Was die Hitze des Sommers nicht alles bewirken kann... von Mondsicheldrache (The Vessel and the Fallen 1) ================================================================================ Kapitel 11: Rot und Blau - Schwarz und Weiß ------------------------------------------- Rot und Blau - Schwarz und Weiß (Traum)     *~*   Die sengenden Sonnenstrahlen prallten unbarmherzig auf seinen Kopf. Gequält riskierte er einen Blick auf den schrecklichsten aller Sterne. Gähnte angestrengt. Eigentlich mochte er die leuchtenden Himmelskörper und kannte sich bestens mit ihnen aus. Doch dieser hier kam ihm eindeutig zu nahe. Das gleißende Sonnenlicht machte einen blind! Schnell schaute er zu Boden. Unwillig schüttelte er eine rote Haarsträhne beiseite, die ihn schon die ganze Zeit nervte. Wieso musste sie auch immerzu in seine Augen fallen? Da ertönte schmerzlich vertraute Stimme, zu Beginn kaum mehr, als ein flüchtiger Hauch, doch mit jedem Wort kräftiger und klarer: „Hallo Koumei, lange nicht gesehen!“ Der Prinz versteinerte. War mit einem Mal hellwach. Wie war das möglich? So viel Zeit war vergangen, seit er diese angenehmen Töne beinahe jeden Tag vernommen hatte. Mit bebender Langsamkeit drehte er den Kopf in Richtung der unerwarteten Begrüßung. Jemand hatte sich von hinten an ihn heran geschlichen. Jemand, von dem er gedacht hatte, ihn für immer verloren zu haben. Dann sah er ihn. Erblickte fröhliche blaue Augen und grobes, zu einem Knoten gebundenes schwarzes Haar. Zwei gelöste Strähnen hingen unordentlich bis zu den Schultern des jungen Mannes herab und verliehen ihm ein draufgängerisches Aussehen. Dieses wurde noch durch sein breites Grinsen und die begeistert geröteten Wangen verstärkt. Ungebrochen von dem schwarzen Muttermal auf seinem Kinn. Ungläubig starrte Koumei ihn an. „Geht es dir gut? Du siehst so blass aus“, befand sein Gegenüber und musterte ihn besorgt. Unfähig auch nur einen Ton von sich zu geben, starrte der Prinz auf die Erscheinung vor ihm. Unmöglich. Das konnte nur ein Traum sein. Der andere wirkte verlegen: „Habe ich dich erschreckt? Wenn ja tut es mir wirklich leid, Mei. Aber ich wollte wirklich gerne noch einmal sehen, wie es dir so ergangen ist. Nur ein einziges Mal noch.“ „W-wie es mir ergangen ist?“, wiederholte Koumei stotternd. „Aber ja. Schließlich sind wir uns seit Jahren nicht mehr begegnet. Ich hatte Sehnsucht nach dir. Du etwa nicht auch nach mir?“   Ein unangenehmer Schauer durchlief die Adern des Rothaarigen. War das schreckliche Verzweiflung oder nicht zu bändigende Freude? Er wusste es nicht, vielleicht eine Mischung aus beidem. „D-doch, sch-schon so l-lange“, erwiderte er. Seine Stimme viel zu leise. Der plötzlich Erschienene legte ihm eine erstaunlich warme Hand auf die Schulter und lächelte derart offenherzig, dass Koumei vor Kummer der Atem stockte. „Keine Angst“, meinte der andere beruhigend. „I-ich habe keine Angst“, widersprach der Prinz, wobei er sich sogleich ungeheuer kindisch vorkam. Verlegen raufte er sich die Haare und wechselte einen langen Blick mit dem alten Bekannten. Selbst nach all den Jahren erkannte er die tiefe Verbundenheit darin. Dann ein ansteckendes Lachen: „Dieses Mal habe ich deine Lüge durchschaut, Mei! Du solltest stolz auf mich sein. Mach dir nichts draus, es ist doch in Ordnung, wenn du dich fürchtest. Solange du dich nicht vor deiner Furcht versteckst, ist alles gut.“ „Wenn du meinst…“, murmelte Koumei. