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TETSUO

When one person changes everything
von

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Friends and Brothers

Am nächsten Morgen schlich sich langsam die Sonne über die hohen Häuser in Neo Tokyo.

Schatten spielten auf dem kalten Marmor der Gebäude und ein neuer Tag brach an. Einer der nicht wirklich anders sein würde für die Bewohner der Stadt. Es würde sein wie immer. Aber auch wenn sich an der Regierung und der Verdorbenheit nichts geändert haben würde, für einen hatte sich bereist etwas verändert in der letzten Nacht.

Kaneda schlief in seiner Wohnung tief und fest auf der Couch. Er schnarchte dabei sehr laut und hing halb mit dem Oberkörper von der Couch runter. Ein Klaps und er küsste den Boden. Seine Decke, die eigentlich eher ein dünner Lumpen war, hing von seinen Beinen runter und halb auf dem Boden. Da es Sommer war lag er meist nachts auch nur mit Boxershorts und Muskelshirt bekleidet rum. Seine Wohnung war nicht die Größte. Sie bestand aus einem Wohnzimmer das in Kombi mit der Küche war, einem Bad und einem Schlafzimmer. Da aber seine Couch sein Bett war, war das Schlafzimmer eher eine Rumpelkammer mit allem möglichen Scheiß. Teils waren darin Teile von seinem alten Motorrad, ein kaputter Schreibtisch und ein eingebrochenes Bett. Mehr sollte lieber nicht erwähnt werden… Seine Küche war ein Schweinestall. Dennoch fand er noch immer dort etwas zu essen und es stank nicht trotz der teils gespülten Teller ect. Auf seinem Balkon hingen Klamotten zum trocknen über dem Geländer. Die Sonne schien langsam in sein Wohnzimmer. Meistens zuerst morgens bei ihm, da seine Wohnung sehr hoch in einem Apartmentblock lag. Er hatte eigentlich einen schönen Blick über sein Viertel. Wenn es nur nicht das reinste Getto wäre. Versifft und mit Graffiti bemalt.

Ein lautes Scheppern setzte ein. Schrill und nervtötend. Es war Kanedas Wecker der klingelte und ihn aus seinem Bett reißen wollte. Aber anstatt vor Schreck aufzuzucken schlug er einfach müde nach rechts von sich auf den Tisch, dort wo der Wecker tanzte. Er traf ihn zwar, aber das Teil ging nicht aus. Noch immer mit geschlossenen Augen griff er ihn dann und feuerte ihn an die nächste Wand rechts von ihm. Und endlich war Ruhe im Raum. Kurz darauf machte er langsam die Augen auf und gähnte, streckte sich genüsslich dabei. Es brauchte echte Überwindung von seiner Seite aus um sich hinzusetzten, aber er schaffte das wie ein großer Junge. Am Hinterkopf kratzend und noch etwas verschlafen sah er zum Balkon und bekam die ersten Sonnenstrahlen ab. Er lächelte. Ein schöner Tag. Wenigstens etwas. Momentmal…TAG?! Er war schlagartig wach und rannte zu seinem Wecker rüber. Das Ding war im Eimer aber zeigte ihm dennoch noch die Uhrzeit.

„SCHEIßE!! Ich komm zu spät!“

Er schmiss den Wecker wieder zurück in die Ecke und rannte auf den Balkon. Griff sich mit schnellen Handgriffen die trockenen Klamotten und zog sofort sein rosa Hemd an. Dann die weiße, lange Hose und seine rote Lederjacke natürlich. Danach rannte er ins Wohnzimmer, pfefferte die Balkontür zu und flitze zur Küche. Sofort riss er den Kühlschrank auf. Die Ödnis die darin herrschte war krass, aber dennoch fasste er sich ein Stück Käse und biss zu. Schloss den Schrank wieder und setzte sich auf die Couch. Während er aß zog er die Stiefel an. Wie konnte er nur so krass verpennen?! Naja er konnte nicht leugnen dass er eine sehr lange Nacht hinter sich hatte. Aber nicht was sich die Meisten denken würden. Er war nicht mehr in der Bar gewesen. Ehrlich gesagt hatte es seine Jungs, nach der Sache mit dem PsyKI, an dem Abend hängen lassen. Er fuhr danach noch einige Stunden durch die Straßen. Er wusste selber nicht warum. Um vielleicht runter zu kommen? Es war riskant gewesen, denn immerhin waren auch die Clowns nachts auf Patrouille. Hätten die ihn gesehen, gab es Ärger. Vielleicht wäre er dann sogar schon tot. Fakt ist er musste sich abregen. Er war noch immer komplett aufgewühlt gewesen wegen dem Treffen mit Tetsuo...Er war jetzt nicht extrem verrückt nach ihm, aber er musste halt viel an ihn denken. Was noch immer bizarr war. Kaneda hätte nie gedacht dass es wirklich sowas wie Liebe auf den ersten Blick gab. Und dann auch noch unter Jungs. Er hielt das immer für bescheuertes, romantisches Geschwätz. Etwas was Leute sagten, wenn sie einfach nicht in der Lage waren eine Beziehung zu beenden und abhängig davon waren. Aber nicht mal dieser lange Ritt mit seiner Süßen brachte ihn aus seiner Ekstase und teils Erregung. Das musste er dann abends auf der Couch anders regeln…

Er war fertig und stand von der Couch auf. Er war viel zu spät dran. Die Jungs würden genervt sein. Er flitzte zu der Eingangstür, griff seinen Schlüssel rechts vom Brett an der Wand und verließ die Wohnung. Er knallte die Tür zu und schloss ab. Diese Tür abzuschließen war jeden Tag eine neue Herausforderung. Sie klemmte wenn man sie öffnen wollte und das Schloss ebenso wenn man es zuschließen wollte. Bruchbude. Deswegen fummelte er auf gut Glück daran rum. Während er das machte kam eine alte Frau den Gang runter gelaufen. Wie bei den meisten Apartments in Neo Tokyo waren die Gänge zu den Aufzügen und Treppen außerhalb an der Hauswand. Und da er hoch oben war, bekam er auch gleich eine frische Sommerbrise ab. Die alte Frau die sich ihm buckelig von rechts näherte sprach krächzend und lieb zu ihm:

„Guten morgen Shotaro. Auch schon so früh wach?“

Er sah lächelnd zu ihr. Fummelte noch immer am Schloss dabei.

„Hey Frau Nakamura! Alles fit?“

Und dann klackte es vor ihm. Er hatte endlich die Tür abgeschlossen und drehte sich zu der Alten. Er mochte sie echt. Sie war eine alte, kleine, krumme Frau mit einem Herz aus Gold. Die Haare kurz und Grau und sie trug immer diesen selbst gestrickten, bunten Pullover und einen langen Rock in schwarz. Meist dachte Kaneda ihre Garderobe bestand nur aus den Teilen. Er wusste nicht mal mehr wie oft sie ihm Kuchen oder was zu essen vor die Tür gestellt hatte. Sicherlich wäre er ohne die Geste definitiv oft hungernd ins Bett gegangen. Sie stand vor ihm, sah zu ihm hoch und fragte lieb:

„Musst du schon so früh zur Schule Shotaro?“

Sie hatte nicht unrecht es war früh, nämlich 6 Uhr morgens. Er schüttelte den Kopf und sprach freundlich zurück.

„Ich treffe mich noch vorher mit Freunden und wir fahren dann zusammen hin.“

War nicht mal gelogen. Sie lachte herzlich wie eine gute alte Oma.

„Ach du bist so ein guter Junge Shotaro. Ich verstehe nicht warum du nicht eine nette Freundin hast. Du bist immer so alleine in der Hinsicht. Dabei bist du doch so ein hübscher junger Mann.“

Daraufhin musste er leicht lachen und kratzte sich teils verlegen am Hinterkopf. Wenn sie manchmal wüsste…Guter Junge was?

„Ach wissen sie, ich bin eben noch nicht der Richtigen über den Weg gelaufen. Aber ich muss jetzt auch los! Bis dann Frau Nakamura!“

Er rannte den Gang runter und winkte ihr noch freundlich zu. Dann verschwand er in den Treppengang und rannte runter. Unten angekommen stolperte er fast aus dem Apartment und rannte den Hof rechts runter. Unter einem großen Tuch stand seine Karre. Er zog es runter, schmiss es zur Seite und warf sich auf die Süße drauf. Fühlte sich einfach gut an. Er zog seine Schutzbrille auf und schmiss sie an. Danach feuerte er auch schon aus dem Hof und auf die Hauptstraße. Er riss dabei fast Leute um, die gerade noch zur Seite springen konnten. Schrie dabei:

„Aus dem Weg!!“

Und dann zog er auch schon in schnellem Tempo die Straße runter. Er überholte wie es ihm gefiel und fühlte sich total beflügelt an diesem Morgen. Und ganz besonders freute er sich schon wieder auf den Abend. Doch erst musste er sich mit seinen Jungs treffen. Er kam nach einigen Minuten in der Gasse zu Harukiyas an. Sah auch bereits vor der Bar Yamagata, Kai und noch drei weitere seiner Bande stehen. Alle auf ihren Maschinen und wartend. Kaneda war nicht zu überhören und alle sahen zu ihm. Als er elegant vor ihn ausbremste schrie Yamagata auch wieder los:

„Na? Ausgeschlafen Dornröschen? Musste gestern Abend echt anstrengend gewesen sein, sich so allein einen runter zu holen was?“

Kaneda schmunzelte etwas verlegen. Oh mann er hatte ja echt keine Ahnung…Aber er spürte schon was los war. Es kamen bestimmt Fragen wo er noch war.

