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Fortune Files

von

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Alex 7: Wie ein Diener seine Grenzen überschreitet

Ich war bestens gelaunt, denn das Filmeschauen erwies sich als überragender Erfolg. Kaum legte ich mich nur ein kleines bisschen mehr ins Zeug, lief es zwischen Lyz und mir noch viel besser als zuvor. Das musste doch etwas zu bedeuten haben. Meine Gefühle waren damit jedenfalls glasklar, ich wollte diese Frau nicht einfach in die Kiste kriegen oder eine Freundschaft zu ihr, ich liebte sie mit allem was dazu gehörte. Prompt war ich wieder auf dem Trip, meine eigentliche Aufgabe auszublenden und mein Leben mit ihr in vollen Zügen zu genießen. Es fühlte sich einfach nicht wie Arbeit an, Zeit mit ihr zu verbringen.

Was im ersten Moment total super klang, bedeutete für mich nichts anderes, als mich mit dem herausragendsten aller Vampire messen zu müssen. Dafür hätte mich jeder, außer meiner Schwester natürlich, für verrückt erklärt. Sogar Lyz' beknackter Exfreund hatte erkannt, dass ich nicht zu einer Frau ihres Kalibers passte. Sie gehörte an die Seite eines Geschäftsmanns oder Politikers, nicht an die eines Dieners. Da fiel mir ein, dass sich dieser komische Kauz tatsächlich nicht mehr bei ihr gemeldet hatte. Zumindest stand er zu seinem Wort, wenn er auch sonst ein ziemlicher Dummschwätzer war.
 

Über die Weihnachtsfeiertage fuhr Lyz in die Löwenhöhle, die sie ihr Zuhause nannte und natürlich observierte ich sie wieder. Das war schon okay, immerhin ging es nur um ein paar Tage. Ihre Familie schien Weihnachten genauso sehr zu lieben wie ich. Kein störender Weihnachtstinnef oder sonst irgendwas, das an das angebliche Fest der Liebe erinnerte, schmückte ihre kleine Villa. Das war wohl das Einzige, was ich an den beiden akzeptabel fand. Am Weihnachtsabend bekam Lyz von ihren Eltern einen Umschlag überreicht, in dem sich eine A4 Seite befand. Da sie laut vorgelesen wurde, erfuhr ich, was darauf stand. Es war der Ausdruck einer Online-Geldüberweisung. Merry Christmas, Prinzesschen. Als echter Weihnachtshasser fand ich das ziemlich witzig.

Als wir zurückkamen, tat ich natürlich so, als sei ich die ganze Zeit im Wohnheim geblieben. Es war anstrengend, ständig aufpassen zu müssen, was ich sagen durfte und was nicht. Vieles konnte ich streng genommen nämlich gar nicht wissen.

„Hast du was geschenkt bekommen?“,

fragte ich verschmitzt und verkniff mir das Lachen. Ich breitete gerade einen Film vor und sie wartete auf ihrem Bett sitzend auf mich. Schelmisch drehte ich mich zu ihr, denn ich war mir sicher, sie würde ihr Geschenk genauso lustig finden, wie ich es tat, doch sie lächelte schüchtern und nickte.

„Hmhm, ich hab was Nützliches bekommen. Meine Eltern unterstützen mein Studium, so gut sie können.“

Ihr Ernst? Ach ja, Geld war Menschen ja total wichtig. Ich vergaß das immer wieder. Da war auch schon wieder dieses blöde unechte Lächeln, das ich nicht sehen wollte.

„Und? Bist du froh, wieder bei mir sein zu können?“

Endlich lachte sie wirklich und ermahnte mich mit einem langgezogenen:

„Aaaalex! Hör auf, blöde Fragen zu stellen und mach den Film an!“

Na, wenn das mal keine Zustimmung war. Ich nahm den Laptop vom Schreibtisch, drehte mich beschwingt zu ihr und schenkte ihr ein breites Lächeln, das ihren Puls merklich erhöhte. Auf Rova reagierte sie zwar deutlich heftiger, Herzklopfen bei ihr auszulösen, war trotzdem ein guter erster Schritt. Bewusst schienen ihr diese Gefühle aber noch nicht zu sein. Für mich hieß das, ich musste mich noch weiter ins Zeug legen.
 