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Diese Verschwiegenheit schien sein Gegenüber jedoch nicht im Mindesten zu kümmern. Die blauen Augen richteten sich unvergleichlich erfreut auf Koumeis rechte Faust, die krampfhaft Dantalions Fächer umklammerte. „Ach, du hast ihn immer noch? Das ist fantastisch! Und er ist nun dein Dschinngefäß?“ Der Rothaarige nickte nur. Wie hätte er dieses unsagbar wichtige Erinnerungsstück denn fortwerfen können? Es war der einzige Gegenstand von tatsächlich hohem Wert, der ihm wirklich etwas bedeutete. Außerdem fühlte Dantalion sich wohl darin.   Plötzlich schlug sich der Schwarzhaarige erschrocken die Hand vor die Stirn. „Oh Mist! Ich muss wieder los. Hab die Zeit ganz vergessen. Vater wird wütend sein. Es tut mir schrecklich leid. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr es mich gefreut hat, dich hier angetroffen zu haben. Mach‘s gut, Mei!“ Verwundert schüttelte Koumei den Kopf. Er wollte schon fort? So schnell? So plötzlich? Ohne ein vernünftiges Gespräch geführt zu haben? Ihn abermals alleine lassen? Weshalb? Er wollte etwas erwidern, aber er konnte nicht. Noch eine flüchtige Berührung ihrer Hände und schon hatte sich der so sehr Vermisste auch schon wieder abgewandt, um in die unendliche Ferne zu entschwinden. „G-geh nicht!“, rief er panisch und spürte, wie sein Herz abermals brach. Doch kaum verhallten seine Worte in der flimmernden Luft, verging die sich immer weiter entfernende Gestalt in einem gleißenden Leuchten. Zutiefst erschüttert eilte Koumei ihr hinterher. Doch ehe er ihr auch nur ein wenig näher gekommen war, verschwand sie mit einem letzten Strahlen. So hell. Selbst die Sonne konnte es nicht übertreffen. Nein. Wie konnte er ihm das nur antun. Er durfte ihn nicht noch einmal verlassen. Geblendet und voller Trauer blickte er auf die letzten sirrenden Lichtpartikel. Seufzte schwer. Verfluchte seine blitzartig aufgekommene Hoffnung, auf ein längeres Beisammensein.   Nun war er wieder alleine an diesem unbarmherzig heißen Ort. Sekunden vergingen. Vielleicht auch Jahre. Eine Ewigkeit? Er konnte es nicht sagen. Und während er so da saß, lichtete sich sein verzweifelter Geist, bis er sich nur noch an der furchtbaren Sonne störte.   Plötzlich ein leises Klackern. Verwundert blickte er hinab auf seine Hand. Wie kam denn die Tüte mit Körnern plötzlich dort hinein? Und wo befand sich sein Metallgefäß? Verwirrt kratzte er sich am Kopf. Währenddessen rieselten mehr und mehr Sämereien auf die erhitzten Fliesen. Ein sanftes Gurren. Koumeis Augen weiteten sich überrascht. Eine schwarze Taube stakste aufgeplustert um seine spitzen Schuhe herum und pickte begierig nach dem Futter, das er verloren hatte. Ein außergewöhnliches Tier. Wie hübsch ihr ausladendes Federkleid in dem strahlenden Licht glänzte.  Merkwürdig, eine wie sie hatte er noch nie gesehen. Besonders ihr Auftauchen, schier aus dem Nichts, gab ihm zu denken. Doch es war eine reine Freude, den dunklen Vogel bei seiner Mahlzeit zu beobachten. Mit einer unerwarteten Geschwindigkeit verputzte sie die ausgestreuten Körner. Gurrte beleidigt, als nichts mehr übrig war. Legte mit einem Mal den Kopf schief und starrte begehrlich zu ihm hinauf. Besser gesagt auf die Tüte in seiner erhobenen Faust. Der Prinz erstarrte. Diese Augen! Ein blutiges Rot, dass sich schier in seine Gedanken zu bohren schien. Weit mehr als nur ein verständnisloser Tierblick. So…brennend. Lächerlich. Das war nur eine Taube! Der schöne Vogel gurrte immer noch beharrlich und schielte gierig zu dem Futter auf.   