Lügner! von Maginisha ================================================================================ Kapitel 10: "Wir sind ein Team" ------------------------------- Das Bett neben Aya war leer, als er erwachte. Er rollte sich auf die andere Seite und drückte seine Nase in das Kissen. Ganz schwach konnte er noch Tims Geruch darin erahnen. Bei der Erinnerung, wie der andere Rotschopf sich in der frühen Morgendämmerung von ihm verabschiedet hatte, musste Aya schon wieder grinsen. Diese Nacht war vollkommen verrückt gewesen. Er hätte nie gedacht, dass es so sein würde. Fast kam es ihm vor, als hätte das Zusammensein mit Tim etwas in ihm aufgeweckt, dass sich schon eine ganze Weile im Winterschlaf befunden hatte. Lachen, Sorglosigkeit … Liebe? Es fühlte sich an wie ein Feuer, das seinen Körper und seinen Geist entfacht hatte und sich jetzt unaufhörlich nach innen fraß. Ein Blick auf den Wecker neben seinem Bett ließ ihn aufseufzen. „Meine Pünktlichkeit hat es jedenfalls schon erfolgreich verbrannt.“ Er strampelte die Decke beiseite, die Tim anscheinend irgendwann über ihnen ausgebreitet hatte und machte sich auf den Weg ins Badezimmer.   Gerade, als er ein frisches T-Shirt anziehen wollte, klopfte es an der Wohnungstür. Aya verharrte für einen Moment regungslos. Wer konnte das sein? Möglichkeiten schossen ihm durch den Kopf. Tim, der etwas vergessen hatte? Ein schöner Gedanke, aber wenig wahrscheinlich. Außer ihm wussten nur eine Handvoll Menschen, dass Aya hier lebte. Die naheliegendste Vermutung war daher, dass es einer seiner Kollegen war. Aber welcher? Yoji hatte eigentlich schon vor einer ganzen Weile aufgehört, sich irgendwie mit ihm anfreunden zu wollen. Außerdem schlief er um diese Zeit vermutlich noch. Ken hatte ein paar Mal geklopft; meist um sich irgendetwas Essbares auszuborgen, wenn er mal wieder vergessen hatte einzukaufen. Die dritte Möglichkeit, die noch blieb, gefiel ihm am wenigsten. Und doch wusste er irgendwie, dass es Omi sein würde, der da vor seiner Tür stand. Aya atmete tief durch, zog das Shirt nach unten und ging nach vorn. Als er öffnete, sah er sich einem blonden Haarschopf und großen, blauen Augen gegenüber. „Guten Morgen, Aya-kun. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt?“ Aya schüttelte den Kopf. Er hatte nicht vor, es Omi allzu einfach zu machen. Das, was er im Keller des Koneko entdeckt hatte, stand zwischen ihnen und das wussten sie beide. Omi setzte ein Lächeln auf. „Ich war gestern Abend schon mal hier, aber du warst nicht da. Warst du aus?“ Ayas Augen wurden schmal. Er hatte nicht vor, sich hier verhören zu lassen. Aber das Spiel konnte man auch zu zweit spielen. „Fragst du Yoji so was auch, wenn er abends nicht zu Hause war?“ Der Junge zögerte sichtlich. „Nun, ähm, nein, weil ...“ „Dann solltest du mich so was vielleicht auch nicht fragen.“ Omi blinzelte ein paar Mal, bevor die Puzzleteile in seinem Kopf hörbar an den richtigen Platz rückten. Er wurde erst blass und dann rot. „Ich … ah haha ... ja, da hast du recht.“ Er sah zur Seite und anschließend zu Boden. „Sag, Aya-kun, wäre es möglich, dass wir dieses Gespräch vielleicht nach drinnen verlagern? Ich denke, wir haben da noch etwas anderes zu besprechen.