Leider hatte der Vollmond mal wieder ein beschissenes Timing, denn er unterbrach den guten Lauf ausgerechnet zu Silvester. Ich wollte Lyz vorwarnen, es mit irgendeiner dummen Ausrede begründen, doch dazu kam ich nicht mehr. Schon in der Nacht zuvor schreckte ich schweißgebadet aus dem Schlaf hoch, weil ich meinte, ihr Blut durch die Wand hindurch zu wittern. Alter, war sowas überhaupt möglich? Lyz und ihre unvorhergesehenen Blutungen… Warum konnte sie ihre Ambrosia nicht bis nach dem Vollmond in sich behalten, verdammt!?

Ich tigerte schon eine Weile nervös in meinem winzigen Zimmerchen auf und ab. Da ich meine Hitzewallungen nicht loswurde, hatte ich mir schon seit geraumer Zeit das T-Shirt vom Leib und das Fenster sperrangelweit aufgerissen. So ließ es sich zwar einigermaßen aushalten, ich stand aber trotzdem ziemlich am Abgrund. Zwar hatte Lyz, seit wir uns kannten, nicht ein einziges Mal die Initiative ergriffen, doch trotzdem befürchtete ich, dass es diesmal anders werden würde. Wir waren nämlich verabredet und ich üblicherweise verflucht zuverlässig. Ich Vollidiot kam erst auf die Idee, ihr einfach eine Nachricht zu schreiben, als sie bereits an meine Tür klopfte. Shit!

Ein blitzartiger Adrenalinstoß fuhr durch meinen erhitzten Körper, der einfach aufsprang und sich zur Tür bewegte. Ich verhielt mich wie ein Zombie, der nach Hirn gierte. Naja, oder eben ein Vampir, dem es nach Blut verlangte. Ohne nachzudenken, öffnete ich die Tür, wenn auch nur einen spaltbreit. Eigentlich war es egal wie weit, es war falsch, denn nun sah ich sie, so einmalig, so begehrenswert, so hilflos. Natürlich wäre es das Beste gewesen, ihr die Tür sofort vor der Nase zuzuschlagen, doch ein notgeiler Zombiesack wie ich, bekam das nicht gebacken. Ich hatte nicht mal Zeit, den sich anbahnenden Gewissenskonflikt auszutragen, denn Lyz befahl unmissverständlich:

„Heute ist Silvester, da wirst du mich nicht alleine rumsitzen lassen!“

Bitte, Danke, Gerne, Prinzesschen.
 

Shit, wie blöd es war, sie einzulassen, wurde mir klar, als mich ihre betörende Duftwolke erreichte. Mein angelernter Impuls, dem Prinzesschen jeden Wunsch von den Lippen abzulesen, ließ mich gleich noch eine Dummheit begehen und ganz automatisch das Fenster für sie schließen. Blöderweise stoppte ich damit den einzigen Zustrom frischer Luft, der mich noch einigermaßen bei Sinnen gehalten hatte. Naja, so erfolgreich auch wieder nicht, sonst hätte ich das Fenster nie geschlossen oder vorher schon die Notbremse gezogen.

Als hätte ich nicht schon genug Probleme, schwang sie ihren eleganten Hintern zu meinem ungemachten Bett und ließ sich darauf fallen. Ey, ging's noch?! Wollte sie meine Widerstandskraft testen, oder was? Ihr kurzes Kleid, ihr Höschen auf meinem Bettlaken, ihr offenes Dekolleté, das förmlich nach meinen Zähnen bettelte… Das war doch alles ein schlechter Scherz, den sich Rova ausgedacht haben musste.

Egal ob meine Vermutung stimmte, oder nicht, gab sie mir die Kraft, auf Lyz einzuschimpfen, damit sie endlich von selbst abhaute. Ich packte aus, was mir einfiel. Wahrheiten, die sie vertreiben sollten, Beleidigungen sogar, die mir hemmungslos über die Lippen rauschten. Zu allem Überfluss offenbarte ich ihr gleich noch, dass Rova und ich Vampire waren. Leider tat ich das weniger charmant, als es mir meine Schwester angeraten hatte. Lyz schien es aber ohnehin nicht zu kapieren, was mich nur noch weiter in Rage brachte.

