[Beta Ver.] CONDENSE von YukihoYT (An jenem schicksalhaften Regentag) ================================================================================ Kapitel 45: Vol. 2 - "Deredere" Arc: Freundschaft, Feindschaft und Mitleidenschaft. ----------------------------------------------------------------------------------- Ich weiß nicht, wann es dazu kommen wird, aber auf jeden Fall werde ich es tun. Ich muss aufhören uns beiden Normalität vorzulügen, schließlich wissen wir doch beide, dass hier irgendetwas abgrundtief faul an unser aller Verhalten ist. Soll ich einfach wieder nach Hause gehen? Ich weiß nicht, ich meine, das könnte ich, aber... Ich will nicht. Ich weiß lange nicht mehr, was ich eigentlich will. Das denke ich, während ich am Krankenhaus vorbeigehe und da jemanden am Parkplatz entdecke. Ich komme rein aus Neugier ein wenig näher an die Person und als uns nur noch knapp zehn Meter voneinander trennen und mein Gehirn noch ein wenig rattert, hätte ich mich beinahe an meiner eigenen Spucke verschluckt, als mir klar wird, wer mich da, angelehnt an eine Straßenlaterne, mit Krücken, weißer Krankenhauskleidung und eiskaltem Blick anstarrt. "Shui... chiro? Was um alles in der Welt machst du hier draußen?", stottere ich in der Kälte, weil ich verdammt lange ohnmächtig gewesen sein muss und es nun verdammt spät geworden ist. "Shuichiro.", flüstere ich noch einmal, um mir selbst zu verstehen zu geben, um wen es sich hier handelt. Shuichiro antwortet nicht, stattdessen sieht er mich weiter stumm und leeren Ausdrucks an. "Warum bist du hier? Musst du nicht oben in deinem Bett liegen?", frage ich diesmal etwas lauter und mit vielleicht einer kleinen Spur von Hysterie. "Das Gleiche könnte ich dich fragen, Failman-chan. Warum bist du hier?", antwortet er mit einer Gegenfrage und ich denke selbst nach. Bin ich wirklich nur wegen des Fiebers aus Ellies Wohnung geflohen? War es wirklich nur das? Shuichiro steht in der Eiseskälte draußen auf dem Parkplatz des Krankenhauses und ich bin hier, weil ich auf meiner Flucht ohnmächtig geworden und wieder aufgewacht bin. Das ist eine lange Geschichte, ich bin nicht ohne Grund davongelaufen. "Sag mir, warum bist du hier? Du hast definitiv noch weniger Grund als ich, hier zu sein. Also, warum?", ruft mir Shuichiro jetzt gereizter als vorhin über den Parkplatz zu. Jetzt ist es an mir, den Fragen auszuweichen und ich sage nichts als: "Ich hab zuerst gefragt." "Dir war also langweilig?!", fasse ich zusammen, nachdem wir uns auf eine Bank gesetzt haben und Shuichiro mir letztendlich doch die Antwort auf meine Frage gegeben hat. "Ja.", bestätigt er. "Außerdem... wollte ich raus. Ich konnte nicht schlafen. Es geht irgendwie einfach nicht." In seinem Satz ist so viel Schmerz herauszuhören, dass ich Angst habe, etwas Falsches zu sagen. Da ist mehr. "Erzähl mir alles, ich bin ja jetzt hier. Bitte verschweige wenigstens du mir nicht alles, ich ertrage das nicht. Sag mir, warum du nicht schlafen kannst.", bitte ich ihn. Shuichiro seufzt, als wäre eh alle Hoffnung verloren und als hätte er keine Wahl, ehe er mit der Sprache rausrückt. "Du erzählst niemandem davon. Ich bitte dich. Wenn du das machst, versuche ich das von letztens noch einmal. Und ich will das nicht. Schwöre mir, dass du nicht ausrastest und die Betroffenen löcherst. Zumindest vorerst nicht.", schärft er mir ein und ich nicke in die Dunkelheit. "Ich habe an dem Tag, als Kyokei-chan umgekippt und mit zu Kaishi-chan rübergekommen ist, gelauscht. Ich wohne bei Kaishi-chan, seit meine Eltern tot sind. Haben über Akira-chan geredet und darüber, dass er sein Gedächtnis verloren und vorher was mit ihm hatte, also mit Akira-chan. Der hat ihm irgendwie