„Wo zur Hölle warst du gestern Abend Kaneda?! Du bist nicht mal mehr aufgetaucht, die Mädels waren echt enttäuscht gewesen!“

Kaneda schob seine Brille hoch. Hach er wusste es.

„Na wenn dass alles war was dich bedrückt.“

„Ehrlich gesagt nicht Kaneda.“

Kai sagte das sehr ernst und wenn der Kleine ernst wurde, dann wollte das schon was heißen. Kai war dafür bekannt dass er nicht schnell die Fassung verlor und einen klaren Kopf behielt. Deswegen war er meist auch dafür zuständig die Wunden der Jungs zu versorgen. Und Kai hatte schon einiges in den Jahren versorgen müssen. Schnitte, Prellungen und Knochenbrüche. Kaneda sah ihn jetzt auch ernst und aufmerksam an. Und dann sprach der Kleinste weiter:

„Einer von Jokers Clowns kam gestern Abend in die Bar rein. Anscheinend nur ein Kurier. Er brachte eine Nachricht in zwei Teilen. Der erste Teil war: uns zu drohen er wüsste wo wir uns meistens rumtreiben würden.“

„Und der zweite Teil?“

„…Dass er jeden unserer Orte nieder brennen würde und uns einen nach dem anderen jagt, wenn wir ihn nicht in Zukunft seine Geschäfte in Ruhe machen lassen würden.“

Kaneda spuckte neben sich auf den Boden und musste sich ein Lachen verkneifen. Das meinte der Mistkerl nicht ernst!

„Hah! Geschäfte nennt er das also ja?! Der wird sich noch wünschen uns nie diesen verdammten Kurier mit seiner Drohung vorbeigeschickt zu haben!“

Er sah zu Yamagata und der nickte nur zustimmend und antwortete:

„Deswegen haben wir den Penner auch gestern ordentlich verprügelt und als schönes Paket wieder an Joker zurück gesendet!“

Kaneda lächelte böse.

„Hoffentlich auch mit Schleife und Grußkarte.“

Sein Gegenüber grinste zurück.

„Ich weis doch wie höflich du bist Boss.“

„Sehr schön. Hast du die Drogen bekommen?“

Yamagata wühlte in seiner Satteltasche und zog einen großen Beutel mit weißem Stoff heraus. Wenn er in einem besonders gut war, dann war es an Waffen und an Drogen ranzukommen. Das Zeug sollte sie erst mal gut verkaufen können und damit wieder etwas Puffer haben um über die Runden zu kommen. Das war auch der Grund warum sie sich schon so früh versammelt hatten. Sie machten eine kleine Spritztour zum Westend und gaben das Zeug ihrem lieblings Dealer auf dem Schwarzmarkt. Der zahlte immer gut. Kaneda nickte ihm zu und zog seine Brille wieder auf. Er drehte sein Bike auf der Stelle, bis es um 180 Grad gedreht hatte und er mit dem Rücken zu ihnen stand und sah hinter zu seinen Jungs, rief:

„Okay! Abflug Leute!“

Sie zischten aus der Gasse raus und die Straßen runter. Wenn sie so unterwegs waren, wurde jedem sofort klar das es sich um eine Biker Gang handelte. Kaneda fuhr als Anführer mit seiner roten Maschine vorne weg. An seiner Seite rechts und links hinter ihm waren Kai und Yamagata und dann kam in der Regel der Rest. Eine klassische Hierarchie in der Gruppe.

Und während sie auf dem Weg zu ihrem Dealer war machte sich Kaneda wieder Gedanken über alles Mögliche. Er dachte aber in dem Moment an die Worte der alten Frau Nakamura. Es war schon auffällig dass Kaneda Single war. Da hatte sie recht. In der Regel hatte jeder Anführer einer Biker Gang eine, wie sie sie nannten „ Old Lady“. So gesehen war eine Old Lady die Braut, oder Königin des Anführers. Wenn er das Alphamännchen war, war sie das Alphaweibchen. Und sie wurde von allen in der Gang auf Armen getragen und verehrt. Beschütz natürlich auch. Eigentlich war das eher ein amerikanisches Ding, aber es hatte sich in Neo Tokyo auch so eingelebt unter den Gangs. Mädels aus seiner Schule würden alles dafür geben die Old Lady einer Biker Gang zu werden. Deswegen war Kaneda nicht nur wegen seinem Aussehen, sondern auch seinen Status an der Schule oft von Mädels umgeben. Die Meisten hatten vor Jahren auch schon Sex mit ihm gehabt, aber ihm hatte es nichts bedeutet. Hey er war halt ein Kerl. Damit waren sie aber noch lange nicht zu dem Status hochgehoben worden sein zu sein. Er hatte sie eigentlich nur egoistisch benutzt. Aber das war auch schon Jahre her. Änderte aber nichts daran dass ein Anführer der Single war, ein heißer Punkt der Begierde unter den Mädels wurde. Sogar Joker hatte seine Old Lady. Er fragte sich deswegen auch oft: Wie geschmacklos musste man sein um sich mit diesem Brutalo einzulassen? Aber sie wollte sicherlich eh nur den Titel und von ihm gevögelt werden. So waren sie alle. Kaneda hatte seit Jahren keinen Sex mehr gehabt. Er war von so vielen Mädels mehr aus Sprungbrett angesehen worden, dass er sich auf keine mehr einließ. Liebe war etwas was er noch nie zuvor gespürt hatte…Auch wenn das gestern Abend vielleicht an den Level ran kam…
 

Als sie alles auf dem Schwarzmarkt erledigt hatten, standen die Jungs auf dem Schulhof in der hintersten rechten Ecke.

Kaneda zählte die Kohle und verteilte sie gerecht unter seinen Jungs. Sie hatten mit dem Kokain echt was rausgeholt. Und jeder schien endlich mal wieder beruhigt und zufrieden zu sein. Was auch ihn froh machte. Er gab immer mehr an seine Jungs und behielt weniger für sich. Es war wichtig dass es ihnen gut ging. Das würde er aber nie zugeben und hielt es deswegen auch geheim. Er wollte nicht dass sie sich sorgten. Als die Glocke zum Unterrichtbeginn ertönte machten sich alle auf den Weg in das Gebäude, wenn auch wiederwillig. Die Schule in ihrem Bezirk war das reinste Desaster gewesen. Dreckig, beschmiert, voller Graffiti und wer wusste was noch so in den Ecken wucherte. Sauber und ordentlich war etwas anderes. Auch waren die Schüler eher der Abschaum unter dem Abschaum. Im Unterricht wurde nicht wirklich gelernt. Yamagata gehörte zu denen die Zeitung lesen und Kaneda machte Spaß mit den anderen Jungs. Verarschte den Lehrer oder machte sich Pläne wegen Joker. Nur Kai versuchte etwas zu lernen, der ließ sich aber auch schnell ablenken. Der einzige Lichtblick war für die meisten Jungs auf der Schule die Krankenstation. Die Schwester die da arbeitete sah heiß aus und ließ bekanntlich mal jeden drüber rutschen. Auch Kaneda hatte mal mit ihr Sex gehabt. Er bekam nen Schock als sie dann schwanger war. Aber es stellte sich zum Glück heraus, dass es nicht sein Baby war. Ehrlich gesagt wusste man nicht von welchem Schüler es war. Nur Kaneda hatte freiwillig den Test gemacht und der war negativ gewesen. Er war halt anders und wollte Gewissheit haben. Ihm war das eben nicht so scheiß egal gewesen wie den Meisten…Sie war momentan nicht mehr auf der Schule. Aber die Neue war auch ein Hingucker…

Heute hatte Kaneda aber nicht die Lust scheiße zu bauen im Unterricht. Er saß oben in dem Raum am Fenster und sah hinaus. Er war verträumt. Eigentlich wollte er nur dass der Tag so schnell wie möglich vorbei war und er zurück nach Shima konnte. Sie würden sich in der Grundschule treffen, wenn es dunkel wurde. Was bedeutete er würde sich sofort nach der Schule auf sein Bike schwingen und dahin fahren. Musste sich allerdings noch eine Ausrede für seine Jungs überlegen. Aber da fiel ihm schon was ein. Er sah ihn wieder vor sich. Diesen Moment… Wie Tetsuo sich unter dem Cape offenbart hatte. Den Schlafzimmerblick, diese Augen, die entblößten und so zarten Schultern…Er schüttelte den Kopf. Holte sich zur Besinnung.