“ Aya fixierte ihn noch einen Augenblick mit kalten Augen, bevor er beiseite trat, um Omi hineinzulassen. Der Junge schlüpfte an ihm vorbei, wobei er, wie Aya mit gewisser Befriedigung bemerkte, versuchte, möglichst viel Abstand zwischen ihnen zu lassen. Die Fronten waren geklärt und keine der beiden Seiten nahm noch an, dass das hier ein reiner Höflichkeitsbesuch werden würde. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck schloss Aya die Tür und folgte ihm nach drinnen.   Omi stand mitten im Raum. Eine Tatsache, die ihm sichtlich unangenehm war, aber das Zimmer bot keinerlei Rückendeckung. Ein wenig unsicher sah er Aya entgegen. „Nun, Aya-kun, ich glaube, es gibt da etwas, über das wir beide reden sollten.“ Aya lehnte sich an die Wand neben der Tür, tat aber nichts, um das Gespräch am Laufen zu halten. Wenn Omi beichten wollte, dann sollte er das ruhig ohne seine Hilfe tun. Der Blonde nestelte am Saum seines übergroßen T-Shirts herum.“ Tja, weißt du, ich habe gesehen, dass du an meinem Computer warst.“ „Ich dachte, der Computer gehört Weiß.“ Das Eis in Ayas Stimme hätte ausgereicht, um einige Gläser Limonade auf Tiefsttemperatur zu bringen. „Äh ja, natürlich.“ Der Einwurf hatte Omi sichtlich aus dem Konzept gebracht.“ Nur weißt du, ich habe da gerade an diesem Projekt gearbeitet. Du erinnerst dich? Die Sache, mit der Manx vor ein paar Tagen zu uns kam.“ Aya blickte ihn nur wortlos an. „Wie sich herausstellte, hat sich jemand an den geheimen Datenbanken von Kritiker zu schaffen gemacht. Ich habe keine Ahnung, wie derjenige an der Firewall vorbeigekommen ist. Oder überhaupt auf die Idee kam, dort zu suchen. Fakt ist jedoch, dass er Zugriff auf einige Bereiche mit geheimen Informationen hatte. Informationen, die nur sehr, sehr ausgewähltem Klientel zugänglich sind. Ich habe mich persönlich um ihren Schutz gekümmert, aber anscheinend ...“ Omi zögerte, bevor er weitersprach. „Die Daten, die abgerufen worden sind, waren die, die du auf dem Computer gesehen hast.“   Aya brauchte einige Minuten, um das Gesagte zu verarbeiten. Sollte das heißen, Kritiker hatte nicht nur eine Akte über ihn, sondern hatte auch noch zugelassen, dass irgendjemand darin herumschnüffelte? Und was noch viel schlimmer war, sie hatten eine Akte über seine Schwester, mit der das Gleiche passiert war. Aya fühlte kalte Wut in sich aufsteigen. „Es scheint, als hättest du deinen Job dann wohl nicht besonders gut gemacht.“ Die Worte trafen Omi wie ein Faustschlag. Seine Augen begannen zu schimmern. „Ich habe wirklich mein Bestes versucht. Ehrlich, Aya-kun. Wer auch immer das war, hat richtig schwere Geschütze aufgefahren, um an die Sachen ranzukommen. Und ich glaube nicht, dass er hinter Weiß her ist. Wer immer das war, wollte nur diese Daten. Ich …“ Omi raufte sich die Haare. „Ich möchte dich nur bitten, vorsichtig zu sein, Aya-kun. Irgendwer da draußen hat es auf dich abgesehen und ich habe keine Ahnung, was dahinter stecken könnte.“   Ayas Gedanken rasten und gleichzeitig hatte er das Gefühl, in Zeitlupe zu denken. Es hatte ihn damals Wochen gekostet, Takatori ausfindig zu machen und als Drahtzieher hinter dem Mord an seinen Eltern zu identifizieren. Er hatte sich auf den Handel mit Kritiker eingelassen, weil er gedacht hatte, seinem Ziel so endlich einen Schritt näherzukommen und gleichzeitig eine bessere Versorgung für seine Schwester zu garantieren, selbst wenn ihm dabei etwas zustoßen sollte. Stattdessen hatte er sie dadurch anscheinend noch mehr in Gefahr gebracht. Aber wie sollte er gegen einen Feind kämpfen, den er nicht einmal sehen konnte? „Aya-kun … ich … du sollst wissen, dass wir alles Menschenmögliche tun werden, um ...