Koumei zögerte kurz, dann schüttete er eine kleine Menge auf seine Handfläche. Legte die Tüte beiseite und ging in die Knie. Die Taube ruckte mit dem Kopf. Dann machte sie einen beinahe begeisterten Satz auf seinen Unterarm. Oh, sie war ziemlich schwer. Ihre spitzen Krallen zwickten in seine ungeschützte Haut und hinterließen rote Striemen. Doch das war er gewohnt. Zufrieden schlang sie das dargebotene Futter hinunter. Unglaublich, wie schnell die Samen in ihrem Kropf verschwanden. Er hatte kaum Zeit zu blinzeln, da war seine ausgestreckte Hand wieder leer. Wieder bohrten sich die fordernden roten Augen in die seinen. „Tut mir leid, mehr habe ich nicht“, gestand er bedauernd und zeigte ihr das leere Päckchen. Beleidigt spreizte das Tier die Flügel und stob flatternd auf. „WUMM!“ Plötzlich ein gewaltiger Knall. Erschrocken wich der Prinz zurück. Die düstere Silhouette der Taube zerplatzte mitten in der Luft. Hunderte schwarze Federn, die trudelnd zu Boden segelten. Verstört betrachtete er das zerfetzte Tier. Doch aus den blutigen Überresten erhob sich ein neues Wesen. Viel kleiner. Es glich einem winzigen schwarzen Schmetterling, der emsig mit den feinen Flügelchen schlug, sodass ein sachtes Sirren erklang. Fasziniert streckte Koumei die Finger nach ihm aus. Mit einem stummen Flattern ließ sich das seltsame Etwas auf seinem abgekauten Nagel nieder. Irgendwie kam ihm diese Gestalt bekannt vor. Da durchschoss ihn die Erkenntnis: Ein Rukh! Es konnte nur ein Rukh sein, die Lebensenergie dieser Welt! Ein schwarzer? Einmal hatte er sie an Judar gesehen, als dieser einen besonders mächtigen Zauber gewirkt hatte. Nur war sein schwarzer Magi in eine erdrückende Wolke von ihnen gehüllt gewesen. Dieser hier war hingegen so klein und zart. Sicherlich konnte er alleine nicht viel bewirken.   Plötzlich fiel undurchdringliche Dunkelheit wie ein Schleier über den sonnenerhellten Himmel. Sprachlos betrachtete er die Finsternis, lediglich erhellt durch ein diffuses Glimmen am Horizont. Moment mal! Wo war er überhaupt? Er stand auf einer vollkommen freien Fläche, nichts als steinerner Boden um ihn herum! Panisch tastete er nach seinem Fächer. Welch ein Glück. Er steckte wieder zuverlässig in der Schärpe seiner Gewänder. Erleichtert zog er das Metallgefäß hervor. „Dantalion, fahre in mich!“, rief er seine Dschinniya. Doch kaum hatte er die vertrauten Worte ausgesprochen, zerschmolz die Waffe in seinen Händen. Löste sich auf. Zurück blieb nur ein feiner Goldstaub, der höhnisch an seinen verschwitzten Fingern klebte. „Wa-Was ist das?“, murmelte er schockiert. „Dantalion? Wo bist du?“ Sie antwortete nicht. Wie konnte sie sich ihm nur immer wieder widersetzen? Stattdessen erklang in der Ferne ein markerschütterndes Brüllen. Wie von einer wilden Bestie.   