„Reiß dich zusammen Kaneda…“

Sagte er leise zu sich selbst und wurde dann plötzlich leicht von rechts angeschupst. Er sah erschrocken zu Kai der ihn lieb anlächelte.

„Wegen was sollst du dich zusammen reißen?“

„G-Gar nichts! Alles okay.“

Er wand sich schnell ab und Kai sah ihn verwirrt an. Vielleicht war es den anderen noch nicht aufgefallen aber ihm schon. Kaneda verhielt sich seit gestern äußerst ungewöhnlich. Es fing schon damit an, als die Jagd schief ging. Er war sehr still gewesen. Dann kam er nicht mal mehr mit in die Bar und war verschwunden für den Rest des Abends. Selbst wenn er mit keinem Mädel was anfing, so würde er dennoch mit den Jungs etwas trinken. Das machte er immer. Es war also sehr komisch dass er nicht mal dies tat. Und noch dazu kam er an diesem Morgen zu spät. Wenn Kai es nicht besser wüsste würde er glatt denken sein Boss wäre verknallt. Aber das war momentan nicht möglich oder…?Er rückte etwas näher an Kaneda und fragte besorgt:

„Gibt es etwas worüber du reden willst Kaneda? Oder brauchst du Rat?“

Sein Chef sah wieder zu ihm. Er schien ruhig zu sein und lächelte kurz.

„Es geht mir gut Kai. Ich bin nur…nur noch etwas durch den Wind wegen gestern.“

„Wegen der Jagd?“

Kaneda nickte verträumt.

„Fandest du es nicht auch komisch…dass er wie ein ganz normaler Junge wirkte?“

Kai überlegte auf die Frage kurz und lehnte sich dann auf seinem Tisch vor. Der Lehrer hörte gerade eh nicht zu, weil er mal wieder mit Yamagata wegen der Zeitung diskutierte. Demnach war es auch etwas laut im Klassenraum. Er sah auf seine Hände.

„Du musst immer wieder an früher denken, oder Kaneda? An diesen PsyKI der mich auch fast getötet hätte…Aber wenn du das so erwähnst es war schon seltsam. Der Kerl damals war komplett entstellt gewesen. Ich erinnere mich noch genau daran wie sein Oberkörper pulsierte, als würde gleich etwas wie in einem Horrorfilm aus ihm schlüpfen. Und auch dass seine Beine eigentlich nur noch fleischige Masse und Adern waren mit denen er sich über den Boden bewegte. Er wirkte wie ein...“

„…Wie ein Monster.“

Beendete Kaneda und sah auch auf seine Hände. Kai sah aber wieder zu ihm. Zögerte kurz…aber er musste einfach fragen:

„Du hast den Jungen gestern gesehen Kaneda…Denkst du er wäre auch so ein Monster geworden?“

Daraufhin sah ihn der Ältere verwirrt an.

„Wie meinst du das denn?“

„Naja der Andere damals wirkte wie wild. Es schien mir beinahe so als hätte er seinen Körper nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Er schien Schmerzen zu haben und war so von Wut gelenkt dass ich…ich dachte eben darüber nach ob er vielleicht nicht auch mal normal gewesen ist. So wie der Junge gestern.“

„Was? Meinst du etwa er wäre mutiert oder so?“

„Wäre doch gut möglich…Naja…Vielleicht hast du den anderen gestern damit so ein Leiden erspart.“

Und damit wand er sich ab und schrieb in sein Heft vor sich. Kaneda aber…schien plötzlich besorgt…War es vielleicht so? Ist der Kerl damals echt aus unbekannten Gründen mutiert? Sie hatten noch nie einen PsyKI gesehen der menschlich war. In den Medien wird auch nur berichtet dass sie Monster wären. Vielleicht war aber die menschliche Gestalt ihr normales Aussehen. Es ist in den Jahrzehnten vielleicht einfach untergegangen und anders ausgelegt worden…Er kratzte sich am Kopf. Das war zu viel für ihn um sich darüber Gedanken zu machen. Immerhin…was wusste er schon über diese Rasse? Alles was er wusste war aus Medien oder der Begegnung damals. Das mit Tetsuo gestern hatte ihn so aus der Bahn geworfen, weil es alles was er kannte auf den Kopf gestellt hatte. Er war keine bösartige und unkontrollierbare Kreatur gewesen die den Planeten übervölkern wollte, um die menschliche Rasse auszurotten…Das war ein kleiner Junge mit Gefühlen wie Angst und Neugier gewesen. Dennoch war sein Arm verdammt schnell wieder verheilt…

„Yamagata nimm jetzt endlich die Zeitung vom Tisch!“

„Ich bin aber gerade erst bei der Sportschau angekommen! Wollen sie dass ich ungebildet sterbe in diesem Loch?!“

Kaneda stand plötzlich auf und lief hinter Kai und anderen Schülern vorbei. Dann wanderte er die Treppe runter und verließ den Raum einfach. Kai sah ihm noch verwirrt hinter her. Was hatte er denn wieder vor? Eine Zeitung flog durch den Raum und landete auf seinem Kopf.

„Yamagata!“

Kaneda konnte nicht noch länger in der Schule die Zeit totschlagen! Er machte sich zu seinem Motorrad und warf es an. Verließ dass Schulgelände und raste auf der Straße runter. Er raste in die Richtung des vierten Highways. Er wollte nach Shima, jetzt und sofort! Als er an diesem ankam war er auch sehr darüber erleichtert gewesen dass er nicht gesperrt war. Er hatte schon mit dem Schlimmsten gerechnet, dass die Polizei ihn absperren würde nach der Aktion gestern. Aber nichts hatte sich getan. Die waren wohl mehr damit beschäftigt gewesen Donuts oder Sushi sich in den Kopf zu kloppen. Er raste diesen runter. Die Sonne war noch hoch am Himmel, aber es durfte noch gute 2 Stunden dauern bis es dämmerte. Definitiv zu früh, aber vielleicht hatte er ja Glück. Die Grundschule war nicht tief im Stadtzentrum. Sie lag im Osten und er brauchte auch nur eine gute Viertelstunde bis dahin. Der warme Sommerwind pfiff ihm durch das Haar und der Geruch des Flusses vermischte sich mit diesem. Der Fluss um Neo Tokyo war stark verdreckt gewesen. Es war also kein angenehmer Geruch. Momentan kämpfte die Stadt auch mit starken Preisen für sauberes Wasser. Woher kam das wohl nur? Sarkasmus. Er sah nach rechts zu dem Decksloch dass sich Stadt nannte. Wenn er die Möglichkeit hätte würde er abhauen. Er würde alles hinter sich lassen mit seinen Jungs und einen neuen Ort zum leben aufsuchen. Aber wohin sollten sie? Wer würde einen Jungen Kerl wie ihn und seine Bande schon freiwillig aufnehmen? Ohne Ausbildung und Schulbildung vor allem. Es war schon hoffnungslos. Er musste eben einfach damit klarkommen.

Und endlich sah er auch schon die Schule. Er bremste direkt vor ihr ab und sah rechts zu ihr. Schob seine Brille dabei hoch. Still wie immer. Vor ihm ersteckte sich ein Gebäude. Es war nicht besonders hoch, aber breit gebaut. Links davon sah er schon den durch einen Zaun abgesperrten Spielplatz. Der Zaun hatte Löcher ohne Ende. Langsam stieg Kaneda von seiner Süßen ab und legte die Brille um das Lenkrad. Er schob sie einige Meter von der Straße runter und versteckte sie hinter einem hohen Gebüsch. Sicherheitshalber, nur falls die Bullen doch noch Streife fuhren wegen gestern. Dann schritt er langsam auf das Gebäude zu.

Die Eingangstür ließ sich ohne großen Aufwand öffnen. Sie knirschte laut auf und er trat in die Halle dahinter. Sie war komplett zerstört gewesen. Zerstörte Spinte, der Boden hatte Risse und Gruben und alles Holz der Bänke, zum sitzen, war mit Schimmel überzogen und morsch. Efeu rankte sich an den Wänden hoch und um alles was er in die Finger kriegen konnte. Die kindlichen Zeichnungen an den Wänden waren verschmiert durch Wasser und Witterung. Das einzig Schöne war das Sonnenlicht dass sich durch die kaputte Decke in Strahlen einen Weg ins Gebäude schlich. Er hörte Vögel zwitschern und lief tiefer in das Gebäude. Er bog den Gang links ab und lief diesen runter. Bis er an einer Glastür ankam die direkt in den Hof führte. Sie war verschlossen, aber das Glas zersplittert dass er sie nicht zu öffnen brauchte. Vorsichtig schlängelte er sich hindurch und war auf den Hof. Alle Geräte zum Spielen waren kaputt und verdreckt. Die Wippe abgebrochen, der Sandkasten leer und überwachsen mit Gestrüpp und die Schaukeln abgerissen und halb noch da hängend. Es war gespenstisch…aber auch sehr traurig. Früher hatten an diesem Ort Kinder gespielt. Hatten Spaß und machten sich noch keine Gedanken um ihre Zukunft. Hätten bestimmt auch nicht gewusst dass ihre Zukunft so aussehen würde. Gepeinigt und gezeichnet vom Krieg.