gesagt, dass er ihn liebt und die beiden haben rumgemacht, hab ich gehört.", Shuichiro legt eine Pause ein und ich analysiere das alles. Also ist es wahr. Das mit Akira ist noch nicht vorbei, beziehungsweise, es hat wieder begonnen. "Ich bin durch die Tür gestolpert und habe so getan, als wüsste ich von nichts. Kyokei-chan ist dann gegangen und als ich Kaishi-chan gerade die Wahrheit sagen wollte, wie ich es immer tue, weil ich mich doch schuldig gefühlt habe, ist er zurückgekommen und hat mich geschlagen. Er hat sich entschuldigt, aber... Ich konnte nicht anders, als mich von Dach zu stürzen. Ich...", seine Stimme verzagt und er schaut zu den Sternen hinauf. Jetzt sind da wohl doch welche zu sehen. "Warum hast du das getan? Wieso willst du dich umbringen, nur weil Ellie Kaishi Geheimnisse erzählt? Das macht doch überhaupt keinen-", "Ich glaube nicht, dass das Leben ohne Kaishi-chan einen Sinn hat!", unterbricht er mich lauter als ich es erwartet habe. "In dem Moment hatte ich pure Angst, ihn an Kyokei-chan zu verlieren. Ich weiß auch nicht, was mich geritten hat.", meint er und senkt den Blick auf den Betonboden, der jetzt ziemlich kalt sein muss, wenn die Luft um uns herum das schon sehr ist. "Warum? Warum hast du solche Verlustängste um ihn? Weder Ellie noch Kaishi wollen dir irgendwas wegnehmen. Warum tötest du dich instinktiv, um Kaishi nicht verschwinden zu sehen?", will ich wissen und merke, wie die Spannung zwischen uns mit ziemlich vielen Stundenkilometern in die Höhe schießt. Nicht auszuhalten, unerträglich und doch so leicht zu lösen. Die Antwort liegt direkt vor meiner Nase, aber ich habe Angst, ihm wehtun, wenn ich es wage, sie auch nur in Betracht zu ziehen. "Als meine Eltern sich umgebracht haben, war Kaishi-chan der Einzige, den ich hatte. Er und seine Eltern. Das große Haus. Und Kaishi-chan selbst. Ich hatte nur ihn. Und mehr hat nicht gezählt. Wir waren immer zusammen, er hat mich immer verstanden. Und ich... habe mich schon so lange in ihn verliebt. Schon so lange habe ich ihn geliebt, ohne auch nur daran zu denken, es ihm jemals zu sagen. Ich weiß doch, dass er mich niemals so sehen wird, wie ich ihn sehe. Ich weiß das. Und das werde ich immer.", flüstert er und der Wind pfeift mir nochmals in die Ohren. Als wenn er wüsste, wie dieses Geständnis die Hitze des Fegefeuers, das in Shuichiro tobt, erhöht. Als wollte er helfen, es abzukühlen. "Shuichiro...", murmle ich ohne triftigen Grund, einfach so, nur um an ihn zu denken und seinen Namen auszusprechen. Kaishi ist alles, was er hat. Er liebt ihn mehr als alles andere, der eine und einzige Lebenssinn. "Deshalb konntest du nicht schlafen und bist nah draußen abgehauen?", frage ich noch einmal zur Sicherheit. Shuichiro nickt. "Ich darf das eigentlich nicht, aber ich musste einfach raus in die Kälte! Ich weiß auch nicht... Ich habe mir alle zum Feind gemacht, ich habe es verdient, dass Kyokei-chan mich geschlagen hat, ich habe ihn zuerst verletzt, indem ich gelauscht habe. Und Kaishi-chan habe ich ebenfalls nur Sorgen bereitet. Ich weiß nichts mehr... Ich weiß nicht einmal, wie ich es in mein Zimmer zurückschaffen soll.", schluchzt er und zittert am ganzen Körper. Ich schaue auf seine Beine herab, das eine ist fast komplett eingegipst und das andere hat eine Schiene am Knöchel aufwärts, es ist mir ein Rätsel, wie er alle beide benutzen konnte. "Ich benutze eigentlich nur den Rollstuhl, wenn ich raus will, das eine Bein ist gebrochen, das andere verstaucht. Der Aufzug wäre zu auffällig, um ihn zu benutzen, wie der Rollstuhl. Ich bin fast überall verletzt, aber trotzdem habe ich mir die Krücken, die da rumlagen geklaut, um hier zu sein. Das tut verdammt