Wieso ließ sie sich überhaupt so von mir vollpflaumen?! Und noch viel schlimmer, wieso, um alles in der Welt, trug diese wandelnde Versuchung keine verfickte Strumpfhose?! Im Ernst! Wollte sie mich seelisch fertig machen? Mich brechen, oder… oh! Sich im Gegenteil, vielleicht sogar anbieten? Ja, es wäre unglaublich einfach gewesen, an ihr duftendes Blut zu kommen, ohne ihr neue Wunden stechen zu müssen, schließlich besaß das süße Ding eine Öffnung, die schon ganz von allein blutete, wie ein Selbstbedienungsladen…

Verdammter Mist, ich platzte fast vor Erregung, aber noch gab ich mich nicht auf. Ich kannte nur noch einen einzigen Mann, der hier Schlimmeres verhindern konnte, und das war mein Herr. Schnell schnappte ich mir mein Handy und tippte nur ein einziges Wort:

„Notfall“

Kaum hatte ich die Nachricht abgesetzt, fiel mir ein Stein vom Herzen und mein Ärger fand ein neues Ziel: Rova.

„Weißt du eigentlich, was für ein altkluger Rotzbengel er ist? Vor kleinen Mädchen wie dir lässt er den großen Macker raushängen, aber hinter den Kulissen, hah! Unsicher wie ein Kind, aber will der Spross des Grafen sein?“

Genau so funktioniert das mit der Liebe. Man findet den super, der sich am meisten über andere lustig macht, ganz toll… mehr war von mir anscheinend nicht zu erwarten. Lyz war überfordert mit mir, verständlich, denn das war ich selbst auch. Zum Glück ließ der „Rotzbengel“, der mich mit nur einem Hieb kaltmachen konnte, nicht lange auf sich warten. Eigentlich war es merkwürdig, wie schnell er bei uns war, aber ich wollte da nicht kleinlich sein.
 

Verliebt musterte Lyz Rovas ach so zartes, ebenmäßiges Gesicht, als er in mein Zimmer trat. Ich machte die ganze Arbeit, kümmerte mich tagtäglich um all ihre Probleme und doch steckte er nun die Lorbeeren ein, dieser Arsch. Dank mir ging seine Heldentaktik am Ende wohl doch auf. Ich konnte mir bildhaft vorstellen, wie diese Szene auf Lyz wirken würde. Der güldene Prinz Robert-Valentin rettete das Prinzesschen vor dem bösen schwarzen Ritter Alexander. Für meinen Showeinsatz in der Rolle des Fieslings, hatte ich eigentlich eine Beförderung verdient. Der Name des Schauspiels lautete übrigens: „Zukunft versauen leicht gemacht“. Hätte ich nicht die Konsequenzen tragen müssen, wäre das äußerst unterhaltsam gewesen.
 

Ich hoffte, Rova würde keine große Sache daraus machen, sich einfach nur Lyz schnappen und abhauen. Natürlich konnte er es aber nicht lassen und frage nach, was los war. Genervt betitelte ich ihn direkt noch als altklugen Vampiradelsspross. Ich hatte ja sonst nichts anderes zu tun, als meinen Herrn in seinem Beisein zu beleidigen. Mit diesem Verhalten überschritt ich nicht nur seine, sondern auch meine eigenen Grenzen.

Der Blutgeruch lag inzwischen so schwer in der Luft, dass er meine Sicht vernebelte, allem einen Nachhall verpasste und auch meine restlichen Sinne trübte. Wie hielt Rova das nur aus? Meine Wahrnehmung blitze auf, als er sich mit zornigem Blick direkt vor mich stellte. An meinem linken Brustmuskel spürte ich etwas Spitzes, erst zart und dann immer fester, bis es sich in mich hineinbohrte. Zurückweichen war nicht drin, da ich mich schon nach hinten an meinen Schreibtisch presste. Rovas Aura musste angsteinflößend gewesen sein, doch von ihr und auch von dem Schmerz, den er mir zufügte, spürte ich fast nichts. Sein Nagel versank langsam bohrend etwa einen Zentimeter tief in meinem Fleisch, aus dem mein Blut herauszuquellen begann. Still und leise lief es meinen Körper herab, denn ich machte keinen Mucks.

