vaters würden ihn nicht sehen, wenn er selbst nur Schwärze erblickte. Lange war er Kouen nicht mehr derart nahe gewesen. Ein seltsames Gefühl. Vertraut und fremd zugleich, dessen altersbedingte Stärke und die gestählten Muskeln zu spüren, wo früher nur Haut und Knochen gewesen waren. Er roch nach poliertem Metall und scharfen Kräutern, nach Stärke, Macht und Kompromisslosigkeit. Ganz anders als damals, wo sein Geruch noch ein Zeichen von Geborgenheit gewesen war. Nun erinnerte er Koumei eher an dessen hohe Position und an die eigene Pflicht seinen älteren Bruder ein Leben lang zu unterstützen. „Na komm schon, so schwer ist das doch gar nicht“, brummte Kouen versöhnlich und schob ihn ungewohnt behutsam nach vorne. Sehr langsam bewegten sie sich über den Gang. So anstrengend. Keuchend lehnte Koumei sich noch mehr gegen ihn und war unendlich erleichtert, dass Kouen ihm anbot, sich vollkommen von ihm führen zu lassen. Endlich schob der Ältere die Tür zu Koumeis Gemächern auf. Der Gestank von Erbrochenen hing noch immer ungemindert in der Luft. Kouen ignorierte ihn, auf dem Schlachtfeld hatten sie alle bereits Übelkeit erregendere Dinge gerochen. Erstaunlich vorsichtig half er seinem Bruder, die Kleidung abzustreifen und sie gegen Saubere auszutauschen, wobei Koumei müde befürchtete, dass er irgendetwas bemerken würde, was er anscheinend nicht tat und wenn, dann verlor er kein Wort darüber. Kouen drängte ihn sanft, sich in das Bett zu legen, rückte die Kissen zurecht und zog ihm die Decke bis zum Kinn hoch. Dann schritt er zu einem kleinen Beistelltischchen und schenkte ihm einen Becher Wasser aus einer stets bereitstehenden Karaffe ein. Auch wenn das Schlucken schmerzte, das kühle Nass half. Nur seinem pochenden Schädel nicht. Er fühlte sich an, als würden die Rukh, die angebliche allen Dingen innewohnten, darin nur so umher toben. Trotzdem linderte es den Schwindel ein wenig. Dankbar zwang Koumei ein trübes Lächeln auf seine Züge. Wie merkwürdig, den sonst so rauen Bruder derart fürsorglich zu sehen. Der Rothaarige fühlte sich seltsam. Geborgen und verloren zugleich. Alleine und behütet. „Was hast du denn?“, erkundigte sich Kouen pflichtbewusst. Als er Koumeis heiseren Bericht hörte verzog er sorgenvoll das Gesicht. Eine große Hand legte sich prüfend auf seine glühende Stirn. „Das klingt, als hättest du noch lange etwas davon. Am besten bleibst du für die nächste Zeit in deinem Zimmer. Du musst dich erst einmal auskurieren. Verwunderlich ist es nicht, du bist nicht der einzige, der fiebert. Die drei Gesandten aus Reim sind ebenfalls unpässlich. Hattest du gestern oder davor Kontakt zu ihnen?“ Wenig überrascht überlegte Koumei. Auch ihre Gäste kränkelten? Dann war es klar, dass jemand aus ihrer Familie sich angesteckt hatte. Besonders sein Vater und er schienen keinerlei Abwehrkräfte, was fremdländische Krankheiten anging, zu besitzen. „Ein paar Mal. Sie haben mir reimanischen Wein geschenkt. Möchtest du ihn haben, Bruder?“, keuchte er, doch Kouen machte eine wegwerfende Handbewegung. Da die Ursache nun scheinbar geklärt war, interessierte er sich wenig dafür. Stattdessen meinte er verstörend unverblümt: „Koumei. Ich muss dich etwas fragen. War unser Cousin Hakuren gestern Nacht bei dir?“ Der Jüngere erstarrte. Vor Schreck vergaß er beinahe die Schwäche. Fieberhaft jagten die Gedanken durch seinen eben noch trägen Geist. Wie bei allen Rukh dieser Welt hatte Kouen Hakuren entdeckt? Wusste er noch mehr? Verdammt, Koumei durfte sich jetzt auf keinen Fall etwas anmerken lassen. So neutral und wahrheitsgemäß wie möglich antworten. „Ja… er hat mir sein Geschenk vorbeigebracht“, nuschelte er und deutete nach draußen. Stirnrunzelnd folgte Kouen seinem Fingerzeig und begab sich ins Freie. Das, was Koumei sagte, stimmte sogar. Der Fächer musste immer noch auf der Terrasse liegen. Nun, wo sein Bruder für einen Moment beschäftigt war, überlegte