Erinnerungen an ein Palastleben von C-T-Black ================================================================================ Kapitel 34: Ein göttlicher Zauber --------------------------------- Von seiner Position, an einer der Außenmauern, aus hatte Kazuma gesehen, wie Kasumi zusammengebrochen war. In diesem Moment war seine Welt kurz stehen geblieben. Die Magie, die aus ihr herausgeströmt war, hatte er bis zu sich gespürt. Sie war so stark gewesen. Nichts im Vergleich zu dem, was sie bisher hatte bewirken können. Und als die Welt um ihn herum wieder begonnen hatte sich zu bewegen, hatte er gewusst, dass Kasumi ihre Erinnerungen wiedererlangt hatte. Noch ein Grund, weshalb er seiner Schwester unbedingt zu Hilfe eilen musste. Sie konnte unmöglich gehen, bevor sie nicht wieder an der Seite ihres Ehemannes war. Kazuma sah sich in den Reihen der Verletzten nach Fuyu um. Sie war gerade dabei einen von Isamis Yōkai Kriegern die Schulter zu verbinden. Der menschenähnliche Mann mit seinen Hörnern auf dem Kopf musste ein Oni oder etwas in die Richtung sein. Sie hatte ihre Arbeit gerade beendet, als Kazuma sie erreichte. „Fuyu! Du musst mit mir kommen. Kasumi braucht uns.“, erklärte er sich, während er schon ihre Hand ergriff. Sie zögerte keine Sekunde. Sie drückte seine Hand und folgte ihm. Der direkte Weg zu Kasumi führte mitten durch das Schlachtfeld. Doch Fuyu wusste nicht wie man kämpfte und Kazuma würde sie mit seinen Wurfmessern und seinem kurzen Wakizashi allein nicht schützen können. Deshalb musste er eine Route entlang der Außenmauer wählen, bis er die Reihen ihrer Verbündeten erreichte um von dort an Kasumis Seite zu gelangen. Das dauerte jedoch um einiges Länger und als er Kasumi erreichte, standen sich gerade Benjiro und ein Yōkai im Kampf gegenüber. Direkt neben Kasumi kreuzten sie ihre Klingen und Kazuma brauchte einen Moment um zu begreifen. Er hatte den Yōkai noch nie gesehen, doch er erkannte den blauvioletten Halbmond auf seiner Stirn. Diesen hatte er bereits bei dem großen Inu-Daiyōkai gesehen, dem sie auf dem Lichtbringerfest begegnet waren. Benjiro kämpfte hier mit Kasumis Ehemann, während sie hilflos zusammengebrochen war. „Was macht ihr denn?“, schrie er entsetzt, als er die Drei erreichte. Bei seinen Worten schienen beide aus einer Art Schreckstarre gerissen zu werden. Doch anstatt auf ihn zu reagieren stürzte Kasumis Ehemann an ihre Seite und zog sie an sich. Während Benjiros Katana aus seiner Hand glitt und mit einem Klirren zu Boden fiel. Fassungslos starrte er auf Kasumi und Kazuma eilte an seine Seite. Er hörte, wie Kasumis Ehemann Worte vor sich hin murmelte, konnte sie aber nicht verstehen. Doch was er verstand, war das Entsetzen, auf dem Gesicht seines Bruders. Und als Benjiro ihn ansah, wusste er es. „Kazuma!“ Kazuma spürte Fuyus Hand in seiner. Wie sie ihn fester drückte und auch ihre zweite Hand dazu nahm. Er spürte diese kalte Gewissheit, die von seinem Nacken in seinen Körper kroch und ihn zum Zittern brachte. Eine Gewissheit, die Kazuma nicht wahr haben wollte. „Ka- Kannst du noch etwas tun, Fuyu?“ Seine Stimme zitterte und Tränen, derer er sich nicht bewusst war, erstickten seine Stimme. Er durfte einfach nicht zu spät sein. Das durfte einfach nicht passieren. Wofür hatten sie denn all diese Menschen und Yōkai her gerufen, wenn Kasumi nicht mehr sehen konnte, wie das alles ausging? „Ich weiß es nicht. Ich müsste sie erst einmal sehen.