Das fachte Rovas Zorn noch weiter an. Er zog seinen scharfen Fingernagel quer über meine Brust hinweg, bis hinunter zu meinem Bauch, was einen tiefen Schnitt hinterließ. Wieder blieb ich still und blickte ihm auch dann noch aufrecht ins Gesicht, wenn mein Körper unter dieser Verwundung zusammenzuckte. Mein Herr konnte mich nicht brechen, schon gar nicht, wenn ich unter dem Einfluss von Lyz' Blut stand. Ich funkelte ihn herausfordernd an, damit er vor ihr ausrasten und ihr damit sein wahres Gesicht offenbaren würde. Sie sollte nicht immer nur den charmanten, gutaussehenden Gönner sehen, sondern auch seine radikale und gebrochene Seite.

Ich hätte froh sein sollen, als Rova sich von mir abwandte, doch ich rief ihm sogar noch eine hübsche Beleidigung hinterher. Ach, und wo ich gerade dabei war, wurde ich auch noch Lyz gegenüber ausfallend, weil sie mich erst in diese beschissene Lage gebracht hatte. Verschreckt wendete sie den Blick von mir ab. In diesem Moment fühlte es sich für mich trotzdem wie ein Triumph an, mich über alle anderen zu erheben. Rovas Rückzug verbuchte ich als einen Sieg, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich mir an die Brust fasste, aus der jede Menge Blut heraussickerte. Oh scheiße, die schmerzstillende Wirkung hatte mich die Schwere meiner Verletzung erheblich unterschätzen lassen.

Die Wunde war verdammt tief und ich sah, wie der Muskel an einigen Stellen auseinanderklaffte. Schnitte versetze Rova nur besonders Widerstandsfähigen wie mir. Das wusste ich aus den Interviews, die ich mit seinen ehemaligen Dienern geführt hatte. Ich bildete mir darauf etwas ein, bis mir sein letzter Blick zu mir wieder einfiel. Seine Augen funkelten wild, als könne er es kaum erwarten, weiterzumachen. Ich hatte es noch nicht überstanden, verdammt!
 

Kaum war ich allein, riss ich das Fenster wieder auf. Die sinkende Konzentration von Lyz' Ausdünstungen brachte den Schmerz mit sich, der einer so schweren Schnittwunde die entsprechende Wertung verlieh. Was ihn dämpfte, war wohl nicht der Vollmond, sondern der vom Blut ausgelöste Rausch. Ich hockte mich vor Schmerzen zuckend auf den Boden. Wenn das die Ouvertüre war, konnte ich den Hauptteil kaum noch erwarten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schwabbelpuk
2019-06-20T13:17:21+00:00 20.06.2019 15:17
Endlich finde ich die Zeit weiterzulesen! ^^ Auf die Szene war ich tatsächlich schon gespannt sie aus Alexs Sicht zu erleben. Auch wenn ich finde, dass hier ein Vorwissen tatsächlich sehr zu empfehlen wäre, im Gegensatz zu den bisherigen Kapiteln, da wirklich viel über Dinge geredet wird, die man sonst nicht wissen konnte. War für mich allerdings kein Problem und ich bin sogar froh, nicht alles doppelt und dreifach gelesen zu haben. Ich mag Alex zu Vollmond...er ist so schön ungebändigt, frech und wild. Gerne mehr davon! xD
Antwort von:  Elnaro
21.06.2019 11:07
Das freut mich sehr! Juhu! Ich hatte das Kapitel ursprünglich mit viel mehr Dopplungen versehen, fand es dann aber so gähnend langweilig, dass ich (fast) die kompletten Dialoge rausgehauen habe. Ich glaube so ist es viel besser. Bei Interesse sind sie schließlich nur ein paar Klicks entfernt.


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