“ „Hast du nicht schon genug getan, Omi?“ Die Unterlippe des Jungen begann zu zittern. Aya wusste, dass es grausam war, was er gerade tat, aber er konnte es nicht aufhalten. Er redete einfach weiter und weiter. „Du hast zugelassen, dass jemand meine Akte und die meiner Schwester bekommt. Wie würdest du dich fühlen, wenn es dir so ergangen wäre? Wenn jemand dein Leben genommen und irgendwohin verschleppt hätte. Wie würde es dir gehen, wenn es Kens Akte gewesen wäre?“ Aya mochte nicht viel Menschenkenntnis besitzen, aber dass die beiden jüngsten Mitglieder von Weiß sich gut verstanden, war mit bloßem Auge erkennbar. Aber er war noch nicht fertig; er sah sich dabei zu, wie er weitersprach. „Was wäre gewesen, wenn es eine Akte über diese Ouka gewesen wäre? Was, wenn man sie mit hineingezogen hätte? Wie würdest du dich fühlen?“ „Aber ... aber Ouka hat doch nichts mit der Sache zu tun.“ „Meine Schwester auch nicht. Aber wenn ihr etwas passiert, an wessen Händen klebt dann ihr Blut?“ Omi war inzwischen weiß wie die Wand, seine Augen groß und rund wie die eines waidwunden Rehs. Aya wusste, dass er kurz davor war, in Tränen auszubrechen. Er hatte das nicht verdient. Aber seine Schwester hatte das auch nicht verdient. Ihm wurde übel bei dem Gedanken daran, dass ihr etwas zustoßen konnte. Und wenn er daran dachte, was er Omi gerade alles an den Kopf geworfen hatte. Am liebsten hätte er alles wieder zurückgenommen, aber das ging nicht. Aya wandte sich ab. „Ich nehme mir heute frei. Ich brauche … ein wenig frische Luft. Du kannst die Tür hinter dir zuziehen, wenn du gehst.“ Abrupt wandte er sich ab, griff nach seinem Schlüssel und Telefon und ging mit großen Schritten zur Tür. Er hörte, wie Omi hinter ihm seinen Namen rief, aber er drehte sich nicht um. Er wusste, dass es eine Flucht war, aber er fühlte sich nicht in der Lage, sich dem noch weiter zustellen. Er musste hier weg.   Die Straße glitt unter seinen Füßen hinweg, ohne dass er sie wirklich wahrnahm. Er sah nicht, wohin er ging oder was um ihn herum passierte. Es war fast wie damals, als er zum ersten Mal vor den Scherben seines Lebens gestanden hatte. Orientierungslos, planlos, heimatlos. An einer Straßenecke hielt er an. Das war Quatsch, was er da dachte. Er hatte viel mehr als damals. Er hatte ein Ziel, eine Aufgabe, eigentlich sogar zwei; drei wenn man das Aufrechterhalten der Fassade im Blumenladen mit dazu nahm. Er hatte Kollegen, auf die er sich verlassen konnte, er hatte seine Schwester, die er beschützen musste, und er hatte Tim. Tim, der ihm so viel Wärme und Leben gab in einer Welt, die nur noch aus Blumen und Tod zu bestehen schien. Seine Zuflucht, sein Rückzugsort, seine Aussicht auf Exil. Nein, er würde nicht aufgeben und schon gar nicht hier und jetzt. Er war viel zu weit gekommen dafür. Ja, es stimmte, dass Omi einen Fehler gemacht hatte. Aber Fehler kamen vor. Er selbst hatte sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert bei der Show, die er vorhin abgezogen hatte. Das würde er irgendwie wieder gutmachen müssen. Leider hatte er keine Ahnung, wie er das anstellen sollte. Er war noch nie gut in so was gewesen. Wenn er sich mit Aya gestritten hatte, war immer sie es gewesen, die irgendwann eingelenkt hatte, aber darauf konnte er dieses Mal wohl nicht hoffen. Er musste einen Weg finden, das wieder hinzubiegen. Und er wusste auch schon, wen er dabei um Hilfe bitten würde. Mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck griff er nach seinem Handy.       „Wo ist der kleine Mistkäfer?“ Crawford sah von seinem Schreibtisch auf. „Verrätst du mir, von wem du sprichst?“ Schuldig wedelte ungeduldig mit der Hand. „Nagi. Er ist nicht an seinem Platz und ich habe schon überall nach ihm gesucht. Er ist wie vom Erdboden verschwunden.“ Crawford hob nur eine Augenbraue. Er hätte es nie zugegeben, aber es amüsierte ihn maßlos, dass Schuldig sich jetzt in der gleichen Lage befand, in die er sich mindestens dreimal die Woche gebracht sah. Nur dass dann in der Regel er es war, der Schuldig suchte. „Hattet ihr eine Verabredung?“ „Ja!“ Schuldig ließ sich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs fallen und sank dort in sich zusammen. Der Telepath sah leicht übernächtigt aus. Aber trotz der Augenringe und der Unzufriedenheit, die er in Wellen auszustrahlen schien, war da irgendetwas an ihm, das Crawford aufhorchen ließ. Irgendetwas verschwieg Schuldig ihm und das nicht erst seit heute. Vielleicht war ja jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem er es endlich erfahren würde. Natürlich wusste er, wo Nagi war, aber das würde er Schuldig nur im Austausch für andere Informationen verraten. Blaue Augen funkelten ihn über den Schreibtisch hinweg an. „Das habe ich gehört.“ „So, hast du das. Das ist interessant. Normalerweise dachte ich, dass du meine Gedanken nicht so einfach lesen kannst. Immerhin habe ich ein wenig Übung darin, solche Angriffe abzuwehren.“ „Pff.“ Schuldig blies sich eine der langen, roten Strähnen aus dem Gesicht. Er sah nach oben, zog eine Grimasse und fing an, in seiner Tasche herumzugraben. Er zog ein gelbes Tuch daraus hervor und wand es sich um den Kopf, sodass es die Haarflut zumindest ein wenig bändigte. Es ließ ihn aussehen wie eine sehr deutsche Hippie-Kopie von Karate-Kid. „So, wo waren wir?“ Crawford seufzte innerlich. „Dabei, dass du mir erzählen wolltest, warum du meine Gedanken lesen kannst.“ „Weil ich ein Telepath bin?“ Das Grinsen, das Schuldigs Gesicht zierte, schrie danach, von einer Faust ausradiert zu werden, aber Crawford riss sich zusammen. Er würde als Sieger aus dieser Begegnung hervorgehen. Es wäre nicht das erste Mal. „Was macht eigentlich diese Fujimiya-Sache?“ Bämm! Volltreffer. Schuldigs Gesichtszüge entglitten ihm für einen winzigen Augenblick, aber Crawford hatte es trotzdem gesehen. Von daher wehte also der Wind. Er lehnte sich zurück und schob seine Brille auf dem Nasenrücken zurecht. „Ich höre?“   Schuldig schien plötzlich ein wenig nervös. Ein Zustand, den man an dem Telepathen nicht oft beobachten konnte. Normalerweise war er gut darin, sein Umfeld glauben zu lassen, dass er alles unter Kontrolle hatte. Aber Crawford kannte ihn gut – und lange – genug, um zu wissen, wann das Ganze nur Theater war. Und die Vorstellung, die er jetzt gab, war erbärmlich schlecht. „Schuldig, du verschwendest Zeit. Deine und meine. Also würdest du jetzt endlich mit der Sprache herausrücken?