Langsam lief er auf die Schaukeln rechts von sich zu und sah diese verträumt an. Solche…hatte er auch in seinem Waisenhaus gehabt. Er musste sich um einen Platz prügeln. Jeden Tag aufs Neue. Und meist bekam er danach von den Erziehern noch ne Schelle, weil er sich geprügelt hatte. Wie oft…hatte er eigentlich geweint? Saß abends in seinem Zimmer und weinte vor Wut und Trauer über sein Leben. Seinen Eltern nach die er verloren hatte. Wie oft hatte er geweint…bis er keine Tränen mehr übrig hatte und kalt in der Hinsicht wurde? Und es wurde ihm klar…Bereits damals musste er schon lernen, im zarten Alter von 5 Jahren, dass das Leben ein bloßer scheiß Kampf war. Entweder du frisst oder du wirst gefressen. Menschen waren nicht wirklich anders wie Tiere in seinen Augen. Nur weil sie Regeln hatten, konnten sie nicht verbergen was sie im Innern wirklich waren. Raubtiere mit großen Gehirnen. Sie töteten um zu fressen, sie lebten in Rudeln mit einer Ranghierarchie und sie hatten Sex um sich zu vermehren. Arterhaltungstrieb. Er musste aber aufhören daran zu denken. Er fing an sich vor sich selbst zu ekeln.

„Du bist aber schon früh hier.“

Kaneda zuckte förmlich zusammen und drehte sich schnell um. Die freche Stimme hatte ihn erschreckt, aber als er sah wer da auf dem Kletterturm vor ihm saß musste er doch etwas frech auflächeln. Er machte die Hände cool in seine Hosentaschen und sprach zu ihm:

„Dasselbe könnte ich auch zu dir sagen Tetsuo.“

Tetsuo saß auf einem leicht kaputten Kletterturm ganz oben. Er hatte das rechte Bein über das Andere gelegt und stützte sich mit den Händen nach hinten ab. Sein Haar wehte leicht im Wind, so wie auch sein rotes Cape dass er wieder trug. Letzten Endes hatte er es doch wieder aus dem Fluss gefischt. Er mochte es zwar nicht aber er brauchte es. Immerhin war es etwas von seiner Heimat…Er wirkte dabei fast wie ein Superheld, wie es so im Wind flog. Die weiße Kleidung natürlich befleckt mit seinem Blut von letzer Nacht. Inzwischen war es aber abgezeichnet als getrocknete dunkle Flecken. Seine Mine war nicht mit Freude oder Wut erfüllt. Eher neutral und achtsam. Er war echt gekommen…Das war gut, dann musste er den nächsten Schritt einleiten. Kaneda wusste nicht genau wie er sich ihm nähern sollte, also fing er einfach mal an zu reden und stand unten vor dem Turm, sah dabei hoch:

„Ich finde es cool dass du doch gekommen bist. Nachdem du gestern Abend einfach verschwunden bist, ohne mir ein Ja oder Nein zu geben, war ich mir da nicht mehr so sicher.“

„Du hast dir meinen Namen gemerkt.“

Kaneda sah ihn verwirrt an.

„Ähm…ja. Warum auch nicht?“

Tetsuo sah ihn einfach nur an. Und dann zeigte Kaneda mit seinem rechten Zeigefinger auf sich selbst und fragte lieb:

„Weist du noch wie ich heiße, hm?“

Und wieder sah ihn sein Gegenüber einfach nur still an. Es wirkte fast als würde er gar nichts mehr sagen wollen. War er echt so introvertiert dass man ihm alles aus der Nase ziehen musste? Das konnte ja lustig werden…

„…Du bist Kaneda. Dein einer Freund hat deinen Namen oft genug geschrien letztens, du hättest ihn mir gar nicht nochmal sagen müssen.“

Und da lächelte Kaneda erfreut.

„Ja richtig das war Kai!“

„Ja genau, dass war der Bengel der mich die Straße hochgejagt hat damit du mir den Kopfschuss verpassen konntest. Und dieses große laute Arschloch war auch dabei, das mich unter Dauerbeschuss hielt.“

Kaneda lachte kurz auf:

„Haha! Ja das ist die perfekte Bezeichnung für meinen Yamagata!“

Tetsuo lehnte sich nach vorn und sprach plötzlich ernster:

„Das war kein Spaß gerade.“

„Ja das dachte ich mir. Aber ich fand es einfach passend und irgendwie charmant.“

„Charmant? Bist du eigentlich bescheuert oder so?“

Kaneda legte den Kopf etwas verwirrt schief. Tetsuo klang sauer. Er wirkte an sich irgendwie so angespannt. Hatte er echt solche Angst vor ihm?

„Warum wolltest du dich hier mit mir treffen?! Was soll das?!“

Kaneda kratzte sich am Hinterkopf.

„Naja ich wollte mich mit dir treffen um dich kennen zu lernen. Ich dachte hier würde es am sichersten für dich sein. In Neo Tokyo hätte die Bevölkerung sicher schon längst nach dir geballert. Angefangen bei den Gangs bis hin zu der Polizei und im schlimmsten Falle dann auch noch das Militär.“

Es waren ehrliche Worte gewesen. Was aber Tetsuo seine Verwirrung nur noch mehr anfachte, wie auch dass er genervter wurde. Er stellte sich jetzt auf dem Turm auf und steckte ebenfalls die Hände in seine Hosentaschen. Sie blickten sich beide einfach nur an. Und auch wenn Tetsuo der war der höher stand, so hatte Kaneda doch dass Gefühl dass er von den beiden eher das Alphamännchen war. Und es war als würde er zu einer Göttin hoch sehen deren Gunst er gewinnen wollte…Er machte einen Schritt auf ihn zu. Tetsuo hatte ihn genau im Blick.

„Komm doch runter und lass uns ne Runde laufen. Was hältst du davon Tetsuo?“

„Nicht sehr viel.“

„Ach komm jetzt sei doch nicht so! Ich werde dich schon nicht auffressen.“

„Ja und ich werde dir nicht vertrauen. Ganz einfach.“

Er drehte dabei seinen Kopf arrogant zur Seite und schloss die Augen. Kaneda aber musste grinsen. Oh verstehe er machte einen auf schwer zu kriegen. Na das hatte doch seinen Reiz. Aber die Nuss würde er schon knacken. Da war er zuversichtlich. Nur wie sollte er…

„Oookay, dann machen wir doch eine kleine Wette.“

Tetsuo sah wieder zu ihm. Er schien verdutzt aber dennoch neugierig.

„Eine Wette?“

„Jep. Ich wette…“

Kaneda sah sich um und da kam ihm auch schon die Idee. Schnell sah er wieder hoch.

„Ich wette du kennst dich nicht in Sachen Motorräder aus.“

Tetsuo zuckte mit den Schultern. Warum sollte er auch?

„Was willst du mir damit sagen?“

„Erzähl mir etwas Technisches über meine Süße. Wenn du verlierst erzählst du mir etwas über dich.“

Tetsuo grinste überheblich.

„Und wenn ich gewinne?“

„…Dann mache ich eine Sache für dich. Was auch immer du magst.“

Das war ein Interessanter Vorschlag. Aber auch sehr gewagt. Kaneda konnte diese Wette aber gar nicht verlieren. Keiner kannte sich mit seinem Bike aus, außer er selbst. Sie war ne spezielle Anfertigung von ihm zusammen gebastelt, es war unmöglich diese Wette zu verlieren. Er musste nur hoffen dass sein Gegenüber auf den Vorschlag einging und anbiss. Tetsuo wusste nicht was dieses blöde Spiel eigentlich sollte aber…das wäre doch mal die Gelegenheit diesen Kerl in seine arroganten und selbstsicheren Schranken zu weisen! Er lächelte etwas fies und antwortete:

„Okay gut. Wo ist deine blöde Kiste?“

Perfekt er hatte angebissen. Kaneda zeigte ihm den Weg mit einem Kopfnicken. Natürlich kam Tetsuo nicht zu ihm runter. Er flog ganz elegant hinter ihm her. Der Ältere zog sie aus dem Gestrüpp hervor und etwas auf den Weg vor der Schule. Kaneda stellte sich daneben und zeigte auf sie. Präsentierte sie und sprach zu ihm hoch:

„Na dann komm mal runter und erzähl mir etwas über sie. Aber sei nett zu ihr, sie ist etwas empfindlich.“

Oh mann, als wäre das Ding lebendig. Wie nervig. Kaneda ging natürlich von dem Motorrad weg, da er wusste dass sich Tetsuo dem Teil sonst nicht nähern würde. Er war verdammt scheu, dass musste man sagen. Oder eher übervorsichtig. Kaneda kam es fast so vor als müsste er ein Tier zähmen. Tetsuo schien auch noch etwas zu überlegen. Aber dann kam er doch tatsächlich runter und stellte sich neben das rote Schmuckstück. Er sah sie an. Hatte die Hände noch immer in den Hosentaschen. Und dann blicke er zu Kaneda rüber, der ihn anlächelte und sprach:

„Und?“

Tetsuo sah wieder weg und zu der Maschine vor sich…

„Ein Hybrid.“

Kaneda sah ihn erstaunt an. Bitte was?!