er fieberhaft, wie er weiterhin reagieren sollte. Zum Glück klang seine Stimme wegen diesen Halsschmerzen ohnehin heiser, da fiel sein Zögern kaum auf, aber sicher fühlte Koumei sich nicht. Kouen wird einen vollkommen harmlosen Grund für seine Frage haben, beruhige dich! Nein, er weiß mehr. Schließlich liegt es ihm im Blut, Geheimnisse aufzuspüren. Plötzlich ging Koumei mit aller Deutlichkeit auf, wie unbedacht und gefährlich sie sich letzte Nacht verhalten hatten. Warum hatte er sich überhaupt auf diese Dummheit eingelassen? Weshalb musste Hakuren auch so unvorsichtig gewesen sein, wahrscheinlich hätte er ihn sogar verletzen können. Wie dämlich sie gewesen waren, denn wenn sein Bruder irgendetwas merken würde, würde er Hakuren mit Sicherheit umbringen, egal ob zwischen ihnen Freundschaft und Familienbande bestanden, vor allem weil er jetzt sah, wie schlecht es Koumei ging. Hoffentlich konnte er sich irgendwie aus dieser unangenehmen Situation herauswinden. Dann erschien Kouen tatsächlich mit dem Fächer in der Hand, legte ihn auf dem Beistelltisch ab und überlegte wohl, wie jemand auf die dumme Idee kommen konnte, einem jungen Mann wie Koumei, der sich nicht sonderlich um Prunk scherte, einen goldenen Fächer zu überreichen. Der Ältere verzog nachdenklich das Gesicht. „Seltsam, ich hätte erwartet, dass er dir etwas anderes schenkt.“ Der rote Blick durchdrang ihn prüfend. Jeder, der Kouen nicht kannte, wäre furchtsam erzittert. Koumei hingegen zwang sich mit letzter Kraft zu einem müden Lächeln. Dabei fürchtete er, dass ihr verbotenes Geheimnis jeden Moment ans Licht käme. „Wirklich Bruder? Woher weißt du überhaupt von seiner gestrigen Anwesenheit?“, hauchte er. Kouen knurrte einschüchternd: „Das mit dem Geschenk ist nicht von Belang. Heute früh wurde ich plötzlich wach und beschloss an die kühle Luft zu gehen, bevor die Hitze unerträglich wird. Als ich meine Gemächer verließ, stieß ich mit dem zweiten Prinzen zusammen, der verdächtig gehetzt wirkte. Darüber hinaus hat er, wie du weißt, gestern Morgen unser Anwesen verlassen. Nun fragen sich die Wachmänner auf welchem Wege er ungesehen hinein gelangt ist. Gibt es da vielleicht noch etwas, das du mir anvertrauen möchtest, Koumei?“ Erschrocken blinzelte der Angesprochene. Das durfte nicht wahr sein! Hakuren hatte es allen Ernstes geschafft, Kouen in die Arme zu laufen? Dann auch noch so eindeutig? Wie konnte er seinen Bruder nach dieser Begegnung nur in Sicherheit wiegen, ohne allzu offensichtlich zu lügen? Es gab da nichts, dass er ihm sagen könnte. „Nein“, stieß er also hervor und blickte in die skeptisch verengten Augen seines Bruders, die irritiert zu Hakurens verkrümmtem Blumendurcheinander hinüber huschten. Weshalb lagen sie bloß immer noch derart offensichtlich da? Wie gelähmt wartete er auf Kouens Entgegnung. „Bist du dir sicher? Hakuren erschien die letzten Tage beim Schwertkampf so abwesend. Er ist seit jeher vernarrt in dich, kein Wunder, dass er unbedingt zu deinem Geburtstag kommen wollte. Ich habe das untrügliche Gefühl, dass deine Verfassung nicht nur des Fiebers wegen schlecht ist.“ Verdammt… Seine Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten, Kouen war nicht blöd. „E-Es ist alles bestens, Bruder Kouen“, wehrte er ab. Lange hielt er dieses Verhör nicht mehr durch. Sein Kopf flirrte vor Schmerzen und seine Glieder schrien nach heilendem Schlaf. Bitte, glaub mir nur ein einziges Mal! Kouen schnaubte: „Alles ist bestens? Offensichtlich ist dem nicht so, aber das wird bald der Vergangenheit angehören. Ich lasse nach einem Arzt und einigen Dienern schicken, die den Boden reinigen. Außerdem werde ich Vater wohl oder übel ausrichten müssen, dass du nicht in der Lage bist, an deiner ersten Militärbesprechung als vollwertiger Erwachsener teilzunehmen. Bedauerlich, aber nicht zu ändern.