Koumei versteinerte. Feiner Nebel kroch aus heiterem Himmel um seine Beine herum. Umschmeichelte sie mit trügerischer Frische. Der schwarze Rukh sirrte aufgebracht, während der Dunst immer dichter wurde. Sich fester und fester zog. Zu einer Kugel wurde. Schließlich eine diffuse Gestalt zu formen begann. Einen verschwommenen Kopf. Ein langer Rumpf. Vier kräftige, kurze Gliedmaßen. Sich verfeinerte. Bis der Prinz sich einem wahrhaftigen Ungeheuer gegenüber sah. Ein rein weißer Drache. Lang wie eine Mauer, höher als ein Haus. Eine wilde Mähne aus Nebelwolken. Brennhaare, lang wie Schlangen. Schuppen wie aus Perlen geschliffen. Hart und undurchdringlich. Eine einzige Rüstung. Die Klauen und Zähne scharf und gebogen, wie Dolche. Gefährlich. Tödlich. Der Rothaarige tastete aus Reflex nach seinem Fächer. Natürlich vergebens. Das Monster fixierte ihn. Nein, den schwarzen Rukh, der immer noch auf seinem Nagel hockte und erregt mit den filigranen Flügeln schlug. Der Drache grollte dunkel und bedrohlich. Die Erschütterungen liefen bis zu Koumeis Füßen. Die gewaltige Bestie schnaufte schwer. In den blauen Augen, eines davon seltsam verschleiert, stechende Intelligenz. So kalt und eisig wie ein tiefer Bergsee. Merkwürdig anmutig. Lähmende Furcht schlich sich in das Herz des Prinzen. Dieser trübe Blick schien ihn zu fesseln. Er fühlte sich so klein und schwächlich gegenüber diesem machtvollen Wesen. Nur ein erbärmlicher Mensch. Nicht besser als die Sklaven im Kou-Reich oder die Menschen in den Gossen Balbadds. Vor allem ohne seine Dschinnausstattung. Er konnte sich nicht wehren. War verloren. Doch das Monster verharrte lediglich starr vor dem Prinzen. Beäugte nur den schwarzen Rukh in seiner Hand. Beinahe argwöhnisch. Seltsam…beeindruckt. Fürchtet er sich etwa vor diesem kleinen Wesen? Er könnte uns beide problemlos verschlingen, wieso tut er das nicht? Koumei runzelte unsicher die Stirn. Die Nähe des Drachen ließ seine Beine zittern. Plötzlich schwirrte der Rukh auf. Überrascht zuckte der Rothaarige zusammen und stolperte zurück. Keinen Moment zu früh: Der Drache stieß ein markerschütterndes Brüllen aus, dessen Windstoß den Prinzen zu Boden schleuderte. Tosend. Der Rukh schoss trotz des niederschmetternden Drucks mit einer ungeahnten Geschwindigkeit auf das weit aufgerissene Maul zu. Mitten hinein. Verschwand zwischen vernichtenden Zahnreihen. Der riesige Fang klappte zu. Verschlang das zarte Wesen wie ein Staubkorn. Schien es kaum zu bemerken. Koumei schluckte. Was war das nur für ein seltsamer Alptraum? Da stieß der weiße Drache mit einem Mal ein Fauchen aus. So wild und übermächtig, dass es ihn noch weiter zu Boden drückte. Wurde zu einem gellenden Schrei. Schockiert beobachtete der zweite Prinz, wie sich das so gewaltige Tier unter niederdrückenden Krämpfen wand. Brüllte. Voller Schmerzen. Der Nebel, der den Drachen so sanft umwoben hatte, wie eine weiße Aura, ergraute. Schwärzte sich unheilvoll. Was hatte das zu bedeuten? Schwarzer Schaum quoll der Bestie aus der Schnauze. In ihrer Brust erglühte ein finsteres Licht. Zitternd robbte Koumei fort von der gequälten Kreatur. Der Nebel verdichtete sich brausend. Hüllte den Drachen ein, durchdrang die perlweißen Schuppen, fuhr in den anmutigen, schlangengleichen Körper. Bis nichts mehr übrig war. Lediglich der Drache. Doch von seiner atemberaubenden Reinheit war nichts mehr zu spüren. Die harten Schuppen glänzten in einem unerbittlichen Schwarz. Der gesamte Leib schien die Dunkelheit regelrecht auszudünsten. Nur die ungleichen blauen Augen durchbohrten Koumei mit ihrem eisigen Blick. Schwankend richtete der Rothaarige sich auf. Wäre beinahe wieder gestürzt. Dieser Blick nahm ihm all seine Lebenskraft. Ein ohrenzerreißendes Donnern ertönte aus den Tiefen des tödlichen Kiefers. Schwarze Flammen leckten gierig über die zersprungenen Fliesen. Zerreißende Klauen schliffen klirrend über den Boden. Schritten bedrohlich auf ihn zu. Würden ihn gleich zerfetzen.   