„Hoch technologisches Rennmotorrad. Sie hat an beiden Rädern eine elektrische Leitung direkt verbunden zum Motor und nicht um mehrere Umwege herum. So kommt sie gleich in Sekunden schnelle auf das gewünschte Tempo. Sie hat zudem noch computergesteuerte Analogbremsen um sofort und allein reagieren und um perfekt stoppen zu können. Erreichen kann sie eine Geschwindigkeit von 200 km/h. Auch ist sie so gebaut dass sie weniger Windwiederstand hat bei dem Tempo dass sie erreichen kann und…“

Kaneda sah ihm einfach nur gebannt zu. Alles was er sagte war vollkommen richtig. Keine Ahnung woher er das wusste aber das war ihm im Moment auch vollkommen egal. Das einzige was er noch sah war Tetsuo. Er hörte ihm nicht mal mehr zu, er musste ihn nur ansehen. Seine Worte verschwanden in der Stille in seinem Kopf. Er hatte sich sogar auf Kanedas Bike gesetzt und erzählte einfach weiter. Spielte dabei an der Technik etwas rum. Auf seiner Schönheit saß eine…Schönheit. Und er geriet leicht in Wallung bei dem Anblick. Diese zarte Art wie er über das Bike streichelte. Er sich bewegte. Seine Atmung... Er schluckte, sah sich vor seinem inneren Auge bereits auf Tetsuo zulaufen. Sah wie er ihn packte. Sanft aber sicher. An beiden Handgelenken. Er drückte ihn auf das Motorrad hinter und sah ihn vor sich liegen. Wunderschön. Nur um dann zu ihm runter zu kommen und in einen innigen und wilden Zungenkuss mit ihm zu verschmelzen. Strich ihm dabei sanft das Oberteil hoch. Tetsuo seine Haut war zart und heiß vor Erregung. Und dann griff er tiefer um ihm diese Hose von der Hüfte…

“Hey! Hörst du mir überhaupt zu?!“

Sofort riss es Kaneda aus seinem Tagtraum und er sah erschrocken zu Tetsuo, der mit verschränkten Armen da stand und ihn wütend ansah. Als hätte man ihm einen Stein an den Kopf geworfen war er wieder im Hier und Jetzt. Sah das Bike zwischen den Beiden wie eine Sperre. Er hatte nicht mal wirklich gehört was er gesagt hatte und sprach nur aus Reflex:

„Ich will dich.“

Tetsuo sah ihn verdutzt an.

„Was?“

„Äh!I-ich meinte: du hast vollkommen recht! Heheh…“

Oh mann wie super peinlich. Er hätte sich innerlich selbst das Bein brechen können, so peinlich war ihm das! Sowas war ihm ja noch nie passiert. Noch nie war er so mischugge und verpeilt gewesen wie gerade eben. Er lief rot an. Was war nur los mit ihm?! Warum machte dieser Junge ihn so verrückt?! Er kam sich plötzlich vor wie ein pubertierender, notgeiler Teenager! Er musste sich fassen, ablenken von seinen Gedanken:

„…Woher kennst du dich denn mit Motorrädern aus? Wohl eher gesagt mit meiner Hübschen hier.“

Bescheidene Frage. Keiner konnte das Wissen! Also woher…? Tetsuo legte sich frech nach vorne und stützte sich dabei auf der Roten ab. Er sah ihn frech und überheblich an. Aber nicht böse, mehr…erotisch. Wobei sich das Kaneda vermutlich nur vorstellte. Nach dem Tagtraum eben…

„Tja was man alles so erfährt wenn man mal kurz etwas berührt was einem anderem gehört.“

Und da klingelte es plötzlich bei Kaneda. Er sah ihn erschrocken an und sprach dann laut:

„Warte mal! Du hast geschummelt! Du hast deine Psycho-Tricks eingesetzt um das rauszubekommen! Das ist nicht fair!“

Tetsuo wand sich wieder zurück von dem Bike.

„Tja es hieß nicht dass ich das nicht darf. Was wohl bedeutet ich habe gewonnen.“

“Wa…?! Moment Mal!“

Tetsuo drehte sich um und lief einige Schritte weg. Dann sah er über seine rechte Schulter hinter und sprach zu Kaneda:

„Lass uns etwas laufen. Ich könnte mal wieder meine Beine benutzen.“

Und dann lief er einfach auf das Gebäude zu. Kaneda sah ihm erstaunt nach. Er schob schnell sein Bike wieder in das Gebüsch und sah ihm nach. Okay…unerwartet aber nicht unwillkommen! Es dauerte auch nicht lange da musste er grinsen und rannte ihm hinterher. Er blieb allerdings etwas auf Abstand und hinter Tetsuo. Wollte ihm nicht zu nahe treten. Zumindest nicht außerhalb seiner Gedanken wohl gemerkt. Das bisschen Vertrauen was er gerade aufgebaut hatte, wollte er nicht gleich wieder zerstören. Also ließ er dem Kleinen seinen persönlichen Puffer.

Tetsuo lief auf die Glastür zu durch die Kaneda erst rausgekommen war. Aber anstatt sich durch diese durchzuschlängeln, wie er vorher, machte er eine leichte Bewegung seines linken Armes und riss sie komplett aus den Angeln. Schmetterte sie gegen die linke Wand des Gebäudes. Bei dem lauten Krachen zuckte der Ältere kurz zusammen und blieb stehen. Tetsuo klatschte sich die Hände sauber und sah hinter.

„Was? Kommst du oder nicht? Du wolltest doch spazieren.“

Er war etwas aggressiv in seiner Art…Er folgte ihm einfach weiter in das Gebäude. In der Halle setzte sich dann Tetsuo überheblich und etwas arrogant auf einen umgefallenen Spint und saß mit verschränkten Armen und dem rechten Bein über das Linke gelegt da. Er sah zu Kaneda, der etwas weiter weg verdutzt vor ihm stand. Wollte er nicht eben noch laufen? Es war komisch aber es fühlte sich an, als würde der Kleine vor ihm nur so tun als wäre er so mies und muffig. Und als die Stille einfach nicht gebrochen wurde fragte Tetsuo genervt:

„Und?! Was ist?! Willst du nicht mal anfangen mich zu löchern? Du hast doch bestimmt Fragen die dir auf der Seele brennen.“

Eigentlich brannte Kaneda was anderes, aber das wäre zu viel in dem Moment gewesen. Er blieb einfach stehen und überlegte…Was sollte er ihn eigentlich fragen? Er hatte sich noch keine Gedanken darüber gemacht…Er fing einfach mal mit einer normalen Frage an:

„Also…woher kommst du? Du bist definitiv nicht aus Neo Tokyo.“

„Von weiter weg.“

„…Okay. Gibt es noch mehr von deiner Sorte, von da wo du herkommst?“

„…Vielleicht?“

Kaneda wurde etwas ungeduldiger.

„Was kannst du noch so, außer fliegen und Telekinese?“

„…So einiges.“

Genug.

„Okay das reicht! Du antwortest nicht, du spielst mit mir! Macht es dir Spaß mich so auf die Palme zu bringen?!“

Tetsuo lächelte fies zu ihm rüber.

„Ehrlich gesagt ja. Es ist wirklich…unterhaltsam.“

Okay alles klar. Wenn er von sich aus sich nicht freiwillig öffnen wollte, dann musste Kaneda eben etwas nachhelfen! Entschlossen lief er auf ihn zu und in wenigen Sekunden änderte sich Tetsuos überhebliche und freche Art in Unsicherheit. Er setzte sich schnell normal hin und fauchte ihm zu:

„Komm mir nicht zu nahe!“

Aber Kaneda kam weiter auf ihn zu.