“, sagte Fuyu leise und löste sich dann von Kazuma. Das wollte er auch. Sie sehen. Aus der Nähe. Weshalb er einen Schritt auf Kasumi zu machte. Doch fast sofort riss ihr Ehemann seinen Kopf hoch und fletschte seine unnatürlich langen Fänge in einem Fauchen. Seine Augen rubinrot, die Streifen auf seinen Wangen in gezackten Linien verzogen. Kazuma trat augenblicklich zurück und Fuyu war wieder an seiner Seite und gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass sie es allein tun würde. „Lass mich mal versuchen.“ Kazuma wollte sie aufhalten. Wenn sie nicht aufpasste, würd der Yōkai sie zerfleischen. Doch sie war bereits auf dem Weg. In winzigen Schritten näherte sie sich Kasumi und ihrem Ehemann und wich nicht zurück, als der Yōkai erneut begann zu fauchen. Im Gegenteil. Sie ging in die Hocke und streckte eine Hand nach den Beiden aus. „Ich weiß dass sie schwer verletzt ist. Aber lass sie mich einmal ansehen. Du kennst mich. Vielleicht kann ich ihr noch helfen.“ Sie sprach leise, ruhig, sanft. Es war Balsam für die Seele und anscheinend beruhigte sie auch den Yōkai vor sich damit. Denn er lockerte seinen Griff um Kasumi und bot Fuyu somit die Chance sie untersuchen zu können. Kazuma wusste, wie Fuyu arbeitete und als sie nach wenigen Sekunden wieder aufsah musste sie nichts mehr sagen. Er wusste es. Diese kalte Gewissheit wurde zur Wahrheit, die Kazuma nicht akzeptieren konnte. Nicht akzeptieren wollte. Alles, was er vorhergesehen hatte, hatte sich bewahrheitet. Wie sehr er auch versucht hatte das Schicksal zu verändern. Es war ihm nicht gelungen. Keine seiner Entscheidungen hatte das Ergebnis beeinflusst. Wie damals, als er alle verloren hatte, die er geliebt hatte. Unbändiges Zittern ergriff von Kazuma besitz, als ihm klar wurde, dass er absolut nichts hatte ausrichten können. Wofür war seine Gabe gut, wenn er nichts ausrichten konnte? Wenn er diejenigen nicht schützen konnte, die ihm wichtig waren. Wollte sie ihn nur quälen, bis er es nicht mehr aushielt? Wäre er damals nur mitsamt seinem Dorf ausgelöscht worden. Dann hätte er nicht erneut diesen Verlust erleiden müssen! Kazumas Hand umschloss das Heft seines Wakizashi fest. Bereit es zu ziehen, nur um dieser dumpfen Verzweiflung Luft zu machen. Als eine weitere Person erschien. „Lord Sesshōmaru!“ Ein junger Mann in Mönchskleidung eilte an Kasumis Seite. Die langen, schwarzen Haare zu einem hohen Zopf zusammengebunden. Seine dunklen Augen glitten über Kasumis Körper und goldene Sprenkel leuchten dabei auf, wie ein Feuerwerk am Nachthimmel. Es ging eine seltsame Aura von dem Mann aus, doch Kasumis Ehemann machte keine Anstalten den Mann zu verjagen. Er gehörte also irgendwie zu ihrer Familie. „Ich bin so schnell gekommen wie ich nur konnte. Bitte verzeiht mir, aber ich würde Lady Rin gerne helfen!“ Kazuma wechselte einen Blick mit Fuyu. Sie hatte die Grenzen des ihr möglichen erreicht. Und doch glaubte dieser Mann Kasumi helfen zu können. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Doch etwas Ähnliches musste auch der Yōkai denken, denn er rührte sich keinen Millimeter. „Bitte. Es zählt wirklich jeder Augenblick! Gebt sie mir, Lord Sesshōmaru.“ Nur langsam wich der Yōkai jetzt zurück und ließ zu, dass der Neuankömmling sie an sich nahm. „Ihr kennt euch mit der Heilung aus?“, wand er sich anschließend an Fuyu. Diese nickte sofort. „Das tue ich.“ „Gut. Ich kann jede Hilfe gebrauchen, die ich bekommen kann. Wir brauchen einen geeigneten Raum und dann retten wir das Leben von Lady Rin!