Koumei riss sich von den verschlingenden Iriden des Ungeheuers los und schnellte herum. Rannte, egal wohin, bloß fort. Sein Herz raste in Todesangst. Er stolperte über die hinderlichen Schuhe, verlor einen nach dem anderen im Lauf. Egal. Nur weg. Seine Müdigkeit wich reiner Panik. Dunkles Feuer lechzte nach ihm. Verfehlte ihn knapp. Bei allen Rukh auf dieser Welt! Er musste schneller sein, als dieses Monster. Die dröhnenden Schritte hallten gellend in seinen Ohren wieder. Unangenehm. Ließen den ganzen Boden erbeben. Brachten ihn zum Straucheln. Doch er fing sich wieder. Hechtete zur Seite vor einem erneuten Flammenstoß. Stürmte weiter. Plötzlich erhoben sich um ihn herum steinerne Wände. Schoben sich lautlos aus der Erde. Wuchsen empor. Himmelhoch. Ein ewig langer Korridor. Endlos. Wie sollte er dem blutdurstigen Drachen so entkommen? Kreuchend raste er weiter.  Ignorierte verbissen das grausame Stechen in seinen Seiten. Seinen röchelnden Atem. Diese verdammte Kondition! Würde sie der Grund sein, weshalb er zerrissen zwischen den Fängen dieses Ungeheuers enden würde? Das darf nicht sein! Ich habe noch so viel zu erledigen! Was soll nur Kouen ohne mich anfangen?, schoss es durch seine Gedanken, während er um sein Leben rannte. WUMM! Ein harter Aufprall. Koumei wurde zurück geschleudert. Ein Splittern. Holz? Vor ihm eine verbogene Tür. Hinter ihm brennende Hitze. Panisch sprang er auf die Füße. Stürzte durch das Tor hindurch. Gelangte in einen schmalen Flur. Nur schwach erhellt von halb heruntergebrannten Fackeln an den Wänden. Am gegenüberliegenden Ende eine weiter Tür. Massiv und abwehrend. Seine Rettung? Um Atem ringend eilte er voran. Oh, lass sie offen sein. Lass sie bitte offen sein! Sein stummes Gebet wurde erhört. Kaum lehnte er sich mit aller Kraft gegen diese Zuflucht, schwang das Tor auf. Ließ ihn hindurch fallen und schlug heftig hinter dem Prinzen zu. Ein endgültiger Knall. Finsternis. Das Gebrüll verklang in der Ferne. Erleichtert lag Koumei auf den kalten Steinen. Hechelte nach Luft. Adrenalin brandete durch seine Adern und verging nur langsam. Sein Herz pochte viel zu schnell. Egal. Ermattet ließ er den Kopf auf den wohltuenden Boden sinken. Gerettet. Endlich.   Auf einmal zuckte er erschrocken zusammen. Eine eisige Berührung an seinem bebenden Arm. Diffuser Feuerschein flammte auf. Erhellte die enge Kammer. Kam aus dem Nichts. Zeigte ein Bild der Verwüstung. Feine Metallstücke. Gold und silbern. Ein zersplitterter Beidhänder. Verstörende Erkenntnis fraß sich in Koumeis Herz. Er kannte diese Waffe. Wie konnte diese schwere Klinge nur brechen? „…Mei…“ Ein ersterbendes Stöhnen. Koumeis Augen weiteten sich geschockt. Zarte Finger griffen verzweifelt nach den seinen. Erschlafften in seiner Hand. Rot. Die Haut aufgesprungen. Abgeschält. Enthüllten reine Muskelfasern und weiß hindurchschimmernde Knochen. Blut rann unaufhaltsam aus den tiefen Wunden. Ein Arm vollkommen verdreht. Das Gesicht unkenntlich und schwarz verbrannt. Nein! Was war nur mit seinem kleinen Bruder geschehen? Wie hatte er das zulassen können? „K-Kouha…?“, Koumeis Stimme brach. Wie konnte das sein? Wieso er? Voller Entsetzen hob er den Kopf.  Erschauderte voller Erschütterung. Erblickte Kougyoku, die ebenso schrecklich zugerichtet im Sterben lag. Die Beine zerfetzt und versengt, immer noch in ihrer Dschinnausstattung, als hätte sie bis zum letzten Moment gekämpft.   