„Oder was? Reißt du mich in Stücke? Das wirst du nicht tun.“

Und Tetsuo wusste wirklich nicht was er tun sollte. Er sah ihn unsicher und wie erstarrt an. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Wenn er es tat würde er sich automatisch schützen wollen. Was bedeutet er würde ihn wirklich in Stücke reißen, oder schlimmer. Und das…wollte er eigentlich nicht…Und dann setzte sich Kaneda zu ihm. Er saß rechts von ihm, natürlich auf Abstand, auch auf dem Spint. Er warf ihm einen ernsten Blick zu und sprach:

„Schluss mit dem Spielchen. Ich bin nicht hier rausgefahren um mich von dir verarschen zu lassen Testuo.“

Auf diese Art reagierte auch sein Gegenüber etwas wütender.

„Ach ja? Vielleicht solltest du dich dann umdrehen und einfach verschwinden, wenn dir meine Spielchen nicht passen, du Blödmann!“

Keiner der den Beiden in dem Moment zusah würde etwas Gutes dabei rauskommen sehen. Es wirkte wie ein Streit der kurz davor war zu eskalieren. Da prallten mental zwei starke und nicht unterwürfige Jungs aufeinander. Kaneda wollte ihn teils unterwerfen und Testuo ließ dass nicht mit sich machen. Also würde ein Löwe sich sein Weibchen aussuchen und die stellte sich quer. Und genau dass brachte nichts. Deswegen machte, erstaunlicherweise, Kaneda den ersten Schritt zurück und wurde ruhiger. Er atmete aus und sprach freundlicher:

„Tut mir leid. Ich bin nicht hier um mich zu streiten.“

Und das überraschte Tetsuo. Er…er wich zurück? Es war aber nicht aus Furcht oder Unterwerfung es fühlte sich an wie…Respekt. Umsicht war vielleicht etwas passender. Konnte es sein dass er ihn…respektierte als das was er war? Noch nie hatte er einen Menschen erlebt der so zu ihm war. Nicht mal in seinem Dorf…Und da sah Tetsuo dann weg und vor sich auf den Boden. Beeindruckt. Zum ersten Mal in seinem Leben wurde er so von einem Jungen behandelt. Er sah wieder zu Kaneda. Sah ihn einfach nur an. Es war als würde er ihm…als würde er ihm sanft die Hand reichen. Als wollte er eine Verbindung aufbauen. Vertrauen…Warum wollte er das? Gestern wollten sie sich noch gegenseitig umbringen. Also eher Kaneda. Und jetzt das? Was sollte er tun? Was wollte er von ihm? Noch nie war Tetsuo sich so unsicher in seinem Leben gewesen…

„Vielleicht sollte ich jetzt lieber gehen.“

Kam es von Kaneda und dieser stand auf, so das Tetsuo ihm dabei verwirrt ansah.

„…Was?“

Der Größere sah zu ihm runter und antwortete:

„Wenn du nicht reden willst werde ich dich auch nicht dazu zwingen…Ich wollte wirklich gerne mehr über dich erfahren weil…Naja weil du mich faszinierst…Aber ich bedränge dich nicht gerne. Also denke ich wir machen hier Schluss.“

Schluss? Was meinte er mit Schluss? Tetsuo wusste nicht was er machen sollte. Er konnte einfach nicht offen reden! Er konnte es nicht! Es war zu gefährlich! Aber er wollte auch auf keinen Fall dass Kaneda jetzt einfach wegging! Er war auch wegen ihm hier. Er wollte doch auch mehr über ihn erfahren! Aber er wusste nicht wie er sich ausdrücken sollte. Was sollte er nur tun... ?

Aus der Ferne war plötzlich das Geräusch von einem Auto zu hören. In dieser Geisterstadt war es unglaublich laut und unüberhörbar. Erschrocken sahen beide zu der Eingangstür. Kaneda klingelten zuerst die Ohren. Diesen Sound kannte er! Das war definitiv eine Maschine der Polizei! Etwas was er durch viele Treffen mit denen gelernt hatte. Scheiße! Also machten die doch Kontrollgänge! Er sah zu Tetsuo runter und packte ihn plötzlich am rechten Handgeldenk. Der Kleine konnte nicht mal schnell reagieren, auch weil er total überrumpelt war. Er sah erschrocken zu Kaneda und der sprach ernst zu ihm:

„Wir müssen hier weg! Das sind die Bullen!“

Er zog Tetsuo auf die Beine hoch und rannte los. Riss ihn hinter sich her. Der Kleine ließ sich einfach mitreißen und sah Kaneda dabei ihn den Rücken. Warum…ließ er sich einfach…? Es war knifflig. Wenn die Polizei die Zwei an einem Ort wie diesen fand, mussten sie als nächstes mit auf die Station. Dort würden sie Kaneda dann einbuchten und Tetsuo…Oh Gott, wenn die herausfanden was er war würden sie ihn an Ort und Stelle exekutieren! Gnadenlos! Er riss den Kleinen weiter den dunklen Gang hinunter. Am Ende war allerdings eine verschlossene große Tür. Sie bremsten aus und der Ältere fluchte:

„Scheiße!“

Er sah nach rechts in ein Klassenzimmer. Sofort rannte er da rein. Zerrte natürlich noch immer den verdutzten PsyKI hinter sich her. Er wehrte sich nicht mal wirklich. Stellte auch keine Fragen. Der Klassenraum war übersichtlich. Kaum Möbel standen noch darin…Aber eine alte Besenkammer! Er flitzte auf diese zu und öffnete schnell die Tür. Schmiss Tetsuo förmlich rein und quetschte sich dann dazu.

„Hey was…?!“

Fauchte der Kleine und dann knallte die Tür der Kammer auch schon zu. Es war echt nur ne kleine Abstellkammer für Besen oder ähnliches gewesen. Aber dennoch passten beide grade noch rein. So dass es schon etwas kuschelig wurde…Tetsuo wurde mit dem Rücken an die Wand gedrückt und sah hoch zu Kaneda der…sehr nahe war. Er stützte sich vor ihm an der Wand ab und sah zu der Kammertür. Er schien zu lauschen und Tetsuo fauchte laut:

„Was soll das?!“

Kaneda sah zu ihm runter. Hielt von seiner rechten Hand den Zeigefinger vor seinen Mund. Eine Geste still zu sein.

„Das ist die Polizei. Die machen anscheinend eine Kontrollstreife wegen dem Krawall den wir letztens veranstaltet haben. Wenn die uns erwischen gibt es Ärger. Dich würden sie auf der Stelle töten!“

Machte er…sich Sorgen um ihn? Tetsuo sah sich um. Fragte dann genervt:

„Und du fandest kein besseres Versteck als eine Abstellkammer?! Dein Ernst?“

„Oh Verzeihung dass ich ihnen kein Luxushotel als Versteck anbieten kann!“

Aber so schlimm war es eigentlich gar nicht. Eigentlich…genoss er die Nähe etwas. Kaneda war der Erste der ihm…so nahe war. Den er so nah an sich duldete. Er konnte seine Herzschlag spüren…Er war genauso schnell und aufgeregt wie seiner…

Draußen war das Geräusch von Schritten zu hören. Sie waren aber fern, sie hallten nur so laut wegen der leeren Gänge und Stille. Tetsuo schloss die Augen und überprüfte das mal schnell. Er konnte sich mit Gedanken verbinden. Und er wusste in einer Sekunde genau wo die Polizei war. Es waren Zwei gewesen. Männlich und standen in der Eingangshalle von eben. Sie waren bewaffnet und sahen sich im Raum um. Es dauerte aber nur wenige Minuten und sie waren wieder aus der Eingangshalle verschwunden. Tetsuo brach die Verbindung ab und musste kurz blinzeln. Er sah wieder durch seine Augen und zu Kaneda rauf, der zu ihm runter sah und fragte:

„Alles okay? Du warst wie erstarrt.“

Tetsuo drückte sich an ihm vorbei und wollte aus der Kammer raus. Antwortete ihm:

„So ist dass wenn man in den Verstand der Schwachen eindringt.“

Und dann öffnete er die Tür und ging raus. Kaneda erschrak erst und wollte fragen: Was machst du da?! Aber sein Gegenüber bestätigte ihm gleich:

„Die sind schon weg. Ich konnte durch den einen seine Augen sehen.“

Ach so? Er hatte also spioniert. Wow er steckte echt voller Überraschungen. Kaneda kam hinter ihm raus und schloss die Tür.

„Sowas kannst du? Echt? Bei jedem?“

Tetsuo schnaufte genervt. Er klopfte sich sein Cape zu Recht.

„Nein! Ich hab doch eben gesagt dass es nur bei denen geht die einen Schwachen Geist haben. Da ist die Barriere nicht so anstrengend zu überwinden.“

Er sah wieder zu Kaneda. Sie standen einfach nur in dem Raum rum.

„Wie machst du das eigentlich alles? Ich meine musst du was Spezielles sagen? Einen Zauberspruch oder sowas?“

Tetsuo überlegte kurz. Die Frage war etwas ungeschickt gestellt, aber eigentlich interessant. Wie machte er das eigentlich? Er hatte sich selbst nie Gedanken darüber gemacht. Er verschränkte die Arme und legte den Kopf schief. Kannte die Antwort nicht.