“ Erneut nickte Fuyu, bevor sie sich noch einmal zu ihm umdrehte. Wie als wäre er aus einem schrecklichen Traum erwacht, stürmte neuer Kampfgeist auf Kazuma ein. Wenn sich dieser Mann sicher war, dass er Kasumi retten könnte, dann würde er verdammt sein, wenn er nicht alles tun würde, was er konnte um das Wirklichkeit werden zu lassen. Er zog sein Wakizashi und zusammen mit Benjiro schlugen sie sich einen Weg durch die Kämpfenden. Zurück zum Hauptgebäude des Palastes und daran vorbei, bis sie das Schlachtfeld hinter sich gelassen und in einem abgelegene Nebengebäude Unterschlupf gefunden hatten. „Wir brauchen saubere Tücher und Wasser.“, wies der Mann sie an, während er Kasumi auf eine Strohmatte legte. „Und zeigt mir alles aus eurer Tasche. Vielleicht kann ich davon etwas benutzen.“, fügte er zu Fuyu gewandt hinzu. Benjiro rannte aus dem Raum, auf der Suche nach Wasser, während Kazuma die Schränke öffnete und ein paar Stoffbahnen fand. Fuyu leerte in der Zeit die Tasche mit ihren Heilpflanzen und Salben auf den Boden und der Mönch, der offenbar keiner war, fischte sich einige Tiegel aus der Auswahl heraus. „Ihr müsst zurücktreten. Was als nächstes folgt darf unter gar keinen Umständen gestört werden. Verhaltet euch ruhig und bewegt euch nicht, dann könnt ihr bleiben.“, erklärte der Mann, gerade als Benjiro mit einer Karaffe voll Wasser zurückkehrte. Die Drei warfen sich einen Blick zu, bevor sie so weit wie möglich zurück traten und den Mann seine Arbeit machen ließen. Er goss das Wasser in eine Schüssel und streute einige von Fuyus Heilpflanzen hinein. Sowie einige Zutaten, die er aus seiner eigenen Tasche zog. Seine Gebetskette um seine rechte Hand gewickelt, sprach er einige Worte und berührte die Schüssel anschließend mit der Kette. Sofort breitete sich ein süßer Duft im Raum aus, der Kazumas Sinne zu vernebeln schien. Die Ränder seines Sichtfelds begannen zu verschwimmen und immer wieder musste er blinzeln, weil sich seine Sicht trübte, oder weil er glaubte den Mann leuchten zu sehen. Fuyu ergriff seine Hand. Sie zitterte, weshalb er ihre Hand mit seinen umschloss. Sie taten das sehr langsam, um den Mann nicht zu stören, doch er warf ihnen sofort einen scharfen Blick zu. „Jetzt kommt der schwierigste Teil. Ich empfehle euch die Augen zu schließen.“, flüsterte er, während er seine Ärmel zurückband. Kazuma sah, wie Benjiro und Fuyu den Anweisungen des Manns folgten. Er wollte es auch tun, doch er fürchtete, dass dann etwas schreckliches Geschehen würde. Der Mann musste sein Zögern gespürt haben, denn er sah noch einmal auf und die Sprenkel in seinen Augen gaben ihm ein Aussehen, als wäre er nicht von dieser Welt. Unbeschreibliche Ruhe überflutete Kazuma und spülte alle anderen Gefühle davon. Weshalb er letztlich doch seine Augen schließen konnte. Er würde vertrauen, dass alles wieder in Ordnung kommen konnte. Dass sie ihr Schicksal doch ändern konnten. Ein seltsam reißendes Geräusch veranlasste Kazuma dazu seine Augen wieder öffnen zu wollen. Doch er schaffte es nicht. Egal wie sehr er es versuchte, seine Augenlieder wollten ihm nicht mehr gehorchen. Genau so wenig wie der Rest seines Körpers. Er konnte nur still hier sitzen und sich nicht rühren, während dieses schreckliche Geräusch eine Gänsehaut über seinen Rücken jagte. Es klang, als würde er Kasumis Körper in zwei reißen und immer neue Stücke aus ihr heraus brechen. Als würde er sie teilen, um sie wieder neu zusammenzusetzen. Ein schrecklicher Gedanke, der nicht wahr sein konnte. Kein Wesen, das Kazuma kannte wäre zu so etwas im Stande. Zumindest nicht so, dass Kasumi am Ende wieder sie selbst sein würde. Es sein denn… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)