“ Koumei seufzte erleichtert und müde. Gut, das Ergebnis des kurzen Verhörs war mehr als erträglich: Kouen ging nicht weiter auf Hakuren ein und Koumei würde nicht an Lagebesprechungen teilnehmen dürfen. Der kleine Bruder fand diesen Umstand alles andere als bedauerlich. Auch wenn sein Vater tollwütig herumbrüllen würde. Die meisten Militärbesprechungen fingen planlos an und endeten ebenso. Falls er eine wohldurchdachte Anmerkung oder Verbesserungsvorschläge vorbrachte, wurden diese meist ignoriert. Manchmal fragte er sich, worin dann der Sinn seines Studiums bestand. Wollte man sich damit etwa keinen guten Militärstrategen großziehen, sondern ihn lediglich beschäftigen? Kouen runzelte die Stirn: „Du wirkst nicht sonderlich traurig darüber, dich nicht beteiligen zu können. Bald wirst du eine neue Gelegenheit dafür erhalten. Nun gut, ich muss meinen täglichen Aufgaben nachgehen. Koumei, brauchst du noch etwas? Dann werde ich den Dienern darüber Bescheid geben.“ Der Jüngere schüttelte den Kopf, was erneute Schmerzen durch seinen Schädel schickte. Kouen nickte zufrieden, ehe ihm noch etwas einfiel. „Bevor ich es vergesse, übermorgen werde ich für ungefähr drei Tage zu unserem ehrenwerten Onkel ziehen. Hakutoku hat zwar nach uns beiden verlangt, aber du bist offensichtlich zu schwach, um diesen Weg zu bewältigen.“ Diese Worte schlugen bei seinem kleinen Bruder ein wie ein Brandpfeil. „W-Was?!“, krächzte Koumei entsetzt. Kouen würde in den kaiserlichen Palast gehen und ihren Onkel und die restliche Verwandtschaft besuchen? Würde Hakuren sehen, bevor er heiratete? Koumei hörte das Blut aufgebracht durch seine Adern rauschen. Neid kochte in ihm hoch. Brennend und erschreckend, er hatte Kouen noch nie um irgendetwas beneidet, zumindest nicht so vehement und heftig. Nicht um seine Stellung als Erstgeborener und Erbe des Kaiserbruders, seine Macht, seine Dschinns, sein Alter, seine Kraft und Klugheit. Er schien mit dem Leben immer problemlos zu Recht zu kommen und war ein Sohn, wie ihn sich jeder Vater wünschte, was eigentlich beneidenswert war, doch Koumei kümmerte das wenig, er sehnte sich höchstens manchmal danach, stärker und geschickter zu sein. Aber nun loderte der Neid brennend in seiner Brust. Kouen würde in die Hauptstadt reisen! Das wollte er auch! Um jeden Preis! Verzweiflung umfing ihn. Wie furchtbar ungerecht, dass ausgerechnet jetzt diese verfluchte Krankheit von ihm Besitz ergriffen hatte! Das durfte einfach nicht sein. Kouen betrachtete ihn mitleidig. „Keine Sorge, ich werde dich entschuldigen“, versprach er und wandte sich bereits zum Gehen um. Koumei richtete sich mühevoll auf und rief entsetzt: „Nimm mich mit!“ Sofort wurde er mit einem bösartigen Pochen hinter den Schläfen bestraft, welches ihn stöhnen ließ. Kouen trat wieder ungehalten neben ihn. „Das ist in deinem Zustand unmöglich. Sorge dich nicht. Für dich wird dadurch keinerlei Nachteil entstehen, Hakutoku besitzt ein gnädiges Gemüt. Er wird sich nicht an deinem Fehlen stören, sobald er die Ursache dafür kennt.“ Koumei schüttelte verzweifelt den Kopf. Sicherlich, jeder würde es verstehen, aber darum ging es doch gar nicht! Er wollte Hakuren wiedersehen! Unbedingt. Wie sehr sehnte er sich nach dieser aufgeweckten Stimme und seinem Lachen, nach dem Anblick dieser blauen Augen, so offenherzig und zweifellos naiv, nach dem Kitzeln der kurzen schwarzen Haare an seinem Hals, wenn Hakuren den Kopf gegen seine Schulter legte oder das Gesicht in seiner Halsbeuge vergrub. Es gab noch so viel mehr, was er an ihm vermisste, dabei waren seit der Nacht lediglich ein paar Stunden vergangen. Koumei erschienen sie wie Jahre. Sogar ein Streit käme ihm jetzt Recht, Hauptsache mit Hakuren. „Mein werter Bruder, lass mich mit dir gehen. Bitte“, flehte er schwach. Aber Kouen drückte ihn lediglich zurück in die Kissen. „Koumei! Lass dieses Theater! Es wird noch unzählige Gelegenheiten für einen Besuch am Kaiserhof geben. In der Zukunft wirst du dir sicherlich wünschen, dass sie dich seltener herbei befehlen. Ich werde dich nicht mitnehmen, ganz gleich, was du sagst. Du brauchst Ruhe und die wirst du auch einhalten. Wenn du mich brauchst, schicke nach Seishuu Ri. Mein Vasall wird sich mit mir in Verbindung setzen, falls du einen ernsthaften Grund für dein Anliegen hast, verstanden?