weh.", flüstert er. "Halt dich fest.", befehle ich und stelle mich in die Position, um ihn auf den Rücken zu tragen. "Wir müssen dich so schnell und leise wie es geht zurück in dein Zimmer bringen. Ich helfe dir.", erkläre ich mein Vorhaben. Darauf erwidert er nichts mehr und humpelt zu mir rüber, während ich ihn stütze. Er hält sich an mir fest und versucht, mir nicht in den Nacken zu atmen. "Geht das so? Ich bin nicht zu schwer, oder?", höre ich ihn schwach murmeln. "Bist du nicht. Du kannst noch so viel essen, wirklich fett würde ich dich trotzdem nicht nennen.", teile ich ihm mit. Das meine ich auch. Er ist zwar ziemlich weich, aber sein Babyspeck hält sich dennoch recht unauffällig. Shuichiro schnaubt amüsiert. Die Krücken werde ich später hinterhertragen müssen. Nachdem Shuichiro mir die Nummer seines Zimmers verraten hat und ich ihn mühsam hinaufgetragen habe, verschnaufen wir nun in seinem Zimmer. Ich habe meine eigene Tasche mit den Zähnen getragen, davon tun sie noch etwas weh. "Das mit deinen Eltern tut mir leid.", sage ich nach kurzer Zeit. "Das ist lieb von dir.", meint er, zurück in seinem Bett, wo er hingehört. "Du scheinst viel Schmerzhaftes durchgemacht zu haben, kann das sein?", werfe ich in den Raum, wie blöd von mir, denn auch diese Antwort kenne ich bereits. "Es war nur schmerzhaft, wenn ich allein war. Es ist so unheimlich, wenn Kaishi-chan nicht da ist. Klar, manchmal muss ich allein sein, keine Sorge, ich kann allein duschen und aufs Klo gehen, aber... Du weißt schon.", schüttet er mir sein Herz aus. Ich will ihm so gern sagen, dass alles wieder gut wird, wenn er nur fest daran glaubt, aber solange ich für mich selbst keine Garantie darin sehe, halte ich ehrlich lieber den Mund. Ich bin dabei, es mir doch anders zu überlegen, da klingelt plötzlich mein Handy. Ich durchforste meine Tasche und krame es heraus. Ellie. Ich gehe ran und am anderen Ende herrscht Schweigen. Normalerweise hätte er bestimmt gefragt, wo ich denn sei oder so was, aber er scheint in dem ersten Anruf auf meinem Handy die Zähne nicht auseinander zu kriegen. Wir haben nie telefoniert, das mussten wir nie, denn wir waren schließlich immer zusammen, waren Nachbarn, sind zusammen eingeschlafen und wieder aufgestanden, um zur Schule zu gehen. Die Entfernung war nie groß genug, um einen Telefonanruf nötig zu machen. "Ellie?", hauche ich in den Hörer, auf einmal sind meine Hände feucht und die Zunge klebt mir am Gaumen. Wieso bin ich jetzt so aufgeregt? Es ist nur ein Anruf, es ist immernoch Ellie, mit dem ich da rede. "Chika. Also... Kommst du noch zu Taiyo und mir oder gehst du nach Hause? Ich weiß, dass macht keinen großen Unterschied, weil wir nebeneinander wohnen, aber... Vergiss es, ich... Meine Eltern haben angerufen und wollten fragen, ob Taiyo und ich an den Festtagen nicht bei ihnen feiern wollen, ich will fragen, ob du vielleicht mitkommen willst...", Ellie klingt nervös und außer Atem und es scheint, als wenn er noch etwas anderes wissen will. "Klar, ich würde gerne deine Eltern kennenlernen.", sage ich zu und schweige ebenfalls in das Gerät. Da hängen so viele Worte in der Leitung und keiner von uns hat den Mut, etwas zu sagen, was alles zerstören könnte. Die Zeit, die anzeigt, wie lange die Konversation am Telefon andauert, dehnt sich weiter aus, je mehr sie das tut, desto weniger passt das Wort Konversation, denn wir sagen nichts. Ich warte nur darauf, dass er mich fragt, wo ich mich befinde, aber diese Hoffnung stirbt, als er wieder zu Wort kommt. "Okay... Also dann... Komm gut nach Hause.", beendet er das Gespräch und lässt mich mit der Stille am anderen Ende allein zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)