“ „Er ist ein Tracker.“ Crawford musste zugeben, dass ihn das überraschte. Er hatte einige Vermutungen gehabt, um was es sich bei Schuldigs gesteigertem Interesse an dem Jungen handelte. Im schlimmsten Fall wäre dieses Interesse rein persönlicher Natur gewesen. Etwas, das Crawford auch nicht verwundert hätte. Schuldig war kein Kind von Traurigkeit. Allerdings spürte er genau, dass das noch nicht alles war. Er räusperte sich. „Er kann also übersinnliche Fähigkeiten aufspüren. Ist das der Grund, warum er dich damals bemerkt hat?“ „Ja, ich nehme es an. Aber ...“ 'Nun spuck's schon endlich aus und lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.' Crawford hatte die Worte nicht laut ausgesprochen, aber sie waren offensichtlich trotzdem angekommen. Schuldig rutschte auf seinem Stuhl hin und her. „Er ist auch … ein Enhancer. Er verstärkt meine telepathischen Kräfte. Anhaltend. Je intensiver der Kontakt war, desto größer ist die Wirkung.“ Schuldig sah ihn nicht an und Crawford wusste genau, was das bedeutete. Er fragte trotzdem. „Wie intensiv war der Kontakt?“ Aufblitzendes Blau durchbohrte ihn förmlich. „Intensiv. Reicht dir das als Antwort?“ „Du hast mit ihm geschlafen?“ „Nein! Mein Gott, Brad, manchmal bist du so ein Arschloch.“ „Aber du hast es in Erwägung gezogen.“ Crawford beschloss, Schuldigs kleinen Patzer zu übersehen. Sie beide hatten eine professionelle Beziehung, aus der sie alles Persönliche heraushielten. Es war nicht gut, Schuldig zu nahe an sich heranzulassen. Nicht, wenn man mit ihm zusammenarbeiten wollte. Eine Erfahrung, die andere vor ihm schon gemacht hatten. Schuldig hatte einen gewissen Ruf unter den Rosenkreuz-Absolventen. Er hatte bereits zwei Teams gesprengt, bevor Crawford ihn endlich unter Kontrolle bekommen hatte. Etwas, das ihm selbst nicht wenig Ansehen gebracht hatte. Das war aber nicht der einzige Grund, warum er Schuldig in seinem Team gewollt hatte. Der Telepath war unheimlich talentiert und Brad Crawford gab sich nicht mit zweiter Wahl zufrieden. Und jetzt sollte er auch noch jemanden gefunden haben, der seine Fähigkeiten weiter steigerte? Das war … vielversprechend. „Hast du herausfinden können, ob die Wirkung permanent ist?“ Professionelles Interesse, das war alles. „Bisher hält sie an.“ Schuldigs Augen funkelten. „Es ist … berauschend. Und das ist noch nicht alles. Ich ...“ Er schwieg und grinste. Dann schloss er die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Keine Minute später öffnete sich die Tür und die Sekretärin, die im Büro nebenan arbeitete, kam herein. In den Händen trug sie zwei Tassen frischen Kaffee. Sie stellte sie auf den Tisch, verbeugte sich und ging dann wieder hinaus. Der leere Gesichtsausdruck, den sie dabei hatte, ließ tief blicken. „Kaffee?“ Schuldig schob ihm eine Tasse über den Tisch, während er selbst die zweite mit einer unrühmlichen Menge Zucker versah. Was das anging, waren er und Nagi sich ähnlicher, als dem Telepathen bewusst war. „Du beherrschst jetzt also auch Suggestion?“ „Mhm-mhm. Exaktemundo.“ Crawford lehnte sich zurück und ließ seinen Blick für einen Augenblick unfokussiert durch den Raum schweifen. Falls das stimmte, ergaben sich ungeahnte Möglichkeiten. Möglichkeiten, auf die er immer gewartet, aber nie zu hoffen gewagt hatte. Das war wirklich höchst interessant. „Kannst du ein Treffen arrangieren?