“, knurrte er. „Glaube ich nicht… Ich will jetzt mit… “, murmelte Koumei matt und spürte, wie ihm bald wieder die Tränen kommen würden. Seit gestern konnte er sie einfach nicht mehr zurückhalten. „Quatsch hier nicht schon wieder so ein wirres Zeug, sondern schlaf ein wenig“, seufzte Kouen, schwer um Selbstbeherrschung bemüht. Er konnte es nicht haben, wenn sein kleiner Bruder sich derart anstellte. Schlagen wollte er ihn heute allerdings nicht, schließlich war er ernsthaft krank. Koumei blickte ihn aus wässrigen Augen an. „Ich kann nicht schlafen. Ich wäre auch gerne unserem Onkel nützlich, das ist meine Pfli-“ Ein heftiger Hustenanfall brachte ihn zum Verstummen und handelte ihm einen beinahe betrübten Blick ein. Oh das alles schmerzte so sehr… Der Ältere ballte die Fäuste. „Du lügst, schau dich mal an! Du kannst immer schlafen, also treib es nicht zu weit!“, warnte er. Bedrückt wandte Koumei das Gesicht ab, wischte sich eine vereinzelte Träne von der Wange. Kouen war der beste Bruder, den er sich wünschen konnte, aber er konnte so unbarmherzig und grausam sein! Es machte ja tatsächlich keinen Sinn, in diesem Zustand eine Reise, egal wie kurz, zu wagen. Dennoch ärgerte es ihn maßlos, dass ausgerechnet morgen nach ihnen beiden verlangt worden war. Weshalb nicht ein klein wenig später, wenn er sich erholt hätte? Wäre er doch nur gesund gewesen, dann hätte er Hakuren gesehen. Nur noch ein einziges Mal alleine und vertraut. Plötzlich erhob Kouen wieder die Stimme, dieses Mal ein wenig versöhnlicher: „Ich werde dir alles berichten, was geschehen ist, Mei. Bis dahin kurier dich gefälligst aus und denk heute ja nicht daran, zu arbeiten. Wie gesagt, ich schicke dir gleich einen Arzt und ein paar Dienerinnen.“ Wieder schritt er Richtung Tür. „Also, bis dann!“ Das Schaben der Schiebetür verkündete Koumei, dass er wieder alleine war. Alleine mit dem aufzehrenden Fieber, seinen schmerzenden Gliedern, dem brennenden Hals und den furchtbaren Migränestichen. Aber all das wurde von der Sehnsucht nach Hakuren noch überschattet. Koumei starrte an den Himmel des Bettes. Geschnitzte Drachen jagten einander in den Wolken, Pferde stürmten über freie Felder, Schlangen und Tiger strichen durch hölzerne Wälder. Ach, selbst die lebendig erscheinenden Kunstwerke konnten ihn nicht ablenken. Wahrscheinlich würde er Hakuren das nächste Mal bei dessen Hochzeit widersehen. Herrje. Nach einer Weile gähnte er. Trotz seiner verbitterten Traurigkeit fielen ihm irgendwann die Augen zu. * Koumei schloss gepeinigt die Augen. Seine Knochen fühlten sich steif an, scheinbar saß er bereits viel zu lange auf dieser Terrasse, voll mit Körnern des Taubenfutters. Balbadd war solch ein unwirtliches Land… Die eisige Kälte der Nacht umfing ihn wie eine schwarze Umarmung. Die Sterne verschwanden langsam und würden bald dem Morgenrot weichen. Seine Zähne schlugen klappernd auf einander, doch es kümmerte ihn nicht. Ebenso wenig wie das Gefühl, das langsam aus seinen Gliedern schwand. Etwas Feuchtes tropfte zaghaft auf seinen Handrücken. Eine stillgeweinte Träne war das einzige, was er Hakuren noch zu geben hatte. Klein war er wahrlich nicht mehr, nur noch schwach. Dann versank er in den sanften Wogen des Halbschlafs, gefangen in den viel zu deutlichen Erinnerungen. ~ Irgendwann störte ein erbostes Fauchen sein vor sich hin Dämmern. „Hey, Zottel! Was treibst du hier draußen?“ Heftiges Rütteln an seinen Schultern. „Sag mal, pennst du etwa hier? Und was ist das?“ Ein grobes Zerren an seinen Haaren. „Heulst du etwa?!“ *~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)