Schmerzerfüllte Tränen auf dem erstarrten Gesicht. Die Waffe ebenfalls zerstört. Voller Grauen betrachtete der Prinz die gefallene Prinzessin. Neben ihr Hakuei, bedeckt mit einer Schicht aus weißen Federn, scheinbar unverletzt und doch so schrecklich still. Ihr fächerförmiges Metallgefäß völlig zerrupft. Erstickende Panik schlug über ihm zusammen. Wo war Kouen? Sein älterer Bruder? Er musste noch am Leben sein, niemand konnte ihn einfach so vernichten! Hektisch riss er den Kopf hin und her. Sein metallener Ohrring klirrte schrill. Fachte seine verzehrende Angst nur noch mehr an. Koumei ballte die Hände zu Fäusten, bis sich die Nägel tief in die Haut gruben. Suchte verzweifelt nach dem zukünftigen Thronfolger. Da! Unsicheren Schrittes tappte er zu dem halbverborgenen Schatten in der hintersten Ecke des Raumes. „Mein Bruder und König? Kouen?“ Wie dünn seine Stimme mit einem Mal klang. Doch kaum hatte er sich der dunklen Ecke genähert, wünschte er sich, es niemals getan zu haben. Sein Bruder lehnte zusammengesunken an der gemauerten Wand. Der sonst so starke Körper gebrochen. Der Kopf hing ihm leblos auf die Brust. Die purpurroten Augen starrten glasig ins Leere. Nein! Dem Rothaarigen stockte der Atem vor Abscheu. Arme und Beine des ersten Prinzen waren nur noch blutige Stümpfe. Die abgetrennten Gliedmaßen lagen hilflos daneben. Als hätte jemand sie in einem barbarischem Blutrausch abgehackt. Die eine Hand hielt immer noch krampfhaft sein gesplittertes Schwert umschlossen. Selbst seine drei Dschinn hatten Kouens Leben nicht retten können. Nicht einmal Phönix mit ihren wundersamen Heilkräften. Unmöglich.   Koumei sank zu Boden. Verzweiflung überfiel ihn. Warum nur? Zwar hatte er schon mehrmals schrecklich verstümmelte Soldaten gesehen, die auf dem Schlachtfeld umgekommen waren, schließlich lebten sie in Kriegszeiten! Doch es bei seiner eigenen Familie zu erleben, war zu viel. Fassungslos schüttelte er den Kopf. Was war nur geschehen? Wer hatte seine Familie so grausam zugerichtet? Welcher gottlose Mensch konnte so etwas tun? Wer wagte es, die kaiserliche Familie derart gewissenlos abzuschlachten? Wie hatte er das nur geschafft. Sie waren alle Metallgefäßbändiger. So stark… Ein stilles Schluchzen stieg in seiner Kehle auf. Schüttelte ihn. Der Verlust drang mit aller Macht in sein Herz. Raubte ihm jegliche Wärme und ließ ihn zu Eis erstarren. So leer und kalt. Lediglich erfüllt von einer gleichgültigen Müdigkeit. Ließ ihn am Boden kauernd, blind, taub und stumm zurück. Schloss alles aus. Ja, er war alles leid. Selbst als die Wände des Raumes erzitterten und unter gewaltigen dunklen Pranken in sich zusammen fielen. Als die Hitze des finsteren Feuers alles verschlang, was sich ihr in den Weg stellte. Sogar, als der schwarze Drache mit den stechenden Augen herein toste. Doch Koumei bemerkte nichts von der tödlichen Anmut. Das Untier verharrte einen verwunderten Augenblick. Der Prinz blickte nicht einmal mehr auf. Erst, als die scharfen Klauen seine Brust durchstießen, verspürte er den sengenden Schmerz des bitteren Verlustes. So gnadenlos. Zu spät, um zu trauern. Diese unerträgliche Qual… Glühend rot. Doch kein Schrei drang über seine blutleeren Lippen. Die brennende Hitze verschlang ihn. Unwiederbringlich.   *~*   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)