“ Er wollte sich selbst von der Wirkung des Jungen überzeugen. Wenn das stimmte, was Schuldig gesagt hatte, würde sich das auch auf seine Präkognition auswirken. „Ich arbeite daran. Eben deswegen suche ich Nagi. Ich habe Fujimiya eine hübsche, kleine Geschichte aufgetischt und Nagi ist ein essenzieller Teil davon. Deswegen brauche ich ihn ja so dringend, aber er ist wie vom Erdboden verschluckt.“ „Er arbeitet an Hirofumis Projekt. Takatori hat ihn für den Rest der Woche dorthin abgestellt.“ „Scheiße! Ich wusste, dass uns das einen Strich durch die Rechnung macht.“ Crawford musste unwillkürlich schmunzeln. Manchmal konnte Schuldig sich nicht zurückhalten und fiel wieder in seine Muttersprache zurück. Besonders, wenn er wütend war. Oder sehr gute Laune hatte. Im Moment war offensichtlich das Erstere der Fall. „Ich werde mich darum kümmern, dass er sich mit dir in Verbindung setzt. Es war richtig, zu mir zu kommen.“ Crawford sah den Telepathen so intensiv an, dass dieser den Kopf hob und den Blick erwiderte. „Schwarz ist ein Team, Schuldig. Ich gebe mein Bestes, aber das kann ich nur, wenn wir einander vertrauen. Ich dachte, das hättest du inzwischen verstanden.“ Ein schiefes Grinsen antwortete ihm. „Ich werd's versuchen, mir zu merken.“ „Tu das“ Crawford griff nach einer Akte, als ihm noch etwas einfiel. „Was ist eigentlich mit den anderen Drei? Irgendetwas Besonderes?“ Schuldig machte eine wegwerfende Geste. „Killer. Gute, wenn du mich fragst, aber austauschbar. Irgendwer hat sich da sein ganz persönliches SWAT-Team zusammengestellt und hetzt es jetzt ohne Rücksicht auf Verluste auf diejenigen, die ihm ein Dorn im Auge sind.“ „Irgendwelche Vermutungen, um wen es sich handelt?“ „Er nennt sich selbst Perser und tritt nie persönlich in Erscheinung. Seine Aufträge bekommt Weiß durch seine beiden Stellvertreterinnen Manx und Birman.“ „Weiß?“ Crawfords Mundwinkel umspielte ein spöttisches Lächeln. „Ja, verrückt nicht wahr? Und dann diese Katzen-Codenamen. Fujimiya nennen sie Abyssinian. Als wenn ihm das in irgendeiner Weise gerecht werden würde.“ Der Gesichtsausdruck, den Schuldig bei dieser Aussage hatte, gefiel Crawford nicht. Da war noch etwas, das der Telepath ihm verschwieg, aber er wusste, dass er es nicht zu weit treiben durfte. Wenn man sein bestes Rennpferd zu hart rannahm, begann es irgendwann zu lahmen. Für den Augenblick hatte er genug gehört. „Na schön, dann halte mich weiter auf dem Laufenden. Und sieh zu, dass du dir Fujimiya warmhältst. Ich kümmere mich um Nagi.“ „Wird gemacht Boss.“ In diesem Moment gab Schuldigs Handy einen Ton von sich. Er las die angekommene Nachricht und begann zu grinsen. „Na bitte, wenn man vom Teufel spricht. Unser kleines Wunderkind pocht Hilfe suchend an mein Tor. Also, was sagst du? Wolle mer'n reinlasse?“ „Verschone mich mit deinem Dialekt und hau schon ab.“ Schuldig legte grüßend zwei Finger an die Schläfe und war im nächsten Augenblick verschwunden. Crawford lehnte sich zurück und atmete tief durch. Es gab Zeiten, in denen wünschte er sich eine Vision mehr als in anderen. Dies war einer dieser Zeitpunkte, doch die Zukunft schwieg und es blieb ihm wohl nur übrig abzuwarten, was sie für ihn bereithielt.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)