„Naja…wie bewegst du denn deine Arme und Beine? Ich denke es ist das Selbe. Man macht es halt einfach ohne darüber nachzudenken. Das kommt vom Kopf.“

Und ihm wurde bewusst dass er plötzlich auf eine von Kanedas Fragen geantwortet hatte. Ihm war nicht ganz wohl dabei…Aber vielleicht war es doch von Nutzen. Er konnte ein Frage-Antwort-Spiel daraus machen. Das konnte... Er kam einen Schritt näher und stellte seine Bedingung:

„Okay pass auf: Ich merke schon dass du nicht locker lassen wirst. Allein weil du anscheinend so viele Fragen hast…Du hast mich eben was gefragt…Jetzt frage ich dich etwas. Und wir wechseln uns ab. Ich werde dir aber nicht antworten, wenn ich nicht will! Klar?“

Kaneda lächelte ihn plötzlich sanft an, so dass ihm etwas unwohl wurde dabei. Dieses Lächeln war einfach komisch sanft…

„Okay, mehr verlange ich auch nicht. Es klingt fair. Dann schieß mal los!“

Was sollte er ihn fragen? Er musste mal kurz darüber nachdenken…

„Du bist der Anführer dieser Jungs von gestern?“

„Jap. Ich bin Anführer der Biker Gang die sich Capsules nennt. Kai und Yamagata sind meine besten Freunde.“

Er drehte sich kurz um und zeigte auf das Logo seiner Lederjacke. Tetsuo sah das Logo und runzelte die Stirn. Was sollte denn die Kapsel bedeuten? Er wollte ihn das fragen, aber so waren nicht die Regeln. Er schwieg und wartete auf Kanedas Zug. Der Größere musste genau überlegen was er fragen sollte. Es schien als konnte man Tetsuo nicht wegen seinem Zuhause befragen. Das blockte er ab. Also was anderes…

„Wie alt bist du eigentlich Tetsuo?“

„…Ich bin fünfzehn.“

Kaneda grinste fröhlich an.

„Cool! Dann bist du ja fast so alt wie ich! Ich bin sechzehn!“

Warum machte er das alles? Warum interessierte ihn dieser Biker-Futzi nur so? Weil er ihn mental berührt hatte? Tetsuo konnte an dem Abend etwas spüren, als sie sich das erste Mal sahen. Es war wie als hätte sich eine Verbindung aufgebaut. Als hätte etwas Unsichtbares von ihm nach Kaneda gegriffen und er geantwortet. Als hätte es sich ineinander verschlungen und sich gefestigt. Verschmolzen. Er konnte es nicht anders ausdrücken. Und er konnte nicht loslassen. Ihn nicht loslassen. Er musste herausfinden was das war. Noch nie hatte er unter seinem Volk sowas gehört oder erlebt. Seine Mentorin wüsste bestimmt weiter, aber er konnte nicht einfach zurück…Er musste selber dran bleiben und es herausfinden.

„Ich mache dir einen weiteren Vorschlag Kaneda.“

Erstaunt sah ihn sein Gegenüber an.

„Okay? Da bin ich aber mal gespannt.“

„…Ich werde dir versuchen deine Fragen zu beantworten. So wie und wann ich es für richtig halte…Im Gegenzug möchte ich etwas mehr über dich lernen und...“

Jackpot! Das war ja zu schön um wahr zu sein! Er grinste immer breiter und sprach sofort laut zu ihm:

„Klar! Gar kein Problem!“

Tetsuo sah ihn verdutzt an. Er war noch nicht mal fertig gewesen.

„…UND ich möchte mehr über die Stadt an sich erfahren.“

Das war zwar etwas seltsam aber okay. Kaneda nickte.

„Lässt sich bestimmt einrichten. Aber sag mal…warum willst du etwas über Neo Tokyo wissen? Glaub mir es gibt echt bessere Orte als diesen.“

Tetsuo sah ihn einfach nur an. Sein Blick war von ein auf die andere Sekunde kühl geworden, aber irgendwie hatte Kaneda nicht dass Gefühl das es an ihm lag. Sehr leise und schon fast wie in Gedanken bekam er seine Antwort:

„…Du warst nicht da wo ich herkomme.“

Und damit wand er sich ab und lief zurück in Richtung der Eingangshalle. Beide. Aber Kaneda blieb wieder etwas auf Abstand. Es war komisch. Sie waren sich in dem Wandschrank eben so nahe gewesen und doch hatte er das Gefühl er sollte das nicht zu sehr ausreizen. Ihm klopfte in dem Wandschrank das Herz bis zum Hals. Aber nicht wegen der Aufregung, sondern weil ihm der Kleine so nah gewesen ist. Er roch angenehm und Kaneda konnte seine Wärme spüren. So wundervoll es auch gewesen war, er war froh dass Tetsuo schnell abgebrochen hatte. Sonst hätte Kaneda vielleicht noch nen Ständer bekommen. So Sex in einem Wandschrank hatte etwas reizvolles…Er schlug sich kurz leicht an den Kopf und sprach dann zu Tetsuo:

„Vielleicht erzählst du mir ja mal irgendwann davon.“

Er reichte ihm die rechte Hand. Tetsuo sah sie nur an und dann unsicher zu ihm hoch.

„Dann ist das so abgemacht Tetsuo…“

Und plötzlich griff der Jüngere auch die Hand. Warum kam er sich vor als würde er einen Pakt mit dem Teufel eingehen? Okay es war nicht SO schlimm. Der Handdruck war nur kurz, aber für beide bindend. Sie war warm... Und schnell drehte sich Tetsuo dann weg und rannte zu der Zimmertür. Er sah nochmal zu Kaneda und sprach:

„…Lass uns morgen weiter machen.“

Kaneda konnte nicht mal so schnell fragen, da war er schon verschwunden. Tetsuo rannte aus dem Gebäude und erhob sich gleich in die Lüfte. Er flog erst mal nur weg. Wusste nur noch nicht genau wo hin. Aber das war egal. Er musste gerade Dampf ablassen. Dieser Kaneda hatte ihn schon irgendwie eingeheizt…
 

Am nächsten Tag saß Kaneda wieder verträumt am Fenster in seinem Klassenraum.

Es hatte den ganzen Vormittag über geregnet. Zarter Nebel hing über den Straßen der Stadt nachdem dieser endlich nachgelassen hatte. Erzeugt durch die Hitze von den Straßen an sich und den Autos die darüber fuhren. Pfützen befanden sich an den Bordsteinen und auch der Schulhof hatte viele, auf die er nun starrte. Er war mit Tetsuo gestern so schnell auseinander gegangen. Es hieße sie wollten sich wiedersehen, aber er wusste nicht mal wann heute. Der Kleine war einfach weggerannt wie von einer Spinne gebissen und hatte ihn ohne einen Ort und Zeit, zum Wiedertreffen, stehen lassen. Und nun wusste er nicht ob er nicht einfach mal zurück nach Shima fahren sollte und ihn auf gut Glück finden.

Der Unterricht hatte schon lange angefangen. Nur mit dem Unterschied dass der Lehrer krank war und sie eine Freistunde hatten. Was bedeutete dass der Klassenraum sehr laut war. Verschiedene Dinge, besser nicht nennenswert, flogen durch den Raum. Zwei kloppten sich vor dem Lehrerpult und Yamagata las wieder seine Zeitung. Was aber seltsam war…Kai war nicht da. Ehrlich gesagt war das nicht seine Art und Kaneda machte sich auch etwas sorgen. Er war wie der kleine Bruder den er nie hatte. Und seit dem Unfall vor einem Jahr machte er sich immer sofort Sorgen wenn er mal nicht kam. Vor allem ohne sich abzumelden.

Kaneda drehte sich zu Yamagata hinter der, einen Platz hinter ihm in der Reihe, höher saß. Verschwunden hinter seiner Zeitung. Er zupfte an der Zeitung und der Große sah verwirrt zu ihm.

„Was? Immer wenn ich bei der Sportschau bin!"

„Sag mal weist du was mit Kai heute ist? Er hat sich nicht abgemeldet und ist noch nicht da.“

Yamagata sah sich schnell im Klassenraum um. Zuckte dann mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Vielleicht steckt er im Stau. Ungewöhnlich.“

Er las weiter. Im Stau? Mit einem Motorrad? Ernsthaft? Was Besseres fiel ihm nicht ein?

Kaneda winkte ihn genervt ab. Wenn der seine Zeitung hatte konnte man ihm einen Kracher unter den Arsch lagen und hochjagen, der kam nicht auf die Idee aufzustehen. Verdammt…

Er sah wieder aus dem Fenster neben sich raus. Der Hof war komplett leer. Aber dann hörte er etwas. Es war das Geräusch eines Motorrads. Er sah weiterhin runter und dann sah er auch schon die Maschine in den Hof fahren. Wer sagte es denn! Es war Kai. Er parkte hinten rechts bei den Maschinen der Jungs und stieg dann ab. Er wirkte sehr langsam und träge, was Kaneda schon seltsam vorkam. Und auch als Kai von seiner Karre weg und über den Hof lief, schien er sehr träge zu sein. Und dann klappte er zusammen. Es kam schnell und unerwartet, genau wie der Schreck der Kaneda überfiel. Er sprang von der Bank auf und sprach laut:

„Scheiße! Kai!“

Und dann rannte er auch schon los und auf die Tür des Klassenzimmers los. Yamagata zuckte förmlich hinter seiner Zeitung auf bei dem Schrei und sah dann erschrocken an ihr vorbei. Als er seinen Boss rennen sah, sprang auch er sofort auf und folgte ihm. Sie bretterten den langen Flur runter. Kaneda mit schrecklicher Sorge in der Brust. Kai war in die Knie zusammengebrochen und saß mitten ihm Hof. Da war er auch noch immer, als sie die Eingangstür verließen. Kaneda stolperte schnell die Stufen runter und rannte auf ihn zu.

„Kai!“

Er kam vor ihm auf die Knie und fasste ihn sanft an den Schultern. Er war nicht bewusstlos oder ähnliches. Er wirkte erschöpft und atmete schnell. Als er dann langsam zu seinem Chef hochsah wusste der auch endlich warum. Kai blutete. Er hatte eine dicke Wunde an der Schläfe und ein blaues Auge an derselben Seite. Keine Ahnung ob er eine Gehirnerschütterung hatte oder so, aber davon ging er erst mal nicht aus. Er hätte wahrscheinlich sonst kein Motorrad fahren können. Es sah aber schlimm aus. Dennoch lächelte er kurz. Besorgt fragte Kaneda:

„Was ist passiert Kai?! Was ist passiert?!“

Yamagata hatte endlich eingeholt und stand neben den Beiden. Er sah wütend auf sie herab und brüllte laut:

„Scheiße! Wer hat dir das angetan Bruder?!“

Er sah zu seinen zwei Freunden und sprach leicht erschöpft:

„E-es ist nicht so schlimm wie es aussieht Jungs, ehrlich…Ich bin nur…Ich bin nur in einen Trupp von Joker seinen Leuten reingefahren…Oder eher mehr von denen Gejagt worden. Einer hat mich übel am Kopf mit ner Stange erwischt, aber dann konnte ich sie abhängen…“

Er hustete kurz auf und fasste sich an die Stirn.

„Die haben was?! Diese Arschgeigen! Ich werde jeden Einzelnen von denen umbringen!!“

Schrie Yamagata und stampfte auf den Boden auf. In Kaneda selbst kochte innerlich Wut hoch. Wie konnten sie es wagen ihn einfach anzugreifen?! Nicht dass sie sich offen mit dem ganzen Trupp anlegten, sie griffen einen Einzelnen feige in der Gruppe an! Jagten ihn sogar über die Straßen vor der Schule! Dennoch musste er versuchen ruhig zu bleiben…Er fasste neben die Wunde an Kai seinem Kopf und sprach sauer:

„Tut…es sehr weh?...Komm ich bring dich auf die Krankenstation.“

Kai schüttelte den Kopf.

„Es sieht schlimmer aus als es ist. Wirklich. Ein Pflaster drauf und das war`s. Ich stehe nur noch etwas unter Adrenalin. Immerhin bin ich ne ganze Weile gejagt worden.“

Yamagata half ihm auf de Beine und sprach dabei sauer:

„Alter die hätten dich töten können! Hatten es sicherlich auch vor gehabt!“

Kai sah zu ihm.

„Haben sie aber nicht. Mir geht es gut, wirklich Jungs. Aber wir können Joker nicht weiter ignorieren. Er fängt schon an gezielt jagt auf uns zu machen.“

Da hatte er allerdings Recht. Es war an der Zeit etwas zu unternehmen. Kaneda sah entschlossen zu seinem Bike hinter und sprach dann:

„Kai…du begibst dich auf die Krankenstation. Yamagata du trommelst den Rest der Gruppe zusammen. Danach fährst du zu den Hatters uns fragst die ob sie sich anschließen wollen. Dann triffst du dich mit mir bei Harukiyas.“

Kai sah ihn verwirrt an.

„Anschließen?“

Yamagata rannte sofort zu seinem Bike und schmiss sich drauf. Er fuhr von dem Hof und wusste was er zu tun hatte. Es war Zeit für Krieg. Auch so langsam verstand Kai was los war und sprach eindringlich:

„Nicht Kaneda! Wir sollten das erst einmal überdenken und was planen!“

Kaneda lief ebenfalls auf sein Motorrad zu und schmiss sie an.

„Es reicht Kai. Ich sitze nicht mehr tatenlos daneben und warte dass er dem ersten meiner Jungs den Kopf abtrennt und mir in einem Paket schickt! Es reicht! Er will Krieg? Den kann er haben!“

Er setzte sich auf seine Süße drauf und zog seine Brille auf. Er würde diesen Bandenkrieg beenden. Und er war sich ziemlich sicher dass die Bande Hatters ihm dabei helfen würde. Sie waren beide nicht gut auf Joker anzusprechen. Ein Bündnis wäre in der Situation sinnvoll. Er sah ein letztes Mal zu Kai. Der wusste dass er seinen Chef nicht davon abbringen konnte. Das sah er in seinen Augen, also sprach er:

„Dann lass mich wenigstens mitkommen. Ihr braucht jede Hilfe die ihr bekommen könnt.“

Kaneda schüttelte die Idee mit dem Kopf ab.

„Du gehst dich untersuchen lassen. Wir holen dich dann nachher ab, wenn die Sache vorbei ist. Kannst du mir noch sagen wo du diese Typen angetroffen hast?“

„Da brauch ich nicht lange zu überlegen. Das war auf der Hauptstraße Nagata östlich von hier.“

Dann wurde da die Suche gestartet. Er nickte und raste dann auch schon los. Es war definitiv vorbei. Dass sie Kai so fies angegriffen und verletzt hatten, brachte das Fass zum überlaufen. Joker wollte Krieg, also sollte er ihn bekommen. Eigentlich hatte er sich diesen Tag friedlicher gewünscht und wollte nachher wieder nach Tetsuo suchen. Aber wenn einer seiner Brüder verletzt wurde ging das vor. Tetsuo musste leider warten. Er würde Joker jagen. Genau wie es Kai angetan wurde. Und dann, wenn sie den Bastard geschnappt hatten, dann kam es ganz darauf an wie er sich verhielt. Dann würde sich entscheiden ob sie ihn gefangen nahmen, foltern…oder töten. Was anderes stand nicht mehr zur Debatte.

Als er den Hof verließ sah ihm Kai noch besorgt nach. Er wollte lieber dabei sein. Er hatte Angst wie schlimm das alles eskalieren könnte. Wäre er nur eine anderen Route an diesem Morgen gefahren…Er wand sich voller Schuld ab und lief langsam in das Schulgebäude. Er musste auf die Krankenstation.

Auf einem Haus neben der Schule stand allerdings Tetsuo. Er sah noch wie Kai in die Schule verschwand und wand dann seinen Blick in die Richtung in die Kaneda verschwunden war. Er schien ja ein guter Kerl zu sein. Wie er sich um seine Bande sorgte…Auch wenn er nicht wusste worum es in dem Gespräch ging, so konnte er sich anhand der Wunde des einen Jungen vorstellen, dass es nichts Gutes gewesen war… Und er fühlte dass Kaneda voller Wut war. Diese Wut war riesig, wenn er das aus der Entfernung spüren konnte. Was auch nichts Gutes bedeutete. Er stand noch eine kurze Zeit da und war hin und her gerissen. Sollte er ihm folgen? Vielleicht brauchte er Hilfe? Aber warum genau sollte er ihm helfen? Dass würde ihn nur selber in Schwierigkeiten bringen…

Ein nasser Tropfen berührte seinen rechten Arm und er sah auf. Der Himmel wurde grauer und es würde in wenigen Minuten stärker regnen. Ein Unwetter brach an…Er sah wieder zur Straße runter…Und dann erhob er sich in die Lüfte und folgte Kaneda.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Chai-Cherry-Tea
2020-10-29T22:11:39+00:00 29.10.2020 23:11
Schön wie du die Spannung in der Geschichte und zwischen Tetsuo und Kaneda aufbaust. Ich mag ihre Dynamik und liebe auch die kleinen Details wie Kanedas Tagträume xD nett, dass Tetsuo offenbar beschlossen hat zu helfen.
Antwort von:  Hera_Tenebrae89
29.10.2020 23:13
Danke. Gebe mir viel Mühe damit. Weiterhin viel Spaß. :)


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